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Freitag, 30. September 2016

BON IVER / 22, A Million

Manche Ereignisse lassen sich erahnen! Es war zu erwarten, dass Justin Vernon - spätestens nach der eindrucksvollen Zusammenarbeit mit Elektronik-Heulsuse James Blake und der Kooperation mit Kanye West - sein Projekt BON IVER auf neue Pfade führen würde. Nicht zu erwarten war allerdings, mit welcher Vehemenz er seinen höchst emotionalen Singer/Songwriter-Folk elektrifizieren würde.


Aber betrachtet man sein Gesamtwerk, ist es dann doch nicht verwunderlich, wie sich der schier stromlose Folk vom 2008 erschienenen "For Emma, Forever Ago" (2008) über das dezent mit elektronischen Effekten arbeitende Erfolgsalbum "Bon Iver, Bon Iver" von 2011 zum aktuellen Album "22, A Million" fließend verwandelt hat.

"22, A Million" ist im Ansatz radikal zerstörerisch! Fast von Anfang an hat Vernon mit seiner Stimme allerhand elektronischen Schindluder getrieben, aber nun treibt er es hemmungslos auf die Spitze. Autotune ist allgegenwärtig und kein Ton klingt mehr wie etwas, was auf diesem Planeten in der freien Natur vorkommt. Folk-Puristen werden sich vor Schmerzen krümmen, obwohl sie zähneknirschend zugeben müssen, dass trotz der elektronischen Materialschlacht sich "22, A Million"durchaus am Lagerfeuer genießen lässt oder sich dafür eigenen würde, die aus den 70er Jahren stammende Naturburschen-Serie "Der Mann in den Bergen" (Originaltitel: The Life and Times of Grizzly Adams) mit Hintergrundmusik zu bestücken.

Aber wen wundert es, denn schließlich kommt Vernon aus dem amerikanischen Bundesstaat Wisconsin, der zu knapp 46% mit Wald- und zu 17% mit Wasserflächen bedeckt ist und die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Eau Claire (Urspung: Eaux Claires = Klare Wasser) ist kein Geheimnis, da er seine Heimatverbundenheit auch gerne in seine Texte transportiert.



Werfen wir das elektrische Lagerfeuer mal an und stürzen uns in das Wunderland des Herrn Vernon voller Cybermountains, virtueller Wasserfälle und transzendenter Horizonte: Der sanfte Einstieg mit "22 (OVER S∞∞N)" beginnt mit einem im Loop gefangenen Ton, einer gepitchte Micky-Mouse-Stimme und dann setzt der bekannte filigrane Gesang des Meisters ein. Zarte Gitarrentupfer bestellen den Acker weiter und der gefangene Ton wird mit Störungen attakiert. Streicher und Saxophon düngen das Feld mit Melancholie. Schöner kann man kaum Willkommen geheißen werden.



"10 d E A T h b R E a s T ⚄ ⚄": Ein rumpelndes Gewitter zieht am Himmel auf. Elektrizität entlädt sich. Mensch und Tier sucht Schutz, aber die Stimme des Herrn legt sich wie ein Schutzschild über das drohende Unwetter und macht es zu einem Ereignis statt zu einer Gefahr.

Die Mensch-Maschine singt und lebt. "715 - CR∑∑KS" ist Daft Punk in der Super Slow Motion. Blakes Einflüsse sind auch nicht von der Hand oder besser von der Stimmverzerrung zu weisen.



Pianoklänge führen zu "33 "GOD"". Mickey Mouse ist auch wieder mit dabei und im Hintergrund werkelt der Maschinenpark ganz verhalten. Dann, im Duell der verfremdeten Stimmen, steigt ein mächtiger Beat hervor, reißt alles an sich und verschwindet wieder.

Stromausfall? Nicht ganz, aber "29 #Strafford APTS" schraubt die elektronischen Spielereien, ausgenommen bei der Stimme, ziemlich zurück und gibt sich sehr sanft, mit einer akustischen Gitarre beseelt, wie eine leichte Morgenprise, die über das weite Land weht. Ergreifend schön.

Ebenso zärtlich und gemächlich kristallisiert sich "666 ʇ" aus einem minimalistischen Kling-Klong-Rhythmus heraus. Schlagzeuggewitter grollen, dezente maschinell klingende Geräusche und kleine Jazz-Eskapaden werden wie Tupfer eingestreut. Dann positioniert sich der Mond ("21 M◊◊N WATER) mächtig dramatisch am Firmament und spiegelt sich im stillen Gewässer. Ein einsamer Saxofonspieler sitzt am Ufer und heult den Satellit der Erde an.



"8 (circle)": Die Musik flimmert in der Luft wie bei einem Orchester, das sich gerade einspielt, ein Beat im Herzschlagtakt gesellt sich dazu und natürlich Vernons Gesang. Orchestraler Folk mit einem Arrangement, das man sich auch in jeder Philharmonie dieser Welt vorstellen kann.

"____45_____": Erstmals verlässt Veron den für ihn typischen harmonischen Gesangsstil etwas und singt mit dezenter Dirtyness in der Stimme, zumindest in einer Variante der zig übereinandergestapelten Stimmen. Sind das Keys oder gar das bei "22, A Million" oft zum Einsatz kommende Saxofon, welches durch den elektronischen Schredder gejagt wurde? Oder beides?

Der Schlusspunkt "00000 Million" könnte locker auf dem Vorgänger-Album "Bon Iver, Bon Iver" versteckt werden, denn die Melodie tritt im Gegesatz zu den anderen Songs des Albums stark hervor und der Hymnen-Faktor früherer Tage ist auch deutlicher zu hören.

Und was hat es eigentlich mit diesen hieroglyphenartigen Songtiteln auf sich? Vernon hat eine Vorliebe für Zahlen und Symbolik. Wie er bei einer Pressekonferenz in seinem Heimatort verlauten lies, hat jeder Songtitel auch wirklich eine Bedeutung bzw. Symbolik. Einige Hilfestellungen: 22 ist Vernons Lieblingszahl, 715 die Vorwahl von Eau Claire und 45 ist als Wort "forty-five"zu betrachten. Decodierungsvorschläge werden gerne per Email entgegengenommen ;-)

Tracklist:
01 22 (OVER S∞∞N)
02 10 d E A T h b R E a s T ⚄ ⚄
03 715 - CR∑∑KS
04 33 "GOD"
05 29 #Strafford APTS
06 666 ʇ
07 21 M◊◊N WATER
08 8 (circle)
09 ____45_____
10 00000 Million

Dienstag, 27. September 2016

MY JERUSALEM / A Little Death

Das Sommerloch ist zwar vorbei, aber einen Nachzügler, den ich unbedingt vorstellen möchte, hab ich noch. Das Album "A Little Death" der texanischen Band MY JERUSALEM erschien Ende Juni dieses Jahres. Gegründet wurde die Band bereits 2008, damals noch in New Orleans, von Bandleader Jeff Klein, der heute noch als einziges Gründungsmitglied an Bord ist. Im März 2010 erschien die Debüt-EP "Without Feathers" und noch im gleichen Jahr der erste Longplayer "Gone for Good". Nach "Preachers" (2012) ist "A Little Death" nun der dritte Streich der Band.


