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Montag, 28. September 2015

LADY LAMB live im Blue Shell / Cologne 25.09.2015

Ein echter Geheimtipp aus Brooklyn gab sich am Donnerstag im Blue Shell die Ehre. Die Dame, von der man sicher in Zukunft noch einiges hören wird, heißt bürgerlich Aly Spaltro, formierte anfangs unter dem Bühnennamen LADY LAMB & the Beekeepers, hat aber den Zusatz mittlerweile gestrichen und veröffentlichte in diesem Jahr ein exzellentes Album mit den Namen "After".

Leider dauert es in Deutschland, und ganz besonders in Köln, immer etwas länger bis Songwriter aus den Staaten in größeren Locations auftreten können und so war es nicht verwunderlich, dass das Blue Shell an diesem Abend leider nicht aus den Nähten platzte. ABER Lady Lamb ist ja auch zum ersten Mal alleine auf Tour in Deutschland, abgesehen davon, dass sie bereits vor einigen Jahren (2013) als Support für Neko Case im Gebäude 9 nur mit ihrer Gitarre bewaffnet das Publikum verzückte.

Das Publikum, welches sich entschlossen hatte Lady Lamb heute die Ehre zu geben, störte die kleine Locations jedenfalls nicht, mich eingeschlossen, denn wie immer im Blue Shell war die Atmosphäre sehr intim und somit absolut perfekt für die Rock-Poesie der in Brunswick/Main aufgewachsenen Künstlerin.

Bevor ich mich über das Konzert auslasse, noch einige Fakten zu Aly. 2013 veröffentlichte sie ihr erstes Album "Ripley Pine" auf dem Label Ba Da Bing Records. Von einem Debütalbum kann man jedoch nicht wirklich sprechen, denn von 2007 bis 2013 brachte sie im Eigenverlag bereits sechs Alben heraus. Aly arbeitete in einem DVD-Shop, wo sie nach ihrer Schicht die Möglichkeit hatte, im Keller des Ladens an ihren Songs zu feilen und dies aufzunehmen. Die Produkte ihres kreativen Schaffens brachte sie dann in den örtlichen Plattenladen in Brunswick, um Käufer für ihre Musik zu finden, ehe sie 2010 den nächsten Schritt wagte und nach Brooklyn zog. Ja, die Lady hat Power und Durchhaltevermögen!

Neben diesen Fähigkeiten besitzt Aly weiterhin die Gabe, ihren Texten eine außergewöhnliche Poesie zu verleihen und hinzu kommt, dass sie ihr variantenreiches Songwriting mittlerweile so perfektioniert hat, dass sie eigentlich früher oder später in die Champions-Riege der Songwriter aufsteigen müsste. Es darf sich also jeder freuen, der den Weg ins Blue Shell gefunden hat, denn ich bin mir sicher, so wie Aly wächst und wächst, wird auch die Location für ihre Auftritte wachsen.

Gegen 21:30 betritt Lady Lamb mit zwei Begleitmusikern die Bühnen. Nicht nur ich, sondern auch meine beiden treuen Konzertbegleiter C. und Yps sind verwundert, wie jung Aly in Wirklichkeit ausschaut. Wir tippen auf höchstens Anfang zwanzig, aber Tante Google verrät als Geburtsdatum 1990, das heißt, ihr erstes Album "The Tingly Circus"  legte die Lady bereits im zarten Alter von siebzehn vor. Respekt!



Das Konzert beginnt mit dem Song "You Are The Apple" aus dem Album "Ripley Pine". Ein jammiger Song, der die beiden Dinge hervorhebt, die Lady Lamb zu etwas Besonderem machen. Da wäre an erster Stelle die innige Liebe der Künstlerin zu ihrer E-Gitarre, also nix mit Lagerfeuer-Atmosphäre, und Punkt zwei, wer geradliniges Songwriting bevorzugt, ist bei Lady Lamb an der falschen Adresse, denn Aly spickt ihre Lieder fast immer mit unerwarteten Wechseln und Breaks.



Anschließend serviert Lady Lamb ein absolutes Highlight ihres neues Albums. "Billions of Eyes" ist mit "Vena Cava", das sie an diesem Abend leider nicht spielt, eines meiner Lieblingslieder auf "After". Man merkt beim Konzert sofort, dass Lady Lamb das liebt, was sie tut. This Girl is on Fire! In den lauten grungigen Passagen des Songs ist Aly zwar gefährlich nahe daran zu schreien, aber ihre formidable Stimme hält stand und das Publikum, geschätzte 50 Personen, danken es ihr mit frenetischem Beifall.

Souverän spielt sich die Lady nachfolgend durch "Dear Arkansas Daughter", "Milk Duds" und "Sunday Shoes" vom aktuellen Album. Die beiden Mitmusiker aus London bleiben allerdings ziemlich blass neben diesem kleinen Energiebündel auf der Bühne. Manchmall fehlt mir von Seiten der Band an den rockigen Stellen etwas Druck und Leidenschaft, vielleicht sollte sich Aly doch auf eine feste Band einlassen, damit live das Gaspedal ruhig noch eine Spur mehr durchgetreten wird.

Zwischendurch verblüfft Aly das Publikum mit einigen Sätzen auf deutsch. Sie erzählt, dass sie zu Deutschland einen speziellen Bezug hat, denn sie verbrachte in frühster Kindheit einige Jahre in dem kleinen Ort Spangdahlem in der Eifel. Da sich dort eine amerikanische Air Base befindet, gehe ich davon aus, dass ihr Vater dort stationiert war. Und nun erklärt sich auch, weswegen sich unter den Zuhörern Menschen befinden, die man sonst wohl nicht in einer solchen Location und bei einem solchen Konzert trifft. Es ist Alys deutsche Verwandtschaft, die angereist ist, um die amerikanische Verwandtschaft zu begrüßen. Keine Angst, es spielten sich keine Szenen wie in einer Nicholas Sparks-Verfilmung ab, aber ein bisschen umarmt und gedrückt wurde schon ;-).



Es folgt ein Set mit drei Songs ("The Nothing Part II), "Bird Ballons", "Aubergine") aus ihrem "Debütalbum", wo die Lady eindrucksvoll zeigt, über welche exzellente Stimme sie verfügt und wie virtuos sie mit ihrer E-Gitarre umgehen kann. Ich bin hin und weg und freue mich schon darauf "Ripley Pine" am Merchandise-Stand auf Vinyl zu erwerben, aber leider wird wie sich später zeigt daraus nichts, denn in Brüssel hat man die Lady leider bestohlen und neben ihrem geliebten Pedalboard auch noch das Meiste an Merchandise-Produkten aus dem Kofferraum gestohlen. Arschlöcher!

