Labels

Samstag, 30. April 2016

THE HEAVY / Hurt & the Merciless

Wer kennt das nicht! Eine Party, auf der müder Small-Talk gemacht wird und im Hintergrund leise Berieselungsmusik läuft, die trotz der geringen Lautstärke Ekelzustände hervorruft. Dabei könnte es alles so einfach sein!


Es gibt nämlich wirklich Musik, die einen Konsens schafft, ohne mit dem schrecklichen Etikett Konsensmusik versehen zu werden, und jede noch so öde Party in Schwung bringt. Doch wirklich!

Alls Musikbegeisterter Ihres Vertrauens empfehle ich für solche Fälle einige Sachen von King Khan & the Shrines oder aber jedes x-beliebiges Album von THE HEAVY. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, sollte man einfach zur aktuellen Platte "Hurt & the Merciless" greifen und am Abspielgerät - falls möglich - die Repeat-Taste aktivieren. Wenn dann immer noch saft- und kraftlose Gespräche, gähnende Langeweile und Apathie herrscht, hat es sie wohl oder übel auf eine Zombie-Party verschlagen.

Lebendige Menschen können nämlich keinesfalls der Soul-, Groove-, Funk- und GarageRock-Offensive widerstehen. Zu sehr dringt die Musik der Briten in Körpergliedmaßen ein und führt dort zumindest zu chronischen Wippfüßchen, Mitschnippfingern oder manischen Pfeifattacken.

Prinzipiell können Sie bei ""Hurt & the Merciless" zwar auch die Dosis im Shuffle-Modus verabreichen, aber auch bei nicht rezeptpflichtigen Anwendungen ist es nicht verkehrt, chronologisch vorzugehen, also wie es der Arzt oder hier eben die Band vorgegeben hat. Nicht alle Menschen, die nicht tanzen können, sind von der Anwendung auszuschließen, allerdings bei akuter Soul & Funk-Allergie sollte man den Probanden zumindest über Nebenwirkungen, wie körperliche Erregungszustände, aufklären.



Um den Spiegel schnellstmöglich zu erreichen, ist der Einstieg mit "Since You Been Gone" fulminant. Die Frau ist weg und die meisten würden ihrer Trauer in einer sanften Ballade ausdrücken, aber nicht Sänger Kelvin Swaby und seine Jungs! Die Bläser pusten jeden Trübsal spielend zur Seite und Gitarrist Dan Taylor spielt wunderbar dreckig Gitarre! Eine echte Groove-Attacke! Das Video zum Song ist von Regisseur Focus Creeps und in der Hauptrolle kann man neben Swaby auch Thomas Turgoose sehen, der Fans von britischer Filmkunst aus "This is England" bekannt sein dürfte.

Beim zweiten Albumsong "What Happened To The Love?" wird klar: Dies ist ein Trennungsalbum! Und tatsächlich ging es im Privatleben der Band die letzten Jahre drunter und drüber. Trennungen und Scheidung, dann eine erneute Vermählung. Wie man daraus eine 1A-Gute Laune Platte bastelt, ist unvorstellbar, aber wahr. Wem beim Einstiegssong zu wenig Rockeinflüsse durchschlugen, der dürfte bei den schweren Riffs und der genialen Hook "What Happened To The Love?" nichts mehr zu motzen haben. Eignet sich bei aufgedrehtem Volumeregler wunderbar zum Druckablass!



More Funky? Bitte schön! "Not the One" ist die most funkiest Red Hot Chili Peppers-Nummer, die diese wohl niemals mehr schreiben werden. Musikfreunde, die nicht über seltsame Schepper-Boxen ihre Musik konsumieren, dürfen sich besonders über die durch die Lautsprecher rollenden Drums von Mister Chris Ellul freuen.

"The Apology" schmeckt nach dem groovendem Funk-Soul-Gebräu wie es das Stax Records-Label in den 70er Jahren als schmutzigen Gegenpart zum relativ cleanen Motown-Sound etablierte. Lecker! Anschließend folgt ein souliger Ausflug nach Mexiko. Die Mariachi-Bläser-Parts in "Nobody's Hero" sind exzellent und der Refrain ist so unglaublich catchy, dass er mir seit Tagen im Hirn in Dauerschleife seine Aufwartung macht.



Ich persönlich finde es ja auch sehr schön, wenn bei einer Party im fortgeschrittenen Zustand lauthals Lieder mitgesungen werden. Voila, dafür bietet sich der höchst radiotaugliche Refrain von "Miss California" definitiv an: "She used to be Miss California. A trail of broken hearts to her door. She used to be Miss California. But she don't turn their heads anymore."

Nach dem Singen sollten wieder ordentlich die Hüften geschüttelt werden! Zum fetten tiefen groovenden Bass von Spencer Page, Hand-Claps und The Supremes-Gedächtnis-Chorgesängen auf "Turn Up" bewegt sich wahrscheinlich sogar so ein unlockerer steifer Typ wie der türkische Präsident einigermaßen geschmeidig.



Na klar wildert "A Ghost You Can't Forget" zügellos bei "Hit the Road Jack" von Percy Mayfield, aber bei dieser flotten Nummer sollte es wohl niemanden stören, denn merke Herr Erdogan, am Ende zählt was zum Schluß dabei herauskommt :-). Sorry wegen der politischen Komponente, aber dieser Typ ist gefährlich für jede Demokratie der Welt und das musste ich einfach auch mal niederschreiben.

Zurück zur Musik! Nach meiner Beichte nun "Last Confession" von The Heavy, dem Beweis, dass man Streicher einsetzen und trotzdem höllisch grooven kann. Allerdings fehlen mir bei der Nummer doch etwas die Raffinessen, mit denen die Band auf diesem Album ansonsten überhaupt nicht geizt.

