Eigentlich glaube ich ja nicht an die Geschichte vom Zaubertrank, der Superkräfte verleiht, aber irgendwas muss mit KULA SHAKER passiert sein! Oder wie ist es sonst zu erklären, dass eine Band, die nach drei lausigen, hundsmiserablen Alben zu recht völlig abgeschrieben war, und plötzlich wieder mit einem Album aufwartet, das mit dem Debüt „K“ aus dem Jahre 1996 mithalten, wenn nicht sogar es übertreffen vermag?
Wie auf dem Bestseller-Debüt schafft es die Band plötzlich wieder Psychedelic und indische Folkore-Sounds mit Britpop-Melodien zu verbinden, die ohne Umwege ins Tanzbein fahren? Kula Shaker treiben es richtig bunt! Räucherstäbchen und sonstige Rauchwaren anzünden und hinein in den bunten Bollywoodrausch. Wer will darf sich auch einen Punkt auf die Stirn malen und unkontrollierte Zuckungen im Hare Krishna-Style durchführen.
Das Kula Shaker-Reloaded-Album startet mit einem Song, den die Band zwar live schon lange spielt, aber bisher nie auf Tonträger gebannt hat. Dieser schreckliche Fauxpas ist nun Geschichte, denn "Infinite Sun", das mit Sitarklängen anfängt und dann vom Hare Krishna-Rhythmus und seltsamen Indianergesängen getragen wird, erstaunt vor allem durch das für die Band erstaunlich fette Riff, das plötzlich die Melodie nach vorne treibt.
Der zweite Song "Holy Flame" ist ein klassischer Britpop-Song, der ganz ohne fernöstlichen-Flair auskommt. Keine Neuerfindung des Genres, aber der Bandsturz in den Zaubertrank scheint auf jeden Fall die verschollenen Sogwriting-Fähigkeiten wieder hervorgebracht zu haben. Der Tod der Demokratie ("Death of Democracy") wird in einem irischen Kaschemenschunkler besungen. Mit etwas mehr Rotz in der Stimme könnte man sich direkt an diePogues erinnert fühlen.
Zweites Album Highligt: "Love B with U". Ein perlender jazziger Klavierlauf gibt Groove und Rhythmus, dazu eine Portion Hand-Claps und fertig ist ein ziemliche fette Tanzflur-Nummer - über die ausgelutschten Lyrics sehen wir mal etwas hinweg.
Drittes Album Highlight: "Here come my Demons", eine wehleidige, klagende Ballade, die anfangs minimalistisch mit der akustischen Gitarre auskommt, dann weitere Instrumente hinzunimmt, um plötzlich nach zwei Minuten und 40 Sekunden eine fuzzy Gitarre und Riffs ins Spiel zu bringen, um am Ende doch nur in psychedlischen unendlichen Raum zu entfleuchen. Very fein!
Bei "33 Crows" zieht es die Band dann vom fernen Osten in den wilden Westen. Relaxte Country-Nummer, die es Kula Shaker endlich ermöglicht, sich beim nächsten Update in meiner Vögellieder-Liste zu verewigen.
Die Sitar kommt endlich wieder bei "Oh Mary" zum Einsatz und bei der Uptempo-Nummer "High Noon", die Fernost und Wildwest-Klänge vereinigt, sind vor allem die kleinen Soloparts entzückend.
Back to Krishna geht es bei "Hari Bol (the sweetest sweet)". Beim Hören packt mich schon irgendwie das Fernweh und der alte Mann erinnert sich an Goa, Strände, Bidis, seltsame Düfte und schöne Frauen in langen wallenden Gewändern.
Mit "Get Right Get Ready" kann ich mich nicht so sehr anfreunden, auch wenn die Gitarren mal ordentlich auf die Tube drücken, aber dieser Pseudo-FunkRock stinkt zu sehr nach abgegriffenen Utensilien. Der Albumrausschmeißer "Mountain Lifter" ist aber wieder versöhnlich. Hier sind die Gitarren überzeugend und vortrefflich gesetzt.
Insgesamt ein erstaunlich überzeugendes Comeback nach sechs Jahren Pause. Wünschen wir Herrn Mills und seiner Bande, dass sie auch in Zukunft Zugang zum Zaubertrank finden, die Quelle nie mehr versiegen möge und der Aufsteig zum K2 (dürfte der Berg auf dem Cover hinter Krishna sein) so gut klappt wie bei diesem Album.
Namaste und पुनर्ह स्वागत हैं! Tracklist:
01 Infinite Sun
02 Holy Flame
03 Death of Democracy
04 Love B with U
05 Here come my Demons
06 33 Crows
07 Oh Mary
08 High Noon
09 Hari Bol (the sweetest sweet)
10 Get Right Get Ready
11 Mountain Lifter
Normalerweise, wenn ich von Bands E-Mails bekomme, dann sind diese pickepackevoll mit Infos, was auch oftmals sehr hilfreich, manchmal aber auch zu viel des Guten ist. Die Email, die mir diesen Song ans Herz legte, enthielt nichts außer den drei Worten: "Premier track!" und "Enjoy!", sowie einen Link zu Soundcloud und Youtube. Weitere Informationen, auch unter den angegebenen Links, Fehlanzeige.
Also schrieb ich an den mysteriösen Absender, ob er für mich einige Information zu Band und zum Song hätte. Nur wenige Stunden später erhielt ich eine Nachricht vom 23-jährigen Jordan Lempe aus Denver/Colorado, in der er mich aufklärte, dass er hinter dem Namen BLISSSstecke und seine Songs im heimischen Schlafzimmer schreibe, aufnehme und produziere.
Der Song "Badcat" fiel laut Jordan irgendwo vom Himmel während er seit ca. einem Jahr Zuhause an Songs bastele. Plötzlich war "Badcat" in seinem Hirn und wollte nach draußen. In knapp zwei Wochen war der Drop gelutscht und der Song in Gänze abgemischt.
Sollte es noch mehr Menschen auf diesem Planeten geben, die ein solches Groovemonster, das mich vom Flow sehr an das legendäre "Fools Gold" von den Stone Roses, aber auch an neuere Songs von Tame Impala erinnert, im Schlafzimmer basteln, bitte ich unbedingt um sachdienliche Hinweise.
Blisss aka Jordan Lempe plant in den nächsten Monaten weitere Songs und eine EP zu veröffentlichen und dann in den wärmeren Monaten nach Asien zu reisen, um Songmaterial für zukünftige Projekte zu sammeln. Man darf also gespannt sein, was man von Blisss in Zukunft noch hören wird und vielleicht zeigt ja auch eine Record-Company Gespür und es geht deutlich schneller ;-)
Schon wieder Wien! Wanda geht mir mittlerweile ziemlich auf die Nüsse, aber diese gutaussehenden düsteren Herren (Sebastian und Phillipp) plus Dame (Theresa) aus der Stadt des Schmäh, der Heurigen, der Fiaker und der Kaffeehäuser machen so vortrefflichen deutschsprachigen DarkWave-PostPunk anno 1980, dass mir gleich vor lauter Freude wieder die ersten Pickel im Gesicht spriesen - und Herr Cave wird sich, falls er in den Hörgenuss kommt, sicher auch an seine Anfangstage mit The Birtday Party erinnert fühlen ;-)
Für Freunde von scheppernden Gitarren verpaart mit ästhetischen weiblichen Stimmen dürften die Newcomer OUR GIRL aus Brighton ein heißer Tipp sein.
Groovende Drums, eine höchst memorierbare Hookline, dazwischen einige fette Riffs, aber auch stille Momente machen "Sleeper" für einen Erstling zu einem beachtenswerten Song, der darauf hoffen lässt, dass bald eine erste EP oder gar ein Longplayer des Trios bestehend aus Soph Nathan (Vocals, Guitar, Songwriting) Josh Tyler (Guitar), Lauren Wilson (Drums) das Licht der Welt erblickt.
