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Freitag, 29. Januar 2016

JESU & SUN KIL MOON / Jesu/Sun Kil Moon

Surprise, Surprise, der große unendliche Geschichtenerzähler Mark Kozelek aka SUN KIL MOON kollaboriert mit der britischen ExperimentalRock-Band JESU. Kozelek und Jesu-Frontmann Justin Broadrick verbindet eine langjährige Freundschaft und bereits im Januar 2015 lies Kozelek in einem Interview verlauten, dass er an einem Kollaborationsalbum arbeite. Per Twitter erschien dann im April von Broadricks Seite die offizielle Ankündigung für das Werk.


Das schlicht "Jesu/Sun Kil Moon" betitelte Album enthält zehn Songs, auf denen die beiden Künstler ausloten, mit welchen Sounds man die Erzählungen Kozeleks auf musikalischem Wege transportieren kann. Dass es mit folkigen Klängen vorzüglich funktioniert, weiß man von diversen hervorragenden Sun Kil Moon-Veröffentlichungen, aber was funktioniert noch und was vielleicht auch nicht?

Der Einstieg ("Good Morning My Love") beginnt mit fetten Gitarren-Feedbacks als wäre Dinosaur Jr gerade am Soundcheck. Kozeleks Stimme kommt kaum gegen die Noise-Attacken an, aber irgendwie passen der bedrohliche Lärm und die monoton vorgetragenen melancholischen Vocals ziemlich gut zueinander. In den letzten zwei Minuten verdichtet sich der Sound und Gitarrenriffs schneiden Stücke aus dem Song, der sich aber von seinem Weg in keinster Weise abbringen lässt. Die Lyrics handelt von der möglichen Wiederauferstehung einer Liebe.

Die schweren Riffs vom Opener übernehmen  bei "Carondelet" gänzlich die Songführung. Die Vocals treten etwas mehr in den Vordergrund, klingen eindringlicher und ein ziemlich träge rumpelndes Schlagzeug begleitet die Lead-Guitar.

Der nächste Song "A Song of Shadows" erinnert mich schwer an die unglaubliche Düsternis in Anna von Hausswolff  letztem Album "The Miraculous", was wahrscheinlich an den Keyboardklängen liegt, die fast wie Orgelklänge klingen und dem in Shoegaze-Gefilden wildernden Song eine wuchtige Präsenz verleihen, zusätzlich unterstützt von Kozeleks Stimme, die ihre Monotonie ablegt und stark in Lauststärke und Phrasierung variiert. Was so düster klingt ist allerdings ein Hochlied auf seine Lebensgefährting und Muse Carolin.

Bei "Last Night I Rocked the Room Like Elvis and Had Them Laughing Like Richard Pryor" - den Hang zu überlangen Songtiteln behält Kozelek also bei - verschwinden die Gitarren, ein elektronischer Beat agiert im Hintergrund, die Führung übernehmen die gespenstischen psychedelischen Keys. Indische Räucherwaren bereithalten!

"Fragile" ist ein typischer Sun Kil Moon-Song. Die akustische Gitarre spielt kontinuierlich eine einfache Melodie und Geschichtenerzähler Kozelek erzählt und erzählt und erzählt. Neu ist allerdings, dass ein zweiter Vocalpart sich dazugesellt und tatsächlich so etwas wie Harmoniegesänge einstellen.

Ein nach 80er Jahren müffelnder elektronischer Beat, der sich anhört, als würde man die Maxisingle eines New Order-Songs auf 33 abspielen, eröffnet den Song "Father's Day" über den flächige schwebende Keyboards liegen. Kozelek sinniert über spielende Kinder auf Spielplätzen, über die Hingabe seiner Eltern trotz ihrer Mängel und über die Sehnsucht nach bereits verlorenen Weggefährten.

"Sally" bringt die fetten Gitarrenwände und Riffs zurück. Shoegaze meets HeavyRock meets DroneRock. Nach so einem kurzen Songtitel schmeißen die beiden Freunde wieder die Buchstabenschleudermaschine an. "America's Most Wanted Mark Kozelek and John Dillinger" ist der harmonischste Song des Albums, bedrohliche Soundwände sind Fehlanzeige, man könnte schon von einem Song sprechen, der ein gewisses Quentchen an Pop-Appeal in sich trägt ;-). Schöner Song, aber nicht so aufregend wie die anderen Experimente auf "Jesu/Sun Kil Moon".

Der herausragende Song auf dieser Kollaboration ist aber eindeutig das epische, über 9 Minuten lange, "Exodus", in dem zu reduzierten elektronischen Beats, schweebende dezenten Keys und akzentuierten Klavierklängen in sehr poetischer Form über Eltern, die den Verlust eines Kindes zu ertragen haben, erzählt wird. Sehr intensiver Song, der mich an einige Stücke aus der Feder von Thom Yorke erinnert.

Das dicke, weil mehr als 14 Minute lange Ende des Albums bildet "Beautiful You". Zwischen Ambient- und Dubklängen verschmelzen die Worte Kozeleks zu einem hynotischen Song, der allerdings auf dieser Länge auch darauf setzen muss, dass der Zuhörer am Ball bleibt und nicht wegdöst ;-)

Spannendes, nicht auf Anhieb einfach zu rezipierendes Experiment der beiden Freunde, das unter der Mithilfe von Größen wie Will Oldham aka Bonnie "Prince" Billy, Mitgliedern von Low, Rachel Goswell von Slowdive, Isaac Brock von Modest Mouse und  Schlagzeuger Steve Shelley (Sonic Youth) entstand.