Ein gaaanz kleines bisschen Temporeduzierung bei "Mean Ol' Man", was aber natürlich nicht ausreichen wird, um die Party zu stoppen, aber man kann ja auch mal wippenden Schrittes den Getränkestand aufsuchen, um den Flüssigkeitsverlust wieder auszugleichen.

Das zweite sehr rockige Stück nach "What Happened To The Love?" ist eindeutig "Slave To Your Love". Ekstatisches GarageFunkRockGroove-Monster, um die letzten Körperreserven zu aktivieren und die Welt in Grund und Boden zu tanzen.

Am Ende dann doch noch ein Song der Trennungsschmerz im üblicheren Sinne in Musik transformiert. Aber er klingt schon wieder so hymnisch, dass man den Refrain von "Goodbye Baby", während man in den tröstenden Armen eines Freundes liegt, mit einem Lächeln im Gesicht mitsingt und im Takt des Liedes hin und her schunkelt: "It's GoodBye Baby- Baby GoodBye -It's GoodBye Baby - Baby GoodBye-Where You Belong." Repeat nicht vergessen! Gnadenlos!

Tracklist:
01 Since You Been Gone
02 What Happened To The Love?
03 Not The One
04 The Apology
05 Nobody's Hero
06 Miss California
07 Turn Up
08 A Ghost You Can't Forget
09 Last Confession
10 Mean Ol' Man
11 Slave To Your Love
12 Goodbye Baby

Mittwoch, 27. April 2016

LIGHTS / Midnight Machines

Und schon wieder Kanada! Nach The Burning Hell (charmanter Folk) und Hot Panda (fulminanter IndieRock) sorgt eine Songwriterin namens Valerie Anne Poxleitner geboren in Ontario und heute in Vancouver beheimatet, unter dem Künstlernamen LIGHTS mit ihrem vierten Album "Midnight Machines" für Furore.


Bereits 2009 war sie mit ihrem Debütalbum "The Listening" für den renommierten kanadischen Musikerpreis Juno nomiert, 2015 schaffte es dann ihr Album "Little Machines" den Preis als ""Pop Album of the Year" einzuheimsen.

2016 nun also keine kleinen Maschinen mehr, sondern Mitternachts-Maschinen. Die Namensverwandschaft zum Vorgänger-Album ist beabsichtigt, denn auf "Midnight Machines" präsentiert Lights neben zwei neuen Songs, "Follow You Down" und "Head Cold", sechs Songs aus ihrem "Pop-Album des Jahres".

Bei Neuaufgüssen erfolgreicher Alben bin ich per se immer skeptisch, aber hier darf man ruhig alle Zweifel beiseite schieben, denn es grenzt schon fast an Neuerfindungen, was die Kanadierin mit ihren bereits bekannten Songs macht.




Die Popsongs werden mit dem Skalpell bis auf die Knochen freigelegt und dann in neue Arrangements gepackt. Die akustische Gitarre ist der Leader und punktuell dürfen andere Instrumente oder gar ganze Streichersätze die Kompositionen veredeln. Als Endgebnis gibt es federleicht schwebende Songs, die in ihrer Wäremausstrahlung ohne weiteres mit dem Repertoire der großen Schmeichlern unserer Zeit wie Bon Iver, Iron & Wine, Tindersticks oder Conor Oberst mithalten können.

Das Faszinierende ist, wie es der Popkünstlerin gelingt, nicht nur den Stecker zu ziehen, sondern auch mit ihrer Stimme sich so auf die neuen Versionen ihrer Lieder einzulassen, das die Intensität und Emotionalität förmlich greifbar wird. Bestes Beispiel: "Same Sea"! Und auch die beiden neuen Stücke schmeicheln sich hervorragend in das meditative wollweiche Akustik-Album. Bestes Beispiel: "Follow you Down"!



Exakt diese Wandlungsfähigkeit scheint die besondere Eigenschaft von Valerie Anne Poxleitner, aka Lights zu sein, denn wer sich durch ihre bisherige Diskographie hört, wird erstaunt sein, mit welchen verschiedenen Stilrichtungen (SynthiPop, 80s-Retro-Pop, Electronica, Rock) die Musikerin bereits experimentiert hat. Das ist zwar nicht immer mein Geschmack, aber es ist immer ziemlich gut!

Es wird also höchste Zeit, dass die erst vor wenigen Tagen 29 Jahre Gewordene auch außerhalb Kanadas die Aufmerksamkeit erhält, die ihr gebührt. Amen.

Tracklist:
01 Up We Go
02 Same Sea
03 Follow You Down
04 Meteorites
05 Don't Go Home Without Me
06 Running With The Boys
07 Head Cold
08 Muscle Memory

Sonntag, 24. April 2016

NINO AUS WIEN / Adria

Das Lieblingsmeer vom NINO AUS WIEN ist die Adria, nicht der Pazifik, der ist ihm nach eigener Aussage zu hell. Ninos neues Album, ein Mini-Album mit sechs Songs, heißt deswegen "Adria" und weil er die Stücke alle von August bis Januar an eben dieser Küste geschrieben hat.


Was der frisch mit dem Amadeus Austrian Music Award (Kategorie Alternative Pop/Rock) Ausgezeichnete bietet, ist wie auf seinen acht vorher veröffentlichen Langspielplatten feinster Singer/Songwriter FolkPop mit witzigen, charmant lebensnahen und jede Menge Wiener Lokalkolorit geschmückten Texten.

Da sich in letzter Zeit aufgrund seiner letzten Erfolge mit den gleichzeitig veröffentlichen Alben "Bäume" und "Träume" sein Bekannten- und Freundeskreis sicher deutlich erweiterte, lies es sich der Nino dieses Mal auch nicht nehmen, ein paar Freunde zum Musizieren zu bitten:

Es geben sich die Ehre: An der Gitarre der Herr Molden, mit dem Nino im letzten Jahr das empfehlenswerte Coverversionen-Album "Unser Österreich" aufnahm. Wanda-Produzent Paul Gallister spielte anscheinend alles, was ihm in die Hände fiel: Orgel, Harmonium, Cembalo, Klavier, Tamburin, Shaker und Bass. Sir Tralala strich die Geige und lieh seine Stimme dem Chorgesang und Lukas Lauermann bespielte das Cello.

