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Freitag, 27. März 2015

NEW SONGS Vol. 88: ROMANO ... GLEN HANSARD ... ERNST MOLDEN & DER NINO AUS WIEN ... MODEST MOUSE

ROMANO / Metalkutte ... GLEN HANSARD / It Was Triumph We Once Proposed (Songs of Jason Molina) ... ERNST MOLDEN & DER NINO AUS WIEN: Ganz Wien ... MODEST MOUSE / Strangers to Ourselves (LP)

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ROMANO / Metalkutte


Am 19.2. bekam ich von Anne von Melt! Booking eine Infomail, dass beim vom INTRO-Magazin Introducing-Konzert im April neben Anderen ein gewisser ROMANO an den Start gehen würde.

In die anderen Bands hörte ich kurz rein und stellte fest, das reißt mich nicht so richtig vom Hocker. Schwierig gestaltete sich die Recherche nach diesem seltsamen Romano, der im Infotext wie folgt beschrieben wurde:

"Romano ist einigen vielleicht eher bekannt als Siriusmo's blondschöpfiger Cornerboy, der sich in seiner goldfarbenen Bomberjacke erstmal von den Nachbar-Omis die Haare flechten lasst, um dann vor Magrittas Imbiss abzuprollen. Man möchte ihm zuwinken, wenn er im Schrittempo mit seinem 7er BMW durch die City fährt wie ein gut parfümierter Paradiesvogel. Dabei macht Romano ehrlichen Rap - über Metalmusik, das Bankenwesen, die Liebe und darüber, warum jeder erstmal einen Klaps auf den Po verdient."

Der Text  machte mich aber so neugierig, dass ich einige Zeit mit Tante Google verbrachte, um über dieses seltsame 1977 in Berlin Köpenick geborene Zopf-Wesen mit Putin-Verwechselungsgefahr Informationen zu finden. Die Schwierigkeit lag darin, dass Romano seine musikalischen Outputs und seinen Namen (Roman Geike, MC Ramon, Romano, Cornerboy, Left Coast, Dayton the Fox [Listen] schneller wechselt als der griechische Finanzminister seine Statements.

In der neuesten Inkarnation haut er uns fetteste Beats in die staunende Fresse. Minimimale Beats, scharfzüngiger Text. Krasses Video. Besteht Hoffnung für Helene Fischer?












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GLEN HANSARD / It Was Triumph We Once Proposed (Songs of Jason Molina)

Jason Molina war ein in Chicago lebender Musiker, der bereits mit 39 Jahren verstarb. GLEN HANSARD war ein großer Fan seiner Musik. Er schrieb an Molina einen Fan-Brief und war hocherfreut und gleichzeitig erstaunt, als dieser ihm antwortete. Es entstand eine Freundschaft über viele Jahre, die in einer gemeinsamen Tour und in Form einer Split-Vinyl-Single auch musikalische Früchte trug.

Im März 2013 starb Molina an Organversagen und Hansard war tief bestürzt vom Tod seines Freundes. Er versammelte Musiker um sich, die mit Molina gespielt hatten, um die Lieder seines Freundes zu spielen und dieses tragische Ereignis zu verarbeiten. Obwohl nicht geplant, entwickelte sich daraus eine EP die Glen Hansard nun zu Ehren seines verstorbenen Freundes veröffentlicht hat.

"It Was Triumph We Once Proposed" enthält fünf  hochemotionale Titel, die wie man es von Hansard kennt, den Hörer wohlig wärmend umschmiegen. Alle Stücke sind von Molina geschrieben worden und wurden Hansard neu interpretiert. Ein ergreifendes Abschiedsgeschenk an Molina und an uns.





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ERNST MOLDEN & DER NINO AUS WIEN: Ganz Wien

Und auch aus Österreich kommt ein Tribute-Song. Der ebenfalls viel zu früh verstorbene Falco veröffentlichte 1982 sein erstes Soloalbum "Einzelhaft". Neben dem Welterfolg "Der Kommissar" befindet sich auf dieser Platte auch der Song "Ganz Wien", welchen nun der NINO AUS WIEN und ERNST MOLDEN in eine karge Blues-Nummer verwandeln.

Das Konzept "Aus Alt mach Neu" gilt auch auf dem Album "Unser Österreich", welches die beiden vor kurzem herausgebracht haben. Darauf skelettieren die beiden Österreicher bekannte und unbekannte Songs weiterer Landsmänner (Georg Danzer, Wolfgang Ambros, Sigi Maron).


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MODEST MOUSE / Strangers to Ourselves (LP)

Acht Jahre hat es gedauert, bis die IndieRocker vom MODEST MOUSE wieder mit einem neuen Album auf sich aufmerksam machen. Verdammt lange Zeit, um Fans bei der Stange zu halten, selbst wenn man in Szene-Kreisen Dank "Dashboard" einen gewissen Kultstatus genießt.

Während das Albumcover sehr strukturiert und reglementiert wirkt, es handelt sich um eine Luftaufnahme einer am Reißbrett entwickelten Siedlung in Arizona, zeigt sich die Band auf "Strangers to Ourselves" sehr vielfältig. Mit welchen musikalischen Mitteln Modest Mouse ihre Botschaften (Isoaltion, Identitätskrise) verbreiten ist ihnen schnurzpiepegal!

Bei "Pistol" klingt das nach Rap, bei "Coyotes" und "Strangers to Ourselves" nach Folk à la Connor Oberst, bei "Sugar Boats" nach Rummelplatz meets Brass-Band, bei "Wicked Champaign" nach hymnischem Indie-Pop, "Be Brave" kreuzt Blues und Pixies-Sound, Lagerfeuer an und Bierdose auf, heißt es bei "God is an Indian and You're an Asshole", "The Tortoise and the Tourist" atmet PostRock, und Anheizer für die Indie-Disco sind "Lampshades On Fire" und "The Ground Walks, with Time in a Box".

15 unterschiedliche Songs, aber 15mal eine unverkennbare Handschrift. 15mal very fein, wie man hier zu sagen pflegt!