Tracklist:
01 Good Morning My Love
02 Carondelet
03 A Song of Shadows
04 Last Night I Rocked the Room Like Elvis and Had Them Laughing Like Richard Pryor
05 Fragile
06 Father's Day
07 Sally
08 America's Most Wanted Mark Kozelek and John Dillinger
09 Exodus
10 Beautiful You

Listen on: http://www.sunkilmoon.com/jesuskm.html


Sonntag, 24. Januar 2016

TINDERSTICKS / The Waiting Room

Wartezimmer sind eigentlich Räume, in denen ich mich überhaupt nicht gerne aufhalte. Erstens, weil man wartet und zweitens, weil man sie in erhöhtem Maße bei Ärzten oder Behörden antrifft. Einen Warteraum mit wohliger Atmosphäre kann man sich nur schwerlich vorstellen, es sei denn, es wäre ein Raum, in dem niemand hustet, alle Handys auf lautlos gestellt sind und alle verzückt den Kopf in den Nacken gelegt haben, um der seltsamen Kammermusik der TINDERSTICKS zu lauschen.


Klopf, klopf! Hereinspaziert. Folgen Sie mir in das Gemach der leisen Klänge. Die Empfangsdame ("Follow me") ist ein warmherziges Harmonium. Es klingt nach verlangsamt abgespielter Winnetou-Melodie und beruhigt wahrscheinlich sogar einen Bullen, der gerade zur Schlachtbank geführt wird, ist aber in Wahrheit eine Coverversion aus der Fimmusik von "Meuterei auf der Bounty" aus dem Jahre 1962 des Komponisten Bronisław Kaper.

Der Typ mit der Eselkopfmaske mir gegenüber seufzt behaglich auf und zündet sich eine Zigarette an - obwohl das in Warteräumen ja eigentlich seit langer Zeit schon nicht mehr gestattet ist. Seltsamerweise entsteigt der Rauch auf seinem Inhalationsweg aus einer seltsam gleichförmigen, wie ausgeschnittenden Wunde auf der Eselsschnauze. Staples ärgert sich zu zarten instrumentalen Tupfern leise über vertane Chancen. Ich frage den Esel, ob das Jazz oder Chanson ist, aber er hält nur den Zeigefinger vor seine Lippen, um mir zu verdeutlichen ich solle die Klappe halten, ich verkneife mir also die Frage, ob er diese Bläsersätze auch so zauberhaft findet.

Als der Song "Were We Once Lovers?" mit einem knackigen aber dezenten Bass beginnt, fängt der Esel an leise zu weinen. Liebe und die Tindersticks waren schon immer eine großartige Verbindung, aber je nach Gefühlzustand halt auch sehr schmerzhaft. Der Song nimmt Fahrt auf, so dass ich nicht mehr hören kann, ob der Esel, der mit dem Kopf auf dem Tisch des Wartezimmers ruht, noch weint. Wahrscheinlich ist er unglücklich verliebt und hat seine zweite Chance ein für allemal verspielt?



Die Rhythmusabteilung ist nun in Schwung gekommen ("Help Yourself). Hoffentlich hört der Esel zu und ihm wird durch diese funky groovende Nummer von den Bläsern ordentlich der Marsch geblasen, so dass er aufhört sich im Selbstmitleid zu ertränken. Ich muss grinsen als mir auffällt, dass er doch tatsächlich mit dem rechten Fuß im Takt wippt.

Den nächsten Song ("Hey Lucinda") kenne und liebe ich schon. Ein herzergreifendes Duett mit der am 1. Januar 2010 an Brustkrebs verstorbenen amerikanisch-mexikanischen Sängerin Lhasa de Sela. Hoffentlich lässt der Esel den Blick gesenkt, sonst sieht er, dass mir Tränen über das Gesicht fließen.



Die Intensität in diesem Wartezimmer ist wirklich etwas ganz besonderes, irgendwie greifbar und doch flüchtig. Der Esel scheint sich wieder gefangen zu haben - ich auch. Wabernde Klänge ("This Fear of Emptiness") durchziehen den Raum. Außer dem Esel und mir ist niemand in dieser Kammer der Leere. Keine Stimme erklingt. Zeit, um Gedanken kreisen zu lassen. Irgendwofür muss warten ja gut sein. Trägt der Typ den Eselskopf als Zeichen der Bestrafung? Selbstbestrafung?

Die Tür öffnet sich ("How He Entered") und eine weitere Person betritt den Raum. Das "Guten Tag" ist mehr gehaucht als gesprochen. Das eine Bein leicht nach sich ziehend platziert sich die ganz in schwarz gewandete Dame an der Position im Raum, die am weitesten von mir und dem Esel entfernt ist. Können wir es eigentlich beeinflussen wie Personen oder Geschehnisse in unser Leben treten? Und was ist ein gelungener eigener Auf- oder Eintritt?

Auch mit mehreren Personen gefüllt ist ein Warteraum ("The Waiting Room") meist ein stiller Raum. Gedämpfte Orgelklänge geistern von Wand zu Wand und Staples singt verzweifelt davon, dass er nicht leiden möchte. Aber sind Zimmer, in denen man wartet, nicht immer voller Leiden - psychischer und physischer Natur?