Mein absoluter Gute-Laune-Lieblingssong in diesem Monat - trotz Kackwetter!
Dieser Hybrid aus Steely Dan, Talking Heads, Devo, Beach Boys, Richard Clayderman schafft es wahrscheinlich sogar einen Querschnittsgelähmten mit dem Füßchen wippen zu lassen - ja, das war nicht ganz politisch korrekt, aber, ob sie es glauben oder nicht, Rollstuhllfahrer haben auch Humor, was ich aus eigener 24-monatiger-Erfahrung hier nun total öffentlich ausplaudern kann.
Dank des dazugehörigen Videoclips habe ich jetzt auch einen neuen Song, der mich mit ordentlich Groove und satten Bläser-Eskapaden morgens aus meinem Bettchen schmeisst - besser geht aufstehen nicht!Danke an die fünf Herren von FIELD MUSIC aus Sunderland.Und natürlich empfehle ich auch den sobenen erschienenen sechsten Longplayer namens "Commontime"!
Es muss schon etwas Außergewöhnliches sein, dass Kölner den Rhein überqueren.
Wer schon einmal die Intensität eines VILLAGERS-Konzerts erleben durfte, der wird mir Recht geben, dass Conor J. O'Brien und seine Band es rechtfertigt, diesen Schritt zu wagen.
Freitagabend im D-Dorf an der Düssel. Erstaunlicherweise gibt es keinen Parkplatzmangel am Ort des Geschehens. Auch eine Schlange am Einlass beim Ort des Geschehens ist Fehlanzeige. Stattdessen trifft Yps direkt auf ein paar Arbeitskollegen aus Köln. Wahrscheinlich sind alle Kölner, die beim letzten Villagers-Konzert im Gebäude 9 im Mai 2015 waren, heute Abend auch im ZAKK, um noch einmal einen solch magischen Moment zu erleben.
Ich selber habe dieses Ereignis leider verpasst, aber mein treuer Konzertbegleiter C. war dort und schwärmt seitdem ununterbrochen in den höchsten Tönen: "Man hätte eine Stecknadel fallen hören!".
Seine Begeisterung führte dazu, dass wir alle von ihm zu Weihnachten das Ticket für den heutigen Abend erhielten und nun zu fünft, neben den bereits Erwähnten, natürlich auch die unverwüstliche V. und die frisch aus Asien zurückgekehrte Frau Hase, mit höchsten Erwartungen an einen Freitagabend in Düsseldorf stehen. Sachen gibt's!
Dass ZAKK füllt sich langsam, ausverkauft wird es aber wohl nicht werden, und noch bevor wir das erste Bierchen in Händen halten, spielen schon die Ye Vagabonds aus Irland ihren Support. Die beiden Herren sind äußerst sympathisch und talentiert, aber das ausgeprägte Tremolo im Gesang geht mir schon nach kurzer Zeit etwas auf die Nerven - vielleicht vertragen meine grippegeschwächten Ohren heute Abend aber auch einfach solche Klänge nicht, denn meinen Konzertmitstreitern gefällt, was sie hören.
Wir platzieren uns nach dem relativ kurzen Set der Ye Vagabonds weit vorne, da noch genügend Platz scheint, aber eine Düsseldorferin sieht dies ganz anders und quatscht uns dumm von der Seite an. Mädchen, Mädchen, wenn du 3qm Umgebungsfreiraum brauchst, dann bring die Absperrhütchen mit oder besser noch spiel Tennis, da hast du beim Einzel ein Netz zwischen dir und anderen Menschen.
Dann betritt Conor - ist er etwa noch kleiner geworden oder macht das der Vollbart? - mit vier Mitmusikern die Bühne. Eine rothaarige Dame an der Harfe, ein Herr mit Batschkapp an den Keys, ein Schlagzeuger und ein Kontrabassist. Ja, es hat sich so einiges an der Instrumentierung geändert, seit Conor Spaß daran gefunden hat, seine Songs in neue Gewänder zu kleiden.
Das aktuelle Album "Where Have You Been All My Life" (Album-Review) zeigt eindrucksvoll wie ausgezeichnet das Songwriting des Iren ist und wie wunderbar unterschiedliche Arrangements einen Song verwandeln können.
Conor hatte für die Tour zum Album schon angekündigt, dass er selbst noch nicht genau wüsste wie er die einzelnen Lieder präsentieren werde, es könne nämlich durchaus sein, dass sich der ein oder andere Song erneut verwandle. Wie bereits gesagt, Conor scheint es unglaublich Spaß zu machen mit seinen Lieder zu spielen und was sind bessere Voraussetzungen für ein Konzert als ein Künstler, der etwas mit Leidenschaft und Spaß präsentiert.
Wir hatten vermutet, dass die Band wie auf dem Album mit "Set the Tigers Free" beginnt, aber der Mann am Kontrabass beginnt das Konzert mit dem Basslauf zu "Memoir". Aber Oh Gott, der Sound ist übel, die Vocals sind viel zu leise und die einzelnen Instrumente im Soundbrei kaum abgebildet. Wir vermuten, dass es an unserer Position direkt vor der Bühne liegt und flüchten beim zweiten Song "So naive" in die hinterste Reihe. Der Song ist minimalistischer, so dass man nicht direkt sagen kann, ob unser Spontanumzug etwas gebracht hat, aber auf jeden Fall ist es nun besser als vorne und mit Song Nummer Drei "Dawning On Me" scheint man den Sound endlich einigermaßen im Griff zu haben.
Der erste Gänsehautmoment entsteht, als die Villagers "I saw the Dead" vom ersten Album "Becoming a Jackal" spielen. Jetzt ist sie da die Präsenz des Frontmanns, die Klaviertöne perlen wie Tränen. Als nächstes erklingt "The Pact (I'll Be Your Fever)", ebenfalls vom Debütalbum, aber im Gegensatz zum vorherigen Song wird an diesem Stück wieder eine Verwandlung vorgenommen. Das Arrangement wirkt wesentlich jazziger als die ursprüngliche Version, was vor allem am Schlagzeuger liegt, der dem Song einen anderen Groove gibt und ihn von der Niedlichkeit des Originals deutlich entfernt. Ungewohnt, aber mir gefällt es.
Auch "Nothing arrived", einer meiner Lieblingssongs vom 2013 erschienenen Album "{Awayland}", verändert sich in Richtung Jazz, wird aber soweit heruntergebrochen, dass aus der einst sehr poppigen Nummer ein melodramatisches Stück wird, das deutlich schwerer zu verdauen ist als im Original. Der treue Konzertbegleiter C. findet gar es tut dem Song nicht wirklich gut.
Zum Dahinschmelzen ist und bleibt "Everything I Am Is Yours", das auch von vielen Zuhörern sofort erkannt und ins Herz geschlossen wird. Endlich ist es so still wie es wohl auch im Gebäude 9 war, was bisher leider nicht durchgehend geklappt hat. Links von mir ist konstant ein Pärchen am Fummeln und quatschen und hinter mit sind zwei Herren, die zu Beginn jedes Songs einen Fachkommentar abgeben.
Aber jetzt setzt sich doch andächtige Stille durch, denn mit "My Lighthouse" kommt ein weiteres Meisterwerk aus Conors Feder. Gibt es einen schöneren Song als diesen über Freundschaft? Das bringt mich dazu, mal wieder meinen lieben Konzertbegleitern für diesen unvergesslichen Abend zu danke. Thank you friends!