Charakteristisches Merkmal der Band ist die sonore Stimme von Sänger Jeff Klein (vorher bei The Gutter Twins und The Twilight Singers tätig), die unwillkürlich an Nick Cave & The Bad Seeds erinnert, aber auch deutlich Einflüsse aus der DarkWave-Ecke (Bauhaus, Joy Division, The Editors) zeigt. PostPunk-Blues, wenn man es so nennen will.



Das Werk startet mit der düsteren Mid-Tempo-Ballade "Young Leather", die anfänglich an "Personal Jesus" von Depeche Mode erinnert, aber mit deutlich mehr Dramatik und einigen feinen Saxofon-Parts versehen ist. Als Backgroundsängerin macht sich bei diesem Song übrigens Elle King, bekannt durch den Hit "Ex's & Oh's", verdient.



"Rabbit Rabitt" legt an Düsternis und Tempo eine ordentliche Schippe drauf, die Vergleiche mit den Bands aus der DarkWave-Ecke dürften nun verständlich werden. Der nächste Hinhörer ist das mit sehnsüchtigem Gesang vorgetragene "No One Gonna Give You Love", das vom Arrangement und der Aura an großartige Scott Walker-Hymnen erinnert. Solche Songs schreibt man also, wenn man sich einen Monat in ein kleines Häuschen am Brighton Beach in Brooklyn einmietet, um den Tod der eigenen Mutter zu verarbeiten, um den Schmerz und die Erinnerungen in Songs für ein Album zu verwandeln.



Bei "Done and Dusted" darf die Gitarre unendlich lange klingen, nur ab und an ist es Schlagzeuger Grant Van Amburghden vergönnt, sich mit seinem Instrument in Szene zu setzen. Klein wirft einen Blick zurück. Hier klingen die Texaner so getragen und melancholisch wie es auch The National perfekt beherrschen.

Nachdem "Flashes" zu einem hintergründigen Maschinensound durch die Nacht huscht und "Dominoes" zu einem treibenden Beat einzelne Klaviertöne und viel Saxofon präsentiert, folgt mit "Eyes Like a Diamond Mine" ein weiteres Highlight. Ein seltsam schepperndes Schlagzeug führt durch den Song, der durch eine exzellente Hook und formidable Gitarrenarbeit von Herrn Jon Merz besticht. Very fein!

Eine lupenreine Düster-Ballade, in der man alle Sorgen ertrinken lassen kann, ist "Candy Lions". Wahrscheinlich hätte Elvis, wenn er noch leben würde, ein Alterswerk voll mit solchen Nummern herausgebracht. Danach dürfen bei "Jive For Protection" die Gitarren mal etwas mehr randalieren und Jeff Kleins Gesang klingt ansatzweise wie der des leider nicht mehr sehr glorreichen Glenn Danzig.

Der kleine Tod (A Little Death) macht auch vor der Jugend keinen Halt. "Young and Worthless" baut auf eine ausgedehnte Ouvertüre, ehe ein billig klingender monotoner Low-Fi Beat den Takt vorgibt. Alles immer schön im gedrosselten Tempo und mit morbiden Charme.

Zum Schlusspunkt setzt "Chrysalis" ein weiteres Highlight. Ein Herzschlagrhythmus im Ruhezustand, in etwa kurz vor dem Einschlafen wird von Kleins tiefer Stimme umschmeichelt und nur spärliche Akzente gesetzt. Plötzlich, mit einem unerwarteten Schlagzeugfeuerwerk und dröhnenden Gitarren kippt der Song im letzten Drittel und spaziert galant in ProgRock-Nähe.

Insgesamt ein wunderbar rundes Album, das trotz seiner Geschlossenheit nicht langweilig wird und ein idealer Begleiter zu alkoholischen Getränken und hochgeistigen philosophischen Gesprächen zu fortgeschrittener Stunde ist. Prost. Amen. Danke.


Tracklist:
01 Young Leather
02 Rabbit Rabbit
03 It's Torture
04 No One Gonna Give You Love
05 Done and Dusted
06 Flashes
07 Dominoes
08 Eyes Like a Diamond Mine
09 Candy Lions
10 Jive For Protection
11 Young and Worthless
12 Chrysalis

Sonntag, 25. September 2016

LE BUTCHERETTES live im Arttheater in Köln (23.09.2016)

Location: Arttheater, Köln
Date: 23.09.2016

 

Showtime mit LE BUTCHERETTES im Arttheater in Köln-Ehrenfeld. Gegründet wurde die punkige GarageRock-Band von der in Denver/Colorado geborenen Teri Gender Bender, bürgerlicher Name Teresa Suárez, 2007 im mexikanischen Guadalajara. 

Nachdem Teri einen Schlagzeuger (Auryn Jolene) fand, wurde die Band schnell im mexikanischen Underground bekannt, was nicht zuletzt an der spektakulären Bühnenshow lag. Le Butcherettes kostümieren sich mit blutverschmierten Schürzen über 50er-Jahre-Klamotten und hantieren mit  Vorliebe mit Kunstblut, Schweineköpfen und Lebensmitteln wie Eiern und Mehl auf der Bühne, um für die Rechte der Frau zu kämpfen.


2009 kommt es zum Split mit Auryn Jolene, woraufhin Teri nach Los Angeles zieht und dort in Normandi Heuxdalfo einen neuen Schlagzeuger findet. Der erste, von Omar Rodriguez-Lopez von The Mars Volta produzierte Longplayer "Sin Sin Sin" erscheint im Mai 2011. Die Bandbesetzung ändert sich mehrfach. Schlagzeuger Gabe Serbian und Bassist Jonathan Hischke kommen und gehen. Die aktuelle Bandbesetzung besteht laut Wikipedia zur Zeit aus Teri sowie Chris Common an den Drums und Riko Rodríguez-López an Gitarre und Bass, aber wie sich später im Arttheater zeigen sollte, hat sich die Bandbesetzung wohl schon wieder geändert, dazu später mehr.

Mit insgesamt drei Alben, 2014 erschien "Cry is for he Flies" und 2015 das mit Gastauftritten von John Frusciante und Iggy Pop geschmückte "A Raw Youth" im Gepäck, beehrt das Trio nun die Domstadt am Rhein. Herzlich Willkommen!

Das Arttheater in Köln-Ehrenfeld ist leider nicht ausverkauft, aber der Abend ist spätsommerlich warm und als das Konzert gegen viertel nach acht mit THE PICTUREBOOKS beginnt, ist die Laune bestens.

Die beiden Herren auf der nur sehr spärlich ausgeleuchteten Bühne sind Fynn Claus Grabke (Vocals, Guitar) und Philipp Mirtschink am Schlagzeug. Sie sehen aus wie Biker und spielen eine Variante des BluesRock, den ich in dieser Art bisher noch nicht gehört habe. Kann man das als indianischen BluesRock bezeichnen? Das Schlagzeug wird mit Schlegeln brachial bearbeitet und klingt wie bei Indianern auf dem Kriegspfad. Dazu stimmt Sänger Fynn vorwiegend unartukilierte Vokallaute (Uh Uh Uh, Ah Ah Ah, etc.) an, die ebenfalls klingen, als hätten sich amerikansiche Ureinwohner in einen Rausch gesungen. Wir spekulieren, ob indianisches Blut durch die Adern der beiden fließt, aber uns ist nicht bekannt, dass es in Gütersloh indigne Völker dieser Art gab.