Die Damen holt aus ihrem regennassen Mantel eine Art Spieluhr hervor und eine verträumte unendlich traurige Melodie ("Planting Holes") erklingt. Der Esel und ich werfen schüchterne Blicke in ihre Richtung.




Worauf warten wir nur? Sind wir alle nur gefährliche Träumer ("We are Dreamers!)? Ich denke, ich sollte aufstehen und gehen, ich weiß ja gar nicht worauf ich warte! Aber diese Trommeln sind geradezu hypnotisch und ich fühle mich wie in einem Traum gefangen. Wieso behaupten die beiden Stimmen, dass dies nicht die wirkliche Erde ist? Träume ich? Bin ich gefangen in einem Film von David Lynch?

Plötzlich steht die Dame von ihrem Stuhl auf, geht in die Ecke des Esels, setzt sich auf den Stuhl neben ihm und streichelt zärtlich seine rechte Hand ("Like Only Lovers Can"). Der Esel hebt den Kopf und obwohl die Maske sein Antlitz verdeckt, sehe ich ihn lächeln. Ich erhebe mich und säusele mit gesenktem Haupt ein "Auf Wiedersehen" ehe ich den Raum verlasse. Warteräume sind sehr seltsame Räume, aber nun kenne ich auch einen, in dem man sich wohlfühlen kann.

"The Waiting Room" ist ein grüblerisches, minimalistisch instrumentiertes, aber atmosphärisch unglaublich dichtes Album voller Poesie. Jeder Song des Albums wurde von verschiedenen unabhängigen Filmemachern visuell in einem Kurzfilm umgesetzt. Das Werk entstand als Resultat der Zusammenarbeit mit dem Clermont-Ferrand International Short Film Festival in Frankreich und hatte seine Premiere am 19. Januar bei Rough Trade in New York. Das Album wird sowohl in der CD-(Deluxe-Edition), als auch in der Vinyl-Version mit einer DVD, die alle Videos beinhaltet, ausgeliefert.

Alle Kurzfilme zum "The Waiting Room Film Projekt" unter: https://www.youtube.com/watch?v=ZU4YIY6mia8


Tracklist:
01 Follow Me
02 Second Chance Man
03 Were We Once Lovers?
04 Help Yourself
05 Hey Lucinda featuring Lhasa De Sela
06 This Fear of Emptiness
07 How He Entered
08 The Waiting Room
09 Planting Holes
10 We are Dreamers!** featuring Jehnny Beth (Savages)
11 Like Only Lovers Can



Freitag, 22. Januar 2016

SAVAGES / Adore Life

"Rebel Rebel, you've torn your dress Rebel Rebel, your face is a mess Rebel Rebel, how could they know? Hot tramp, I love you so!

 

Diese Zeilen stammen natürlich von niemand geringerem als vom kürzlich verstorbenen David Bowie und sie haben schon eine ziemliche Vergangenheit auf dem Buckel, passen aber noch immer vorzüglich, wenn man einen Einstieg in das neue Album "Adore Life" der Londoner PostPunk-Band SAVAGES sucht.


Auf dem Plattencover sieht man die rebellische Faust von Lead-Sängerin Jehnny Beth kämpferisch in die Höhe gestreckt, bewaffnet mit Ringen, die aussehen wie Krallen, die man bestimmt auch als Waffen einsetzen kann. Vielleicht eine andere Möglichkeit statt Pfefferspray, um grabschenden Vollidioten wie in Köln in der Silversternacht Einhalt zu gebieten? Dann macht die handbreit Abstand, die die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gefordert hat, vielleicht auch Sinn?

Die Botschaft des neuen Albums, das Leben zu feiern und die Liebe zu leben, liegt offen auf der Hand, dass es ein ziemlich zorniges und wütendes Statement geworden ist, war bei diesem energiestrotzendem Damen-Quartett ebenfalls zu erwarten. Für alle Verstrahlten, die dieser Tage die Welt so unsicher machen, gibt Savages auch gleich im Albumopener "The Answer" die klare Antwort: Liebe, ist die Antwort ihr Vollpfosten da draußen, die ihr uns den Spaß am Leben & der Liebe nehmen wollt! Und wer nicht hören will, dem zeigen wir die Faust!


SAVAGES - THE ANSWER from Giorgio Testi on Vimeo.

Ist das schon ein klarer Aufruf zur Revolte? Eine neue Revolution für die Liebe? Nicht mit Blümchen im Haar und Peace-Button am Reviers, sondern der Aufruf zum gemeinsam Kampf für die Liebe durch kreischenden Gitarrenriffs?

Und wer ist der Feind? Der Feind ist alles, was sich der Liebe & dem Leben entgegenstellt. Im außerordentlich poppigen Song "Evil" sind es exemplarisch die katholische Kirche und Menschen, die sich gegen die gleichgeschlechtliche Liebe ausgesprochen haben, was hoffentlich auch dem letzten Schwarz-Weiß-Maler ziemlich klar macht, dass der Feind vielschichtig ist und nicht nur in einer Ecke zu suchen ist. Ruft man sich dann noch ins Gedächtnis, dass die Gitarristin Gemma Thompson in einem Interview der SPEX zum Debütalbum "Silence Yourself" verlauten lies, dass sie der Gedanke fasziniert, dass in uns allen das Böse ruht, sollten sie viele Menschen, die in den sozialen Medien dieser Tage verstörende Kommentare hinterlassen, den biblischen Satz "... der werfe den ersten Stein." noch einmal durch den Kopf gehen lassen.
Genau dieses selbstkritische Reflexion zeigen Savages beim stürmischen, bassgetragenen "Sad Person", das einerseits anklagt, andererseits aber auch die Tür für eine Annäherung "I'm flirting with you" offen lässt.