Die Intensität des Konzerts wird von Song zu Song stärker. "The Soul Serene" ist mit den zarten Harfenklängen unwiderstehlich, "Twenty-Seven Strangers" vom Debütalbum glänzt durch ein völlig verändertes Schlagzeug-Arrangement und als dann mein derzeitiges Lieblingsstück "Set the Tigers Free" erklingt, bin ich wahrscheinlich nicht der Einzige hier im Saal, der die Zeit anhalten möchte, damit dieses Konzert nie zu Ende geht.
Den nächsten Song "Hot Scary Summer" kündigt Conor mit den Worten an, dass er diesen Song eigentlich sonst immer den Homosexuellen widmet, aber heute Abend einfach allen Menschen. Das Arrangement bleibt wie auf dem aktuellen Album, aber die Ansage Conors hat mich noch am Abend grübeln lassen, ob der Ire vielleicht auch Gay ist und sich damit in die großartige Riege schwuler Künstler wie Scott Matthew oder John Grant einreiht?
Die Internetrecherche am nächsten Tag bringt mich zu einer Review vom Deutschlandfunk und ich bin tief beeindruckt, was ich dort über Conor lese und was er speziell über den Song "Hot Scary Summer" und auch über "Courage" erzählt.
Nach dem vom Songwriting her etwas blassen "Little Bogot" kommt endlich der Song, der die größte Metamorphose vom Original bis zum Jetzt vollzogen hat und auch live ist "The Waves" ein episches funkelndes Kleinod mit beeindruckender Kraft. Very fein!
"Occupy Your Mind" kündigt Conor als den einzigen Song der Villagers an, zu dem man Tanzen kann und tatsächlich beginnen einige im Publikum mit dem Oberkörper zu wackeln. Der 2014 nur als Single veröffentlichte Song ist heute Abend tatsächlich die rockigste und temporeichste Nummer, aber zu "The Waves" im Original kann man doch auch sehr wohl tanzen ;-).
Mit dem letzten Song vor der Zugabe, der minimalistischen Klavierballade "No One To Blame" ,werden Körperzuckungen aber direkt wieder ausgebremst und Melancholie, Romantik und Poesie wieder nach vorne gebracht. Schon etwas kitschig, aber auch schön solche Textzeilen wie "See there's a mystery in your eyes. A kind of swimming pool, for swimming fools like me".
Das Zugabenset beginnt mit dem Glen Campbell Cover "Wichita Lineman", die zwar immer noch nach Country riecht, aber in Conors Version so voller Emotionalität steckt, dass einem ganz beseelt zu Mute wird. Irgendwie denke ich an Bonanza und Hoss und Hop Sing und unbeschwerte Kindheit. Was dieser Conor alles mit einem macht ist schon beängstigend ;-).
Und dann fragte der irre Ire doch auch noch bei "That Day", "Can you hear me now?". Ach Conor es war uns wie immer ein Fest dich zu hören und wer es jetzt immer noch nicht kapiert hat, dem wird beim letzten Song, dem herrausragenden "Courage" wohl klar, dass Villagers-Konzerte IMMER eine Pflichtveranstaltung sein sollten. Amen und Danke für die Fotos an Frau Hase.
Ö
Setlist: Memoir So Naive Dawning On Me I Saw the Dead The Pact (I'll Be Your Fever) Nothing Arrived Everything I Am Is Yours My Lighthouse The Soul Serene Twenty-Seven Strangers Set the Tigers Free Hot Scary Summer Little Bigot The Waves Occupy Your Mind No One To Blame
Wahrscheinlich stehen hierzulande bei dem Namen MARIANNE DISSARD vor einem großen Fragezeichen. Was allerdings bei den meisten verschwindet, wenn sie hören, dass Madame Dissard auch gerne mit den allsseitsbekannten Alternative-Country-Bands Giant Sand und Calexico aus Tucson (Arizona) gemeinsame Sache macht.
Um weitere Fragezeichen verschwinden zu lassen erst einmal ein kleiner Abriss aus dem Lebenslauf der Chansonsängerin, Songwriterin und Filmemacherin. Geboren wurde Madame Dissard 1969 in einer südfanzösischen Kleinstadt names Tarbes.
Im Alter von 16 Jahren verlies ihre Familie wegen einer beruflichen Versetzung ihres Vaters Frankreich und zog nach Phoenix/Arizona. Mit knapp 20 beginnt Dissard ein Filmstudium in Los Angeles. Howe Gelb, den sie kurz vorher bei einem Konzert kennenlernte bot ihr an, übergangsweise in seinem Appartement in L. A. zu wohnen. Fünf Jahre nach dieser Begegnung der beiden kreativen Köpfe dreht Dissard einen Dokumentarfilm namens "Drunken Bees" über Giant Sand.
Ihren ersten musikalischen Auftritt hat Dissard mit dem Giant Sand-Ableger Calexico im Jahr 2000 beim Song "The Ballad of Cable Houge". 2004 gründete sie die Damencombo Tucson Sufragettes, eigentlich nur mit dem politischen Ziel, die Wiederwahl von G. W. Bush zu verhindern - was ja leider nicht von Erfolg gekrönt war - aber von da an war die logische Konsequenz, dass Dissard ihre Leidenschaft für die Musik immer mehr zum Beruf machen würde. Folgerichtig erschien 2008 ihr erstes Album "L'entredeux", eingespielt mit Muskern aus dem Calexico-Umfeld, auf dem sie ihre verschiedenen Einflüsse von Chanson bis Americana gekonnt miteinander verband.
Das nun erschienene Best-of-Album "Cibola Gold", mit sehr geschmack- und liebevoll ausgeschmücktem Booklet, präsentiert eine dreizehn Songs umfassende Auswahl ihrer fünf seit 2008 veröfffentlichen Alben. Cibolaist eine der sagenumwobenen Städte aus Gold, die die Conquistadores im amerikanischen Südwesten vermuteten – ein Ort in Arizonawurde im Laufe der Geschichte später nach dem Mythos benannt und dort fand Marianne Dissard fast 30 Jahre lang ihre Heimat.
Die musikalische Heimat von Madame Dissard lässt sich auf "Cibola Gold" hervorragend verorten. Geschickt pendeln ihre immer in französischer Sprache vorgetragenen Songs zwischen klassischem Chanson, Neo-Chanson, Country, Folk und DessertRock. Wie im Song "Les Draps Sourds", wo sie von einer wilden Bettgeschichte erzählt, drehen sich ihre Lieder vorwiegend um die Lust und die Liebe.
Würde man in Frankreich durch Wüsten reiten können, wäre la musique de Madame Dissard der ideale Reisegleiter. Mein Pferdchen würde besonders bei den Songs "The One And Only", "Election" und "Trop Exprès" ganz famos die Hufe schwingen.
Zur Zeit ist Marianne in einem Pariser Studio, um ein neues Album in englischer Sprache aufzunehmen. Vielleicht beginnt demnach ein neuer musikalischer Abschnitt in ihrer Karriere, also der ideale Zeitpunkt um sich das "Cibola-Gold" zu entdecken.
Tracklist:
01 Les Draps Sourds *
02 The One And Only **
03 Election ***
04 Cayenne *
05 Les Confettis ****
06 Tortue ***
07 Almas Perversas **
08 Trop Exprès *
09 Pomme ***
10 La Peau Du Lait **
11 It’s Love *****
12 Un Gros Chat **
13 Am Letzen ***
Erschienen auf:
* L’Entredeux [2008]
** L’Abandon [2011]
*** The Cat. Not Me [2014]
**** Cologne Vier Takes [2015]
***** Paris One Takes [2015]
Am 8. Mai ist Muttertag. Auch wenn sich der Titel der neuen Platte "Songs for our Mothers" von Fat White Family so anhört, dürfte es auf diesem Planeten nur sehr wenige Mütter geben, denen man zu diesem Muttergedenktag die ganz in schwarz gehüllte Scheibe auf den Gabentisch legen könnte.