Es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, was die Jungs auf der Bühne abliefern, aber es ist laut, das Schlagzeug wirklich fett und mit einem Bier in der Hand fühle ich mich doch recht gut unterhalten. Prost ihr Gütersloher Indianer!

Nach einer kurzen Pause beginnt die Show von LE BUTCHERETTES. Teri steht an den Keys und trägt einen olivfarbenen Overall. Im Geischt ist sie mit einem breiten roten Balken quer über die Augen bemalt. Am Schlagzeug sitzt eine Drummerin mit blauen Haaren und am Bass ein blasser dünner Junge - nein nicht Herr Böhmermann.

Der Opener ist "Tonight" vom ersten Album "Sin Sin Sin" und schon beim ersten Song wird klar, dass diese Band weniger für die Konserve, sondern viel mehr für die Bühne gemacht ist. Teri ist ein alles verschlingendes Raubtier auf der Bühne, die mich mit ihren extrovertierten Posen stark an Olivia vom französisch/finnischen IndiePop-Duo The Dø erinnert.

Teri wirbelt über die Bühne, bangt ihre Haare, gestikuliert wild mit den Armen, macht spanische Ansagen, die hier wohl kaum einer versteht - die aber sehr erotisch klingen, wechselt zwischen Keyboard und Gitarre und jagt ihre auch live vorzügliche Stimme durchs Mikro. Besonders faszinierend ist, wie sie bei "The Leibniz Language" zwischen sanfter und agressiver Stimme in Sekundenschnelle hin und her switcht. Die Dame hat Feuer und da bleibt es natürlich nicht aus, dass das Publikum in Flammen steht, spätestens dann als sie ihren Overall wie ein lästiges Objekt abstreift und in einem blutroten Kleid die Show weiter aufheizt.



Le Butcherettes spielen sich gekonnt und höchst energetisch durch ihr Songmaterial, wobei der Schwerpunkt auf dem ersten und dem aktuellen Album "A Raw Youth" liegt. Dass Teri mal wieder mit neuen Mitstreitern unterwegs ist, tut der Sache keinen Abbruch, weil fest steht die Gleichung: Teri Gender Bender = Le Butcherettes.



Neben den erwartbar live formidabel zündenden Songs "Henry Don't Got Love " und  "I'm Getting Sick of You" brillieren ganz besonders das punkige "Bang!" und die mit spanischen Vocals geschmückte mystische Nummer "La Uva", bei der auf dem Album Iggy Pop seine senore Stimme beisteuert.



Das einzige Manko an diesem Abend bei dem Le Butcherettes eindrucksvoll ihre Live-Performance-Qualität bestätigten und zeigen, dass radikaler Feminismus Spaß machen kann ist, dass es ein relativ kurzes Vergnügen war und man leider komplett auf eine Zugabe verzichtete.

Sehr schade, denn ich hatte mir fest vorgenommen während dieser lautstark nach dem herrlichen Cover von "Wrecking Ball" zu rufen. Aber trotzdem gerne immer wieder!




Donnerstag, 22. September 2016

NEW SONGS Vol. 134: PREOCCUPATIONS / Memory ... ARGONAUT & WASP / Loser Like You ... GRIT / New Car ... SLEAFORD MODS / TCR


PREOCCUPATIONS / Memory

Die Kanadier PREOCCUPATIONS haben am 16. September ihr erstes gleichnamiges Album veröffentlicht, auf dem sie konsequent da weiter machen, wo sie noch unter dem Namen Viet Cong in 2015 aufgehört haben. Der Bandname ist nach Scherereien nun also neu und politisch korrekt, die Musik ist noch immer schwerer PostPunk mit Noise-Elementen.

Das Meisterwerk auf dem neuen Album ist der über 11 Minuten lange Song "Memory". Ein geisterhaftes PostPunk-Opus, das sich aufdrängt und wieder zurücknimmt, mit rabiaten Breaks und unerwarteten melodiösen Strängen aufwartet und trotzdem wie aus einem Guss ist. Very fein!




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ARGONAUT & WASP / Loser Like You

Solange Verlierer ihr Unvermögen nicht mit Arroganz mischen, haben diese Typen doch oft etwas Sympathisches an sich. Nicht umsonst war die Hymne "Loser" von Beck Hansen 1993 ein Chartbreaker.

ARGONAUT & WASP singen auch über Loser, aber mit viel 70er Jahre Groove und einem charmant witzigen Text. Dazu gibt es Klänge, die laut Bandinfo von Legenden wie Talking Heads, LCD Soundsystem oder David Bowie inspiriert wurden.

Laut Band-Homepage wurde der Song tief in der Nacht geschrieben, in einem Zustand frustrierter Verwirrung. Wenn immer so eine funky chilled IndieDance-Nummer dabei herauskommt, wünsche ich dem Quintett noch viele verwirrte und frustrierte Nächte in ihrer Heimatstadt NY/Brooklyn.





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GRIT / New Car

Auch Altbewährtes kann frisch klingen! GRIT aus Los Angeles machen feuchtfröhlichen GarageRock, der ohne moderne Spielereien auskommt und einfach auf die Zwölf schlägt.

Nicht nur wegen des Titels "New Car" eignet der Song sich hervorragend dazu, auf der Autobahn, wenn man mal freie Piste hat, das Gaspedal nach unten durchzudrücken. Man hat dann tatsächlich den Eindruck als würde durch den treibenden Beat und den rotzigen Gesang von Frontfrau Kat Meoz noch ein paar mehr Pferdestärken unter der Haube wirken. Gute Fahrt!




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SLEAFORD MODS / TCR

Dass ich der Musik der Herren Williamson und Fearn, die das Duo SLEAFORD MODS bilden, viel abgewinnen kann, hat sich vermutlich schon bis die entlegensten Winkel der Welt herumgesprochen.

Auf der erstmals bei Rough Trade am 14.10. erscheinenden fünf Titel umfassenden EP "TLC" machen die geliebten Pöbel-Briten (fast) weiter wie gehabt. Monotoner aggressiver Beat, bissige garstige Lyrics. Laut Iggy Pop sind sie deshalb: "Undoubtedly, absolutely, definitely the worlds greatest rock n roll band".

Aber irgendwie kommt mir "TLC" (=Total Control Racing) nicht ganz so aggressiv und wütend vor wie die bisherigen Veröffentlichungen - liegt vielleicht daran, dass die Wüteriche Autos im Kreis fahren lassen dürfen? Das hat auch mich als Kind schon immer beruhigt! Die Idee hinter "TLC" und dem immer im Kreis fahren war aber eine andere wie Williamson dem NME erklärte:

"It's a pretty crap device, and I thought it married perfectly to the idea of life's (at times) rotating dross. The narration/vocal over the song is just that, an account of a bloke reacting to what he feels is a routine-laden existence by 'escaping' for the night to the pub, only to realise this is also a limited experience, and in turn all options kind of merge into a circular experience of never ending repetition that he tries to navigate."