 
Savages / Adore from Anders Malmberg on Vimeo.

Der Sound des Albums ist im Vergleich zum Debüt übrigens deutlich fetter und aufgeräumter geworden, was wahrscheinlich an der Abmischung des dänischen Elektronikmusikers Anders Trentemøller liegt. Diese neue Klarheit tut den Songs ausgesprochen gut, denn es gelingt dem Dänen, der Band trotzdem ihre Ecken und Kanten zu lassen, wenn nicht sogar noch besser herauszukitzeln. Schöne Beispiele dafür sind das düstere "Slowing Down The World", wo der fette Bass von Ayse Hassan konsequent tief in die Magengrube fährt oder das balladeske "Adore", wo man wieder nicht umhinkommt die Stimme der gebürtigen Französin Jehnny Beth mit NewWave-Legende Siouxsie Sioux zu vergleichen.

"Surrender" klingt ungewöhnlich elektronisch, so dass man schier den Eindruck bekommt als hätte Trentemøller auch beim Songwriting die Finger im Spiel gehabt. Aber in "I Need Something New" singt Beth ja auch, dass sie etwas Neues in ihren Ohren hören möchte ;-)

Wunderbar gewohnt randalieren die ungewöhnlichen Botschafter für die Liebe dagegen wieder bei "T.I.W.Y.G.". Wer jetzt noch nicht Verstanden hat, worum es den Damen geht, der hat es halt nicht anders gewollt: "This is what you get, when you mess with love!"


Tracklist:
01 The Answer
02 Evil
03 Sad Person
04 Adore
05 I Need Something New
06 Slowing Down The World
07 When In Love
08 Surrender
09 T.I.W.Y.G.
10 Mechanics

Mittwoch, 20. Januar 2016

NEW SONGS Vol. 114: ADAM STAFFORD / Atheist Money + LILY & MADELEINE / For The Weak + BLEACHED / Keep On Keepin' On + RODNEY CROMWELL / Black Dog


ADAM STAFFORD / Atheist Money

Adam Stafford ist ein schottischer preisgekrönter Filmemacher und Musiker, der seine ersten musikalischen Gehversuche mit der Band Y'all is Fantasy Island absolvierte. 2013 folgte der Schritt zum Solokünstler mit dem Album "Imaginary Walls Collapse", das 2014 für das schottische Album des Jahres nominiert war.

Am 1. Mai diesen Jahres erscheint sein zweiter Longplayer "Taser Revelations", aus dem nun vorab der Song "Atheist Money" veröffentlicht wurde. Knisternder Indietronic, der besonders durch die stimmliche Nähe von Stafford zu Joe Newman an Alt-J erinnert und mich sehr erwartungsfroh für den ersten Mai stimmt.



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LILY & MADELEINE / For The Weak

Dass ich eine Schwäche für FolkPop mit weiblichen Stimmen habe, kann ich schwerlich verbergen, aber bisher konnte mich das Damendoppel Lily & Madeleine aus Indianapolis mit ihren beiden ersten Alben nicht überzeugen.

2016 könnte sich das allerdings ändern, denn die erste Auskopplung "For the Weak" aus dem am 26. Februar erscheinenden Album "Keep it Together" erinnert stark an die melodiösen Folksongs von First Aid Kit aus Schweden, für die ich eine erhebliche Schwäche habe ;-).



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BLEACHED / Keep On Keepin' On

Die Schwestern Jennifer (Gesang/Gitarre) und Jessie Clavin (Gitarre/Bass) und Bassistin Micayla Grace, alias Bleached, erfinden den Surf und Rock'n'Roll geschwängerten PunkPop zwar nicht neu, aber die erste Single "Keep on Keepin' On" vom am 1. April erscheinenden Album "Welcome the Worms" macht Spaß und gute Laune.

Die Plattenfirma verspricht, dass das neue Album ein frivoles Bild von Los Angeles zeichnet, dabei fällt mir ein, dass ich unbedingt weiter Californication suchten muss ;-)



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RODNEY CROMWELL / Black Dog

Welcome back to the 80s Synthi-Sound! Das letztjährige New Order-Album "Music Complete" war ja bis auf die Single "Restless" eine herbe Enttäuschung.

Ähnlich catchy wie "Restless" klingt "Black Dog" des aus London stammenden Musikers Rodney Cromwell , der unschwer erkennen lässt, dass er eine ausgeprägte Liebe für analoge Synthesizer hegt und dem es perfekt gelingt, mit seiner EP eine perfekte Zeitreise zu veranstalten.



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Montag, 18. Januar 2016

DE STAAT / O

Ja, ich war begeistert von der EP "Vinticious Versions", welche die AlternativeRocker De Staat aus Holland im Januar des letzten Jahres herausbrachten, aber dass diese EP dazu führen würde, dass die Band eine Kurskorrektur in ihrem Sound auch für die Zukunft vornehmen würde, hatte ich nicht erwartet.


Der anfangs noch fast klassische StonerRock des Quintetts aus der Kleinstadt Nijmegen vermischt sich mittlerweile mit so vielen Genres (Funk HipHop, Electro, etc.), dass man nicht umhin kommt, den Mannen um Frontmann Torre Florim das etwas muffig riechende Etikett Crossover zu verpassen.