Keine Angst Mama, ich behalte die Scheibe ;-).
Machte die Fat White Family aus Großbritannien - welch wunderbarer Bandname - auf dem Erstling "Champagne Holocaust" aus dem Jahr 2013 noch bösen provokanten LoFi-GaragePunkRock, der herrlich in der Aufforderung gipfelte, Disneyland in Schutt und Asche zu legen, ("Bomb Disneyland") schaltet das Sextett nun einige Gänge zurück und setzt auf deutlich ruhiger, seltsam groovige und verdammt dunkle Klänge. Aber keine Angst, provokant und hässlich bleiben die in Wahrheit gar nicht fetten Herren weiterhin, was bei der Düster-LoFi-Abschiedsballade "Gooybye Goebbels" schon der Titel verrät.
Auf ihren wohl legendär widerlichen Live-Performance-Shows, die ich leider noch nicht sehen konnte, sind die giftigspritzenden Alptraum-Schwiegersöhne schon einzigartig und es scheint so, als ob es der Fat White Family mit "Songs for our Mothers" gelingt auch ihr musikalisches Profil in Richtung Unverwechelbarkeit zu schärfen. Sänger und Songschreiber Lias Saoudi und Gitarrist/Co-Songschreiber Saul Adamczewski, den Oberchaoten der Familie, gelingt es jedenfalls mit dem neuen Songmaterial es mir verdammt schwer zu machen, irgendwelche Querverweise zu anderen Künstlern aus dem Rock 'n' Roll-Zirkus herzustellen.
ABER ein Künstler, wenn auch von der schreibenden Zunft, klopft kontinuierlich an die Türe meines Kammerstübchens, wenn ich den dicken weißen fetten Jungs lausche. Vielleicht ahnt es der ein oder andere, es handelt sich um Provokateur und Romantiker Monsieur Michel Houellebecq.
Ähnlich wie beim französischen Romancier legt die Fat White Family den (Zeige-)Finger konsequent immer genau dorthin, wo es wehtut - egal ob der Finger dann stinkt, brennt oder zur Strafe abgehackt wird. Wie gut man diese Strategie der politischen Provokation findet, sollte keine Frage sein, es liegt aber wie so oft im Auge - hier auch im Ohr - des Betrachters, ob Grenzen zu recht, zu unrecht oder unnötigerweise überschritten werden.
Musikalisch spannend ist es aber auf jeden Fall, wenn die fetten Jungs hektisch flirrenden KrautRock mit Disco verpaaren ("Whitest Boy on the Beach", "Tinfoil Deathstar"), FreeJazz-Klänge auf tiefe Electro-Bassläufe knallen ("Satisfied"), mit verschleppten Tempis eine Art futuristische Trauermarschmusik erschaffen ("Love Is the Crack", "We Must Learn to Rise"), tiefdunkle chorale Klänge zelebrieren ("Duce"), fluffige Italo-Western-Melodien klingen lassen als ständen diese unter einer Überdosis Schlafmittel ("Lebensraum", "When Shipman Decides"), zwangsgedrosselten DiscoFunk & Psychedelic verschmelzen ("Hits Hits Hits") oder auf der akustischen Klampfe Herrn Goebbels mit schwer alkoholgeschädigter Stimme ein Abschiedsliedchen trällern ("Goodbye Goebbels").
Tracklist:
01 Whitest Boy on the Beach
02 Satisfied
03 Love Is the Crack
04 Duce
05 Lebensraum
06 Hits Hits Hits
07 Tinfoil Deathstar
08 When Shipman Decides
09 We Must Learn to Rise
10 Goodbye Goebbels
TY SEGALL gehört mit Sicherheit zu den Menschen, die keine fünf Minuten ruhig auf ihrem Arsch sitzen können, denn anders ist es nicht zu erklären, dass der US-amerikanische Musiker und Songwriter in einer Geschwindigkeit Platten herausbringt, gerade so als könne man ein Album einfach zwischen Frühstück und Abendessen aus dem Hut zaubern.
Das Erstaunliche an diesem Musicoholic ist, dass Segall aber nie die Ideen ausgehen, egal ob er Solo oder mit einem seiner zahlreichen Bandprojekte (Fuzz, The Traditional Fools, Epsilons, Party Fowl, Sic Alps, The Perverts, Ty Segall Band) am Start ist. Zwar sind die Produktionen nicht selten etwas schludrig - was beim 60sGarageGlam-Rock-Genre aber sowieso eine eher untergeordnete Rolle spielt - aber es mangelt ihnen nie an Kreativität.
Auch der neueste Streich "Emotional Mugger" des Mannes aus San Francisco sprüht über vor Ideenreichtum und natürlich kommt auch Segalls liebstes Effektgerät, das Death-By-Audio-Fuzz-War-Pedal, wieder zu höchsten Ehren. Als zusätzliches Effektelement hat Seagull nun zusätzlich die Regler am Mischpult entdeckt. Was bei "Candy Sam", dem Monster-Hit mit dem Stooges-Stomp auf "Emotional Mugger" dazu führt, dass einem ganz schwindelig wird, weil das Fuzzinferno von Box zu Box hüpft und es einem die Gehörgänge verdreht. Very fein!
Im Vergleich zu "Manipulator", Segalls vorherigem Album aus dem Jahr 2014, pfeift der Meister des FuzzRock sich selbst wieder zurück. 2014 klang alles deutlich aufgeräumter, ausgefeilter und besser produziert als vorherige Publikationen. Zum Dank durfte Seagell erstmals einen Einstieg in die US-Album-Charts (Rang 45) verbuchen.
Vielleicht war es aber genau dieser Umstand, der dazu führte, dass er nun wieder zurückgreift auf die altbewährte LoFi-Keule, die Gitarren mit den Fuzz-Pedals verschweißt und mit "Emotional Mugger" einen solch fuzzig-punkigen Radau abliefert, dass es höchst unwahrscheinlich scheint, dass sich Ty 2016 in ähnliche Chartsregionen aufschwingen könnte.
Um nicht von Anfang an die geneigte Hörerschaft mit einem Hörschaden zu beglücken, beginnt das Album mit "Squealer" für seine Verhältnisse brav. Die Stiche ins Ohr sind noch wohldosiert, die Riffs klar definiert und mit etwas weniger Fuzz könnte man das Grundgerüst des Songs in die Nähe des BluesRock von Jack White manövrieren. "Californian Hills" wird dann deutlich dreckiger und düsterer, obwohl eine Prise GlamRock à la Marc Bolan in der Luft liegt, von dem TySegall ja bekanntermaßen ein großer Fan ist.
Bei "Emotional Mugger / Leopard Priestess" lässt Seagell die Gitarren dann von der Leine. Die Biester kreischen, überwerfen sich, sägen, stottern und machen Hooks gerade wie es ihnen gefällt. Die Eier zum Frühstück ("Breakfast Eggs") sind nichts Anderes als perfekt organisiertes Chaos. Um die Ohren mal wieder so richtig freizubekommen, empfiehlt es sich, das Frühstück mit einer Lautstärke zu zelebrieren, die dafür sorgt, dass der Nachbar im Schlafanzug mit Pantofffeln vor der Türe steht und ein zerbrochenes Glas aus der spiesigen Glasvitrine in der Hand hält.