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Montag, 23. März 2015

THE JON SPENCER BLUES EXPLOSION / "Freedom Tower" No Wave Dance Party 2015

New York Urban Groove! Wer bereits seit 1992 die Welt mit herausragenden Alben mit einem einzigartigen Soundgebräu aus  Rock ’n’ Roll, Blues, Soul, Rockabilly, Noise, PunkRock und Hip-Hop versorgt, und dann so ein 10tes Album hinlegt wie die JON SPENCER BLUES EXPLOSION, den darf man dann doch wohl ungestraft das Prädikat "besonders wertvoll" verpassen.
Vielen Bands geht im Laufe ihrer Karriere irgendwann die Luft aus, die Ideen versiegen, man kopiert sich selbst oder schlimmer noch Andere.

Bei der Jon Spencer Blues Explosion lodert das Feuer mehr denn je. Ach Feuer, "Freedom Tower" ist eine Explosion, die ganze Städte oder besser NY in Schutt und Asche legt. Brandstifter seid ihr Herr Spencer, Herr Bauer und Herr Simins!

Gnadenlos ist dieses Album. Gnadenlos im typischen JSBX-Sound, deutlich HipHop-lastiger als mancher Vorgänger, aber so facettenreich, dass ein umfassendes musikalisches Statement vom Moloch New York abgebildet wird. Freilich kein Liebesbeweis wie in schon manch anderer Künstler der Stadt vermachte, sondern Zitat: "It is a document of New York City, a chronicle of grit and terror and love!"



Dreizehn Titel jagt die JSBX mit ungebremster Spielfreude durch die Rillen. Knapp 35 Minuten dauert der zügellose Ritt und wer sich traut auf das ungesattelte Wildpferd zu springen, der ist danach klatschnassgeschwitzt und glücklich. Was folgen muss ist der Satz, der wahrscheinlich einige Fans erschrecken wird, aber es muss sein: DIE BESTE PLATTE DER JON SPENCER BLUES EXPLOSION und nicht weniger als ein MEISTERWERK des Genres.

Anspieltipps: "Funeral", "Do the Get Down" (wandert definitiv demnächst in die INDIE-DISCO), "Betty vs the NYPD", "Crossroad Hop", "The Ballad of Joe Buck", "Tales of New York: The Rock Box" (s. Klammer bei Song 2), "Cooking for Television" und der andere Shit natürlich auch.



Freitag, 20. März 2015

NEW SONGS Vol. 87: DELTABURST ... DOLDRUMS ... BERNHARD EDER ... TOCOTRONIC

DELTABURST / Crazy tonight ... DOLDRUMS / My friend Simjen ... BERNHARD EDER / The Queen and the Knight ... TOCOTRONIC / Prolog

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DELTABURST / Crazy tonight


Wie einfach eine coole Rock'n'Roll-Nummer gestrickt sein kann! DELTABURST kommen aus Dänemark, ist ein Duo bestehend aus Lasse Pedersen & Mikkel Olsen, das mit "Crazy Tonight feat. Jonas Sharpe" dem Hörer ein dickes Brett vor dem Kopf knallt.

Ist das StonerRock? Ist das ElectroRock? Egal, die beiden scheinbar Bekloppten (siehe Video) machen höllisch Spaß, und wenn das für den Herbst angekündigte Debütalbum hält, was es verspricht, dann werde ich auf jeden Fall auch die für Deutschland angekündigten Tourdaten im Auge behalten.



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DOLDRUMS / My friend Simjen

Wer das neue Prodigy-Album "The Day is my Eminem", welches am 27. März erscheint, nicht mehr abwarten kann, der kann sich mit "My friend Simjen" von DOLDRUMS aus Kanada vertrösten. Der Kanadier Airick Woodhead paart harte elektronische Beats mit verzerrten Vocals, die nach Tricky klingen und tiefen Bässen.

Auf ihrem aktuellen Album "The Air conditioned Nightmare", demnächst auf SubPop, ist die Spielwiese aber deutlich weiter abgesteckt. Groovende sphärische Tracks wie "Loop", TripHop lastige Nummern wie "We Awake", ElectroClash ("HotFoot") oder düstere ElectroGothic-Songs wie "Blow Away" wechseln sich ab, so dass das Album sehr abwechslungsreich ist und sich gerade in Heavy-Rotation in meiner Playlist befindet. Für Elektriker also wärmstens zu empfehlen!



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BERNHARD EDER / The Queen and the Knight
Ja hört das denn gar nicht mehr auf mit den musikalischen Leckereien aus Österreich?? Who the fuck ist nun schon wieder dieser EDER?

Also, der Bernhard ist Oberösterreicher. Geboren 1975. Er lernt den Beruf des Kfz-Mechanikers, tauscht aber recht zügig ölverschmiertes Werkzeug gegen musikalische Instrumentarien. Ende der Neunziger Jahre belegt er einen zweijährigen Audioengineer-Lehrgang in Wien und beginnt danach ein Jazzgesang-Studium am Wiener Konservatorium. Nebenbei werkelt er nicht unerfolgreich, es entstehen drei Alben, in der GitarrenPop-Band Wa:rum. In den Jahren 2006 bis 2008 lebt er in Berlin und verfeinert seine Fähigkeiten als Singer-Songwriter, um den Fußstapfen von Größen wie Elliot Smith oder Nick Drake zu folgen. Sein musikalischer Outout explodiert: 2007 "The Livingroom Sessions", 2008 "Tales from the East Side", 2010 "The Unexpected" (EP), 2011 "To Disappear Doesn't Mean To Run Away", 2011 "Bernhard Eder & die Nibelungen", 2012 "Post Breakup Coffee", 2013 "The Lost Ones" (EP) und noch weitere Kollaborationen.

Vor wenigen Tagen erschien nun das Album "Nonsleeper" mit der Singleauskopplung "The Queen and the Knight" und siehe da, die verfolgten Fußstapfen der verehrten Singer-Songwriter-Größen sind gar nicht mehr so groß. Very fein!


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TOCOTRONIC / Prolog

Neues Futter für Textzeilenanalytiker.

TOCOTRONIC
klingt, wie Tocotronic eben (fast) immer klingt, aber auf "Prolog" doch erstaunlich minimalistisch. Abnutzungserscheinungen gibt es trotzdem wenig, weil Dirk von Lowtzow und Kumpane trotz aller Intellektualität ihre Adressaten immer erreichen. Schönste Textzeile: "Du sagst du lerntest deinen Hass zu tanzen in der Schule der Extravaganzen." Mal schauen, ob das rote Album dem weißen das Wasser reichen kann.