Gleich der erste Song des Albums, "Peptalk" ist ein wunderbarer Bastard aus einem Riff à la Queens of the Stone Age, einer Rhythmik à la Beastie Boys und einem funky Flow, der an die frühen Red Hot Chili Peppers erinnert und wie geschaffen ist, um in einer Indie-Disco die Tanzfläche in eine hüpfende Menge zu verwandeln. Kenner werden sich sicher auch etwas an "Move" (1993) von den H-Blockx erinnert fühlen.



Auch "Make The Call, Leave It All" ist ein verdammt groovendes FunkRock Gebräu, bei dem die Gitarre Zwischentöne liefert, die wahrscheinlich sogar Glas schneiden. Bei "Get On Screen" quietschen die Keys zu einem relativ dumpfen Beat und Torre Florim klingt, als würde er einen Abzählreim zum Besten geben. Gewöhnungsbedürftig, aber nicht uninteressant!

Bisschen arabisches Ambiente gefällig? "Murder Death"  lässt den Orient näher rücken - was ja zu einigen Ängsten in Europa führt - und da passt das bösartige Riff und der beständig brummende Bass vorzüglich zu den arabischen Klängen, um eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Fett! Der Titel lässt es erahnen, auf "Blues is Dead" vermischt die Band BluesRock mit einem 1A-Stoner Riff, geizt aber auch nicht mit elektronischen Gimmicks, um den Song aufzupimpen. Hip Hip Hooray!

ElectroPop? Diese bekloppten Holländer schrecken wunderbarer Weise vor nichts zurück, denn auf "Baby" klingen sie so, als hätten sie einen Prince-Song entführt, um diesen mit Robert Palmer-Sounds-der-80er zu kreuzen. Was fehlt noch? Eine Ballade? Auch in diesem bisher stark vernachlässigten Metier zeigen De Staat nun bei "Time Will Get Us Too" Präsenz. Einfühlsam und doch schräg.

Ähnlich wie bei "Baby" sind die Zutaten für "Round", allerdings fehlt mir hier etwas die Würze im Songwriting. Für den nächsten Knaller "Life Is A Game (Ladadi Ladadada)" empfiehlt es sich den Volume-Regler ordentlich aufzudrehen. Könnte die Ouvertüre für eine ElectroProgRock-Oper sein? Trägt unverkennbar zappaeske Züge.

Sehr witzig ist auch "Systematic Lover". Zu einer relativ simplen Synthi-Melodie gesellen sich SpaceFunk-Anleihen und es quakt ganz seltsam aus den Boxen. Die Jungs machen live bestimmt gehörig Spaß und ich hoffe, dass sie mit "O" auch mal wieder einen Tour-Abstecher nach Deutschland machen, damit ich mich davon live überzeugen kann. Bisher gibt es nur ein Konzert in Haldern (http://rock-im-saal.de/) :-(.

Fans der ersten Stunde dürften aufgrund des kruden Genre-Mixes des Album mit "Help Yourself" und dem sägenden StonerRiff wieder etwas versöhnt werden, mir fehlt da allerdings trotz schöner Breaks und eines feinen Gitarren-Solos etwas das Unerwartbare.

Der letzte Song, "She's With Me" auf  "O" überrascht wieder. Zu minimalistischen Klängen auf der Klampfe singt Torre Florim ein imtimes Liebeslied zum Kuscheln und Knutschen. Also man kann ja viel über Niederländer behaupten, aber langweilig wird es mit ihnen doch nie  - Gruß an Katta ;-)

Tracklist:
 01 Peptalk
 02 Make The Call, Leave It All
 03 Get On Screen
 04 Murder Death
 05 Blues Is Dead
 06 Baby
 07 Time Will Get Us Too
 08 Round
 09 Life Is A Game (Ladadi Ladadada)
 10 Systematic Lover
 11 Help Yourself
 12 She's With Me

Freitag, 15. Januar 2016

VILLAGERS / Where Have You Been All My Life

2008 gründete der Ire Conor J. O'Brien die VILLAGERS. Seit dem durften sich Menschen, die an einfühlsamen IndieFolk gefallen finden, über drei großartige Platten freuen. 


2010 debütierte die Band mit "Becoming a Jackal"*, einem surreal anmutenden Album mit malerischen Melodien und poetischer Tiefe, bei dem O'Brien fast alle Instrumente selbst einspielte. 2013 wagte Conor mit "{Awayland}"** den Schritt zur echten Band,  üppigen Arrangements und lauteren Tönen.

2015 erschien "Darling Arithmetic"***, ein geradezu fragiles Werk, näher am Debüt als am Vorgänger, aber noch minimalistischer und intimer.

Nicht einmal 12 Monate später veröffentlichen die Villagers das Album "Where Have You Been All My Life", eine Art Werkschau, bei der Conor ausgewählte Stücke aus seinen Arbeiten  neu arrangiert. Das erklärte Ziel des Singer/Songwriters war aber nicht eine Best of Compilation herauszubringen, sondern den Zauber seiner Liveauftritte auf einem Tonträger einzufangen, weswegen er die Songs dann an einem Junitag in den RAK-Studios in London live einspielte.

Das "Konzert" beginnt mit dem um eine Minute in die Länge gezogenem Stück "Set the Tigers Free" vom Debütalbum. Conor lässt dem Song in der neuen Version mehr Raum sich zu entfalten, drosselt leicht das Tempo und bleibt mit seiner Stimme immer sanft auf knisterndem Kaminfeuer-Niveau.