Spätestens nach "Spat out Spit" und "Batter" ist mir persönlich klar, dass ich gerade eines der besten Alben dieses Jahres live erleben darf. Mein Highlight des Abends ist "Crane your Neck", bei dem Aly alleine auf der Bühne - die Begleitband hatte zwischenzeitlich die Stage verlassen - mit ihren Fingern wie magisch über ihre Gitarre streichelt und von leidenschaftlicher gieriger Liebe singt. "
"But there's a hunger under my skin and its gripping at my bones. There's a hunger like a lion's and it's ripping right through my bones"



Natürlich ist die in Kindheitserinnerungen schwelgende Ballade "Ten" der perfekte Song, um ein Konzert zu beenden, aber das Publikum fordert mehr und so kehrt die Lady auf die Bühne zurück und bedankt sich sehr nett bei allen Zuhörern die gekommen sind. Dann lässt sie alle Lichter im Blue Shell löschen und singt auf Wunsch eines Zuhörer Acappella "Up in the Rafters" vom 2010er Self-Release "Mammoth Swoon". Großartig. Gänsehaut. Danke.





SETLIST:

"You are the Apple"
"Billions of Eyes"
"Dear Arkansas Daughter"
"Milk Duds""Sunday Shoes"
"The Nothing Part II"
"Bird Balloons"
"Aubergine"
"Spat out Spit"
"Batter"
"Crane your Neck"
"Ten"

Zugabe:
"Up in the Rafters"

Lyrics vom aktuellen Album "After" untger: http://www.ladylambjams.com/lyrics/

Freitag, 25. September 2015

NEW SONGS Vol. 108: LAURA CARBONE ... LANA DEL REY ... DARWIN DEEZ ... FABIAN


LAURA CARBONE / Sirens [LP]
... LANA DEL REY / Honeymoon [LP] ... DARWIN DEEZ / Double Down [LP] ... FABIAN / Fabian [LP]

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LAURA CARBONE / Sirens [LP]


Ganz unbedarft hörte ich als erstes von LAURA CARBONE auf einer Videoplattform im Netz den Song "Exes". Feine Nummer mit Spieluhr-Ohrwurm-Refrain, die klingt als hätte die kleine Schwester von Eels-Mastermind Mark Oliver Everett die neuen Folgen für Twin Peaks in Töne gekleidet.

Dann habe ich im Netz nach besagter Dame gegoogelt und wurde mit Informationen kübelweise übergossen. Modebloggerin, weiblicher Part des DeutschElectro-Pop-Punk-Duos Deine Jugend - dem ich nur sehr wenig abgewinnen kann - und nun also über Crowdfunding ein komplett finanziertes Album namens "Sirens".



Das Album ist interessant, aber auch wenig stringent und zeigt damit wohl auch, dass Frau Carbone immer noch auf der Suche nach ihrem eigenen Ding ist. Das Cover des Albums setzt mit einer nostalgisch anmutenden SW-Fotografie, Carbone vor Kreuz, ein ziemlich düsteres Bild, das an den Inhalt natürlich entsprechende Erwartungen knüpft. Aber auch wenn einen beim Anhören, vor allem durch die Bassläufe, ziemlich viele New Wave-Bands aus den 80ern in den Sinn kommen, scheint doch auch fast immer etwas Sonne durch die Düsternis.

Sehr eigenständig ist das noch nicht immer, aber dass der Weg der richtige sein könnte, zeigen Songs wie "Silky Road", der Blondie-The Cure-Hybrid "Swans", das schön rotzige noisige "Plan of Attack" mit dem Plastic Bertrand-Gedächtnispart und natürlich bereits das erwähnte "Exes".

Schon gut, aber ausbaufähig sind das flotte, aber irgendwie beliebige "Innocent", das mit feinen Electro-Beats garnierte "Stigmatized", das dramatische, aber nicht richtig explodierende "Heavy Heavy", das bluesig wummernde "Blue Birds Fly" und der das Tanzbein aktivierende fröhliche (!) Uptempo-Song "Late Night Conversations"

Streichkandidaten in meinen Ohren sind "Drive by Shooting", bei dem Carbone einfach zu viel will und das schrammelige, aber zu wenig originelle "Favorite Desease".

Ach und ehe ich es vergesse: Die Stimme ist GROSS!



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LANA DEL REY / Honeymoon [LP]

"Honeymoon" ist sicherlich nicht das abwechslungsreichste Album, welches LANA DEL REY bisher veröffentlicht hat, aber es definiert einen neuen Standard in der Popmusik: SuperSlowMotion-DramaPop. Dem Songwriting gilt dieses Mal eindeutig nicht das Augenmerk, dazu setzt Lana zu oft auf "Nummer sicher", aber die Instrumentierung und die Arrangements sind im wahrsten Sinne großes Kino. Der Breitwandsound der Betörenden mit dem Noir-Look lädt unweigerlich zum Sterben in Schönheit ein.

Der Album-Opener "Honeymoon" fragt mich in Geigen badend, ob ich sie auch will - ja ich will. Was für ein theatralischer überzuckter famoser Einstieg in ein Album. Normalsterbliche würden sich vielleicht trauen diesen Song am Ende eines Albums zum Ausklang zu platzieren, aber Lana überzieht den Zuhörer von Anfang bis Ende mit einem Zuckerguß.



Auch "Music To Watch Boys To" behält das Superzeitlupen-Tempo bei. Im Background spielt leise eine Flöte, während Lana ihren unnachahmlichen Gesangsstil zwischen Hauchen, Flüstern und Wispern perfektioniert. Die nächsten Songs, "Terrence Loves You" und "God Knows I Tried", bleiben im Schema, rücken aber Del Reys Stimme noch mehr in den Fokus. Sehr spärliche, aber sehr fein akzentuierte Instrumentierung.

Der bereits bekannte Song "High by the Beach" wird wieder etwas mehr im Breitwandformat angelegt und es gibt tatsächlich erste richtige elektronische Beats. Der Beat bleibt auch bei "Freak", allerdings wird er deutlich verlangsamt, nur temporär abgerufen und in tiefere Bassregionen gesteuert. Fände es sehr interessant, wenn sich Lana mal mit einem echten Dubstep-Artist zusammentun würde.