In einem Kommentar zum gerade veröffentlichen Video habe ich einen Satz gefunden, der mir endlich verdeutlicht, was mich, nachdem ich die Tocos einmal live erleben durfte, an der Band - die ich eigentlich sehr schätze - stört: Wo sind die Eier! (danke an den User "dein_boeser_Anwalt" für diese Erkenntnis!


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Sonntag, 15. März 2015

NEW SONGS Vol. 86: DUTCH UNCLES ... JONAS ALASKA ... DIAMOND RUGS ... LADY LAMB THE BEEKEEPER

DUTCH UNCLES / O Shudder (LP) ... JONAS ALASKA / Younger (LP) ... DIAMOND RUGS / Cosmetics (LP) ... LADY LAMB THE BEEKEEPER / After (LP)

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DUTCH UNCLES / O Shudder (LP)


Über die Musik auf dem vierten Album der englischen SynthiPop-Band lässt sich eigentlich nur Gutes vermelden. Die Kompositionen sind kreativ und raffiniert und erinnern mich stellenweise ("Babymaking", "Decided Knowledge", "Accelerate") an die in den frühen Achtzigern ziemlich erfolgreichen Waliser von Scritti Polliti. Herausragendes Merkmal der Songs bleibt aber dennoch die ungewöhnliche Stimme von Sänger Duncan Wallis, die es auf "O Shudder" mit einem immensen Instrumentarium (Holzblasinstrumente, Marimba, Streichern) zu tun bekommt.

Die Dutch Uncles erzählen vom Älter werden, aber nicht nur vom Älter werden als Grundproblem, sondern von der Familiengründung, von der Jobsuche, also expliziten Fallbeispielen aus dem Leben eines Endzwanzigers der gehobenen Mittelklasse. Der Sound ist elegant (Remember Roxy Music) - sehr smart - und obwohl eine Menge Verspieltheit in den gerne auch jazzigen Arrangements steckt, sind die feinen Melodien (Paradebeispiel: "In and Out") doch immer präsent.



Sind Puppen im Clip jetzt in? Nach Locas in Love geistert auch im neuen Clip der DUTCH UNCLES eine schäbige Puppe umher. Sorry, aber das passt hier genauso wenig wie bei Locas in Love und wertet die Musik deutlich ab. Bitte diesen Trend SOFORT beenden!



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JONAS ALASKA / Younger (LP)

Nachdem JONAS ALASKA vor kurzem endlich eine Art Best of (""If only as a Ghost") des Norwegers auf dem deutschen Markt veröffentlicht wurde, erscheint nun mit "Younger" eine LP mit wirklich neuem Material bei uns. Der junge charismatische in Norwegen mit Preisen überschüttete Skandinavier hat sich deutlich weiterentwickelt und zeigt mehr Mut zu lauten Tönen. Der Sound ist rauer geworden und Alaska lässt es sogar zu, dass man auf einige Songs durchaus tanzen könnte ("Astronomy").

Kann man seine Vorgängerplatten alle mit dem Etikett "feiner Singer/SongwriterPop mit Folkwurzeln" versehen, wird das bei "Younger" deutlich schwerer. Die Melodien sind noch immer exquisit ("All the movies"), aber nun gehen auch mal die elektrischen Gitarren ("I'm sorry", "Paper plane" klingt nach Weezer in Bestfrom! und "Friend") mit ihm durch, es klingt düsterer ("Animal") und mir fällt kein besseres Wort ein, erwachsener. Fazit: Bisher eines der besten Alben des Jahres.

Anspieltipps: "Becky" mit feinsten Ecken und Kanten und einer Lässigkeit, wie sie eigentlich nur Mark Oliver Everett besitzt.

Am 28.5. spielt Jonas Alaska in der Kassette in Düsseldorf, was fürchte ich dazu führt, dass ich seit langer Zeit mal wieder ein Konzert in besagtem Dorf besuchen werde.




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DIAMOND RUGS / Cosmetics (LP)

Die Projekt Supergruppe aus Robbie Crowell (Deer Tick),  Ian Saint Pé (The Black Lips), Hardy Morris (Dead Confederate), Steve Berlin (Los Lobos) und Bryan Dufresne (Six Finger Satellite) will es zum zweiten Mal wissen.

"Cosmetics" klingt deutlich ausgereifter als das erste Album "Diamond Rugs" aus dem Jahr 2012. Der schön rotzige Rock'n'Roll ("Live and Shout it") ist geblieben, der Hang zum traditionellen Riff auch ("Clean"), aber das Songwriting ist besser geworden (z. B. "Ain't Religion") und die Palette an Instrumenten wurde tatsächlich um Bläser (Baritonsaxophon) erweitert ("Couldn't help it", "Meant to be").

Der auffälligste Song ist "Killin' Time" mit einer akustischer Gitarre, die an "Personal Jesus" von Depeche Mode denken lässt und einer Orgel, die sich immer wieder schrill in den Vordergrund drängt. Das, was Deer Tick auch perfekt beherrscht - nennen wir es GoodTime-Beer-Drinking-Music - wird hier bis aufs Äußerste zelebriert. Perfekt passt danach das swingende "Bloom", wo die Orgel dann erst so richtig zeigen darf, wo der Hammer hängt :-).

Den auffälligsten Song hatten wir schon, aber der beste Song "Motel Room" kommt am Ende des Albums. Schmutzig, nein eher total dreckig, rau, roh und seeeehr rifflastig.

Bonuspunkte gibt es außerdem für das Cover-Artwork, welches das Beastie Boys Meisterwerk "Paul's Boutique" huldigt!


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LADY LAMB THE BEEKEEPER / After (LP)

Hinter dem etwas sperrigen Bühnennamen LADY LAMB THE BEEKEEPER (oft auch nur als Lady Lamb tituliert) verbirgt sich keine Band, sondern die amerikanische Singer-Songwriterin Aly Spaltro. Wer jetzt denkt, es handele sich um sanften traditionellen amerikanischen Folk oder Country, mit dem die in Maine Geborene die Welt erobern will, der wird sich wundern, wie kraftvoll und energisch dieses Lämmchen tatsächlich ist. Zu allererst vergesst Kategorien, dann vergesst die Assoziation vom sanften friedlichen Lamm. Madame Spaltro wildert in allen Gärten, pflügt sie wie ein Wirbelwind um und hinterlässt Zuhörer mit offenem Mund.