Die musikalische Reise ans Meer beginnt mit einem verschleppten Polka-Rhythmus und einem Mädchen namens "Natalie", das stundenlang am Hafen wartet. Geradezu einen 70-Jahre-Schlager-Hymnen-Refrain Marke Udo Jürgens präsentiert Nino bei "Überall das Meer". Ja, der 2014 verstorbene Schlagerbarde aus Österreich kann durchaus als musikalisches Vorbild agieren. Aber es wäre nicht Nino, wenn im Song nicht noch genug Schlenker, z. B. ein kleines psychedelisches Intermezzo versteckt wären, die dafür sorgen, dass offensichtliche Plattitüden und Peinlichkeiten ausbleiben.

Mein momentaner Favorit auf "Adria" ist die melancholische Ballade "Winter im April". Ninos Wehklagen über vergangene Zeiten und den Lauf der Welt ist ergreifend und die Streichersequenz könnte in schwachen Momenten glatt dazuführen, dass Taschentücher gezückt werden müssen - besser aber ist es mit einem guten Freund ein, zwei oder drei Fläschchen Bier zu leeren und Zeilen wie "Das Leben wird vom Leben stets gekillt" zu lauschen.


Das "Praterlied" ist ein fröhlicher und witziger Einblick in das Leben des Ninos aus Wien. So wie sich das anhört, ist der Nino mit seinem Leben im Moment ziemlich zufrieden. Toi, toi, toi, dass das so weiter geht und Nino unsereins weiterhin mit seinen einzigartigen Songs beglückt. Wobei ich mir sicher bin, dass Nino auch bei schlechterer Gefühlslage großartige Lieder schreibt.



Balladesk wird es dann wieder bei "Der Mai ist vorbei". Ein Mann kämpft mit dem Schicksal einer verlorenen Liebe. Feiner Gitarren-Solo-Part - very feines Stück, wie man hier zu sagen pflegt.

Den Abschluss der EP bildet der Song "Adria", ein auf Dissonanzen aufgebautes minimalistisches und doch vielschichtiges klingendes Liebeslied, dem man durchaus einen psychedelischen Touch attestieren darf.

Wer mit "Adria" zum ersten Mal in das unbekannte Ninoversum vorstößt, dem sei versichert, es dauert ein wenig bis man sich zurecht findet, aber wenn man sich dann zurechtgefunden hat, will man den Nino aus Wien nicht mehr missen. Dann empfiehlt es sich, besonders für Vinyl-Junkies, die liebevoll zusammengestellte Doppel-LP "Immer noch besser als Spinat" zu erwerben, die als eine Art Best-of-Nino fungiert und mit der beigelegten CD "Home Recordings" auch noch frühe Werke, aufgenommen im Wiener Stadtteil Hirschstetten, als Bonus-Material enthält.



Tracklist:
01 Natalie

02 Überall das Meer
03 Winter im April
04 Praterlied
05 Der Mai ist vorbei
06 Adria

Donnerstag, 21. April 2016

NEW SONGS Vol. 119: THE SATIN COWBOY & THE SEVEN DEADLY SINS + JAMES BLAKE + ANORAQUE + TV GIRL


THE SATIN COWBOY & THE SEVEN DEADLY SINS / Fools Paradis

Das Mastermind hinter The Satin Cowboy & the seven deadly Sins ist Silas Hite. Silas ist der Satin Cowboy und The Sins ist seine Begleitband, die in der Besetzung immer wieder wechselt.

Dass Silas Musik in seinen Genen hat, kann man faktisch belegen, denn in seinem Stammbaum gibt es einen Onkel namens Mark Mothersbaugh, der sicher einigen Menschen als Frontmann von Devo bekanntsein dürfte.

Mit dem NewWave seines Onkels hat Silas allerdings nichts am Hut. Er kreuzt Rock ’n’ Roll mit Country und bezieht sich dabei sowohl auf Songwriter des traditionellen Country wie John Prine als auch auf moderne Vertreter des Genres wie Jason Isbell oder Conor Oberst. Von den beiden Letztgenannten hätte ich mir etwas mehr Einflüsse gewünscht.

"Duel" ist nach "The Great Giddyup" aus dem Jahr 2013 das zweite Album der Band aus Los Angeles und neben dem locker flockigen Song "Fools Paradis" seien auf dem Album, das leider nicht durchweg überzeugt, als Anspieltipps besonders der seltsame Schunkler "I'm In Trouble Once Again" und die Fidel-Ballade "Love You Just The Same" gepriesen.




---------------------------------------------------------------------------------------------------

JAMES BLAKE / Timeless

Der Herr der tiefen Bässe und Dubstep-Strukturen. Mister James Blake aus Großbritannien lies vermelden, dass die Arbeiten am voraussichtlich im Juni erscheinenden neuen Album "Radio Silence" abgeschlossen seien.

Das neue Werk soll 18 Titel umfassen und als Gäste sollen der größenwahnsinnige Kanye West und der alles andere als größenwahnsinnige Justin Vernon aka Bon Iver mitgewirkt haben.

Bereits im Februar konnte man in der BBC Radio 1 Show einen neuen Song, "Modern Soul", hören, von dem aber nicht klar ist, ob er den Weg auf die neue Platte schafft - verdient hätte er es ganz klar. Nun aber gibt es den ersten offiziellen Song vom Album, denn in eben jener Radio-Show spielte Blake den Song "Timeless" und gab auch bekannt, dass dieses Lied auf "Radio Silence" zu finden sein wird.