"Art Deco" heißt die nächste Songvariation. Die Songs ähneln sich wirklich stark, so stark, dass mir sogar das Album "Slave to the Rhythm" von Grace Jones in den Sinn kommt, welches auf einer Grundmelodie basiert, die in unterschiedlichsten Versionen immer wieder kehrt. Der Vergleich passt noch besser, wenn man das -Soundschnipsel-Intermezzo "Burnt Norton" hört, bei dem Lana Textzeilen von T. S. Eliot zitiert.

Nach dem mit dezenten Countryanleihen verzierten "Religion" kommt mit "Salvatore" ein echtes Highlight des Albums. Der Song entfaltet sich in großzügiger Langsamkeit in seinem Refrain zu einer Art modernen Pop-Opern-Arie, da passt es vorzüglich, dass Lana zwischen englischen und italienischen Lyrics wechselt.

Die süße Hypnose geht sinnedämpfend weiter mit "Blackest Day". Deeper, deeper! "24" beweist, wer die richtige Wahl für den nächsten Bond-Song gewesen wäre. Ich bin mir ganz sicher, dass wenn die richtigen Leute diesen Song hören, der nächste Bond nicht ohne Sounduntermalung von Madame Del Rey auskommt.

Der vorletzte Song lässt mich schmunzeln, denn mit "Swan Song" schafft es Lana del Rey auch endlich in meine beliebte Liste an Vögelliedern ;-). Schön wäre es gewesen, wenn dieses Lied das letzte Lied gewesen wäre, denn dann hätte ich überhaupt nichts zu motzen gehabt. Leider aber kommt als Rausschmeißer die x-te Coverversion von "Don't Let Me Be Missunderstood" und leider ist es keine der besseren.

Fazit: Es ist sicher auch von der aktuellen Verfassung des Hörers abhängig, ob er sich in dieses klebrige Zuckerbad aus Molltönen begibt - sonst kann es schnell etwas monoton wirken - aber wer erstmal am süßen Saft geschleckt hat, der wird diesem Album auf Dauer nicht widerstehen können. Zu süß, zu betörend, zu unwiderstehlich. Lana ist die aus dem Olymp zurückgekehrte Aphrodite! Schnitze jetzt in meinem Apfelbaum im Garten ein Herz mit "Lana & Ö".

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DARWIN DEEZ / Double Down [LP]

Es gibt nur wenige Künstler, die man nach den ersten Takten erkennt. In der Riege der aktuellen Künstler gehören dazu auf jeden Fall Mac DeMarco und DARWIN DEEZ.  Ersterer hat dieses Jahr mit "Another One" sein Meisterwerk abgeliefert und Letzterer legt nun mit "Double Down" sein drittes Album vor.

Das 2010 erschienene Debüt des Mannes aus New York, mit der Hit-Single "Radar Detector" drehte sich damals auf meinem Plattenspieler von früh bis spät, weil es mit seiner unglaublichen Leichtigkeit einfach immer gute Laune beschwor.  Das 2013 erschienene zweite Album "Songs for imaginative People" knüpfte an die Leichtigkeit des Debüts an, glänzte mit vertrackten Arrangements, hatte aber keine wirklichen Hits an Bord.


Darwin Deez - Kill Your Attitude from Dent de Cuir on Vimeo.

Schon der erste Song auf Album Nummer drei, "Last Cigarette", hat das Zeug zum Hit. Deshalb ist es etwas traurig und unverständlich, dass als visueller Appetitmacher für das Album ausgerechnet "Kill your Attitude", der einzige Song, der schon sehr nach Self-Recycling schmeckt, ausgewählt wurde.



Also nicht abschrecken lassen! Wer auf rumpelnde Beats und griffige Melodien steht, dem wird Darwin mit diesem Album beweisen, dass er mehr drauf hat als sich selbst zu kopieren, selbst wenn er es nicht schafft, mit dem Rauchen aufzuhören ;-).

Anspieltipps für Ohrwurmjäger: "Last Cigarette", "Lover", "Bag of Tricks" (klingt wie Prefab Sprout auf Dope!) und das charmante "The Missing I wanna do".


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FABIAN / Fabian [LP]

Verdammt endlich mal wieder was aufregendes Neues aus deutschen Landen! Die Band nennt sich FABIAN - warum auch immer, sachdienliche Hinweise werden gerne entgegen genommen - stammt aus Leipzig und vermischt auf sehr atmosphärische Weise NewWave und PostRock zu einem dunklen Gebräu.

Sängerin Vitiko Schell singt fast so lieblich, wenn auch mit deutlichem deutschen Akzent, wie die anbetungswürdige Hope Sandoval und scheint mit jeder Menge Kreativität gesegnet zu sein, denn wenn man Tante Google mit ihrem Namen füttert, stößt man auf diese Homepage, die beweist, dass Madam Schell auch vortrefflich mit Pinsel und Farbe umgehen kann.


Anmerkung: Von der EP hat es nur "Brain goes By" auf die LP geschafft

Aber zurück zur Band. Fabian wurde 2013 gegründet und Max Rieger (Die Nerven) hat es sich nicht nehmen lassen, die Band ins Studio zu begleiten, um das voraussichtlich am 3. Oktober erscheinende Debütalbum zu produzieren. Das Quartett bestehend aus Vitiko Schell (Vocals & Lyrics), Jonas Eckhardt (Bass), Max Kraft (Gitarre, Trompete, Keys) und Troben Jäckel am Schlagzeug punktet vor allem durch den Raum, den sie ihren Songs und ihrer Sängerin geben.

Ob laut oder leise, der Sound ist vielschichtig, aber nie überfrachet und liebäugelt trotz aller PostWave-Klangmalereien immer wieder auch gerne mit dem Jazz (bestes Beispiel "Homeboy" und "Impostor"). Und wer zur Hölle behauptet, dass nur Franzosen beim Englischsingen irgendwie bezaubernd klingen!



Tracklist mit Anspieltipps in Fett ;-):
A-Side: "Warscenes" - "Circles Fuse" - "Homeboy" - "Brain goes By" -"In Winter"
B-Side: "Kline" - "Tradition/Work" -"Heimy" - "Impostor"
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Freitag, 18. September 2015

NEW SONGS Vol. 107: ESCOBAR ... MAKTHAVERSKAN ... ERFOLG ... JULIA HOLTER

ESCOBAR / エスコバル [LP] ... MAKTHAVERSKAN / Witness ... ERFOLG / Brillenmann ... JULIA HOLTER / Have you in my Wilderness [LP]

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ESCOBAR / エスコバル [LP]


Mal wieder ein paar Franzosen, die ganz deutlich zeigen, dass aus Frankreich nicht nur feine elektronische Musik, sondern auch schmutziger Rock 'n' Roll kommt. Leider muss man immer ganz schön die Ohren aufhalten, um auf die frankophilen Sahnestücke aufmerksam zu werden, da hilft es dann, wenn ein so grandioses Cover (Respekt an Igor Treaper für das Artwork!) wie das von ESCOBAR visuell derart ins Auge springt, dass man einfach klicken und anhören MUSS.