Der Angriff auf die Ohren wird aber noch fetter! "Diversion" klingt wie eine riesenfette fuzziversierte Version von Plastic Bertrands "Ça plane pour moi " (1977). Und mit dem Gitarren-Sologewitter gegen Ende lässt sich wahrscheinlich sogar ein jahrzehntelang verstopftes Toilettenrohr freipusten! Und jetzt kommt der Knüller: "Diversion" ist eine Coverversion von The Equalsaus dem Jahre 1973 und stammt aus der Feder von Eddy Grant, den einige sicher aus seiner Solokarriere kennen ;-). What the hell!
Zappaeske Züge treten bei "Baby Big Man (I Want a Mommy)" zu Tage. Klingt wie eine Drogen-Rock-Oper, bei der der Hauptprotagonist gerade eine ziemlich üble Zeit mitmacht. Die einzige Nummer, die dem aus diesem großartigen Album herausstechenden Song "Candy Sam" das Wassser annähernd reichen kann, ist "Mandy Cream". Das Ding groovt ungemein funky, hat ein wunderbarer Hooks, tolle Riffs und verwöhnt sogar mit spacigen Synthesizerklängen. Aushilfssänger sind übrigens Bandmitglieder von King Tuff, was nicht unerwähnt bleiben soll. Aber "Candy Sam" ist DAS DING auf "Emotional Mugger"! Was durchaus dazu führen kann, dass sich Ty Segall trotz seines Gegensteuerversuches wieder in einigen Charts am Ende des Jahres finden lässt ;-).
Nach "Candy Sam" hat es jede Nummer schwer, aber "Squealer Two" lässt sich nicht bange machen und groovt da weiter, wo "Mandy Cream" aufgehört hat, nimmt dann aber eine kleine Abzweigung in Richtung PsychedelicRock. Dann schleicht sich "W.U.O.T.W.S." an Flipperklängen und der Schallschutztüre des Proberaums vorbei. Passiert dabei die weiteren Bandproberäume und saugt alle Klänge in sich auf - die Beatles scheinen auch irgendwo im Kellergewölbe versteckt zu sein.
Das Finale findet im dunklen Keller statt. Bedrohlich pulsiert bei "The Magazine" ein finsterer Beat, Segalls Stimme tritt erstmals richtig in den Vordergrund und Noiseattacken aus der Dunkelheit greifen nach dem Hörer bis letztendlich alles zerfällt und einem nichts anderes übrig bleibt, als die Nadel direkt noch mal zum Anfang der Rille zu bewegen. Fuckin' fantastic weired record! Fuzz, Fuzz, Fuzz!
Tracklist:
01 Squealer
02 Californian Hills
03 Emotional Mugger / Leopard Priestess
04 Breakfast Eggs
05 Diversion
06 Baby Big Man (I Want a Mommy)
07 Mandy Cream
08 Candy Sam
09 Squealer Two
10 W.U.O.T.W.S.
11 The Magazine
Wir, mein treuer Konzertbegleiter C. und ich, standen vor einer schweren Entscheidung. Kindergeburtstag mit Deichkind in der großen schrecklichen Halle, Tristan Busch vom Staatsakt-Label im Underground II oder die zarteste Versuchung an der Gitarre im Clubbahnhof Ehrenfeld.
Die Würfel fielen aus verscheidenen Gründen auf WOLF ALICE mit der aparten Ellie Roswell als Frontfrau. Die 23-jährige Ellie startete Wolf Alice 2010 ursprünglich als Solo-Acoustik-Act, fand aber schnell mit Gitarrist Joff Oddie einen Mitstreiter und mauserte sich schließlich mit Drummer Joel Amey und Bassist Theo Ellis (2012) zum Quartett.
Der Clubbahnhof ist trotz starker Konzertkonkurrenz an diesem Abend gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Das Publikum verteilt sich über alle Altersklassen, wobei auffällig viele weibliche Teenager direkt vor der Bühne ihr Unwesen treiben.
Der Konzertabend beginnt mit Sundara Karma, ebenfalls aus Großbritannien stammend. Die noch verdammt junge Band, bestehend aus vier Herren, haben nicht nur einen ausgesprochen schlechten Geschmack für Bandnamen, sondern auch für Bühnenoutfits. Auch wenn das Auge mitisst, interessiert es mich aber nicht die Bohne, wenn die Band mich musikalisch überzeugt. Aber auch hier kann ich für das Quartett nur den Daumen nach unten senken. Pathetischer PopRock mit aufgeblähten Suede-Posen und klarem Augenmerk auf belanglosem StadionRock. Sorry, aber wirklich grauenvoll.
Gegen 20:30 betritt dann Wolf Alice die Bühne. Ich bin nicht so sehr mit dem Repertoire der Band vertraut, dass ich jeden Song an diesem Abend erkenne, aber der Einstiegssong "Your Loves Whore" erkenne ich sofort. Schon beim ersten Song wird ersichtlich, dass die Band sehr gut eingespielt ist und vorzüglich miteinander harmoniert. Die kurzen Stopps in "Your Loves Whore" kommen mir live noch einige Millisekunden länger vor, aber die Briten sind perfekt im Timing und ich bin hingerissen von der hervorragenden Live-Stimme von Ellie Roswell.
Es mag sein, dass ich als Angehöriger des männlichen Geschlechts es nicht wirklich objektiv beurteilen kann, aber für mich ist Misses Roswell ein regelrechter Augenmagnet, obwohl sie sich nicht gerade als Rampensau, sondern eher sehr kontrolliert und kühl präsentiert.
Bei "Freazy", einer sehr poppigen Nummer mit DreamPop-Elementen wird mir klar, dass mein eher dem harten Sound zugeneigter Konzertbegleiter C. an diesem Abend nicht voll auf seine Kosten kommen wird. Natürlich lassen Wolf Alice, wie beispielsweise bei "Fluffy" auch ordentlich die Gitarren krachen, aber es bleibt immer sehr clean oder, um es mit C's Worten zu sagen "Es fehlt das Schmutzige".
Ich kann mich aber trotzdem für die Band begeistern, weil das Songwriting wirklich gut ist - da merkt man wohl, dass Ellie als Singer/Songwriterin gestartet ist - und ich finde der Rasierklingenritt zwischen DreamPop, IndieRock und StadionRock gelingt außerordentlich gut. Auf die Nerven geht mir nur Bassist Theo, der immer wieder zum Mitklatschen auffordert und leider auch einige Konzertbesucher dieser Aufforderung nachkommen. Ich hasse diese Bierzeltstimmung, weswegen auch klar sein dürfte, warum ich mich mit den österreichischen Senkrechtstartern Wanda so schwer tue!
Sehr gut gefällt mir heute Abend neben den lauteren Songs vor allem das sehr atmosphärische von Drummer Joel Amey gesungene"Swallowtail", das mich, obwohl es keine Frau singt, an wunderbare Mazzy Star-Stücke erinnert. Bei dem letzten Song vor der Zugabe, "Moaning Lisa Smile" und "You're a Germ" beweist Ellie ihre stimmliche Vielfalt und deutet auf jeden Fall an, dass sie wie von C. gewünscht, irgendwann doch noch auf die dunkle Seite wechseln kann ;-).
Das Zugabenset nach knapp 60 Minuten regulärer Spielzeit ist dann auch wirklich feinste Sahne. Es beginnt ganz zärtlich mit dem folkigen "Turn to Dust", bei dem Ellie ihre Stimme noch einmal in aller Pracht präsentieren kann und endet folgerichtig mit dem extrem schmackhaften Riesenpfirsich. "Giant Peach" ist natürlich der ultimative Hit der Band, die Gitarren brettern und Ellie klingt wie die Bühnen-Reinkarnation von Justine Frischmann (Elastica). Großartiger Song!