Die beiden neuen Nummern zeigen auf, dass Blake seinen Weg der Reduktion und Verfremdung kontinuierlich weitergeht, auch wenn es auf "Timeless" für Blakes Verhältnisse ganz ordentlich fiepst. Der Titel des mir noch besser gefallenden Stückes "Modern Soul" könnte auch vorzüglich als Genrebegriff für seine Art der Musik benutzt werden - vielleicht noch mit dem Zusatz "electrified".

Es scheint so, als gehe auch 2016 bei emotionaler elektronischer Musik kein Weg am Mann vorbei, der mit seinem Debüt 2011 einen Meilenstein des Genres erschaffen hat.






---------------------------------------------------------------------------------------------------

ANORAQUE / Disturbing Grace [EP]

Die Kunst des perfekten Songs besteht meines Erachtens darin, dass man trotz Ecken und Kanten ein Händchen für die Melodie beweist und neben aller Experimentierfreude und Wagemut als Songwriter dafür sorgt, dass sich das Stück im Gehörgang des Hörers verankert. Ohrwürmer ohne Ecken und Kanten sind laaangweilig und verstopfen die Charts, wo solche meist am Reißbrett und ohne Herzblut konstruierten Songs sich nahtlos abwechseln - ohne dass man den Wechsel bemerken würde.

Eine vierköpfige Band aus Basel, Anoraque, hat Wagemut für Experimente und ein wirklich exzellentes Songwriting, so dass ihre musikalische Melange aus PostPunk, Alternative- und MathRock immer wieder überrascht. Und zu allem Überfluss verfügt Sängerin Lorraine Dinkel auch noch über eine Stimme, die sowohl in lauten auch als in leisen Passagen sich hervorragend auf die nicht einfachen Songstrukturen einlässt.

Die EP "Disturbing Grace" beinhaltet sechs Songs, die durchweg überzeugen und nicht selten an alte Helden wie Sonic Youth erinnern. Bei diesem Album kommen PostRocker ("Mental Green"), ProgRocker ("Kids"), IndieRocker ("Overseas") und PsychedelicRock- und Noise-Fans ("For now") gleichermaßen auf ihre Kosten. Bärenstarkes Debüt voller Zärtlichkeit und brachialer Wucht!, dem man anmerkt, dass die Musiker Lorraine Dinkel (Stimme, Gitarre), Valentin Hebel (Gitarre), Hagen Neye (Bass) und Jan Schwinning (Schlagzeug) seit vielen Jahren in unterscheidlichen Besetzungen spielten.





---------------------------------------------------------------------------------------------------

TV GIRL / Taking What's Not Yours

TV Girl aus Kalifornien habe ich bereits seit ihrem höchstvergnüglichen Debüt-Album "French Exit" in mein Herz geschlossen. Songs wie "Daughter of a Cop" oder "Anjela" wanderten 2014 in meine Favoriten-Playlist und verweilen dort auch heute noch.

Jetzt legen die schrägen Vögel aus dem amerikanischen Sonnenstaat nach, und obwohl es mir den Anschein macht als hätte Brad Petering (Vocals, Music & Lyrics) und seine diversen Mitstreiter (Additional Vocals von Amber Quintero und Maddie "Acid" Keaton) ihren rumpelnden IndiePop, der gerne mal an den frühen Beck erinnert, etwas mehr mit elektronischen Effekten unterfüttert, bleiben sie ihrem unverkennbaren eigenwilligen Sound treu.

Anspieltipps: "Taking What's Not Yours", "Song about me", "Loving Machine" und "Heaven is a Bedroom".

Ach ja, und falls es irgendjemand noch vom Kauf des Albums überzeugt: Auf "Talking What's Not Yours" geht es um Sex oder das Fehlen von Sex und die daraus resultierende Folgen oder aber das Ausbleiben derselbigen. Wer das Album erwirbt, erhält im Download auch ein sehr schönes PDF mit den Songtexten und Illustrationen, die diesen Sachverhalt sehr schön verdeutlichen ;-).




---------------------------------------------------------------------------------------------------


Montag, 18. April 2016

STEREO TOTAL live in Köln [Concert Review]

Location: Bürgerhaus Stollwerck
Date: 16.04.2016

 

Das letzte Konzert von STEREO TOTAL sah ich im Oktober 2010 im ausverkauften Gebäude 9. Es war charmant, stilsicher, anarchistisch und ein Fest, bei dem am Ende alle auf der Bühne tanzten.

Warum ich also am Samstagabend erneut zum Gig der Berliner Trash-Pop-Band ins Kölner Stollwerck pilgere, dürfte geklärt sein.

Mittlerweile haben sich Francoise Cactus und Brezel Göring einen Namen gemacht als Band, die es wie keine andere aus deutschen Landen versteht, charmante Songs zwischen Chanson und ElectroPop mit einer gesunden Portion Punk-Attitüde zu versehen, weswegen es nicht verwunderlich ist, dass auch das Konzert am heutigen Abend restlos ausverkauft ist.

Seit 1993 stehen Stereo Total für herrlich diletantischen Pop mit ironisch, humorigen, romantischen und sozialkritischen Texten. Songs wie "Liebe zu Dritt", "Schön von Hinten" oder "Wir tanzen im Viereck" sind ohne Übertreibung zu Klassikern in der deutschsprachigen Popmusik geworden und mit "Zu schön für dich" vom neuen Album "Les Hormones" dürfte ein weiterer hinzugekommen sein.



Im Gegensatz zu meinem letzten Konzertbesuch sind mir noch nicht alle Lieder des neuen Albums bekannt, aber das wird sich gleich ändern, denn gegen 22 Uhr, vorher sorgte DJ Maurice de la Falaise für die richtige Stimmung mit einem Mix aus Schlager und Trash, betreten Madame Cactus und Brezel die Bühne.