Dass mir der rohe PunkRock mit BluesRock-Einflüssen der Franzosen gefiel, lässt sich erahnen, weil ich hier ja eigentlich immer nur Musik vorstelle, die meinen Ohren gut tut. Die Hörproben gefielen mir sogar so gut, dass ich das Debüt des Duos, bestehend aus Remi Lucas (Guitar + Vocals) and Charly Cailleaud (Drums), unbedingt auf Vinyl bestellen musste - und im Königsformat Vinyl bestelle ich natürlich hauptsächlich Alben, die mir GROSSE Freude bereiten.

Das Album enthält 12 knackige Nummern. Die drei Stücke, die nachfolgend als Clip zu hören sind, umreisen klar das Segment, in dem die Zwei-Mann-Band fulminant ihr Unwesen triebt. Buy the Record!







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MAKTHAVERSKAN / Witness

Was anfangs klingt wie eine "Paint it Black"-Coverversion, entpuppt sich als kraftvolle düstere rohe Nummer für Joy-Divison und Co.-Anhänger. Der ideale Begleiter für eine dunkle Indie-Gruft, wo Menschen in schwarzen Gewändern den Fußboden anstarren und sich ab und an gegenseitig schupsen.

Zur Band: MAKTHAVERSKAN - kommen aus Schweden (Heimatstadt: Gothenburg) ...

- besteht aus fünf Bandmitgliedern. Zwei Damen (Vocals + Bass) und drei Herren ...


- veröffentlichten 2009 auf Luxury ihr self-titeled Debüt ...


- der Bandname ist eine fiktive Umschreibung für ein weibliches Wesen mit einer unbändigen Energie ...


- haben ein sehr schöne CI für das Cover-Design
ihrer Publikationen ...



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ERFOLG / Brillenmann

Ich werde alt! Ich war der festen Überzeugung hier schon die sympathische Band ERFOLG mit dem Schmunzel-Hit "Brillenmann" vorgestellt zu haben, aber wenn du denkst, dann denkst du nur du denkst, wie Juliane Werding einmal sagte, die heute nicht mehr singt, sondern nur noch als Heilpraktikerin praktiziert.

Falsch gedacht ist auch, wenn man denkt, ERFOLG ist eine Band, denn ERFOLG ist einzig und alleine Johannes von Weizsäcker, den einige wenige vielleicht als Musiker der Berliner Band The Chap kennen. Richtig gedacht dagegen ist, dass ERFOLG vielleicht auf deutsch singen - tun sie tatsächlich. Dies tut ERFOLG humorvoll und mit einem wachen Auge für das, was so läuft und schief läuft in unserem Lande. Weiterhin ERFOLGreiches musizieren und man bedenke: Wer schneller ist als der Brillenmann denkt zu wenig!


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JULIA HOLTER / Have you in my Wilderness [LP]

Einfach schön, im positivsten Sinne, ist das, was man als erstes zu JULIA HOLTERS neuem Album "Have you in my Wilderness", dem mittlerweile 4tem der Singer/Songwriterin, sagen MUSS. Lange hat mich kein Album mehr so mit Harmonie und Wohlgefühl übergossen.

Die Kalifornierin singt immer noch verträumtwirkende melancholischen Balladen, aber den Songs haftete jetzt eine neue Leichtigkeit an, als wären sie auf weißen Federn gebettet. Beim Album-Opener "Feel you" begleitet ihre glockenhellen Mädchenstimme ein Strauß aus Streichern und ein sanfter Beat gibt den bedächtigen Rhythmus vor. Natürlich wurde das Album in einem Studio aufgenommen und auch elektronische Instrumente eingesetzt, aber es klingt so organisch und lebendig, dass man sich vorstellen möchte, es wäre auf einer lichtdurchfluteten Waldlichtung eingespielt, wo die nächste Steckdose unzählige Kilometer entfernt in einer Wand einsam und verlassen kauert. Ja, diese Musik ist vertonte Poesie und ich komme beim Beschreiben nicht umhin, mit Metaphorik um mich zu werfen!


Julia Holter - Feel You (Official Video) von domino

Die tragische Figur zu "Lucette Stranded on the Island" entnahm Holter einem Roman der französischen Schriftstellerin Colette. Das ganze Ausmaß des dramatischen und hoffnungslosen Aufenthalts der Protagonistin - sie wird auf der Insel gefangen gehalten, misshandelt und stirbt am Ende - kleidet die Amerikanerin in cineastische Klanggebilde, welche die Gefühlwelt von Lucette eindrucksvoll in Töne vewandelt.

Nicht nur in ihrer Arbeitsweise, die immer konzeptionell ist, aber nicht zwangsläufig ein Konzeptalbum hervorbingt, erinnert Julia Holter stark an die Britin  PJ Harvey und deren Arbeiten nach der Jahrhundertwende. Wäre doch eigentlich großartig, wenn diese beiden Damen sich mal gemeinsam einer wie auch immer gearteten Thematik für ein Album annehmen würden.

Bleibt die abschließende Frage, die man sich bei so gut wie jedem Lied auf der Platte stellt: "Ist das nun noch Pop oder schon Kunst?" Es ist egal, denn es ist gut so, aber wer ein Etikettchen benötigt, der möge es magischen Singer/Songwriter-ArtPop nennen.

Julia Holter - Sea Calls Me Home (Official Video) von domino

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Montag, 14. September 2015

THE LIBERTINES / Anthems For Doomed Youth [LP]

Zeit für Helden? Ist es schlau, wenn sich eine Band, die mit nur zwei Alben ("Up the Bracket" [2002] und "The Libertines" [2004]) einen Kultstatus erworben hat, nach mehr als elf Jahren ein neues Album auf den Markt bringt, das genauso klingt als wäre es vor 10 Jahren eingespielt worden?

Schlau ist sicherlich der falsche Ansatz, den die Gefahr das IndieRock-Monument THE LIBERTINES zu zerstören, ist sicher größer als den Status neu zu zementieren. ABER wenn einer die Gefahr nicht scheut, sondern sich leidenschaftlich in dieselbige stürzt, dann wohl niemand mit mehr Intensität als das fleischgewordene Rock 'n' Roll Enfant terrible Pete Doherty.