Seit 2007 schreibt die Amerikanerin Songs, nimmt sie Zuhause auf und experimentiert mit allem, was ihr in die Finger kommt. In ihrer Discography auf Wikipedia stehen bereits 7 (!) Alben und ich bin mir ganz sicher, dass nicht wenige Hörer nach "After" diesen Backkatalog lückenlos aufarbeiten werden - mich eingeschlossen.

Weil jeder Song auf "After" etwas Besonderes ist, muss ich in die Einzelkritik:

01. "Vena Cava": Hat schon mal jemand einen Song über die Hohlvene gemacht? War aber auf jeden Fall Zeit, denn das Ding ist immens wichtig und bei Lady Lambs "Vena Cava" schwillt die meine vor Freude an, so schön sind die Tempowechsel, die lauten und leisen Passagen UND die scheppernden Fuzz-Gitarren sowieso!

02. "Billions of Eyes": IndiePop mit treibendem Rhythmus gefällig? Gitarren-Licks wie in den Sixties? Gute-Laune Mitsing-Refrain? Alles drin!



03. "Violet Clementine": Dieser Song hat so viele Wendungen, dass einem beim ersten Hören schwindelig wird. Es beginnt mit dieser wundersamen Stimme, dann attackiert ein Banjo, der Rhythmus setzt ein und wird durch elektronisches Geblubber abgelöst. Dann nimmt der Beat fahrt auf und puscht das Stück dynamisch nach vorne. Break. Zwiegesang wie bei einem Musical, der Beat rückt in den Hintergrund und die Perkussionabteilung übernimmt den Rhythmus, der dann urplötzlich wieder galoppiert und in eine Art Marsch mit Bläsern übergeht. Luftholen!



04. "Heretic": Agressives Power-Drumming und PostPunk-Gitarren zum Auftakt, dann Rückführung zur Melodie. Spätestens mit Song vier wird wohl jedem klar, dass hier ein musikalisches Energiebündel alles aus sich strömen lässt, weil sie sonst wahrscheinlich vor Kreativität platzen müsste.

05. "Sunday Shoes": Natürlich kann sie auch zarte, zerbrechliche Balladen wie es sich für einen Singer-Songwriter gehört. Jawoll!



06. "Spat Out Spit": Minimalistischer Beat und sanfte Vocals, aber ab und an wird die Tür geöffnet und das pralle Leben strömt herein. Lady Lamb resümiert darüber "Was für ein komisches Wesen der Mensch doch ist". Wo sie recht hat, hat sie Recht.



07. "Penny Licks": LoFi-Homerecording-Simulation schwingt sich auf, um auf einem Seil zwischen Pop und Folk zu spazieren. Mal unbeschwert, mal im Gefahrenbereich, aber enthusiastisch und erfüllt am Ende.

08. "Dear Arkansas Daughter": Kraftvolle Rocknummer mit exzellenten Gitarrenspielereien über eine sterbende Liebe. Aber natürlich mit vielen dramatischen Wechseln und einigen feinen Soli.

09. "Milk Duds": Tanzbarer Folk, der ein wenig an Mumford & Sons erinnert, und für Lady Lamb Verhältnisse ziemlich geradlinig verläuft.

10. "Ten": Die akustische Gitarre klimpert vor sich hin und Lady Lamb singt wehmütig und sorgenvoll über eine Geschichte, die sie in den Kindheitsaufzeichnungen ihrer Mutter liest.
Musikalisch radikal skelettiert, um den Fokus auf die Lyrics zu setzen.

11. "Batter": Kompromisslose stakkatoartige Riffs stampfen den Beat. Smells like New Wave.

12. "Atlas": Lady Lamb entlässt ihr Publikum mit einer Art County-Ballade, die gekonnt zwischen laut und leise wechselt und noch mal alles zeigt, was dieses Album so herausragend macht.



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Montag, 9. März 2015

MATTHEW E. WHITE / Fresh Blood

"Wellness" ist ja so ein Begriff, der einen die letzten Jahre ständig um die Ohren gehauen wird. Fragt man Bekannte, wo sie am Wochenende waren, lautet die Antwort gerne "Wir haben uns ein Wellness-Wochenende" geleistet. Hunde erhalten eine Wellness-Massage, und es gibt Heringe in Dosen mit dem Aufdruck "Wellness". Bezieht sich das eigentlich auf die Fische in ihrem Blechsarg?

Egal, wo ich hin will ist, dass es manchmal einfach nur der richtigen Musik bedarf, um einen Zustand körperlichen und geistigen Wohlbefindens zu erreichen.

MATTHEW E. WHITE aus Virginia ist so ein Musiker, der es bei mir spielend schafft, wohlige Wärmeschauer zu erzeugen. Das gelang ihm mit seinem wundervollen Solo-Debüt-Album "Big Inner" (2013) und es gelingt ihm erneut mit seinem neuen Album "Fresh Blood". Und wie macht der Mann, der aussieht wie das friedvollste Lebewesen auf Gottes Erdboden, das? Moll! Soul! Neo-Folk! Geigen und Bläser! Und eine Stimme, die an Weichheit nur mit der von Curtis Mayfield oder Marvin Gaye zu vergleichen ist.

Der Einstieg ins Album, "Take Care My Baby" klingt wie ein verschollener Soul-Klassiker. Irgendwie will man gar nicht wahrhaben, dass es dieses Lied nicht schon seit Jahrzehnten gibt, so vertraut und behaglich klingen die Streicher, die Bläser und der Refrain, der eigentlich gar keiner sein will. Musik, die wunderbar schmeckt, aber nie satt macht.



"Rock & Roll is cold" ist eine witzige Nummer, die dem Rock & Roll mal nicht beschert, dass er tot ist, sondern einfach nur kalt, weil er keinen Soul hat. Die Ansicht ist sicher streitbar, aber wer es so schön in eine pfiffige FolkPop-Melodie verpackt, der darf sogar Lautmaerleien a la "Ulala" darin unterbringen. Als nächstes besteigt Matthew mit uns einen Baum voller Früchte ("Fruit Trees") und besucht Orte, die sich verdammt paradiesisch anhören. Ich will sofort, dass sich der gelbe Ball am Himmel zeigt!

Aber nicht ist immer alles rosig! Mit der "Holy Moly" stimmt etwas nicht. Ganz leise haucht Matthew die Frage, was mit ihr los ist, erst allmählich steigert sich die Dramaturgie im Song, mischen sich weibliche Chorgesänge und böse Worte dazu. Ich fürchte Moly ist ein hoffnungsloser, aber wundervoller Fall.