Mein liebster Song vom letztjährigen Album "Darling Arithmetic" verändert sich kaum. "Everything I Am is Yours" bleibt ergreifend schlicht und schön. "My Lighthouse", der mutmaßlich leiseste Song vom Album {Awayland}, wird weiter skelettiert auf die Essenz des Leidens. Wer Conor einmal live erleben durfte, ich hatte schon zwei Mal das Vergnügen und freue mich auf mein drittes Konzert im Februar, der wird mir unumwunden Recht geben, dass niemand schöner, feinfühliger und ergreifender leidet als der Ire mit der markanten Stimme.

Was genau Conor mit "Courage" bei seiner Liveeinspielung in London anders macht, kann man schwer beschreiben, aber es klingt luftiger, weniger traurig, so als läge jetzt plötzlich ein größerer Hoffnungsschimmer auf dem sensiblen Song. Dominierte bei "That Day" in der ursprünglichen Version die Rhythmik in einem schier orchestralen Arrangement, präsentiert Conor den Song nun in einer Lagerfeuerballade mit Akustikgitarre und sanft blasenden Hörnern.

Mit "The Soul Serene" verfährt O'Brien in umgekehrter Weise. Die Nummer erhält nun etwas mehr Drive durch das schnellere Gitarrenspiel. Das einzige Stück, welches bisher auf keinem regulären Tonträger der Villagers zu finden war, ist "Memoir". Den Song schrieb Conor für Charlotte Gainsbourg, er erschien als 7-Inch 2011 unter dem Namen CHARLOTTE GAINSBOURG + THE VILLAGERS / Memoir-Set The Tigers Free und auf dem 2012 erschienenen Album "Stage Whispers" der Französin. Fans werden auch in der Version von Madame Gainsbourg die Feder Conors erkennen. In der Neubearbeitung fügt Conor dem bisher von einer akustischen Gitarre geführten Song eine sanft Basslinie hinzu und verschnörkelt ihn mit verspielten Pianoklängen, so dass die Nummer deutlich mehr groovt und swingt.



"Hot Scary Summer" bekommt durch die neu implementierten Pianoklängen eine melancholischere Note und wird speziell zum Ende hin wesentlich schwelgerischer als das Original. Am gespanntesten war ich, was Conor in der Überarbeitung aus dem mit elektronischen Beats arbeiteten "The Waves" zaubern würde. Wie vermutet mutiert dieser Song am deutlichsten. "The Waves" dehnt sich auf über sieben Minuten Spielzeit zu einer geisterhaften epischen Nummer mit faszinierenden Tempowechsel und gesungen mit einer begeisternden Eindringlichkeit, wie sie nur wenige Sänger auf einen Tonträger bannen können.

Auffällig an vielen Neubearbeitungen ist, dass Conor vermehrt das Piano einsetzt, so auch bei "Darling Arithmetic". Einige Stücke erfahren dadurch eine schwermütigere Stimmung, behalten aber ihren sensiblen Charakter, gleiten nie ins Depressive ab, denn irgendwo scheint immer ein kleines Licht der Hoffnung zu brennen. "So Naive" ist der Song, an dem O'Brien nur marginale Veränderungen durchgeführt hat. Zu Beginn sind kaum Unterschiede auszumachen, erst gegen Ende des Songs verleihen ein spooky Keyboard und Bläserarrangements dem Stück eine schwebendere Atmosphäre.

Als letzten Song covern die Villagers "Wichita Lineman" vom amerikanischen Songwriter und Komponisten Jimmy Webb , der in den späten Sechzigern mit Songs wie "Up Up and Away" für The Fifth Dimension Erfolge feierte und beispielsweise in den 80ern den Soundtrack für den Zeichentrickfilm "Das letzte Einhorn" komponierte. "Wichita Lineman" schrieb Webb für den Country-Sänger Glen Campbell , der mit der gefühlvollen in Streicherklängen badenden Ballade 1968 in den USA und in Großbritannien einen TopTen-Hit landete.




Conor O'Brien macht aus "Wichita Lineman" einen lupenreinen Villagers-Song, in dem er das Stück auf die Kernmelodie herunterbricht und von sämtlichem schwülstigen Ballast befreit. Emotional aufwühlend wie alle Songs auf diesem rührendem Album voller Liebe und Hoffnung. Ziel erreicht Mister Conor!

Tracklist:
01 Set the Tigers Free*
02 Everything I Am is Yours***
03 My Lighthouse**
04 Courage***
05 That Day*
06 The Soul Serene***
07 Memoir
08 Hot Scary Summer***
09 The Waves**
10 Darling Arithmetic***
11 So Naive***
12 Wichita Lineman

Dienstag, 12. Januar 2016

MC 900 FT JESUS / Welcome to my Dream

HERZPLATTENREMEBER THAT OLD SHIT
Kategorie: HipHop / Electro / Avantgarde / Jazz
Veröffentlichung: 1991

 

Mark Griffin, der in Texas einen Bachelor of Arts in Musik (Trompete) erwarb, gönnte nach seinem Studium der Welt mit seinem Projekt MC 900 ft. Jesus (bezieht sich nicht wie an vielen Stellen zu lesen ist auf die Jesus Statue in Rio de Janeiro, sondern den TV-Prediger Oral Roberts, der 1997 von einer Vision berichtete bei der ihm eine 900 ft großer Jesus befahl ein Krankenhaus in Tulsa, Oklahoma zu bauen.) nur drei Alben, aber alle drei sind großartige musikalische Hinterlassenschaften, die ihrer Zeit weit voraus waren. Sein herausragendes Werk ist das 1991 erschienene Album "Welcome to my Dream".