Wer es schafft die Boulevard-Presse mit Schlagzeilen wie "Einbruch in Schallplattenladen in Regensburg", "Doherty malt mit Blut", "Dohertys Katze auf Crack", "Moss & Doherty ein Paar!"oder  "Mit Spritzbesteck in Flugzeugtoilette erwischt" zu füttern, der schert sich einen Dreck um das, was andere denken, weswegen es unumgänglich ist, dass wenn die beiden Buddys Doherty und sein kongenialer Libertines-Mitstreiter Carl Barât wiederzueinanderfinden, das machen, was ihnen gefällt. Also F*** off ihr Bedenkenträger und hingehört, was die Freigeister Doherty und Barât 2015 erschaffen haben, um den auf der Intensivstation liegenden IndieRock mit göttlichem Atem wiederzubeleben.

Here they go again:

01 "Barbarians": "This one's for your heart and for your mind" ist der erste Satz des Albums. Höher kann man die Latte nicht legen und deswegen kann man auch nicht höher fallen. Die Libertines aber fallen nicht, sondern manövrieren sich souverän wie selten zuvor, ohne zu stolpern oder zu zögern, durch einen perfekten IndieRock-Singalong-Song. Carl am Mic!



02 "Gunga Din": Dem ersten aus dem Album veröffentlichten Song merkt man am deutlichsten an, dass er nicht in irgendeinem Hinterhof-Studio in London, sondern in den Karma Studios in Thailand, wo Doherty nach dem x-ten Drogenentzug weilte als ihn sein Freund Barât besuchte und man einstimmig beschloss die Band wiederzubeleben, entstand. Wie im Rausch - aber mutmaßlich ohne Drogen - spross das neue Album sozusagen unter Palmen und südostasiatischer Sonne. "Gunga Din" gelingt das Kunststückt diese neugewonnen Zuversicht und Lebensfreude trotz melancholischem Unterton bestmöglich einzufangen.


Gunga Din
von The Libertines auf tape.tv.

03 "Fame and Fortune": Ska-trunkener Schunkler über die glorreichen Zeiten der Band in der britischen Haupstadt. Klingt wie "Dr. No" von den Babyshambles - Dohertys Band nach den Libertines - nur nicht ganz so skizzenhaft.



04 "Anthem for Doomed Youth": Pete hat seine Jugend verloren. Er ist jetzt 36 und schaut auf ein wildes Leben voller Irrungen, Wirrungen und schwindelerregenden Höhen zurück. Es ist ein schieres Wunder, dass er noch lebt und wer hat also mehr Recht Zeilen wie  "Life can be so handsome. Life can be okay." zu singen. Es scheint ganz so als hätte Doherty im Schoße Carl Barât seinen Frieden gefunden. Das Erstaunliche und Bewundernswerte daran ist, dass er trotzdem immer noch ganz der alte Pete ist - nur irgendwie sortierter/fokussierter. Carl am Mic!

05 "You’re My Waterloo": Eine intensive, tief traurige Pianoballade, die klingt als läge Doherty beim Singen auf dem roten Sofa seines Therapeuten, um sich alle Last von der Seele zu singen. Würde Frank Sinatra noch leben, bin ich mir sicher, dass er diesen Song covern würde ;-)



06 "Belly of the Beast": Da ist sie die neue Hymne, auf die alle Libertines-Fans gewartet haben. Absolut gleichwertig steht sie zwischen den Manifesten "Time for Heroes" und "Can't stand me now".

07 "Iceman": Dieser Song macht deutlich, was die Libertines ausmachte und auch heute noch ausmacht: Die mit höchstmöglicher Authentizität ausgestatteten Lyrics verbunden mit einem Songwriting, welches die Worte in ein perfektes Soundgewand kleidet.

Sangen die Libertines einst vom wilden selbstzerstörerischem, zügellosen Rock 'n' Roll-Leben, singen sie nun von den Erfahrungen, die sie aus diesem Leben gezogen haben und trauen sich sogar einen moralinsauren elternhaften Satz wie "Don't spend your days in the haze with the iceman. It means nothing at all" zu predigen. Ich wiederhole mich: Wenn es einer darf und kann, dann ...

08 "Heart of the Matter": Typische Uptempo-Nummer mit Dohertys schnodrigem Gesang, fluffigen Tempowechseln und lässigen Fingerübungen für die Gitarre.

09 "Fury of Chonburi": Punk meets BritPop, wie es kaum eine andere Band miteinander verknüpfen kann. Pete und Carl beim Paar-Therapeuten, da wo Mick und Keith schon waren und die Gallagher-Brüder noch hin müssen.

10 "The Milkman’s Horse": Ziermlich perfekter Song, um ein furioses Konzert im Schein von hochgehaltenen Feuerzeugen, mit einem Bier in der einen Hand und den Refrain auf den Lippen zu beenden. Keine Sorge Libertines-Fans zücken keine Handys!

11 "Glasgow Coma Scale Blues": Die dem rifflastigen Song den Titel gebende Skala ( Glasgow Coma Scale ) dient der Klassifizierung von Bewusstseinsstörungen. Die maximale Punktzahl ist 15 und wird einem Patient bei vollem Bewusstsein zugeteilt. Gehen wir davon aus, dass die beiden Helden Doherty und Barât beim Schreiben der Zeilen sich in eben diesem Bestzustand befanden.

Der Text des Liedes bildet die Beiden allerdings im Zustand eines deutlich geringerem Punktezustands ab, denn wie sich Pete und Carl die Schuld an der einstigen Trennung ihrer Band gegenseitig zuweisen, zeigt, dass sie mittlerweile eingesehen haben, welchen Mist sie da fabriziert haben. Dem stimme ich uneingeschränkt zu! Drei wunderbare Alben sind für eine so lange Zeit eine ziemlich magere Ausbeute :-(.

12 "Dead for Love": Was wurde nicht schon alles aus Liebe getan? Ob die Konsequenz gut oder schlecht ist, entscheidet sich erst nach dem oftmals vom logischen Denken losgelösten Handeln und in der Rückbesinnung. So ist der Mensch, und so ist es auch in dieser intensiven mordshungrigen Ballade im Düster-Stil von Nick Cave.