Nach so viel Aufregung wird es aber wieder friedlich. Mit "Circle Round the Sun" steht eine warme Umarmung mit Jesus auf dem Programm, der man nur schwerlich widerstehen kann. Eigentlich muss man sich jetzt wohlfühlen und damit man kein schlechtes Gewissen hat wegen so viel Glücksgefühl, gibt Mr. Matthew im nachfolgenden Soul-Schmeichler "Feeling Good Is Good Enough" die Absolution dafür. Was anfangs übrigens sehr schnulzt, wird nach hinten ein echt grooviger Jam!



Damit aber niemand zum Laster des Übermuts neigt, wird postwendend "Tranquility" verteilt. Himmlischer Streicherfrieden! Es wird Zeit die "Golden Robes" überzuwerfen, wie alles bei Matthew E. White ist auch dieses Gewand kunstvoll und subtil gewoben. Welch großartiges tapferes Schneiderlein, das da auf einen Streich die in die Jahre gekommene Dame Soul mit Herrn Folk verbandelt hat. Dazu benötigt man "Visionen" und Liebe ("Love is Deep") und von diesen Zutaten hat Matthew E. White wahrlich eine Riesenportion.

Fazit: Noch besser, weil noch runder und geschmeidiger als "Big Inner". Das relativ wankelmütige Album "Outer Face" ist vergessen, Matthew auf dem Zenit seines Schaffens. Hallo liebes Rolling Stone-Team, gerne noch mal zum Weekender an die Ostsee einladen!

Wer hätte gedacht, dass Herr White ein alter Grunger ist:






Freitag, 6. März 2015

NEW SONGS Vol. 85: DJANGO DJANGO ... JACK WHITE ... SIZARR... VAN KRAUT

DJANGO DJANGO / First Light ... JACK WHITE / That Black Bat Licorice ... SIZARR / Timesick ... VAN KRAUT / Hausschuh

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DJANGO DJANGO / First Light


So langsam nimmt das Jahr 2015 in Sachen hochkarätige Veröffentlichungen Fahrt auf. Demnächst (voraussichtlich im Mai) steht also der Nachfolger des hochgelobten Debüts (2012) der britischen ArtPop-PostBritRave-Band DJANGO DJANGO in den Regalen.

"First Light" als erste Auskopplung vom neuen Album "Born Under Saturn" verspricht da weiter zu machen, wo Django Django vor mittlerweile 3 Jahren aufgehört haben: Tanzbare Beats, feine Breaks und in den Chorgesängen scheint man bei den letzten beiden Alt-J-Alben gut zugehört zu haben.


Django Django - First Light (Official Video) on MUZU.TV.

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JACK WHITE / That Black Bat Licorice

Ja, der Song ist natürlich nix Neues, sondern vom Album "Lazaretto" aus 2014, aber es ist auf jeden Fall meldens- und beachtenswert, dass MR. WHITE gleich drei sehr ansprechende Clips zum Song "That Black Bat Licorice" veröffentlicht. Das Raffinierte ist, man kann während der Clip läuft mit den Tasten "3" und "B" bei laufendem Clip zwischen den einzelnen Videos hin und her switchen.



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SIZARR / Timesick

Noch eine Band, die 2012 mit ihrem Debüt für Aufsehen sorgte, meldet sich nach 3 Jahren zurück. SIZARR aus Landau legten mit "Psycho Boy Happy" damals ein fast so starkes Debüt hin wie Django Django und auch im direkten Vergleich der beiden aktuellen Appetithappen ziehen die Pfälzer knapp den Kürzeren.

"Timesick" fehlt leider die spookyhafte Aura, die viele Songs des Debütalbums innehatte. Schönes opulentes SynthiPop-Stück, aber die Erwartungen nach dreijähriger Pause waren von meiner Seite doch deutlich höher gesetzt. Aber mal sehen ob sich auf dem Album "Nurture" nicht doch noch einige Perlen verstecken, wäre ja nicht das erste Mal, dass die Veröffentlichungspolitik der Plattenlabel schwer nachvollziehbar ist.

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VAN KRAUT / Hausschuh + reflektierte Strahlen

Hausschuhe sind prinzipiell mit der Attitüde "Spießigkeit" verknüpft. Aber warum eigentlich?  Die Dinger halten die Füße warm, und weil sie nur die wenigsten zu Gesicht bekommen, dürfen sie doch eigentlich auch ausschauen wie sie wollen? ABER, und da haben VAN KRAUT absolut recht, dann kann man ja den Boden nicht spüren!

Mit Van Kraut aus Hamburg, bestehend aus Sänger Christoph Kohlhöfer und Tobias Normann (Mikroboy) am Schlagzeug spürt man den Boden! Deutschsprachiger erdiger akustischer Singer/Songwriter-Pop in der gleichen Güteklasse wie Gisbert zu Knyphausen, Nils Koppruch oder Jens Friebe. Das Debütalbum "Strahlen" erscheint am 27. März auf dem Timezone-Label. Ich appelliere: ALLE SCHUHE AUSZIEHEN!




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Donnerstag, 5. März 2015

POND live im Blue Shell [Cologne / 02.03.2015]


Das erste Mal mit POND war an einem lauen Sommerabend im Mai 2012. Der Ort war der gleiche, aber ansonsten hat sich seit damals doch verdammt viel geändert. Schon damals schrieb ich Konzertberichte für ein Online-Magazin, welches es in dieser Form leider nicht mehr gibt (also auch den Artikel). Weil es ziemlich interessant ist, das Vergangene und das Aktuelle zu vergleichen, beginne ich meinem Bericht zum Pond-Konzert 2015 mit einem original unveränderten Rückblick ins Jahr 2012:

[29.05.2012; Blue Shell / Köln]

Ein lauer sommerlicher Abend, auf der Getränkekarte Pilsener Urquell, an meiner Seite "Good Friends", was sollte also schon schief gehen beim Konzert der australischen Band Pond (ein Sidekick der deutlich erfolgreicheren Band Tame Impala) im Blue Shell. Dass es dann aber ein so tolles Konzert werden würde, hatte ich zwar gehofft, aber eigentlich kommt es ja meistens anders als man denkt.