Also lasst euch nicht vom Alltagsscheiß zu sehr einlullen, sondern verlasst ruhig auch mal die abgefahrenen Routen und genießt jetzt erstmal den famosen 80s-Retro-Clip zu "TCR" ;-)

Tracklist:
01 TCR
02 I Can Tell
03 Britain Thirs *My Favourite!
04 Dad's Corner
05 You're A Nottshead




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Montag, 19. September 2016

KAREN ELSON / The Ghost Who Walks (2010)

HERZPLATTENREMEBER THAT OLD SHIT
Kategorie: Country / Folk  / Chanson / Sixties
Veröffentlichung: 2010

 

Am 1. Juli 2005 heiratete Jack White (The White Stripes) das ehemalige Victoria's Secrets Model KAREN ELSON auf einem Kanu im Amazonas und fünf Jahre später beweist er, dass in seinen Händen fast alles zu Gold wird.

Karen war aber auch schon vor der Ehe mit Jack musikalisch keinesfalls unbedarft, so arbeitet sie bereits mit Michael Stipe (R.E.M.) oder Cat Power und spielte mit der Citizens Band vor allem live Songs aus den 20er (!) Jahren. Und dann kam Jack.

Jack produziert ihr Debüt-Album "The Ghost who walks" und setzt sich auch noch hinter das Schlagzeug, aber trotzdem wurde der Longplayer kein White Stripes-Album und auch keine Raconteurs-Platte und schon gar keine mit The Dead Weather-Platte. Karen Elsons Album, leider bis heute auch das Einzige, ist zeitloser und dichter in der Qualität als die Werke die Jack im selben Zeitraum veröffentlichte.

Was das mittlerweile längst geschiedene (2011) Ehepaar der Musikgeschichte hinterlässt, ist schon jetzt ein Klassiker, den man am ehesten vergleichen kann mit Dusty Springfields "Dusty in Memphis" von 1969. Elsons Kompositionen (fast alle stammen aus ihrer Feder!) und Arrangements sind atemberaubend und Jack liefert in Hinsicht der Produktion seine bis dato beste Arbeit ab.



Das Süppchen, welches die beiden kredenzen, ist eine wohlschmeckende Melange aus Country, Sixties-Pop,  BluesRock und Chanson. Der Titelsong "The Ghost who walks" ein Bastard aus "Riders on the Storm" (The Doors) und "Spooky" von Dusty Springfield der Herz und Beine gleichermaßen im Sturm einnimmt. Karen singt glasklar, die 70er Orgel schwebt, begleitet nur von Schlagzeug und Akustikgitarre.



"The Truth is in the Dirt" rockt und swingt, "Pretty Babies" gefällt mit einem schrägen Bossa Nova-Rhythmus (auf der Orgel), der sich mit weinerlichen Westerngitarren im Hintergrund vermischt. "Lunasa" beginnt nur mit akustischer Gitarrenbegleitung ehe sich ganz gemächlich Fidel und dezentes Schlagzeug dazu gesellen. Bei "100 Years from now" greift Karen auf die Erfahrungen zurück, die sie mit der Citizens Band gesammelt hat: Klingt wie ein Chanson auf einem Grammophon!

Mit einem Akkordeon beginnt "Stolen Roses", die Melodie erinnert stark an "Where the wild roses grow" (Nick Cave & Kylie Monogue) - der Titel könnte ja auch darauf hindeuten ;-) - vom Arrangement und von der Instrumentierung fühlt man sich allerdings eher ins Mittelalter versetzt. Allerdings Mittelalter in Nashville!

 "Cruel Summer" bleibt in der US-amerikanischen Country-Musik-Metropole, also an die Bar gehen und einen Whiskey bestellen! Anschließend raus aus der Bar in den "Garden". 1A-Melodie im feinen PopRock-Gewand, originelles Riff und wieder das Akkordeon und die Orgel.



Sehr erhaben geistert der Sound von "The Birds they circle" im Raum. Die Pianomelodie schwebt voran und die Gitarre nimmt die Melodie auf. Karen klingt wie Joan Baez! Aber es geht noch ruhiger und reduzierter. "A Thief at my Door" beginnt sehr verhalten, Karen singt etwas höher als bei den anderen Songs und nach ca. 1:50 kündigt das Schlagzeug das Finale Furioso an. Wow! Bei der Folk-Ballade "The last Laugh" zeigt Mrs. Elson nochmal wie gefühlvoll sie singen kann und als Bonus-Track folgt dann das düstere, mystische "Mouths to feed", das mich verblüffend an die Werke der Gothic-Band Dead Can Dance erinnert. Toller Abschluss für ein echtes Meisterwerk!

Tracklist:
01 The Ghost Who Walks
02 The Truth Is in the Dirt
03 Pretty Babies
04 Lunasa
05 100 Years from Now
06 Stolen Roses
07 Cruel Summer
08 Garden
09 The Birds They Circle
10 A Thief at My Door
11 The Last Laugh
12 Mouths to Feed



Freitag, 16. September 2016

TEENAGE FANCLUB / Here

Zur Einstimmung etwas Musikgeschichte. Die englische Zeitschrift New Musical Express brachte 1986 den legendären Sampler "C86" (C = Cassette) heraus, auf dem das Magazin neue gitarrenlastige Popmusik vorstellte. Bands wie Primal Scream, The Soup Dragons, Half Man Half Biscuit und The Wedding Presents wurden vorgestellt. Der Sampler befeuerte die Szene, die man von da an C86-Szene nannte und in deren Umfeld Bands wie The Jesus and Mary Chain, The Vaselines und 1989 der TEENAGE FANCLUB entstanden.


Zu Beginn klang die Musik des Teenage Fanclubs wild und ungezügelt, dissonante Gitarrenklänge prägten den Sound und jugendliche rebellische Texte verhalfen den Schotten zu großen Erfolgen. Das zweite Album  "Bandwagonesque" wurde vom amerikanischen Magazin Spin 1991 zum Album des Jahres gekürt, vor Nirvanas "Nevermind" und "Out of Time" vom REM.

25 Jahre später veröffentlicht der Teenage Fanclub nach 6 Jahren Funkstille sein 13tes Album, welches sich schlicht "Here" nennt. Ja, die Band ist noch immer am Start! Schon lange, nur noch von einer kleineren vor allem in England heimischen Fangemeinde vergöttert, arbeiten die Mannen um Frontmann Norman Blake daran, unvergängliche Melodien (Paradebeispiele vom aktuellen Album "Live In The Moment" und "It’s A Sign") zu erschaffen. Dabei ging natürlich im Laufe der Zeit der jugendliche Strum und Drang verloren, dafür schälten sich die herausragenden Songwriter-Qualitäten der Band immer mehr hervor und ich wage zu behaupten, nie waren sie besser als im Hier und Jetzt.