Auch wenn Herr C. an diesem Abend nicht ganz glücklich den Clubbahnhof verlässt, so sind wir uns doch ziemlich einig, dass Misses Roswell und ihre Gitarre zur Zeit so ziemlich das heißeste Duo im Rock 'n' Roll-Zirkus sind. Die Zukunft wird zeigen in welche Richtung sich Wolf Alice nach ihrem 2015er Debütalbum "My Love is cool" entwickeln. Mehr Dirtyness, mehr Stadion oder bleibt es der Ritt auf der Rasierklinge? All we can do is sit and wait!
Es ist wirklich schon sieben Jahre her, als JOCHEN DISTELMEYER, ehemals Blumfeld mit "Heavy" fragte "Wohin mit dem Hass?" Wie so oft seiner Zeit voraus, warf der gebürtige Bielefelder Fragen auf, die auch Jahre später noch von großer Relevanz sind.
Aber was treibt einen Musiker, der so elegant und intelligent mit seiner Muttersprache umgehen kann und damit deutschsprachige Musik auf ein neues Level hob, dazu, ein reines Coveralbum in englischer Sprache aufzunehmen?
Liegt es daran, dass Distelmeyer für seinen im letzten Jahr erschienenen Erstlingsroman "Otis" alles Pulver verschossen hat und sich jetzt womöglich mal was "Einfacheres" gönnen will?
Die These ist Spekulation, aber wahr zu sein scheint, dass Jochen Distelmeyer während der Lesereise zu seinem Buch "Otis" desöfteren zur Gitarre griff, um seine Lieblingslieder zu spielen und daraus erstand dann wohl die Idee für "Songs From The Bottom Vol.1". Bleibt die Frage, ob es eine gute Idee war, diese live sicher amüsanten Coverversionen auf Konserve zu bannen?
Mein Erstkontakt mit "Songs From The Bottom Vol.1" war vor geraumer Zeit schon die Britney Spears Coverversion "Toxic". Meine erste Reaktion: "Ach, Jochen muss das sein?". Meine Zweite: "Kann man sich an das Schulenglisch, welches Jochen zu Gehör bringt, gewöhnen? Oder gar lieben?" Ich verweise an dieser Stelle immer gerne darauf hin, dass ich den Akzent liebe, den Franzosen haben, wenn sie englisch singen.
Dann erhielt ich das Rezensionsexemplar und war auf den ersten Blick größtenteils sehr erfreut über die Auswahl der Songs, Radiohead, Lana Del Rey, Aztec Camera ,Kris Kristofferson usw., aber eigentlich war natürlich zu erwarten, dass Jochen einen guten Geschmack hat.
Auf Anhieb erwärmen konnte ich vor allem mit "This Old Road" von Kris Kristofferson und auch das Lana Del Rey-Cover "Video Games" hat in dieser von Jochen bis auf den Kern reduzierten Version einen speziellen Charme. Und was aus dem "Pyramid Song" von Radiohead wird, ist schlicht ergreifend puristisch und schön - kann aber natürlich trotzdem nicht dem Original das Wasser reichen ;-).
Die Herangehensweise Jochens an das auserwählte Songmaterial ist konsequentdie
gleiche. Runter mit der Buchse, damit man einen unverhüllten Blick auf
das Popskelett werfen kann. Die Gitarre fungiert als Lead-Instrument,
die klare Stimme immer präsent im Vordergrund und nur ganz begrenzt
dürfen andere Instrumente, vorzugsweise das Klavier, musikalische
Akzente setzen.
Man könnte auch sagen Jochen hat ein Lagerfeueralbum
für Freunde aufgenommen - nicht mehr und nicht weniger.
Tracklist:
01 Just Like This Train (Joni Mitchell)
02 On The Avenue (Aztec Camera)
03 Video Games (Lana Del Rey)
04 I Read A Lot (Nick Lowe)
05 Toxic (Britney Spears)
06 Pyramid Song (Radiohead)
07. Let's Stay Together (Al Green)
08. I Could Be The One (Avicii vs. Nicky Romero)
09 Turn Turn Turn (Pete Seeger)
10 Bitter Sweet Symphony (The Verve)
11 This Old Road (Kris Kristofferson)
12 Beautiful Cosmos (Ivor Cutler)
Finnen haben ja mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass man ihnen gerne das Etikettchen "Cool" umhängt. Es führt wohl zu weit zu eruieren, woher dieses ungeheuerliche Vorurteil stammt, aber ich persönlich gehe davon aus, dass die Leningrad Cowboys daran nicht unerheblich Schuld tragen.
Das Quartett THE SCENES aus Oulu, natürlich Finnland, wird leider auch nichts gegen dieses Vorurteil machen können, denn im Video zu "Despair of Zeitgeist" geben sich die jungen Herren ganz dem Vorurteil hin und lassen die Gitarren wunderbar knarzen. Feiner Song, der fluffig zwischen FirstWaveEmo und 80s-IndieRock herumspaziert.
Das dritte Album "Sex, Drugs And Modern Art" der kühlen Nordmänner erscheint am 26. Februar auf Cargo Records.
Dass die jungen Briten aus London sich dem IndieRock der 90er verschrieben haben, dürfte auf den ersten beiden Alben "Yuck" (2011) und
"Glow & Behold" (2013) jedem Deppen sofort aufgefallen sein. Auf dem Debüt war das ziemlich großartig, auf dem zweiten Streich nur noch gut.
Jetzt gibt es den ersten Song vom dritten Streich "Stranger Things", der Ende diesen Monats erscheinen soll. Damit jetzt auch der letzte Vollpfosten checkt, in welchem Genre hier musiziert wird, heißt das Stück "Cannonball" - ist aber keine Coverversion der Breeders. Nicht ganz so smashig und wuchtig wie der Klassiker von Madame Deal, aber je öfter ich das Stück höre, desto mehr zuckt mein Füßchen bei YUCKim Takt mit.
Dass man bei dieser Besetzung auf etwas nicht Alltägliches hoffen kann, ist berechtigt und als Iggy in einen Interview mit der New York Times verlauten ließ, dass sich das neue Album an den historischen Meilensteinen "The Idiot" und "Lust for Life", die Iggy 1977 zusammen mit David Bowieschuf, orientiert, wuchs die Spannung weiter.
Und "Gardenia" hält, was Pop versprochen hat. Der Song klingt wirklich und wahrhaftig als wäre Bowie noch an der Seite von Iggy und wenn man nicht genau hinhört, könnte man sogar meinen Bowie singen zu hören.
Wirklich wieder zu schön, was sich die beiden Musik-Anarchisten Brezel Göring und Françoise Cactus aka STEREO TOTAL als Vorbote für ihr Ende Februar auf Staatsakt erscheinendes Album "Les Hormones" ausgedacht haben.
Die sinnliche Freude, mit der die beiden nun schon seit mehr als 20 Jahren verschrobenen LoFi-PuzzlePop servieren, zeigt sich bei "Zu schön für Dich" dieses Mal nicht nur in Musik und Text, sondern auch besonders im Bild des liebevollen Music-Clips.
PAMPELMUSENBUSEN! Es lebe der 4-Spur-Kassetten-Recorder!
HERZPLATTEN - REMEBER THAT OLD SHIT Kategorie: ArtRock / ProgRock / Alternative / GlamRock Veröffentlichung: 1973
Es war das zweite Album der Artrocker ROXY MUSIC um Frontmann Bryan Ferry. Als es erschien, war ich noch zu jung (7), aber es hat nicht lange gedauert, bis mein musikalischer Horizont diesen Meilenstein der Popmusik auftat. Ich weiß nicht, wie oft ich mittlerweile das Album gehört habe, unzählige Mal trifft hier ausnahmsweise mal wirklich des Pudels Kern, aber noch immer zeigt es keinerlei Abnutzungserscheinungen.