Dieses Mal aber nicht! Nach 21 Uhr sitzt die Band zwar noch immer vor dem Blue Shell und trinkt Bierchen und die Jungs sind dermaßen jung, dass ich es fast nicht glauben kann. Frontmann Nick Allbrook, alias Paisley Adams, hat Ärmchen, die nur wenig breiter sind als mein Daumen und er sieht wirklich und wahrhaftig aus wie ein 14-jähriger Teenager. Er muss aber schon über 16 sein, denn Bierchen trinkt er wie auch die anderen Bandmitglieder schon wie ein Großer ;-)

Gegen 21:30 verlässt die Band dann den Outdoor-Bereich des Blue Shells und entert schnurstracks die Bühne. Schon nach wenigen Sekunden steht fest, dass Pond eine echte Liveband sind! Die Bühnenpräsenz von Paisley Adams ist gigantisch. Sein androgynes Erscheinungsbild erinnert an den jungen Bowie und seine Mimik und Gestik an den noch unverbrauchten Iggy Pop. Wobei unverbraucht nicht wirklich passt, denn frisch schaut Nick an diesem Abend eigentlich nicht aus, und wenn er dann kleine Tanzeinlagen gibt, die aussehen wie Moves von Mick Jagger bei einem epileptischen Anfall, hat das schon sehr bizarre aber faszinierende Momente.

Leider habe ich das letztjährige Konzert von Tame Impala im Gebäude 9 verpasst, weil es mich wirklich interessiert hätte, wie sich Allbrook, der bei Tame Impala live den Bass spielt, auf der Bühne gibt, wenn er nicht als Frontmann agieren darf. Ob er sich da genauso zurückhält wie Kevin Parker, der Sänger von Tame Impala und eindeutiger Band-Chef, der heute Abend für Pond als der Mann am Schlagzeug fungiert?

Jay Watson schaut aus wie der Prototyp eines Surfer-Boys oder wie Leif Garrett ohne Schminke. Bei Tame Impala sitzt er an den Drums, heute spielt er Gitarre und hilft ab und an am Keyboard aus, wo sich je nach Song bis auf Kevin Parker alle mal versuchen dürfen. Am Bass und an der Gitarre, mit wirklich ganz vorzüglicher Saitenarbeit, groovt Joseph Ryan - besonders ihm dringt die Spielfreude aus allen Poren. Ryan, alias McJam, ist übrigens kein Tame Impala-Mitglied, aber auch er tanzt auf zwei Hochzeiten und spielt zusätzlich bei Mink Mussel Creek, einer Band, die über Perth (die Heimatstadt der Jungs) hinaus wohl kaum einer kennt. Der fünfte Mann beim Gig im Blue Shell ist Jamie Terry, zuständig für Bass und Keyboard.

Dieses Quintett zeigt an diesem Dienstagabend im Blue Shell wie echter Rock 'n' Roll funktioniert - als Tame Impala behaupten die Herren ja gerne sie wären keine Rockband. Keine aufgesetzte Coolness, eine unverschämte Lässigkeit und blindes Verständnis im Spiel miteinander. Das Konzert gleicht von der ersten Minute einem einzigen großen Jam, ganz so wie es auch auf der neuen Platte „Beard Wives Denim“ funktioniert.

Passend beginnt das Konzert mit der psychedelischen Britpop-Krautrock-Space-Nummer „When it Explodes“ und schon nach den ersten Takten ist ein Grinsen auf meinem Gesicht explodiert, welches auch noch lange nach dem Konzert mein Antlitz erfüllt. This is really good Shit! Und das bezieht sich wirklich ausschließlich auf die Musik! So richtig die Post geht ab, als Pond das „Leissure Pony“ satteln und die Gitarren los galoppieren, um Grunge und Schweinerock zu huldigen. Nick „Paisley Adams“ zeigt sich als echtes Rock 'n' Roll-Tier und ich beschließe den Kleinen zu adoptieren. Braucht nicht jeder ein Problemkind?

Und dann explodiert mein Lieblingssong „Fantastic Explosion Of Time“! Wirklich beeindruckend, was die Fünf für ein Feuerwerk abfeuern. Auf einem Festival würde jetzt wahrscheinlich der Saal überkochen, aber leider sind vielleicht maximal 70 Leute da und ich bin einer der wenigen, der seine Zuckungen nicht im Zaum halten kann. Man Köln! 70 Leute ist echt wieder mal eine Schande! Morgen spielen die Jungs in Hamburg und ich gehe jede Wette, dass da deutlich mehr Publikum anwesend ist.

Aber wer nicht da war, hat echt was verpasst – ja, der geht an Dich Frau H. ;-). Ein weiterer großer Moment ist, als Allbrook unglaublich zerbrechlich, einfühlsam, sehnsüchtig und inbrünstig „You broke my Cool“ singt. Je öfter ich diesen Song höre, umso mehr geht er mir unter die Haut. Große Nummer!

Bis auf einen mir unbekannten älteren Song stammen alle gespielten Songs vom neuen Album, aber leider werden nicht alle gespielt, denn nach etwas mehr als einer Stunde ist schon Schluss. Nicht nur ich, sondern auch der treue Konzertbegleiter C., die unverwüstliche V. und die Indie-Disco-Queen Y. hätten gerne noch ein weiteres Stündchen der Band gelauscht. Wäre doch mit 3 Alben eigentlich genug Songmaterial vorhanden?! Unverzeihlich bleibt aber, dass „Sorry, I was under the Sky“ und „Elegant Design“ vom neuen Album nicht gespielt wurden, dafür gibt es 2 Wochen kein Taschengeld Herr Allbrook!

Apropos Design! Jungs, das Merchandising müsst ihr auf jeden Fall verbessern. Das Girlie-Shirt nur in XS, das Herren-Shirt mit blöden weißen Rändern und keine Tonträger aus den vergangenen Jahren. Tzzzz, so blieb C. nur die neue Vinyl (selbstverständlich von ALLEN Bandmitgliedern signiert) und mir das auch nur mäßige Tour-Plakat. :-(

SOWEIT DIE VERGANGENHEIT ...

[02.03.2015; Blue Shell / Köln]

Die Gegenwart präsentiert POND nur noch als Quartett. Kevin Parker ist seit geraumer Zeit raus, bleibt aber der Band verbunden und hat sich für das neue Album wieder an die Regler im Tonstudio begeben. Nick hat Tame Impala den Rücken gekehrt und veröffentlichte im letzten Jahr auch sein erstes Solo-Album "Ganough Wallis & Fatuna". Die Diskographie der Band ist seit damals um zwei weitere Alben ("Man, It Feels Like Space Again" [2015]  und "Hobo Rocket" [2013]) angestiegen. Jay Watson sitzt jetzt wie bei Tame Impala am Schlagzeug, ansonsten ist die Verteilung der Instrumente ziemlich gleich geblieben.