Wie immer ist dieses gegensätzliche Paar auf der Bühne ein Hingucker. Der zappelige Brezel und die mich an meine frühere Deutschlehrerin erinnernde Francoise mit ihrem wunderbaren fränzösischen Akzent muss man einfach ins Herz schließen. Die Stimmung im Publikum ist von der ersten Sekunde an positiv, daran ändert sich auch nichts, als nach den Auftaktsong ein Kabel seinen Geist aufgibt und Brezels Gitarre außer Gefecht setzt.

Es dauert ein paar Minuten bis das Problem gelöst wird. Madame Cactus ist dies sichtlich peinlich und sie äußert sich auch entsprechend, aber ihr sei versichert, dass es den Auftritt entgegen dem wörtlichen Sinne keinen Abbruch tat, sondern den naiven Charme, der ein Stereo Total-Konzert ausmacht, eher noch verstärkte ;-).

Nach und nach zünden die beiden Musiker ein Feuerwerk an Mulitkuti-Popkultur. Francoise singt Lieder auf deutsch, französisch, englisch ("I love you ONO") und sogar einen Song auf japanisch ("Niwa Dewa"). Auf ein Genre festlegen wollen sich die beiden Performer auch nicht, Francoise und Brezel musizieren sich Querbeet durch Pop, Disco, Schlager, Elektro und was immer man sich nur vorstellen kann. Alle 3 Minuten, viel länger ist kein Song des Duos, wechselt es von rumpelnden Beats zu harmonischen Melodien über Amiga-Sounds hin zu anarchistischem Krach.



Live scheint sich zu bestätigen, was ich anfangs vermutete, den ""Zu schön für dich" lässt das Publikum erstmals lauthals mitsingen - mich natürlich auch. Pampelmusenbusen! Muschelohren!



Neben vielen neuen Songs - die ich natürlich noch nicht mitsingen kann, aber es ist klar, dass nach dem Konzert das neue Vinyl in meine Tasche wandern muss - kommt die Band natürlich nicht umhin, ihre „Hits“ zu spielen. Den Auftakt macht "Schön von Hinten", bei dem das Duo dem Publikum die Kehrseite bietet und bei „Liebe zu Dritt“ holt man sich eine Zuhörerin auf die Bühne und performt gekonnt den flotten Dreier.



Fans der ersten Stunde freuen sich über den von Brezel gesungenen "Stricherjunge" und den PunkRocker "Miau Miau", bei dem Francoise dem Schlagzeug höchst persönlich die Felle verhaut. Ich hatte ja noch auf das Highlight "Du bist gut zu Vögeln" vom letzten Konzert gehofft, aber "Die Frau in der Musik" ist halt etwas schwierig ;-). Dafür gibt es noch das lange nicht mehr gehörte "Ich bin nackt", einschließlich eines Flitzers, der über die Bühne huscht und im Zugabenblock tanzen alle gemeinsam im Publikum und auf der Bühne im Viereck.



Zum Abschluss erweisen Stereo Total dem verstorbenem David Bowie die Ehre mit einer unnachahmlichen Coverversion von "Heroes". Tolles Konzert mit einem perfekten Abschluss. Jetzt nur noch "Les Hormones" einsacken, mit den Freunden ein letztes Bierchen kippen und dann Zuhause zum Einschlafen "Heaven's in the Backseat of my Cadillac" hören. Gute Nacht!

Ö



Freitag, 15. April 2016

SLOW RUNNER / New Monsters

Aus South Carolina (Charleston) und Nashville kommen die beiden Musiker Michael Flynn und Josh Kaler, die bereits seit zehn Jahren unter dem Namen SLOW RUNNER dezent elektrifizierte IndiePop-Alben veröffentlichen. 2013 nahm sich die Band eine kleine Auszeit, aber jetzt melden sie sich zurück. "New Monsters" ist neben diversen Singles und einer EP der vierte Longplayer der Beiden.


Flynn, zuständig für das Songwriting und den Gesang, und Kaler, der sich an multiplen Instrumenten betätigt, verliehen ihrem Sound eine ähnlich schrullige Note wie man sie von Ariel Pink oder Foxygen kennt, allerdings mit einer Prise Electronic versehen, so dass sich auch Parallelen zu Grimes oder den Chromatics auftun. Man könnte das Schaffen des Duos also auch mit dem etwas schalen Etikett Indietronic versehen, aber es würde Slow Runner nicht gerecht werden, da sich auf "New Monsters" neben aller Frickelei in erster Linie wunderbare Popmelodien verbergen.

Obwohl die Texte eher schrullig und gerne etwas mürrisch sind, verpacken Flynn und Kaler ihre Lyrics meist in geschmeidige gutgelaunte, oft sogar sehr romantische Melodien - eine Diskrepanz, die beim Duo anscheinend zur Methode gehört.

Auch der Einstiegssong in "New Monsters", das von Harmoniegesängen dominierte mit Hanclaps und Piano minimal begleitete "My Love Will Bring You Back" könnte auf die falsche Fährte führen, denn schon bei der zweiten Nummer "Me+1+1" klingt nichts mehr nach Beach Boys oder Queen. Jetzt ist der Stecker eingesteckt und ein krächzend verzerrter fuzzy Beat macht ordentlich Tempo!



Der dem Album den Namen gebende Song "New Monster" klingt von der Grundstimmung her eher düster. Der Beat ist tief und hart, immer wieder "stören" kleine Instrumental-Monster die Melodie. Flynn teilt sich die stellenweise verzerrten Vocals mit Gastsängerin Frances Cone, die über eine sehr soulige Stimme verfügt und dafür sorgt, dass der Song gleichzeitig warm und bedrohlich klingt. Die Herren haben es einfach mit der Diskrepanz.

Und plötzlich sind dann wieder die Harmoniegesänge à la Beach Boys bei "Trigger Warning". Dieses Mal gepaart mit einem hektisch flirrenden Beat, fiepsenden Sounds und einer grandios wechselnden Dramaturgie. Klingt hektisch, ist es aber nicht! Das ist ziemlich perfekter Pop!