Auf "Here" wird man Disharmonien vergeblich suchen, stattdessen prahlt das Album überschwenglich mit catchy Hooklines, warmen Harmonien und ausgeklügelten Gitarrenarrangements. Der Opener "I’m In Love" ist feinster BritPop, der verdeutlicht, warum Liam Gallagher den Teenage Fanclub als die zweitbeste Band der Welt bezeichnete - nach Oasis natürlich.



"Thin Air" beispielsweise ist eine Hymne mit jubelnden Gitarren, bei der vor allem der Anfang äußerst bezaubernd ist. Für viele Bands mag mit den Jahren die Luft dünner werden, der Teenage Fanclub gehört aber definitiv nicht zu diesen Bands.

Das ganze Album verströmt eine außergewöhnliche unspektakuläre Gelassenheit, die sich besonders im Song "I Have Nothing More To Say" widerspiegelt und nebenbei verzaubert es immer wieder mit feinen ausgefeilten Gitarrenparts ("The Darkest Part Of The Night", "It’s A Sign"), überraschenden Bläsersätzen ("The First Sight") und zarten Klängen mit zur perfekt einfühlsamen Stimme von Norman Blake ("Steady State", "With You").



Kein Album für Menschen, die nur auf der Suche nach dem hippesten Scheiß sind, aber nicht mehr und weniger als ein ziemlich perfektes GitarrenPop-Album. Diese Band ist "Connected to Life"!

Tracklist:
1. I’m In Love
2. Thin Air
3. Hold On
4. The Darkest Part Of The Night
5. I Have Nothing More To Say
6. I Was Beautiful When I Was Alive
7. The First Sight
8. Live In The Moment
9. Steady State
10. It’s A Sign
11. With You
12. Connected To Life

Mittwoch, 14. September 2016

NEW SONGS Vol. 133: NICK WATERHOUSE / Old Place + Katchi ... KROY / Bones ... MAKEUNDER / Great Headless Blank ... THE DELTAHORSE / Happy Heart (Can go for Miles) NEW


NICK WATERHOUSE / Old Place + Katchi

Am 30. September erscheint das dritte Album "Never Twice" des Kaliforniers NICK WATERHOUSE. Wie gewohnt bewegt sich Nick smart zwischen den Genres Rhythm & Blues, Jazz und Soul à la Sixties.

Der Clip zu "Old Place" besteht aus Zusammenschnitten aus verschiedenen Konzerten des Musikers, das Konzert vom 19. Juli in Köln ist allerdings nicht dabei.  Der Song groovt und war auch schon beim Konzert im Stadtgarten ein Highlight.

"Katchi" ist ein Wort aus dem Indianischen, das eine zärtliche Berührung beschreibt. Der Titel entstand bei der Tradition zwischen Waterhouse und seinem Freund Leon Bridges, sich gemeinsam zur Massage zu verabreden. Bridges wurde gerade massiert und Waterhouse klimperte auf der Gitarre, als der Massierte ausrief: "Sie gibt mir Katchi!" Mit diesem Satz spielten die beiden herum, bis letzendlich der Song entstand, der nun auf dem Album mit "feat. Leon Bridges" präsentiert wird.






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KROY / Bones

KROY ist das Solo-Projekt von Camille Poliquin, die bereits als eine Hälfte des aus Montreal stammenden Damen-Duos Milk & Bone mit minimalistischer und sehr melancholischer elektronischer Musik von sich reden macht.

Auch bei ihrem Solo-Projekt bleibt Poliquin diesem Konzept treu. Im Song "Bones" geht es um die Leiden, die eine geheime Liebe, von der niemand wissen darf, mit sich bringt. Eindringlicher sanfter ElektroPop mit einer anmutig zerbrechlichen Stimme.




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MAKEUNDER / Great Headless Blank

Besonders in Verbindung mit Bildern wirkt der ArtPop des aus Oakland stammenden Künstler-Kollektives MAKEUNDER eindrucksvoll. Kein Wunder, da Mastermind Hamilton Ulmer Musik als visuelles Medium ansieht und für seine experimentelle Songs zwischen SynthiePop und RnB gerne bildende Künstler engagiert.

"Great Headless Blank" handelt von der Angst, sich endlos zu verzetteln, ohne das Ziel je zu erreichen und ist der Titeltrack der gleichnamigen aktuellen EP.




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THE DELTAHORSE / Happy Heart (Can go for Miles)

Es gab eine Zeit, da werkelten Bands gemeinsam in Garagen oder heruntergekommenen Kellerräumen an ihrer Musik. Im Zeitalter der modernen Kommunikation ist dies nicht zwangsläufig von Nöten, was die Band DELTAHORSE beweist, deren Mitglieder in Berlin (Sash; bass, beats, machines) Boston (Dana Colley; Bass saxophone, baritone/tenor/alto saxophone) und Belfast (Vadim Zeberg; vocals) leben und über große Distanzen per  Datentransfer ihre Musik zum Leben erwecken.

Was dabei herauskommt ist im weitesten Sinne in die Schublade IndieTronic einsortierbar, hat aber neben einer guten Portion Groove eine gewisse Dirtyness wie man sie eher bei echten Garagenbands vermuten würde. Bisher hat das Trio nur eine vier Songs enthaltene selbstbetitelte EP (2013) veröffentlicht, aber auf der Band-Homepage läuft der Countdown für den ersten Longplayer, der demnach noch in diesem Monat erscheinen wird.




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Samstag, 10. September 2016

SAM BEAM (Iron and Wine) & JESCA HOOP live in der Kulturkirche in Köln

Location: Kulturkirche, Köln
Date: 08.09.2016

 

Ein Duett ist prinzipiell nichts anderes als ein musikalisches Werk, das von zwei Musikern vorgetragen wird. Im Idealfall kann es dazu führen, dass Großes entsteht wie im Falle des Albums "Love Letter for Fire", welches SAM BEAM von Iron and Wine und JESCA HOOP im Mai dieses Jahres veröffentlichten.


Dieses Werk ist zum Verlieben und handelt von der Liebe, weswegen mein treuer Konzertbegleiter C., der optisch übrigens aussieht wie der große Bruder von Sam Beam, und ich heute gleich mit sieben liebreizenden Damen den Weg in die Kulturkirche fanden - man weiß ja, dass "echte" Männer mit klassischen Liebesliedern, die auf Gefühl setzen, gerne ihre Problemchen haben. C. und meine Wenigkeit haben damit aber überhaupt kein Problem, wir sind sogar im Stande, beim Musik hören das ein oder andere Tränchen zu verdrücken! Jawohl!



Da wir damit gerechnet haben, dass bei diesem Konzert die Kirchenbänke im Saal bleiben sind wir bereits kurz vor dem Einlass um 19 Uhr vor Ort, um Plätze in der vordersten Reihe zu sichern. Es ist so früh, dass ich es nicht mal mehr geschafft habe, etwas zu Abend zu essen und darauf vertraute, dass es in der Kulturkirche neben leckerem Kölsch wieder Brezeln geben würde. Aber falsch gedacht, denn am Ausschank erfahre ich, dass der Brezelbäcker aus Nippes verstorben ist und es anscheinend noch nicht gelungen ist, einen Nachfolger zu finden. Da ich Traditionen in aller Regel gut finde, appelliere ich hiermit an alle Kölner Bäcker der Kulturkirche in Nippes, ein Angebot über einen Konzert-Brezel-Lieferservice zukommen zu lassen.