Draußen ist es ungemütlich windig und arschkalt. Das Blue Shell ist restlos ausverkauft! Es gibt eine Vorband namens BLACKBERRIES aus Solingen! Obwohl auf den Tickets steht, dass das Konzert um 21 Uhr beginnt, fängt das Quintett schon 20 vor 9 zu spielen an. Die ersten Stücke sind ganz gut, auch wenn ich mich beim ersten Song frage, ob das deutsch oder englisch ist, was Julian Müller singt.

Der Sound ist gut, der mit psychedelischen Sprengseln versehene Retro-PopRock erinnert mich in den besten Momenten etwas an The Coral, aber leider auch oft an ausgelutschte Solis von irgendeiner der späten (schlechten) Pink Floyd-Platten. Die Band ist spielfreudig, besitzt einen durchaus charismatischen Frontmann, aber es fehlt noch an einem deutlicheren Profil und mehr Mut in der Melodieführung. Aber man bedenke, die Band ist noch sehr jung, hat auch erst ein Album "Music for the Night" (2012) veröffentlicht, und wenn an den richtigen Stellschrauben gedreht wird, kann da noch einiges an Potential freigesetzt werden.

Auch heute, wie schon vor drei Jahren, sind wieder der treue Konzertbegleiter C. und die unverwüstliche V. an meiner Seite, nur das Yps ist nicht hier, da es sich geopfert hat, als Nanny Dienste zu leisten. Das Pilsner Urquell schmeckt auch noch immer, obwohl es dieses Mal sehr schwierig ist, in dieser gut gefüllten Sardinenbüchse namens Blue Shell den Arm hochzubekommen, um die Flasche zum Mund zu führen. Das Publikum hat sich im Vergleich zum letzten Mal deutlich verjüngt und die Frauenquote (wirklich sehr viele hübsche (junge) Damen heute Abend) ist rasant nach oben geschnellt - Nick der Herzenbrecher??



POND beginnt mit "Waiting around for Grace". Nick steht am linken Rand der Bühne und nicht wie beim letzten Mal im Zentrum. Diese Anordnung scheint auch die "neue" Kräfteverteilung innerhalb der Band zu verdeutlichen. Das Zentrum bleibt offen und gibt Blick auf Drumer Jay Watson. Auf der rechten Seite, der sichtlich blendend gelaunte Jamie Terry, der sich im äußeren Erscheinungsbild immer mehr in eine Art Prototyp-Grieche verwandelt ;-) und Joe Ryan mit dem adrettesten Afro im Show-Business. Ja, Pond ist immer noch eine großartige Liveband. Der Sound ist unglaublich druckvoll und bei "Elvis' Flaming Star" wird direkt vor der Bühne geradezu ekstatisch mit den Körperteilen gewedelt und auf und ab gehüpft.

Anschließend singt Nick vom meiner Meinung nach bisher besten Pond-Album "Beard, Wives, Denim" die ausufernde psychedelic Ballade "You broke my Cool". Großartig, aber Nick ist an diesem Abend lange nicht so präsent und in Hochform wie beim letzten Mal. Nimmt er sich bewusst für die Band zurück oder ist der unruhige Geist schon wieder auf der Suche nach neuen Abenteuern?

Review
Einer der schönsten Songs des neuen Albums "Sitting up on our Crane" wird zu meinem Erstaunen von Jay Watson gesungen. Wenn man es weiß, hört man klar, dass es nicht Nicks Stimme ist, aber beim Hören der neuen Platte ist mir das tatsächlich nicht aufgefallen. Live auf jeden Fall ein echtes Highlight - sehr atmosphärisch und fett. Very fein auch, was die Jungs aus Brian Enos "Baby's on fire" machen, da wird aus einer eher ruhigen Nummer ein echtes Kraftpaket.

Mit "Don't Look at the Sun or You'll Go Blind" spielen die Australier sogar einen Song aus ihrem ersten Album "Psychedelic Mango" - Can Beeinflussung unüberhörbar. Schmeckt auch das Früchtchen. Dann wird es mit "Medicine Hat" ungewohnt folkig, aber live ist das schon deutlich fetter als auf Platte und passt exzellent in die Setlist.

Richtig die Post geht natürlich bei den schweren Riffs von "Giant Tortoise" ab, danach hätte ich mir noch einen explosiven Song aus "Beard, Wives, Denim" gewünscht, aber bis auf  "You broke my Cool" bleibt das Meisterwerk heute Abend leider komplett außen vor. Zum Schluss spielen Pond noch "Midnight Mass" und als Zugabe "Man it feels like Space again" und danach ist trotz vehementer Zugaberufe schon Schluss. In Sachen Spieldauer sind sich Pond also leider treu geblieben, obwohl Ihnen doch mittlerweile ein beträchtliches Repertoire zur Verfügung steht.

Nach dem Konzert am Merchandise-Stand ist von Nick nichts zu sehen, denn er wird von zahlreichen weiblichen Fans bei der Garderobe belagert. Tja, wie hat ein anderer großartiger Künstler schon vor vielen Jahren gemeint: "The Times They Are A-Changin'". Trotzdem gerne wieder beim nächsten Mal, allerdings fürchte ich, dass das Blue Shell dann eine Nummer zu klein geworden ist. Mal sehen, ob sie irgendwann sogar in punkto Hallengröße Tame Impala überflügeln ;-). FLYING HIGH!

Ö

Sonntag, 1. März 2015

DER MANN live im Gebäude 9 / Support LOCAS IN LOVE [27.02.2015]

Der erste Song auf dem Album "Wir sind der Mann" nennt sich "Menschen machen Fehler". Ein großer Fehler war es, wenn man am 27. Februar 2015 nicht im Gebäude 9 war. Fehler habe ich in meinem Leben ja schon genug gemacht - bin ja nur ein Mann - aber diesen Fehler habe ich zum Glück nicht gemacht!

Im leider längst nicht ausverkauften G9,  beginnt der Konzertabend mit der Kölner Band LOCAS IN LOVE. Heimspiel!