Ich war mir bewusst, dass ich mit sehr hohen Erwartungen an "Anthems For Doomed Youth" herangehen werde, weswegen ich mich Zwang die Platte nicht sofort zu sezieren, sondern ihr und mir einige Tage Zeit zu geben. Aber im Endeffekt ist es wie mit einer Tippabgabe für den Lieblingsfussballverein - man kann das Herz nicht auschalten. Aber warum auch! I'm in Love with a Feeling!

Donnerstag, 10. September 2015

NEW SONGS Vol. 106: GENGAHR ... FOALS ... PAINTED PALMS ... GRISWOLD

GENGAHR / A Dream Outside [LP] ... FOALS /  What Went Down [LP] ... PAINTED PALMS / Horizons [LP] ... GRISWOLD / Glue [EP]

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GENGAHR / A Dream Outside [LP]


Ha, nicht mit mir! Fast wäre mir dieses bereits im Juni veröffentlichte Album durch die Lappen gegangen! Was eine Katastrophe gewesen wäre, denn "A Dream Outside" ist ein grandios wunderbares PsychPop-Werk mit verschrobenen Melodien, das es an Vertracktheit mit Foxygen auf der einen und den Foals auf der anderen Seite aufnehmen kann.



Songs wie "Bathed in Light", "Powder", "She's a Witch", "Trampoline" und "Fill my Gums with Blood" haben allesamt das Zeug dazu, Klassiker des Genres zu werden und auch die anderen Stücke liegen durchweg über Durchschnittsniveau.



Das Quartett aus London legt ein wirklich furioses Debütalbum vor, so dass selbst Alt-J - zu denen sich übrigens auch deutlich Parallelen zeigen - nicht umhinkam, die Band als Support für ihre Europatour zu signen - und auch die Strokes und die Maccabees haben GENGAHR bereits mit auf die Bühne genommen. Fein, fein!

Das Psychedelic-Revial geht weiter und weiter ... nix dagegen!


Gengahr - Bathed In Light on MUZU.TV.

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FOALS /  What Went Down [LP]

Als die FOALS Ende Juni den Titelsong ihres neuen Album veröffentlichten, staunte die Welt über den rauen Sound und die markigen Worte von Mastermind Yannis Philippakis, der versprach, dass man sich auf das bisher härteste Foals-Album freuen könne. Nun es ist nicht ganz so wild und animalisch geworden wie versprochen, aber es ist schon jetzt das erfolgreichste Foals-Album in Großbritannien, wo es sich aus dem Stand auf Platz 1 der Albumcharts gesetzt hat.

ABER es ist ein "klassisches" Foals-Album geworden. Vertrackte Kompositionen mit den typischen Afroklängen ("Birch Tree", "Night Swimmers"), monumentale melancholische Epen ("Give It All", "Albatross", "A Knife in the Ocean"), Balladen ("London Thunder") einer guten Portion Groove ("Lonely Hunter") und nur vereinzelt ungestümen Ausbrüchen ("Mountains At My Gate", "Snake Oil").

Ein gutes Album, aber nach der formidablen Single "What went Down" hatte ich mir deutlich mehr Veränderung versprochen.



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PAINTED PALMS / Horizons [LP]

Wer mal wieder in höchst tanzbaren Synthiklängen aus den 80er schwelgen möchte, dem dürfte das Duo PAINTED PALMS ein Quell der Freude sein. Es blubbert, als wäre The Human League der Fascination-Ära aus dem Tiefschlaf erwacht und das nicht nur auf "Disintegrate", sondern auch auf vielen anderen Songs auf dem soeben erschienenem zweiten Album der Band ("Horizons").

Painted Palms sind die beiden Herren Reese Donohue und Christopher Prudhomme, ansässig in San Fransisco. Die Cousins setzten zwar auf die musikalische Popgeschichte von der britischen Insel, schaffen es aber trotzdem, ihre Stücke zeitgemäß klingen zu lassen, was sicherlich auch daran liegt, dass am Mischpult niemand geringerer als Eric Broucek die Knöpfchen bediente.

Weitere Anspieltipps: "Contact", "Glaciers" und der potentielle Hit "Tracers".


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GRISWOLD / Glue [EP]

GRISWOLD selbst bezeichnet das, was sie machen, als "IndiePopJazzFolkRock from the Woods". Damit konnte ich auf jeden Fall direkt was anfangen und spitzte meine Öhrchen.  Die Umschreibung passt sehr gut, aber als Adjektiv würde ich noch "einschmeichelnder" davor setzen - und das meine ich tatsächlich positiv, sonst hätte ich "einschleimender" geschrieben.

Seit 14 Jahren macht das Sextett aus Augsburg gemeinsam Musik, ohne bisher irgendetwas davon auf einem Tonträger veröffentlicht zu haben. Nun aber scheint es so, als wollen die sechs Musiker
Uwe Lukatsch (voc, g), Michael Jedelhauser (g), Tom Weiß (b), Ursula Weiß (p), André Schindler (d) und Christoph Rick (sax) endlich wissen, was die Welt da draußen von ihrer Melange aus Indie, Pop, Folk und Jazz hält.

"Glue" nennt sich die sechs Lieder umfassende EP, auf der die Band auf Effekte und Primporium verzichtet und fast so klingt als wären die Songs unaufgeblasene Werke von Dan Bejah (Destroyer). Die Kompositionen sind klar strukturiert und verbreiten rundum eine angenehme mollige Wärme, der man sich selbst bei mieser Laune kaum entziehen kann. Besonders angetan hat es mir das sehnsuchtsvolle "Pocketwatch", welches zeigt, dass Sanftmut und kleine feine experimentelle Noise-Attacken sich nicht ausschließen müssen. Sehr schön auch der Tempowechsel, in der als Ballade beginnenden Handclap-Nummer "Flat", die sich dann in einen exzellenten Popsong mit Mitsing-Refrain verwandelt. Und wie fein die Stücke  "Dect" und "Glue" klingen, könnt ihr euch weiter unten ja selbst anhören :-).

Entstanden ist "Glue" in mehreren Etappen, der Großteil wurde in einem zum Studio umfunktionierten Haus in der toskanischen Einöde aufgenommen. Komplettiert wurden die Aufnahmen in einer alten Bauernscheune und im Augsburger Traumraum-Studio.

Ein wirklich sehr reifes zeitloses Album von einer Band, die sich die Zeit genommen hat zu reifen - und reife Früchte schmecken ja bekanntermaßen am besten. "Glue" erscheint am 14. September 2015 bei HometownMusic.

Der seltsame Name „Griswold“ - ich denke ich habe ungefähr 20 mal Grisworld geschrieben, bevor mir auffiel, dass da kein "r" ist -  leitet sich übrigens von der bekannten Kinofamilie rund um den US-Komiker Chevy Chase ab.