Normalerweise wechseln im Laufe der Jahre bei einem Lieblingsalbum ja immer die favorisierten Songs, aber auf "For your Pleasure" blieb es immer "In Every Dream Home A Heartache". Die Stimme Ferrys, die bei diesem Song ja mehr spricht als singt, packt mich noch heute eiskalt im Nacken und wenn dann die Gitarren (gespielt von Phil Manzaneras und verzerrt von Brian Eno) bei 03.:07 ausbrechen, ist es wie ein ekstatisches befreiendes Gewitter. Nach dem Gewitter folgen 10 Sekunden absolute Stille, ehe das Soundgewitter erneut ausbricht, um nach 5 Minuten und 29 Sekunden zu verstummen. Tja, und der Inhalt ist übrigens eine Ode an eine aufblasbare Puppe - „I blew up your body, but you blew my mind!“
"For your Pleasure" ist das letzte Album der Band mit Ferrys kongenialem Partner Brian Eno. Was dieser auf "Editions of You" auf dem Synthesizer fabriziert während Ferry mit der Theatralik eines eitlen Gockels die Vocals dem Zuhörer vor die Füße spuckt, ist einzigartig und schräg. Und kann ein Saxophon (Andy Mackay) besser in einen Rocksong integriert werden als auf diesem Album?
Das dem Album den Namen gebende Stück "For your Pleasure" ist ein Stück, welches sich als Zukunftsvision für die beiden Leader von Roxy Music erwiesen hat. Die melancholisch getragenen poppigen Parts wurden im Verlauf der kommenden Jahre zu Ferrys Heimat, während die ausufernden experimentellen, in Richtung Ambient und Trance gehenden, wabbernden Songstrukturen eindeutig schon sehr viel von Enos späteren Solo-Alben vorwegnehmen. Auch der wohl rockigste Song, den Roxy Music jemals aufnahmen, befindet sich mit "Do the Strand" auf diesem Meisterwerk, auch hier sorgt ein Saxophon für in der Rockmusik ungewöhnliche Klänge.
Auf "Beauty Queen" singt Ferry - manchmal klingt es eher wie das Meckern einer Ziege - von seiner Ex-Freundin Valerie Leon, die damals Miss Britain war und in B-Movies als Schauspielerin agierte. War ein echt heißer Feger, was man auch heute noch unter: http://www.valerieleon.com/ ersehen kann. Später wurde der Song oft mit Bildern von Amanda Lear visualisiert, die auch auf dem Cover von "For your Pleasure" posiert und zur Zeit der Albumentstehung Ferrys Herzensdame war.
"Strictly Confidential" ist zurückhaltender ArtRock mit Flöte und viel Dramatik, bei dem die quietschende Gitarre mehr und mehr die Melodie anficht. Die volle schräge Ladung gibt es beim sowohl spacigen als auch von einem funky Beat getragenen "The Bogus Man". Auch hier lässt sich die spätere Soundmalerei Brian Enos schon ablesen, wenn man sich der mehr als 9 Minuten langen hypnotischen Funk-Suite hingibt. "Grey Lagoons" ist dagegen der "konventionellste" Song auf diesem Album, variiert aber geschickt mit Tempi-Wechseln, spielerischer Instrumentierung (natürlich Saxophon, aber auch das Mundharmonika-Solo von Ferry ist ne Wucht) und schmeißt urplötzlich die Struktur über Bord, um zum Boogie-Monster zu mutieren.
Ein fulminantes Werk einer großen Band der Popgeschichte - was sogar viele Hip-Hopper erkannt haben, die in vielen Songs Samples aus Roxy Music-Werken und ganz besonders von diesem Album eingesetzt haben!
Reviews in der Sparte Singer/Songwriter werden ja häufig mit Adjektiven wie melancholisch oder nachdenklichen bedacht, aber es gibt auch Ausnahmen wie Eleanor Friedberger,die seit sie auf Solopfaden wandelt, auf ihren Alben charmantenSongwriterFolkPop mit sonnigem Sixties-Flair verbreitet.
Auch auf "New View" geizt Friedberger nicht mit ausgefeilten Arrangements und Kompositionen, auch wenn sich dieses Mal kein Hit wie "I Don't Want To Bother You" , aus ihrem letzen 2013 erschienenen Album "Personal Record", befindet.
"New View" ist weniger groovender Pop als es der Vorgänger war. Das neue Werk orientiert sich eher an Eleanor Friedbergers Debütalbum "Last Summer" aus dem Jahr 2011, als sich die Amerikanerin von ihrem Bruder, mit dem sie die IndieRock-Band mit PostProg-Attitüde Fiery Furnances bildete, erstmals löste, um "einfachere" Musik zu machen.
Aber "einfach" bedeutet bei Friedberger keinesfalls einfallslos. Im Gegenteil, dass Friedberger weiter als Songwriterin gereift ist, merkt man daran, dass ihre Songs sich anfangs gerne sperren und erst nach mehrfachem Hören ihre verspielten Feinheiten und intelligenten versteckten Ohrwurmmelodien freigeben. Friedberger ist alles andere als ein Schreihals oder jemand, der mit dem großen Ausrufezeichen wild rumhantiert. Friedberger beherrscht mit ihrer federleichten Musik die Kunst, angenehm unaufdringlich zu sein ohne zu langeweilen!
Bestes Beispiel ist der erste Titel des Albums, "He Didn't Mention His Mother", der schier unauffällig dahinplätschert und erst Aufmerksamkeit auf sich zieht, wenn in der Mitte des Songs plötzlich ein kleines feines Gitarrenintermezzo aus der Reihe tanzt. Nach und nach erschließen sich dann die vielen Kniffe und Finten, die in diesem zeitlosen Stück tatsächlich versteckt sind.
Ähnlich funktioniert "Your World", nur dass bei diesem Song die Keys und nicht die Gitarre einen munteren Ausflug ins Unerwartete startet. Bereits nach Song Nummer vier kann man summieren, dass Friedberger auf "New View" deutlich relaxter und mit weniger überbrodelten Elan, wie zuletzt beim für einen Kurzfilm beigesteuerten Song "False Alphabet City" praktiziert, zu Werke geht.
Bei "Never is a Long Time" schafft Friedberger das Kunststück in die Schnittstelle zwischen Bob Dylan und Carole King vorzustoßen. Sie spielt mit den Worten wie Dylan und findet innerhalb eigentlich traditioneller Songstrukturen neue kleine unausgetretene Pfade wie einst Carole King.
Mit "Cathy with the Curly Hair" ist dann doch plötzlich wieder der Groove und Drive des letzten Albums präsent, aberauch in dieser Bestandsaufnahme einer sich lösenden Beziehungwirdunterschwellig langsam deutlich, dass Friedberger sich während dem Sonwriting zu diesem Album nicht unbedingt in ihrer glücklichsten Lebensphase befand.Was bei "Never is a long Time" offen zu Tage trat, wird nun immer deutlicher: Die Songs auf "Niew View" tragen zwar weiterhin größtenteils ein sonniges Gemüt im Herzen, aber es liegt ein (sehr persönlicher) Schatten darüber.
"Two Versions of Tomorrow" bestärkt die eben getätigte These. Auf den ersten Hinhörer ein wunderbares Stück zum Abhängen in der Sonne und erst nach und nach erschließt sich die im Stück und den Lyrics verankerte melancholische Note.Ganz und gar und von Anfang an eingefangen hat mich der emotionalste Song des Albums: "All Known Things". Großartige rumpelnde Melodie, wunderbare Breaks und träumerische Instrumentalparts. "Very fein", wie man hier zu sagen pflegt! Nächste Feststellung: Das Album wird nach hinten raus zunehmend griffiger! Auch die beiden letzten Songs "Does Turquoise Work?" und "A Long Walk" gehören zu den schönsten Titeln, die Friedberger bisher veröffentlicht hat. Das psychedelisch angehauchte "Does Turquoise Work?" ist nur leider viel zu kurz, aber beim deutlich längeren "A Long Walk" über Countrygefilde möchte man sofort zum Frühlingsspaziergang aufbrechen.