Was MC 900-Platten bis heute einzigartig macht, ist die Kombination des gesprochenen Wortes, eher in der Tradition der Last Poets und weniger als klassischer Rap, mit ausgeprägt fetten elektronischen Beats. Die Beats verzahnen zwar einerseits im HipHop, werden aber durch für den Jazz typische Instrumente ("O-Zone") virtuos begleitet.

Die Lyrics des Herrn Griffin, der 1957 in Kentucky als Sohn eines Offiziers geboren wurde, sind alle leicht psychopathisch bis beklemmend ("Hearing Voices in One's Head") und die Songs atmen exakt die Atmosphäre, die Jahre später Massive Attack oder auch Portishead perfektionierten.

Die herausragende Nummer auf "Welcome to my Dream" ist "The Killer Inside me", ein Song, der auf dem gleichnamigen Groschenroman von Jim Thompson basiert und zeigt, dass Scratchen nicht nur als Effekt, sondern als tragendes Element eines Songs funktionieren kann.



Wer "The City Sleeps" zum ersten Mal hört, wird sich vielleicht fragen, woher er den Song kennt. Das könnte daran liegen, dass U2  bei dem Song  "Daddy's Gonna Pay for Your Crashed Car" vom Megaseller "Zooropa" ein Sample aus dem MC 900-Track verwenden. Man kann also davon ausgehen, dass Bono den besten Song, der je für Menschen in der Nacht geschrieben wurde, ähnlich schätzt wie meine Wenigkeit.



Den größten kommerziellen Erfolg hat das Projekt MC 900 ft. Jesus im Jahre 1996, als Levis den Song "Falling Elevator" für einen weltweit erfogreichen Werbeclip im Waschsalon einsetzte. Zu dieser Zeit hatte Mark Griffin allerdings schon desillusioniert mit dem Musikbusiness abgeschlossen.

Sein letztes Album erschien 1994, das vierte wurde wegen Konflikten mit seiner Plattenfirma nie fertiggestellt, weil Griffin hinschmiss und seine Dollars fortan als Fluglehrer verdienen wollte. Mittlerweile arbeitet er in Dallas in einer Buchhandlung und betätigt sich sporadisch an Wochenenden als DJ in den örtlichen Clubs. Schade, schade.

Tracklist:
"Falling Elevators"  6:46
"Killer Inside Me"  4:08
"Adventures in Failure"  5:45
"The City Sleeps"  5:29
"O-Zone"  4:32
"Hearing Voices in One's Head"  5:54
"Dali's Handgun"  4:41
"Dancing Barefoot"  4:31

Diskographie:
- MC 900 Ft. Jesus With DJ Zero /   Hell with the Lid Off (1989)
- MC 900 Ft. Jesus / Welcome to My Dream (1991)
- MC 900 Ft. Jesus / One Step Ahead of the Spider (1994)

Sonntag, 10. Januar 2016

HINDS / Leave me Alone

Damen, die Bier trinken, finde ich prinzipiell sehr ansprechend. Wenn diese Damen dann auch noch dreckig Gitarrespielen und klingen als hätten sie ihr ganzes Leben in der Garage beim Musizieren verbracht, gibt es weitere Bonuspunkte. Eine Beleidigung für das Auge sind die vier Riot-Girrrls aus Madrid auch nicht, könnte sich also meine erste (musikalische) Liebe für dieses Jahr anbahnen.


Manche Platten sollte man unter perfekten Bedingungen hören. Ich öffne also ein Bierchen, ganz gepflegt mit dem Flaschenöffner, stecke mir einen Glimmstengel ins Gesicht und gebe mich nach zweifachem kurzen Durchhören nun mit voller Konzentration und Leidenschaft dem blechern rumpelnden Sound von "Leave me Alone" hin.

Das Debüt der jungen Spanierinnen beginnt mit "Garden", bei dem die Gitarristinnen Ana Perrote und Carlotta Cosials wunderbar auf ihren Instrumenten schrammeln und dazu krächzen als hätten sie nach einer durchzechten Nacht gerade mit einem Schluck Whisky die Morgentoilette hinter sich gebracht, um nun im Garten etwas abzuhängen und die schönsten Lieder der Nacht nachzugrölen.



"Fat Calmed Kiddos" zeigt zu einer feinen Basslinie von Ade Martín die Dame mit den Lippen am Flaschenhals, die softere Seite des flotten Vierers. Immer noch schräg und roh, aber doch auch niedlich und sehr melodiös. "Warts" und "Easy" schlagen in die gleiche Kerbe, aber dann kommt mit "Castigadas En El Granero" ein echter Leckerschmecker. Die so wunderbar wie hingerotzt klingende Nummer hat alles, was es braucht, um dunkle Wolken zu vertreiben und fröhlich mit zu trällern.