Die Kirche füllt sich allmählich und leider steigt damit auch die Temperatur und die Sauerstoffarmut. Wer bei den heißen Temperaturen draußen dachte, dass er hier Abkühlung erfahren würde, hatte sich ebenfalls getäuscht. Es wird später tatsächlich noch so heiß, dass sogar Jescas Gitarre zu schwitzen beginnt - ehrlich!

Kurz nach 20 Uhr, nach den traditionell einleitenden Worten des Hausherrn, geht es los mit Erika Wennerstrom, der Frontfrau der amerikanischen IndieRock-Band Heartless Bastards aus Ohio. Die Heartless Bastards standen 2013 auf der Gästeliste für den Rolling Stone Weekender,  mussten dann aber kurzfristig ihren Auftritt absagen, aber da wir als Dauerabonnenten des Weekender-Festivals uns immer gut vorbereiten, war uns zumindest der Bandname noch geläufig, die Songs der Band leider nicht mehr so ganz.

Egal, denn heute Abend war Erika Wennerstrom ohne ihre herzlosen Bastarde da, um nur mit Gitarre und ihrer außergewöhnlichen Stimme das Publikum zu verzücken.

In einem kaftanähnlichen roten Kleid, das ich mal als sehr gewöhnungsbedürftig umschreibe, spielt Miss Wennerstrom ein kurzes Set, bei der sie zwischen akustischer und elektrischer Gitarre pendelt und klassische Folk-Songs präsentiert. Das Gitarrenspiel ist leider wenig variabel, weswegen die Songs einzig durch die facettenreiche Stimme getragen werden. Dadurch ist das Vorspiel zum eigentlichen Liebesakt eher durchwachsen, aber der Höhepunkt kommt ja noch ;-).

Nach einer kurzen Pause geht es dann  mit "Kiss me quick" auch direkt zur Sache. Von der ersten Note an zieht das charmante musikalische Liebespaar mich, und ich denke den anderen Konzertteilnehmern geht es nicht anders, in den Bann. Wir Deutschen kennen ja den oft gehörten Satz von "Jetzt wächst zusammen was zusammen gehört" und dieser Satz trifft im Kern die kongeniale musikalische Verschmelzung von Sam Beam und Jesca Hopp.

Wie die beiden auf der Bühne sich die Bälle zuwerfen bei den unterhaltsamen Plaudereien und natürlich in musikalischer Hinsicht, habe ich es in dieser Intensität bisher nur selten erlebt. Leider ist Sam beim Sprechen ein kleiner Nuschler und deutlich schlechter zu verstehen als die mittlerweile in Manchester lebende Kalifornierin Jesca, aber selbst wenn ich nicht alles kapiere, verstehe ich, dass diese beiden Künstler sich prächtig verstehen und riesigen Spaß an dem haben, was sie tun.

Sam, der seine sanfte Stimme beim Konzert mit einem Rotwein geschmeidig hält und Jesca mit ihrer glasklaren Stimme harmonieren wie ein glückliches altes Ehepaar und ich wünsche mir definitiv weitere "Kinder" dieses Paares. Über die einzelne wunderbaren Songs auf "Love Letter for Fire" habe ich in der Mai-Rezension des Album schon genug geschwärmt und natürlich gelingt es dem Duo, die magische Intensität der Lieder auch live spielend umzusetzen. Gänsehaut überzieht mich bei "Valley Clouds", "Bright Lights & Goodbyes" und speziell bei meinem auch vom Publikum frenetisch gefeierten Lieblingsong "Every Songbird Say". Bei meinem treuen Konzertbegleiter C. meine ich beim Song "One Way to Pray" einen dramatischen Emotionalitätsanstieg zu bemerken.



Eine Sternstunde ist das rhythmisch faszinierende "Chalk It Up to Chi", wo Jesca eindrucksvoll alle Facetten ihrer wunderbaren Stimme präsentiert und auch das Pfeifen live problemlos hinbekommt. Es sind viele Melodien auf "Love Letter for Fire", die im Ohr kleben bleiben, aber ""Chalk It Up to Chi" scheint die höchste Klebekraft zu besitzen, denn ich wache am Tag nach dem Konzert tatsächlich mit dieser Melodie im Ohr auf.

Neben den selbst komponierten Songs spielen Sam & Jesca in der Kulturkirche auch zwei Coverversionen. Beide Songs sind ausreichend bekannt, aber die eigenwilligen Interpretationen von "Islands in the Stream" von den Bee Gees geschrieben und vom Duo Kenny Rogers & Dolly Parton zum No-1-Hit gemacht und  "Love is a Stranger" von den Eurythmics ändern ihrer Aura so sehr, dass man tatsächlich ins Grübeln kommt. "Very fein", wie man in unseren Kreisen zu sagen pflegt!

Im Laufe des Konzerts fragt Sam das Publikum, welcher dieser beiden gecoverten Interpreten dem deutschen Publikum näher steht und ich alter gutgelaunter Schelm rufe ihm doch glatt "Ramones" entgegen - da die beiden vorher über Rock-Klischees gealbert haben - weshalb er anschließend, mit einem fragendem  "really?" auf den Lippen, ziemlich verwirrt wirkt ;-).

Überhaupt kam auch der Spaßfaktor an diesem Abend nicht zu kurz. So rief Jesca zu einer spontan Abstimmung auf, ob die Zusammenarbeit zwischen ihr und Sam weitere Früchte tragen solle und natürlich folgte darauf ein "Yes" aus zahlreichen Kehlen. Im Laufe des Abends wurde dann übrigens auch schon der Titel für das zweite Album festgelegt: "Wiener Schnitzel" ;-).

Aber auch die schönsten Momente gehen zu Ende und so ist nach leider nur einer Zugabe und Standing Ovations  gegen 23 Uhr der Konzertabend beendet. Schnell noch mit Vinyl am gutbesuchten Merchandise-Stand eingedeckt und um mich herum sehe ich nur zufriedene Gesichter. Die unverwüstliche V. droht gar mit Haue, falls irgendjemand sich erdreisten würde zu sagen, dass ihm dieses Konzert nicht gefallen habe. Und wo sie Recht hat, hat sie Recht die Unverwüstliche!



Mittwoch, 7. September 2016

BALL PARK MUSIC / Every Night The Same Dream

Ich fürchte, DAS Problem von BALL PARK MUSIC aus Brisbane ist, dass die Australier zu vielseitig sind und immer anders oder besser formuliert nach anderen Bands klingen. Sonst gibt es eigentlich keinen plausiblen Grund, weshalb das Quintett, nicht spätestens mit dem 2014 erschienenen Album "Puddinghead" hätte alle Türen weltweit und nicht nur auf dem Kanguru-Kontinent aufstoßen müssen.