Ein pompöser Schlagzeugbeat eröffnet das in Streichern schwelgende Instrumentalstück "Happy Flashback from a Sad Movie", das schon fast Mogwai-Charakterzüge trägt. Die traurige, aber dennoch hymnische Keyboard-Ballade "When We're Clouds" hat exzellente Tempiwechsel und kann durchaus dazu führen, dass man irgendjemanden in den Arm nehmen möchte, so sehr drückt sie auf die Sentimentalitätsdrüse.



Dieses Gefühl wird dann allerdings mit dem kraftvollen SynthiPop bei "Bike Thieves" ganz schnell vertrieben - spätestens, wenn die Trompete (Nathan Koci) einsetzt! Langeweile und Monotonie kann man diesem Album wahrlich nicht vorwerfen.

"Arm's Length" geht in die Richtung von "When We're Clouds", aber Flynn singt eindringlicher und wehmütiger und ein Cello sorgt dafür, dass der traurige Tiefpunkt sich als einer der Höhepunkte des Albums präsentiert. Seufz.

Der Flashback nach einem fröhlichen Film ("Sad Flashback form a Happy Movie") ist natürlich trauig. Sehr traurig. Schön traurig. Dem letzten Song "Perfectly Fine", erneut eine balladeske Nummer, geben die pfiffigen Herren einen Namen, dem man ohne weiteres auch als Sticker auf dem Album anbringen kann.

Und nach dem vierten Hördurchlauf fällt mir auch endlich ein, an welche Band mich dieses feine Album, nicht immer, aber über große Strecken, erinnert: "Hats" von der schottischen Band The Blue Nile. Ebenfalls very fein ;-)

Tracklist:
01 My Love Will Bring You Back
02 Me+1+1
03 New Monsters
04 Trigger Warning
05 Happy Flashback from a Sad Movie
06 When We're Clouds
07 Bike Thieves
08 Arm's Length
09 Sad Flashback form a Happy Movie
10 Perfectly Fine

Montag, 11. April 2016

HOT PANDA / Bad Pop

Hiermit ernenne ich den Monat April zu kanadischen Festspielwochen. Nach The Burning Hell kommt schon wieder heiße Scheiße aus dem Land mit dem Ahornblatt in der Flagge.


HOT PANDA sind keine Leisetreter, sondern amtliche Randalierer und Krachmacher. Auf  ihrem vierten Longplayer "Bad Pop" lässt es der Dreier, bestehend aus Chris Connelly, Catherine Hiltz und Aaron Klassen angenehm melodiös und ideenreich rumpeln und scheppern.

2006 gründete sich die Band, den originellen Bandnamen klaute man bei einem chinesischen Restaurant und schmiss ein Jahr darauf die mit IndieRock gefüllte EP "Whale Headed Girl" auf den Markt. Aus der Ur-Besetzung ist nur noch Chris Connelly übrig geblieben, die anderen derzeitigen Bandmitglieder, Catherine Hiltz (2009) und Aaron Klassen (2012) stießen im Lauf der Jahre zur Band.



Der erste Longplayer "Volcano...Bloody Volcano" erschien 2009 und erntete in der nationalen Presse höchste Lorbeeren. Mit dem zweiten Album "How Come I'm Dead?" (2010) festigte man den Status und mit dem dritten Streich "Go Outside" (2012) erzielte man bisher den größten Erfolg. Das Album landete in den Top200 Jahrescharts des kanadischen College-Radios auf einem hervorragenden 18 Platz. Der Weg führte bisher also stetig nach oben und es scheint sehr unwahrscheinlich, dass Hot Panda mit "Bad Pop" den bisher gehaltenen Kurs verlassen.



Warum? Weil "Bad Pop" von rohem Punkrock bis hin zu sanften psychedelischen Klängen, über Fuzz und fetten schweren Gitarren in jeder Note anzumerken ist, dass das Trio aus Vancouver liebt, was es tut, es immer mit viel Gefühl für die Melodie tut, die Musik mit bissigen Texten über die Musikbranche garniert und trotzdem so klingt, als hätte man die Songs mal eben so aus dem Ärmel geschüttelt.



Wem das immer noch nicht genug Anreiz bietet, sich "Bad Pop" nach Hause zu holen - leider, zumindest im Moment noch nicht auf Vinyl erhältlich - dem sei versichert, dass ihm drei veritable IndieRock-Hits durch die Lappen gehen.

Erstens das quirlige den ungezügelten Frühling versprühende "Same House", bei dem man nicht umhin kommt, die Fenster zu öffen, um die gute Laune hinaus in die Welt zu lassen. Zweitens das wuchtige Brett "Slow Riser", dass die nicht für möglich gehaltenen Brücke zwischen Nirvana, Breeders und Arcade Fire schlägt. Monstersong! Und drittens der klaustophobische, psychedelische, unterfütterte Krautrock-Experimental-Noise-Rocker "Sun".

Tracklist:
01 Other Spooky Is
02 Bad Pop
03 Linda Ronstadt
04 Same House
05 Never Say
06 Golden Arch
07 When I Was Cruel
08 Slow Riser
09 On Your Own
10 Sun

Freitag, 8. April 2016

THE BURNING HELL / Public Library

2015 schafften es Ariel Sharrat & Mathias Kom, und damit zwei Fünftel der Band THE BURNING HELL, mit ihrem Album "Don't believe the Hyperreal" in meine Jahrescharts auf Rang 81. Mein Lieblingsong aus diesem entzückenden Album war "Fuck The Government, I Love You".


Auf dem neuen Album "Public Libary" des kanadischen Quintetts gibt es nun ein Wiederhören mit eben diesem Lied. "Public Library" ist vertonte Prosa und trägt den Albumtitel absolut zu Recht. Ein Buch aus Musik mit Kurzgeschichten aus den unterschiedlichsten Literaturgattungen.