Tracklist:
01 He Didn't Mention His Mother
02 Open Season
03 Sweetest Girl
04 Your Word
05 Because I Asked You
06 Never is a Long Time
07 Cathy with the Curly Hair
08 Two Versions of Tomorrow
09 All Known Things
10 Does Turquoise Work?
11 A Long Walk
2009 startete Zachary Cole Smith aus Brooklyn als Gitarrist bei der IndieRock-Band Beach Fossils seine Karriere als Musiker. 2011 verlässt er die Band und gründet sein Soloprojekt DIIV. Anfangs in der Schreibweise Dive, aber nach Rechtsstreitigkeiten mit einer gleichnamigen belgischen Industrialband ändert er den Namen in die suchmaschinenoptimierte Schreibweise DIIV.
Im Juni 2012 debütiert die vierköpfige Band mit dem Album „Oshin“, auf dem es den New Yorkern gelingt, Shoegaze, PostPunk und IndieRock ins DreamPop-Lager zu entführen.
Vier Jahre später meldet sich DIIV nun endlich mit einem neuen Longplayer - im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Album "Is the Is Are" umfasst ganze 17 Songs - zurück. Man merkt dem neuen Werk nicht auf Anhieb an, über welch langen Zeitraum die Songs entstanden und mit welchen Schwierigkeiten Mastermind Zachary Cole Smith in der Zwischenzeit zu kämpfen hatte, aber man merkt sofort, dass in den bisher relativ unbeschwerten Sounds düstere Elemente eingezogen sind.
Gegen Ende des Jahres 2012 beginnt Smith eine Beziehung mit der als Model und Sängerin bekanntgewordenen Sky Ferreira, die in der Presse hohe Wellen schlägt als im September 2013 bei den beiden in einem Fahrzeug bei einer Polizeikontrolle Heroin und Ecstasy gefunden werden. Das gewaltige Drogenproblem des jungen Mannes wird offenbar und die staatlichen Instanzen verdonnern ihn zu einem Drogenentzug, den er im Januar 2014 antritt.
Nach dem Entzug konzentriert sich Smith endlich wieder auf die Musik und beginnt nun verstärkt am schier schon für unmöglich gehaltenen Nachfolger von "Oshin" zu arbeiten.
Wie beim Debütalbum ist es der fließende Gitarrensound, der auch das neue Album zusammenhält, aber wo es 2012 noch verträumt und sehsuchtsvoll klang, klingt es nun oft schwelgerisch melancholisch bis depressiv und entrückt. Smith wildert weiterhin in den unterschiedlichsten Sparten des alternativen Musik (KrautRock, Shoegaze, NewWave, Post-Punk), aber nicht mehr so unbekümmert und naiv. Hat Smith seine Lektion fürs erste also gelernt? Man darf daran zweifeln, denn im Song "Take your Time" verarbeitet er seine Drogenerfahrungen und philosophiert darüber, dass er Drogen zur Selbststärkung benutzte und dass diese niemals Macht über ihn gehabt hätten. Es scheint immer noch ganz schön viel Ponyhof im Kopf des 30-Jährigen herumzuschwirren.
Auch die anderen Stücke auf "Is the Is Are" beschäftigen sich fast ausschließlich mit Smiths Drogenproblematik, was sich vorausahnend schon an den Songtiteln ablesen lässt. Das Album beginnt mit dem schwelgerischen verträumten Shoegaze von "Out of Mind", an das sich das mit brummendem Bass und wunderbaren Gitarrenschwällen ausgestattete "Under the Sun" anschließt.
Erstmals in die Düsternis geht es bei "Bent (Roi's Song)", wo Smith auf seinen typischen weichen Gesang weitgehend verzichtet und sich im melodiösen Sprechgesang gegen spooky Klänge und Noiseattacken zur Wehr setzt und von Freunden erzählt, die im Drogensumpf stecken.
Es folgt der großartige Rausch "Dopamine". Dopamin ist ein biogenes Amin und ein wichtiger Neurotransmitter, der die menschliche Psyche in Bezug auf Motivation und Antrieb stimuliert. Der gutgelaunte Song mit der Schlusszeile "Got so high I finally felt like myself" unterstreicht inhaltlich die von Smith geäußerte These zur Selbststärkung durch Drogen. Ob das gebrannte Kind wirklich das Feuer scheut??
Beim etwas monotonen "Blue Boredom" darf Sky Ferreira die Liebe seines Lebens, die Vocals übernehmen. Nette, laszive Stimme, aber für die Liebe des Lebens wäre doch auch ein Song mit besserem Songwriting drin gewesen ;-). "Valentine" ist wieder deutlich stärker. Treibender Beat, spooky Sounds im Hintergrund und psychedelische Gitarrenausflüge wie auf frühen The Cure-Platten. Würde Robert und nicht Zachary Cole Smith singen, könnte man "Valentine" auf "Faith" verstecken. Und auch das anschließende "Yr Not Far" orientiert sich am Sound der Düsterhelden aus den frühen 80ern.
Mit "Is The Is Are" reitet Smith auf der KrautRock-Welle, wahrscheinlich gibt es keinen Menschen mit Musiksachverstand, der nicht deutlich Neu!-Klänge aus diesem Treck heraushört. Trotzdem sehr schön! Aber es wird noch schöner, denn mit "Mire (Grant's Song)" liefern DIIV ihren bisher besten und komplettesten Song ab. Großartige Nummer mit dunkler Wucht und fetten Gitarren!
Gar nicht sooo teuflisch klingt dagegen "Incarnate Devil". Zwar bedrohlich à la The Horrors, aber nur unterschwellig, denn wie immer bei DIIV bleibt es insgesamt doch sehr melodiös.Nach einem 18 Sekunden langen "(Fuck)" ohne Worte schimmert der "Healthy Moon" durch zarte loophafte Gitarrenschwaden, bevor mit "Loose Ends" das Tempo wieder erhöht und das Hymnenhafte, das vielen DIIV-Songs anhaftet, nach Vorne geholt wird.
Nachdem wie aus dem Nachbarhaus durch dicke Wände wahrgenommenen "(Napa)" breitet sich das alles einhüllende "Dust" aus. Normalerweise schluckt man Staub ja nicht so gerne, aber dieser Staub mit dem predigten Herrn Smith ist einfach nur fett und bombastisch und prächtig und himmlisch. Und auch der letzte Song "Waste of Breath" hält das beachtliche Niveau dieses schaurig schönen Geisterwerks, indem er urplötzlich noch mal anzieht und Krach und Melodie zum Duell bittet.
Ich wünsche weitere solche Platten von DIIV unter der Federführung von Zachary Cole Smith und hoffe, dass er mit allem Recht behält, er auch ohne Drogen wunderbar drogenverhangene Werke erschafft und von mir aus dabei sogar alt und fett wird an der Seite seiner Liebe des Lebens. Amen.
Tracklist:
01 Out of Mind
02 Under the Sun
03 Bent (Roi's Song)
04 Dopamine
05 Blue Boredom [ft. Sky Ferreira]
06 Valentine
07 Yr Not Far
08 Take Your Time
09 Is The Is Are
10 Mire (Grant's Song)
11 Incarnate Devil
12 (Fuck)
13 Healthy Moon
14 Loose Ends
15 (Napa)
16 Dust
17 Waste of Breath