Mit dem 2011 erschienenen Album "Lemminge" wanderte die bereits seit 2001 bestehende Band zum Label Staatsakt und machte erstmal überregional auf sich aufmerksam. Das neue Album "Use Your Illusion 3 & 4" (jetzt unter Warner Music) war gerade erst veröffentlicht, wurde in der Fachpresse sehr gut rezensiert, aber außer der Single "Da ist ein Licht" (übrigens schreckliches Video!) war mir noch kein Stück des Albums bekannt.

Die Kölner beginnen mit einem krautrockigen Instrumentalstück relativ verhalten und nach zwei Songs war ich ehrlich gesagt nicht richtig begeistert, aber dann legte Locas in Love von Stück zu Stück eine Schippe drauf, so dass ich am Ende des Konzerts schwer beeindruckt war von der deutlichen Weiterentwicklung der Band. Die neue Platte ist eine Doppel-LP, welche die beiden Gesichter der Band bestens veranschaulicht. Seite 1 beherbergt deutschsprachigen IndiePop, der, je nachdem, wer das Mikro übernimmt, Stefanie Schrank oder Björn Sonnenberg mal mehr in Richtung Pop (Stefanie) oder Rock (Björn) tendiert. Seite 2 ist eine Instrumentalplatte mit Krautrockstücken, die alle mit Straßennamen aus Köln betitelt sind und live auf jeden Fall die Highlights des Abends setzt. Die visuelle Unterstützung der Musik, durch den im Hintergrund ablaufende Godzilla-Streifens funktioniert wirklich sehr, auf jeden Fall tausendmal besser als die blöden Puppen im Clip zu "Da ist ein Licht".



Highlights des Abends für mich war "Blackbox" und auch im Ganzen gesehen kamen die Stücke mit Björn als Sänger bei mir deutlich besser an. Die Qualität der Instrumentalstücke ist zweifelsfrei und wird am besten belegt durch die Aussage meines treuen Konzertbegleiters C.: "Von mir aus brauchen die gar nicht singen".

Auf jeden Fall wanderte nach dem Konzert das Doppelvinyl in die schicke Jutetasche mit Dino und am Tag danach beim Durchhören von "Use Your Illusion 3 & 4" zementiert sich, was mir schon am Abend des Konzertes durch den Kopf ging: Erdmöbel hat den Titel als Kölns beste Band verloren. Herzlichen Glückwunsch Locas in Love.

Nach diesem sehr feinen Support kamen dann endlich die Mannen um Staatsakt-Labechef und Türen-Mastermind Maurice Summen auf die Bühne. Was für eine Besetzung! Neben Maurice, der sich neben dem Gesang vor allem der Schlagzeugarbeit widmete, ebenfalls an einer Schießbude der großartige "nervöse" Chris Imler, an den Keys der sagenumwobene Babyman, an der Gitarre der panische Andreas Spechtl, an der Man(n)doline Türen-Mitglied Ramin Bijan und der Herzensbrecher* und Staatsaktmitgründer Gunther Osburg. MANN OH MANN!

*Eine gutaussehende Konzertbegleiterin, die völlig unbedarft zum Konzert gekommen war, lies sich schon nach wenigen Minuten zum Satz "Ich bin verliebt" hinreisen. Ich weiß nichts über den aktuellen Beziehungsstatus von Herrn Osburg, stehe aber für Vermittlungsdienste gerne zur Verfügung. Vielleicht wird dann der verklärte Gesichtsausdruck, welchen Frau H. beim Song "OMG" zeigte, zum Alltagsgesicht ;-).





Das Konzert beginnt mit "Menschen machen Fehler" und mehr bekomme ich an Reihenfolge nicht mehr hin, denn DER MANN sprühen so voller Spielfreude, dass ich mich dem Mann völlig hingebe und dieses fantastische Set einfach nur genieße. Deutlich im Gedächtnis geblieben ist natürlich "Ich bin ein Mann", ein hochverdichtetes Manifest für das angeblich starke Geschlecht:

"Was mich am Fleisch stört ist der Knochen. Was mich an Pferden stört sind die Mädchen. Was mich an Griechenland stört ist der Euro. Was mich an Facebook stört sind die Freunde. Was mich am Fernsehn stört ist das Programm. Was mich am Sex stört ist das hinterher. Ich bin ein Mann."

Wenn ich das Grinsen im Gesicht von Yps und der Unverwüstlichen richtig deute, wären die beiden jetzt gerne auch Männer.

Ebenso großartig "Alles keine Arbeit", inhaltlich in etwa die Bruttosozialprodukt-Version 2.0, musikalisch aber natürlich deutlich raffinierter als das Lied des One-Hit-Wonder Geier Sturzflug aus den 80ern. Es muss ja gemacht werden! Überraschenderweise ist sogar "The Rise of the Reforming House" live von Ramin Bijan auf der Mandoline vorgetragen wieder witzig und wunderbar. Aus der Dose nutzt sich der ultimative Protestsong über das "Freudenhaus des Stuhlgangs" doch relativ schnell ab und hat seinen Platz am Ende der Platte somit zurecht.

Wenn ich mich recht erinnere, werden alle Songs vom Männer-Album gespielt, aber das war natürlich nicht alles, denn bei dieser Bandbesetzung war zu erwarten, dass die einzelnen Bandmitglieder auch Songs aus ihrer eigenen Diskographie spielen würden.

So darf Chris Imler appellieren und dabei klingen wie eine höchst lebendige Mischung aus DAF und Kraftwerk. Carsten "Erobique" Meyer, alias Babyman lässt den Tiger raus und verwandelt das Gebäude 9 wahrscheinlich erstmalig in seiner Geschichte in eine SpaceDisco und Herr Spechtl groovt gegen die Europäische Zentralbank ("Dance the ECB"). Wir sind schon alle schwer begeistert, aber dann verlässt Maurice die Drums und öffnet die Türen!



Eier! Eier! Eier! Mein absoluter Lieblingssong der Türen wird wirklich und wahrhaftig gespielt. Wer da noch sagt, es hat ihm nicht geschmeckt, der ist nicht von dieser Welt! Einschließlich der Zugaben spielt der Mann, alias die Türen, alias Staatsakt-Supergroup etwa 90 Minuten, die so schnell vergingen wie ein Revierderby mit 8 Toren für die richtige (blaue) Mannschaft (Die Realität ist oftmals bitter). Hätten diese MANNen sich entschlossen bis ans Lebensende durchzuspielen, ich schwöre, ich wäre nicht von deren Seite gewichen, denn was mich gestört hat, war nur das Ende.