Das Album beginnt mit einem Blubber-Groove und einer Stimme, die verdammt nach Radiohead klingt, aber eben nicht ist. Im Laufe des Songs trifftet "Feelings" immer mehr ins Psychedelische ab und die Stimme von Frontmann Sam Cromack muss sich den Noise-Attacken erwehren. Bärenstarker Opener, der sich erst bei erhöhter Lautstärke wirklich entfaltet.

Song Nummer zwei "Ever Since I Turned the Lights On" beginnt mit einer Orgel, die an die Inspiral Carpets erinnert - hat auch eine feine britische Note -schlägt aber doch eher in Richtung Pond, also schon wieder ins Psychedelische durch und obenauf garniert mit einer kleinen feinen Prise GlamRock.

IndiePop mit Refrain zum Mitsingen für die Indie-Disco liefert "Whipping Boy" so ziemlich die eingängigste Nummer auf "Every Night The Same Dream". Natürlich hat sich die Plattenfirma entschlossen, diesen Song auszukoppeln und mit einem Video zu unterstützen, dabei wäre fast jeder andere Song auf diesem Album interessanter.



Zum Beispiel "Pariah", der wie eine Ballade mit Klavierklängen beginnt, zu der sich dann die sanfte Stimme Cromacks gesellt, ehe er nach einer operesken Einlage kippt, der Beat einsetzt und ausufernder spaciger Krautrock a la Neu! entsteht. Very fein!



Wie die melodiösen Manic Street Preachers, ein wenig auch wie Weezer, klingen die Australier bei "Nihilist Party Anthem". Aber die Gitarren knurren lauter und der Bass dröhnt fetter. Dann plötzlich wieder ein Song mit Groove und Beats, ähnlich wie der Opener "Feelings". Aber bei "Peppy" erklingt zusätzlich eine à la Foxygen leiernde psychedelische Gitarre und zwischendrin driftet das Ding in Pink Floyd-Spären ab. Crazy Shit!



Kurswechsel gefällig? "Leef" ist eine wunderschöne ätherische Ballade mit Flöten und viel Liebe, die ausnahmsweise auch nicht abdriftet, sondern nur eine exzellente Ballade bleiben will. Es geht mit gebremstem Tempo weiter. Akustische Gitarrenklänge und lediglich eine etwas verhallte Stimme läuten "Don't Look at Me Like That" ein, bis bei 1.25 Minuten plötzlich der Rhythmus einsetzt geradeso als hätte jemand seinen Wagen mit Vollgas gestartet. Dann bricht das IndieRock-Monster wieder ab und es blubbert in die Unendlichkeit. Crazy Breaks!

Der nächste Ohrwum nennt sich "Blushing". Das ist Pop, auch wenn die Gitarren leicht verzerrt klingen. Das ist Pop, weil dazu Teenager knutschen könnnen. Das ist Pop, weil es die juvenilen Radiosender durchaus in ihren Airplay-Lists verstecken können, ohne dass pubertäre Pickelgesichter von ihren Hausaufgaben hoch schauen. Trotzdem schön!

Die Nacht mit dem ewig gleichen Traum beendet das sanft groovende "Suit Yourself". Wieder führt die musikalische Reise in einen tranceähnlichen Gemütsstand. Vorbei an süßen Melodien und kleinen Gitarren-Eruptionen und Plings und Plongs und engelhaften Chorgesängen. Crazy Glitterkram!

Fazit: Um Referenzen kommt man beim Hören von "Every Night The Same Dream" nicht herum, es sei, man hat die letzten 60 Jahre isoliert außerhalb dieser Welt verbracht. Trotzdem macht das Album gehörigen Spaß, weil es voller catchy Hooklines steckt, mit Melodien um sich wirft, viele kleine große Ideen in sich birgt und nicht nur zum Mitsingen, sondern auch zum Tanzen anregt.

Tracklist:
01 Feelings
02 Ever Since I Turned the Lights On
03 Whipping Boy
04 Pariah
05 Nihilist Party Anthem
06 Peppy
07 Leef
08 Don't Look at Me Like That
09 Blushing
10 Suit Yourself


Montag, 5. September 2016

NEW SONGS Vol. 132: GURR / Moby Dick ... HELADO NEGRO / Transmission Listen ... VOODOO JÜRGENS / Heite grob ma Tote aus ... MOZES AND THE FIRSTBORN / Crawl


GURR / Moby Dick

Ach, was hab ich diesen Dreier aus Berlin in mein Herz geschlossen! Die 2015 erschienene EP "Furry Dream" dreht sich so häufig auf meinem Plattenspieler, dass ich fürchte, die Rillen sind bald durch.  

Andreya, Laura und Jill legen mit "Moby Dick" einen neuen Song in ihrer charmanten typischen GaragePunkPop-Art-und-Weise vor - dieses Mal mit einer feinen Dosis SixtiesSurfPop garniert. Die Vorfreude auf den ersten Longplayer "In my Head", der vorraussichtlich Mitte Oktober erscheint, steigt und steigt.

Und weil man von den Damen nicht genug bekommen kann gibt es jetzt auch schon den nächsten Appetithappen, "Walnuss", vom neuen Album. Geili GURR!






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HELADO NEGRO / Transmission Listen

"Young, Latin and Proud" ist das Motto von Roberto Carlos Lange alias HELADO NEGRO. Der Sohn ecuadorianischer Einwanderer wurde 1980 in Süd-Florida geboren und wuchs dort mit der tropischen Hitze und den verschiedenen lateinamerikanischen Kulturen des südlichen Floridas auf.

Der hübsch stolpernde Song "Transmission Listen" befindet sich auf dem fünften Album ("Privat Energy") des Amerikaners, der seit seinem Umzug Mitte der 2000er Jahre nach New York als Helado Negro mit Klängen experimentiert und eigenwillige Popsongs, bei denen er sowohl die spanische als auch die englische Sprache einsetzt, entwickelt.




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VOODOO JÜRGENS / Heite grob ma Tote aus

Wer Schwierigkeiten mit dem Wiener Dialekt von Nino aus Wien hat, der braucht es eigentlich gar nicht erst mit VOODOO JÜRGENS versuchen. Wer aber Nino mag, der wird auch Voodoo Jürgens lieben.

Mit den beiden verhält es sich wie mit den Beatles und den Stones in den 60er Jahren. Nur, dass wir uns auch wirklich verstehen, Voodoo Jürgens ist die schmutzige Variante!

Beim Song "Heite grob ma Tote aus" geht es übrigens um einen Exzess auf dem Friedhof und auch auf seinem am 30.09. erscheinenden Album  "Ansa Woar" (übersetzt: Einser Ware. Also das gute Zeug.) beweist der Mann mit dem witzigen Künstlernamen jede Menge schrägen Humor. Geschichten über das Leben, von einem, der anscheinend reichlich Erfahrungen darin gesammelt hat - und natürlich jede Menge Wiener Schmäh, und das obwohl der seit 15 Jahren in Wien lebende Voodoo ursprünglich aus Tulin stammt. Österreichisches Storytelling at his best! Und als Backingband für den Song ""Heite grob ma Tote aus"  waren übrigens die verehrten Herrschaften von Ja, Panik tätig.