Die erste Kurzgeschichte "The Stranger" widmet sich dem Krimi-Genre. Ein schwarzgekleideter Fremder und eine in Netzstrümpfe gewandete Dame bitten in einem verschlafenen Nest in einer nasskalten Winternacht um Unterkunft für eine Nacht. Was die beiden dann erzählen ist unerwartet kurios, um nicht zu sagen fantastisch, weshalb ich, um nicht zu viel zu verraten, nur ein paar Stichpunkte zum Inhalt aufzähle: Faschingsdienstag - Ahornsirup - Liebe - Flucht - Tod. Musikalisch wird das ganze untermalt von einer Gitarre, groovenden Bläsersätzen und dezenten Keys.

In "The Road" thematisiert die Band mit einem Augenzwinkern das Tour-Leben einer Band. Die besungene Band ist gerne mal blau wie das Joni Mitchell-Tape im Tourbus ;-). Ganz klar, Frontmann Mathias Kom ist ein Geschichtenerzähler in derselben Güteklasse wie Mark Kozelek aka Sun Kil Moon, aber im Gegesatz zu Kozelek, dessen Geschichten auf Alltagsbeobachtungen basieren, hat Kom eine unbändige Lust am Fabulieren und Phantasieren.



Dass "Fuck The Government, I Love You" auf dem am 1.4. erschienenen Album wiederzufinden ist, trifft sich gut, denn nur zwei Tage später veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung die so genannten Panama-Papiere, die genug Anlass bieten, um aus vollster Brust ein "Fuck the Government!" zu schmettern. Aber eigentlich ist der Song natürlich eine wunderschöne romantische Komödie über die Liebe.

Mit ordentlich Smash garnieren die mittlerweile in Neufundland ansässigen Kanadier den Song "Men Without Hats", in dem es darum geht, wie man sich in der Musik verlieren kann, als Musiker, als Fan, als Teenager und als gereifter Erwachsener. Recht hat er, der Herr Kom!



"Good Times" erzählt die Geschichte eines Hooligans, der im Knast landet und über seine Schandtaten reflektiert, die er allerdings nicht als solche begreift:  "You call it a riot, I call it a celebration. You call it violence, I call it an altercation. Tomato, tomato, they’re two different fruits completely. Don’t take the good times away from me".

Die sechste Geschichte "Give Up" philosophiert unter anderem darüber, wie verhängnisvoll es sein kann, wenn man in einer Bibliothek - nach Herman Meville, der Autor von "Moby Dick" - recherchiert und dabei Illusionen zerstört werden. "My fiction ambitions took a hit with that bit of information. I mean everybody has their own symbolic cetacean. But whales are weighty and some become allegorical albatrosses. So I threw away my harpoon and cut my library card and my losses." Jetzt aber bitte nicht alle den Bibliotheksausweis zerschneiden!

Bei "Two Kings" steigen wir wieder ein in die fantastische Literatur. Michael Jackson lebt! Er hat in Kanada seine Zuflucht gefunden. Und Elvis lebt natürlich auch dort tief im Wald! Die Könige sind unbesiegbar! Die sitzen auf der Veranda und plaudern über alte Zeiten und eine Comeback-Tour, aber eigentlich wissen sie beide, dass sie dieses Plätzchen Erde nicht mehr verlassen werden. Seufz.

Der musikalisch literarische Ausflug endet mit der Ballade "Nonfiction". Sind Menschen, die mit Vorliebe Sachbücher lesen anders als Menschen, die sich in Belletristik verlieren? Brauchen beide gleich viel Sex?

Essentielle Fragen, über die ich bisher nie nachgedacht habe, bis mir The Burning Hell den Horizont erweiterten und mir mit "Public Library" eine wunderbare audiophile Packung verabreichten.

Tracklist:
01 The Stranger - (Murder Mystery)
02 The Road - (Music Biography)
03 Fuck The Government, I Love You - (Romantic Comedy)
04 Men Without Hats - (Coming-Of-Age Story)
05 Good Times - (True Crime)
06 Give Up - (Literary Criticism / Philosophy)
07 Two Kings - (Science Fiction / Fantasy)
08 Nonfiction - (Romance)

Montag, 4. April 2016

KID KOALA / 12 Bit Blues (2012)

HERZPLATTENREMEMBER THAT OLD SHIT
Kategorie: HipHop / Blues
Veröffentlichung: 2012

 

KID KOALA (gebürtig Eric San) ist ein kanadischer DJ und Turntablist, der in Montréal lebt und neben vielen anderen Umtriebigkeiten (Grafikdesigner, Cartoonist) auch Bandmitglied der Cartoon-Band Gorillaz unter der Leitung von Damon Albarn ist. Der gelernte Grundschullehrer ist bekannt für seine große Sammlung an Jazz- und Bluesplatten, die er liebevoll archiviert und katalogisiert und immer wieder gesampelt in seine Musik einfließen lässt.

Als musikalisches Projekt hatte sich Eric San 2012 unter seinem Alter Ego Kid Koala vorgenommen, den Blues bis auf die Knochen zu skelettieren und die DNA mit Bit and Bytes anzureichern.

Herausgekommen ist dabei ein Konzeptalbum, eingespielt mit Hilfe des legendären Samplers E-mu SP-1200 (daher der Titel des Albums), das an allen Ecken und Enden knistert, rumpelt und scheppert. Bis auf den letzten Titel, der sich "Denouement" nennt, sind die Tracks einfach durchnummeriert von "1Bit Blues" bis "11 Bit Blues". Diese bewusste Gleichschaltung macht Sinn, da die Tracks alle sehr repetitiv sind und man nur die wenigsten Tracks auch bei mehrmaligem Hören differenzieren kann. Außerdem verdeutlicht Kid Koala damit, dass der Fokus seiner Arbeit auf dem Flow des Albums liegt. Wer auf einem Album also so etwas wie einen Hit oder zumindest eine Lieblingsnummer erwartet, wird sich mit "12 bit Blues" schwertun.