P.S: Falls Ihr mal ins Rheinland auf Tour kommt, lasst es mich bitte wissen!


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Donnerstag, 3. September 2015

MILEY CYRUS / Miley Cyrus & Her Dead Petz

Es war absehbar und jetzt ist es passiert! Ich komme nicht umhin über das neueste Album von MILEY CYRUS zu berichten. Aber es tut gar nicht weh, denn die ehemalige Disneyentdeckung Hannah Montana hat es mit dieser Veröffentlichung nun endgültig geschafft, in den Kreis "echter" Künstler/Musiker aufzusteigen.

Es zeichnete sich bereits auf dem 2013er Album "Bangerz" ganz besonders bei der Single "Wrecking Ball" ab, dass der einstige Teeniestar nicht nur durch Skandale seine Vergangenheit ablegen möchte, sondern dass das Mädchen aus Tenneesse auch durchaus das Potential hat - im Gegensatz zu Bieber und Co. - sich neu zu erfinden.

Die einstige Mainstreamqueen hat nun unter dem Namen MILEY CYRUS & HER DEAD PETZ auf Soundcloud ein Album veröffentlicht, mit dem ihre Plattenfirma nichts zu tun hat und das sie stattdessen mit befreundeten Musikern von den Flaming Lips und dem gerne unterschätzten Ariel Pink eingespielt hat.

23 (!) knallbunte Popsongs in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen mit konstanter  psychedelischer Unterfütterung (was bei den Mitmusikern nicht verwundert) enthält dieses monumental anmutende Werk, welches einen anfangs schier erschlägt wie die Überflutung auf einer Süßwarenmesse. Deswegen hilft nur: Probieren, probieren und probieren.

01. "Dooo It!": She don't give a Fuck ... Die Stimme zum Großteil elektronisch verfremdet .. ein Loblied auf bestimmte Rauchwaren ... harte Beats ... Salven ... eine Kampfansage ... zwischen M.I.A. und Phantogram ... very fein!



02. "Karen Don't Be Sad": Atmosphärische ElectroPsychPop-Ballade ... schwelgerisch ... aber mit klassischer, auf den Refrain fokusierter Songstruktur ... Wayne Coyne & Miley Cyrus die neuen John & Yoko?

03. "The Floyd Song (Sunrise)": Minimalistischer Lagerfeuersong für das Jahr 3000 - also mit Stromanschluss ... wie der vorherige Song mit ausgereifter Melodie ... Keys als wären sie vom neuen Tame Impala-Album.

04. "Something About Space Dude": Akustische Gitarre und sanfter Beat ... Miley mit Engelszungen outer Space ... wie wäre es mit einem Remake von Barbarella mit Miley in der Hauptrolle?

05. "Space Boots":  Der Weltraumflug geht weiter ... Ballade ... flirrende Space-Keys ... Miley klingt wie Lana Del Rey ... auf Weed.

06. "Fuckin Fucked Up": Hohe Schimpfwortdichte ... knüpft an den ersten Song an ... aber deutlich mehr Destruktion ... mehr Soundgimmik als Song ... nur 50 Sekunden lang.

07. "BB Talk": Eine Frau spricht ... Miley? ... dumpfer Disco-Beat ...weiterhin hohe Schimpfwortdichte ... diese Dame will gef**** nicht geliebt werden ... Bester Sex-Song seit "Love on the Beat" von Serge Gainsbourg.



08. "Fweaky": Downtempo-Nummer im Stile von Lana Del Rey .. fällt etwas aus dem Rahmen ... ist auch bisher der erste Song ohne Flaming Lips-Boys.

09. "Bang Me Box":  Mainstream R'n'B ... da helfen auch die im Hintergrund leise flirrenden Keys nicht ... zu wenig wirkliche Substanz .. Text auch eher pupertär im Sinne von Shades of Grey  ... aber je öfter ich das Ding höre, desto tiefer gräbt es sich in die Gehörgänge.

10. "Milky Milky Milk": Verhangener ElectroPop ... fordert auf zum Genuss von Muttermilch ... nicht aus der Flasche ... Beats werden härter, aber bleiben trotzdem im Nebenraum.

11. "Cyrus Skies": Düsteratmosphäre ... Miley klingt wie Amanda Lear ...  wie das nicht enden wollende Intro zu einem 70er-Space-Disco-Song ... Himmel mit Schleiern verhangen ... vielleicht etwas zu monoton.

12. "Slab of Butter (Scorpion)": Die atmosphärische Dichte nimmt wieder zu ... feine Gitarre als "Störfeuer" im Rausch der Keys und stolpernden Beats... featuring Sarah Barthel of Phantogram.

13. "I'm So Drunk": Soundsprengsel ... Voice-Decoder ... nur kurzes Alkohol-Intermezzo ... 46 Sekunden.

14. "I Forgive Yiew": Wabbernde Keys ... Miley singt und rappt ... sounds like Cheerleading ... mittlerweile dürfte die höchste Anzahl an bösen Worten auf einem Album in diesem Jahr überschritten sein ... und es kommen noch 9 Songs.

15. "I Get So Scared": Switch zum Songwriter-Momentum ... Twang-Gitarre ... Deep-Beats ... aber mit monumentalen synthetischen Geigen im Refrain.



16. "Lighter": Zeitgemäße Popballade ... aber nicht mehr ... die in Zusammenarbeit mit Mike will made it entstandenen Songs sind deutlich schwächer ... Radiosong.

17. "Tangerine":  Back in Space mit Pling und Plong ... feiner Break ... featuring HipHopper Big Sean ... unbedingt sehr laut hören.

18. "Tiger Dreams": Sanftes Einschlafen ... featuring Ariel Pink ... PsychedlicPop-Song ... der aber durchaus etwas mehr Wirrungen in den Flug hätte aufnehmen können.



19. "Evil Is But a Shadow": Minimalitische elektronische Beats ... Stimme wie vom Grammophon ... orgelartige Keys ... sehr melancholisch ... aber schön.

20. "1 Sun":  Achtung Lärm! ... Vollgas ...  verzerrte Beats ... hymnisch ... mit Männerstimme wäre es auch ein potentieller MGMT-Song.

21. "Pablow the Blowfish": Die Balladendichte ist erstaunlicherweise genauso hoch wie die Schimpfwortdichte ... rettet die Meere ... hört auf Fisch zu fressen ... Miley trauert um den schuppigen Freund ... Mahlzeit!