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MOZES AND THE FIRSTBORN / Crawl

Vier Musiker aus den Niederlanden (Eindhoven), unter den Produzenten-Fittichen des ehemaligen Urban Dance Squad-Drummer Michel Schoots, starteten 2013 mit dem selbstbetitelten Album "Mozes and the Firstborn" ihre Karriere. Wohlig fühlt sich das Quartett im Umfeld von GarageRock, Grunge, IndieRock und SixtiesPop.

Mit der Single "Crawl" aus dem zweiten Longplayer "Great Pile of Nothing" legen MOZES AND THE FIRSTBORN einen Song vor, dem das Kunststück gelingt, gleichzeitig an Crowded House und Pearl Jam zu erinnern. Verdammt eingängige Nummer mit extremen Hitpotential!





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Freitag, 2. September 2016

ANGEL OLSEN / My Woman

Bisher kannte man ANGEL OLSEN als aufstrebende Songwritering aus dem Genre Folk und Americana, die ihre ersten Erfahrungen an er Seite von Bonnie "Prince" Billy sammelte. Aber bereits ihr drittes, 2014 erschienenes Album "Burn Your Fire for No Witness" zeigte, dass die aus St. Louis/Missouri stammende Künstlerin sich nicht scheut, neue Wege zu gehen. 

Waren ihre ersten beiden Alben "Strange Cati" (2011) und "Half Way Home" (2012) noch fest im Folk verwurzelt, deutet sich mir der 2014er-Singel "Hi-Five" an, dass Angel auch poppigere und sogar rockige Töne beherrscht. 

Die auf "Burn Your Fire for No Witness" erstmals aufgetretene erfrischende Aufmüpfig- und Kratzbürstigkeit hat Angel auf ihrem neuen Album "My Woman" nun weiter kultiviert. Nach der ersten Singleauskopplung "Intern" hagelte es in der Fachpresse und auch hier Vergleiche mit Lana del Rey. Was für ein neuer Sound! Frau Olsen entdeckt den Synthesizer! Was für eine Laszivität! Und was kommt nun?

Überraschung! Überraschung! Madame Olsen kann auch rocken! Konnte man bisher nur im Ansatz IndieRock-Einflüsse in ihrer Musik ausmachen, treten diese nun an einigen Stellen offen zu Tage. Aber keine Angst, denn man wird langsam herangeführt an den neuen Sound, der neben rockigen Nummern sein Zuhause besonders in schlecht ausgeleuchteten und rot schimmernden Plüschräumen mit Getränkeausschank finden dürfte. Eine Auswirkung des letzten Konzertes (s. Bericht) im Kölner King Georg ;-)?


Angel Olsen - Intern (trailer) von scdistribution

Das Album beginnt mit dem bekannten "Intern" und präsentiert an zweiter Stelle, einen verträumten Popsong namens "Never be Mine" der zarten Sixties-Flair versprüht und eine Laszivität in Olsens Stimme offenbart, die man von der Songwriterin bisher nur erahnen konnte.

Dann lässt Angel die Gitarren los! "Shut Up Kiss Me" zeigt nicht nur im Titel das neue Selbstbewusstsein. Wunderbar wie sie gelernt hat mit ihrer Stimme zu spielen. Mal klingt sie zerbrechlich, mal erotisch-lasziv und mal überschlägt sie sich und klingt rotzig. Von der Künstlerin, die sich auf ihren ersten beiden Alben an traditionellen aber leicht verquerten Folksongs und Fingerpicking übte, ist nur noch wenig übrig geblieben. Angel Olsen hat ihren eigenen Stil gefunden. Genregrenzen sind niedergerissen. Der Olsen-Sound kling nach FolkRock, IndieRock, SixtiesPop und dank ihrer charakteristischen Stimme eben nach Olsen.


Angel Olsen - Shut Up Kiss Me (Official Video) von scdistribution

Die ersten Takte von "Give It Up" klingen tatsächlich nach Nirvana, aber mit Einsetzen des Schlagzeugs und der Twang-Gitarre sind wieder die Sixties präsent - aber in ein modernes rumpelndes Grunge-Light-Soundgewand verpackt. Bei "Not Gonna Kill You" klingt Angels Stimme flehend, der Song rockt, hat aber auch DreamPop-Momente und streichelt sogar sanft am Shoegaze vorbei. Verdammt Miss Olsen hat Bock auf das Album des Jahres! Und dieses Jahr ist ein wirklich fettes!

"Heart Shaped Face": Herzschlagbeat. Wieder eine Gitarre mit Twang und wieder diese Stimme, die Eisberge schmelzen lässt. Deutlich schimmert die musikalische Folk-Vergangheit in keinem anderen Song auf "My Woman" hervor. Wahrscheinlich kann man zu "Heart Shaped Face" die ganze Nacht durch engumschlungen Blues tanzen.

Nur wer wagt, gewinnt! Mit "Sister" wagt sich Angel an eine Ballade in Überlänge (7:45 Min.). Die Gitarre weint, Sehnsucht tropft stetig aus dem eigentlich monotonen Stück, das nur ab und an in den ersten beiden Dritteln das Tempo wechselt. Der Zuhörer wird bis zum fulminanten Schlussdrittel zärtlich umhüllt und dann erinnert "Sister" an die wirklich großen Balladen von Neil Young.


Angel Olsen - Sister (Official Video) von jon-chew

Fast übergangslos fließt das Album zum nächsten Stück "Those Were The Days", das mit einem sanften jazzigen Groove und Keys ein weiteres neues Spektrum im Musikuniversum von Frau Olsen zeigt. Sollte irgendwer auf die Idee kommen, die hocherotische Szene aus "Die fabelhaften Baker Boys", wo sich Michelle Pfeiffer im roten Abendkleid auf dem Klavier räkelt, mit neuer Musik zu unterfüttern. Take this Song!

Der Albumtitelsong "My Woman" erreicht ebenfalls epische Länge (7:33 Min). Auch hier setzt Olsen und ihre Band auf weinerliche Klänge, aber im Gegensatz zu "Sister" gelingt es nicht, über die gesamte Strecke einen Spannungsbogen aufzubauen. Böse Zungen würden sagen, es plätschert etwas zu sehr und die Gitarren-Intermezzos sind etwas zu bieder. 

Das Ende des herausragenden Albums markiert das geisterhafte "Pops". Das Klavier klingt als stünde es in einem feuchten Gewölbekeller und Olsen singt als wäre sie ein Wesen aus dem nicht greifbaren Zwielicht.

Im Oktober kommt Angel Olsen mit ihrer Band für 4 Konzerte nach Deutschland (Hamburg, Berlin, München und Köln.) Wer nicht hingeht, könnte eines der Ereignisse des Jahres verpassen!

Tracklist:
01 Intern
02 Never Be Mine
03 Shut Up Kiss Me
04 Give It Up
05 Not Gonna Kill You
06 Heart Shaped Face
07 Sister
08 Those Were The Days
09 Woman
10 Pops