Die Stärke des geglückten Experimentes ist die Offenlegung der Parallelitäten zwischen HipHop und Blues, die man zwar immer erahnte, aber noch nie so deutlich hören konnte. Kid Koala setzt seine Samples und Loops oder sein Scratching immer im Sinne des Ganzen ein und nicht als Effekt. Das unterscheidet ihn von vielen anderen DJs, die gerne ihre Virtuosität in den Vordergrund stellen und dabei den Song als solchen zum DJ-Set degradieren. Dieser Kunstfehler passiert Kid Koala wirklich nie!

Zum Reinhören empfiehlt sich der rumpelnde "2 bit Blues", der schmutzige "3 bit Blues" und das gefährliche "8 bit Blues (Chigago to NY to LA)". Let the Blues Speak for Itself! Und für alle, die sich in das DJing von Kid Koala vertiefen möchten, sei sein Frühwerk "Carpal Tunnel Syndrome" wärmstens ans Herz gelegt.



Tracklist:
01 1 Bit Blues (10,000 Miles)
02 2 Bit Blues
03 3 Bit Blues
04 4 Bit Blues
05 5 Bit Blues
06 6 Bit Blues
07 7 Bit Blues
08 8 Bit Blues (Chicago to LA to NY)
09 9 Bit Blues
10 10 Bit Blues
11 11 Bit Blues
12 Denouement

Freitag, 1. April 2016

WALL OF DEATH / Loveland

Psychedelischer Pop, wie er in den drogenverhangenen Sixties erschaffen wurde, erfreute sich in den letzten Jahren wieder zunehmender Beliebtheit. Besonders der australische Kontinent mit Bands wie Tame Impala, Pond oder auch Sticky Fingers, geizte nicht mit kreativen Werken um das Genre mit neuem Leben erfüllten.


Ein französisches Trio aus Paris geht einen etwas anderen Weg, denn auf ihrem zweiten Album "Loveland", lassen WALL OF DEATH ziemlich klar erkennen, dass sie dieser Musikrichtung nicht zwangsläufig neue Aspekte abgewinnen, sondern wohl eher einen neuen Meilenstein setzen wollen.

Und wie geht man ein solch gewagtes Unterfangen an? Erstens man benötigt authentisches Equipment und zweitens einen zeitgenössichen begabten Produzenten, der sich mit Retrosound gut auskennt. Brice Borredon (Keyboards/Vocals), Gabriel Matringe (Guitar/Vocals) und Drummer Adam Ghoubali gelang es, keinen Geringeren als Hanni El Khatib als Produzenten zu gewinnen und um den richtigen Sound zu generieren, wurden Synthesizer, Orgeln, E-Pianos und sogar ein Mellotron aus besagtem Jahrzehnt für die Produktion herbeigeschafft.



Die Idee für "Loveland" formuliert El Khatib war es, ein Album zu erschaffen, das klingt wie ein vertonter Traum zwischen damals und heute. Nicht einfach Fuzz-Gitarren übereinanderlegen, kein ausgeprägter Jam-Charakter, sondern ausgearbeitete Melodiebögen mit geheimnisvollen Passagen, langsam ineinanderfließend und hypnotisch in seiner Wirkung.

Ich nehme es vorweg, der Schulterschluss zwischen den sechziger Jahren und heute ist nicht wirklich gelungen, dazu ist "Loveland" zu sehr in der Vergangenheit gefangen, aber das Kunststück einen neuen Meilenstein für dieses altehrwürdige Genre zu kreieren, der neben großen Werken von Pink Floyd, Soft Machine oder den zu unrecht gerne vergessenen Os Mutantes aus Brasilien bestehen kann, ist hervorragend geglückt.



Der hypnotische Ritt beginnt mit dem Song "Loveland" und es würde sicher nur sehr wenigen auffallen, wenn man dieses Stück auf dem Pink Floyd-Debütalbum "The Piper At The Gates of Dawn" einschmuggeln würde. "For a Lover" spielt schwelgerisch mit Melodien und Tempiwechseln wie es Os Mutantes in den Sechzigern taten, "Mother Tongue" führt in dunklere Gefilde und verströmt die mystische Aura, die Syd Barrett auf seinen beiden 1970 erschienenen Soloalben innehatte.

"How many Kids" gelingt am ehesten der Anschluss an die australischen Erneuerer, ehe mit "Blow the Cloud" die Atmospähre dichter wird und sich der prallgefüllte psychedelische vielfarbige Himmel über den Zuhörer ergießt. Pink Floyd können endlich in Rente, ein legitimer Nachfolger für die epischen Frühwerke der Band ist gefunden.

"Dreamland" ist ein kurzes Orgel-Intermezzo, um neue Krafte zu bündeln und zu zeigen, wie sanft man auf Melodien reisen kann, ehe mit "All Mighty" zu analogen Keys und einem kontinuierlichen Beat wieder etwas näher an die Jetzt-Zeit gerückt wird. Der erste gefährlich klingende Traum ist "Little Joe", die Gitarre schneidet und die Orgel marschiert schnurrstracks in eine Horror-Show und anschließend darf bei "Chainless Man" sogar etwas BluesRock vorbeischauen - spätestens jetzt sollte man das Produzentenhändchen entweder Dan Auerbach oder eben El Khatib zuordnen können ;-).

Das athmosphärische Meisterwerk "Memory Pt. 1 & Pt. II" kommt zum Schluss. Über eine Länge von mehr als 10 Minuten geistern Klangwolken, Instrumente begehren auf und verebben wieder und ewig fließt der bewusstseinsveränderte Strom ....

Tracklist:
01 Loveland
02 For A Lover
03 Mother Tongue
04 How Many Kinds
05 Blow The Cloud
06 Dreamland
07 All Mighty
 08 Little Joe
09 Chainless Man
10 Memory Pt. 1 & Pt. II