22. "Miley Tibetan Bowlzzz": Cineastisches Streichkonzert aus dem Synthesizer ... eine wortlose Miley in Trance ...

23. "Twinkle Song: Klavierballade ... Popsong ... Miley zeigt ihre stimmlichen Fähigkeiten ... mit dem Kugelfischsong der Einzige, den Miley ohne Co-Writer geschrieben hat.

That's Entertainement! Wunderbarer Sebstfindungstrip! Schmutzig, zügellos, variabel, elegant, kreativ, versaut, pornös, drogenumnebelt, hochglanzpoliert, aber auch mit einigen unnötigen Nummern. Würde man das Werk noch etwas vom Unkraut befreien, ein schieres Meisterwerk - aber die Dame ist ja auch erst 22 Jahre alt und da kann man sich schon mal im Weed verfangen. Mal schauen, ob Miley Cyrus & Her Dead Petz auf Vinyl erscheint, dann werde ich wohl tatsächlich mal eine Scheibe von einem Teeniestar drehen lassen.

Dienstag, 1. September 2015

NEW SONGS Vol. 105: PEACHES feat. KIM GORDON ... SUN AND THE WOLF... THE STRYPES ... VALET

PEACHES feat. KIM GORDON / Close Up ... SUN AND THE WOLF / 87 Years ... THE STRYPES / Little Victories [LP] ... VALET / Nature [LP]

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PEACHES feat. KIM GORDON / Close Up


Es ist wirklich schon sechs Jahre her, dass PEACHES, alias Merrill Beth Nisker, mit ihrem letzten Longplayer "I Feel Cream" uns ihre politische und feministische Sicht der Welt mit harten Beats um die Ohren haute. Zwar strotzte "I feel Cream“ nicht mehr vor Kraft wie ihr frühes Meisterwerk "The Teaches of Peaches“, aber der Pfirsich war noch lange nicht ausgetrocknet.

Nun gibt es mit dem Song "Close Up", nach "Light in Places" den nächsten Vorboten vom am 25. September erscheinenden Album "Rub". Der Song und speziell das Video gibt einen guten Vorgeschmack darauf, dass auch ein mittlerweile 46-jähriger Pfirsich noch saftig sein kann. Für das Video hat sich Peaches niemand anderen als Indie-Legende Kim Gordon ins Boot geholt.

Kim
spielt im Clip eine Wrestling-Trainerin, die ihrem Schützling, natürlich Peaches, zeigt, wo es lang geht. Tja und Peaches tut, was die Dame im Pelz befiehlt und legt zu harten elektronischen Beats Männchen und Weibchen reihenweise flach ... bis plötzlich die Luft raus ist - aber nur im Clip, denn die Pfirsiche sind immer noch saftig ;-)



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SUN AND THE WOLF / 87 Years

Der Schein trügt, denn mit SUN AND THE WOLF aus Berlin sind keine wirklichen Newcomer am Start. Die Band formierte sich nämlich bereits im Teenageralter, wo man unter dem Namen The Have in Neuseeland die lokale Rock'n'Roll-Szene beackerte. Aber wie es so ist, wenn man das Pickelalter verlässt, es drängt einem nach Neuem.

Die Band zog nach Berlin, änderte ihren Namen in Sun and the Wolf und feilte an einem neuen Sound. Seit dem Debütalbum "White Buffalo", welches die Band in Eigenregie veröffentlichte, steht die Band für verträumten PsychedelicPop, höchst memorierbare Gitarrenriffs, liebevolle Instrumental-Solis und die wundervoll nölende Stimme von Sänger Brodie White.

Das zweite Album des Quartetts nennt sich "Salutations", erschien bei uns mit einem Jahr Verspätung und bietet neun analog produzierte drogenverhangene Stücke mit jeder Menge Fuzz-Gitarren und Hippie-Attitüde. Peace!


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THE STRYPES / Little Victories [LP]

Ja, mit ihrer ersten Veröffentlichung "Snapshot" (2013) bekamen die Iren, die gerade dem Krabbelalter entkommen sind, wegen ihrer Unbekümmertheit, ihrer Naivität und ihrem Hang zum Plagiat außerhalb der britischen -TeenagerPresse ziemlich Prügel. Ich gestehe, ich fand die Scheibe für eine so junge Band schon sehr ordentlich (New Songs Vol. 16) und hatte einfach Spaß am Spaß der Band, selbst wenn sie oftmals so wirkten, als hätten sie sich gerade verkleidet, um Strokes, Beatles oder was auch immer zu spielen.

A Good Night's Sleep And A Cab Fare Home von The Strypes auf tape.tv.

Nun folgt mit "Little Victories" Album Nummer Zwei und auf 16 (!) Songs zeigt das jugendliche Quartett um Sänger und Gitarrist Ross Farrelly, dass sich die Band von ihrem Weg nicht abbringen lässt und weiterhin in der Musikgeschichte plündert, was es zu plündern gibt. Natürlich haben THE STRYPES noch nicht wirklich ein eigenes Profil, aber wenn man dieses stürmische Pflänzchen in Frieden Gedeihen lässt, bin ich mir ziemlich sicher, dass früher oder später etwas ganz Feines entstehen kann. Also keep on Rocking Ross, Josh, Pete und Evan!





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VALET / Nature [LP]

Zum Schluss Musik, die wahrscheinlich für den Herbst erfunden wurde - und an manchen Morgen schaut es ja schon so aus, als wäre es wieder soweit.

In vielen Rezensionen zum neuen Album von VALET, einer Projekt-Band von Honey Owens aus Portland - die sich die letzten sechs Jahre musikalisch eher in Richtung Clubmusik orientierte - fällt der Begriff Shoegaze. Diese Klassifizierung greift aber zu kurz, da Owens neben den vorhandenen schwelgerischen Gitarrenwänden immer auch deutlich das melodiöse Songwriting, neopsychedelische Elemente und ihren ätherischen Gesang gleichberechtigt in ihre Kompositionen einbindet.

Die Referenzen, die mir zu "Nature" einfallen sind deshalb vielfältig und aus den unterschiedlichsten Genres: Warpaint, Spacemen 3, Slowdive, Cocteau Twins, Dead Can Dance, Ride aber auch Velvet Underground oder Woods.

Bei diesen Referenzen ist klar, der Preis für die federleichteste Platte des Jahres dürfte 2015 zweifelsohne an Valet gehen. Gratulation und aufpassen, dass ihr nicht abhebt ...

Anspieltipps: "Sunday", "Nature", "Signs", "Transformation" und das grandiose "Clouds".





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