Zur Verschnaufpause für die krakelenden Stimmen gibt es exakt zur Albummitte mit "Solar Gap" ein vergnügt dahinplätscherndes Instrumentalstück, zu dem man im Sonnenschein sicher schön wegschlummern kann. Nächste Station "Chili Town". In dieser scharfen Stadt gefällt es mir außerordentlich! Die HINDS erinnern vom Sound und von der Gitarrenmelodie im Hintergrund her an die legendären Velvet Underground in ihrer Ursprungsbesetzung. Feiner Song mit den hochpoetischen Textzeilen, bei denen man hofft, irgendwann in einer Kneipe auf die Ladys zu treffen: "I am swimming in the dark 'cause all your friends are sharks ... I am stealing your cigars just 'cause they're closer than mine ... I am flirting with this guy so you can watch my crime ... "



Sechs Sekunden lang eröffnet der Bass das furiose "Bamboo", welches mich durch seine archaische und anarchistische Attitüde verdammt an die Slits erinnert.  Knackiger SixtiesGarage-Sound meets klebrigen Punk. In "San Diego" geht es dann natürlicherweise wieder sonniger zu. Die Gitarren toben wie ausgelassene Bälger über die das Trommelfell angreifenden Stimmen des Gesangsduos. Krach, der verdammt viel Spaß macht!


Nicht wundern, die Hinds hießen erst Deers, mussten sich aber wegen eines Urheberrechtsstreit umbenennen.

Die nächsten beiden Songs des Albums sind reduzierter und ruhiger. Bei "And I Will Send Your Flowers Back" klingt das nach FreakPunkFolk und vor allem nach den letztjährigen Abräumern Girlpool, bei "I’ll Be Your Man" bezaubert die poppige naiv-charmante Melodie. Der Schlusssong "Walking Home" lässt die Gitarren wieder twangen und die beiden unbegnadeten ;-) Sängerinnen Ana Perrote und Carlotta Cosials beweisen einmal mehr, dass Perfektion für gute Rock- und Popmusik absolut zweitrangig ist.



Das perfekte TweePop-Album für einen feuchtfröhlichen Abend mit guten - am besten trinkfesten - Freunden, um über Musik und die Welt zu philosophieren oder um es sich einfach nur gut gehen zu lassen. Und wenn die Mädels dann noch an die Tür klopfen würden, stünde einer ausgelassenen Party überhaupt nichts mehr im Wege.

Tracklist:
01. Garden
02. Fat Calmed Kiddos
03. Warts
04. Easy
05. Castigadas En El Granero
06. Solar Gap
07. Chili Town
08. Bamboo
09. San Diego
10. And I Will Send Your Flowers Back
11. I’ll Be Your Man
12. Walking Home

Donnerstag, 7. Januar 2016

DAVID BOWIE / Blackstar

Am 8. Januar 2016 wird David Robert Jones, allseits bekannt als DAVID BOWIE und einflussreicher Musiker der jüngeren Musikgeschichte, 69 Jahre alt. Exakt an diesem Tag erscheint auch Bowies neuestes, sein 26tes (wenn ich richtig gezählt habe) Album. Glückwunsch an den Jubilar.


Wie ich an mir selber feststellen kann, ist Jazz eine Musikart, der sich die meisten Menschen häufig erst mit zunehmendem Alter widmen. Auf Bowies 2013er Album "The Next Day" konnte man schon des Meisters Hang zu diesem Musikgenre erahnen, und seine Hochachtung vor Scott Walkers experimentellen Alben ist ja allseits bekannt, aber trotzdem war nicht zu erwarten, dass sich das musikalische Chämeleon Bowie soweit in die Untiefen des Jazz hinabwagen würde.

Versucht man "★" mit einem anderen Werk aus dessen umfangreicher Diskographie zu vergleichen, drängt sich vor allem "Earthling" aus dem Jahre 1997 auf, wo Bowie die bereits abebbende Drum-and-Bass-Bewegung für sich vereinnahmte. Aus der gleichen Zeit stammt auch Bowies Beitrag "I'm Deranged" zum Soundtrack von "Lost Highway", einem der schönsten D’n’B-Songs aller Zeiten, den es sich noch immer lohnt zu entdecken.

Auch auf "★" werden im Titelsong "Blackstar" über mehr als 9 Minuten die Beats seltsam gebrochen, allerdings von einem Schlagzeuger aus Fleisch und Blut.  Aber im Gegensatz zu "Earthling" klingt das nur noch sehr wenig nach Pop im herkömmlichen Sinne, sondern eben viel mehr nach Jazz, was auch daraus rührt, dass Bowie das Saxophon (Donny McCaslin) als zentrales Element der jamartige Nummer einsetzt.

Überhaupt scheint eine neue Liebe zwischen Bowie und dem Saxophon entfacht zu sein, denn auch bei "'Tis a Pity She Was a Whore" darf sich das Instrument, jetzt sogar freestyleartig zum polternden Schlagzeug austoben. Und kaum zu glauben, in seiner langen Karriere singt Bowie in diesem Song tatsächlich erstmals über seinen Penis. Das sind mal echte explizit Lyrics ;-)

Bei "Lazarus" bleibt der Jazz präsent, wird aber im Hinterzimmer eingesperrt. Die schwermütige Ballade wird von Streichern und giftig dazwischenspritzenden Gitarren-Intermezzi befeuert, ehe die neue Liebe Bowies wieder in den Song eingreift. Klingt mehr nach Nick Cave als nach Scott Walker.



Bei "Sue (Or In a Season of Crime)" wird dann überdeutlich, dass Bowie auf seinem 26ten Studioalbum so experimentierfreudig ist wie lange nicht mehr und man merkt von Stück zu Stück mehr, dass "★" mit einer neu formierten Band aus New Yorker Jazzmusikern eingespielt wurde.

Düster, beklemmend und spooky klingt "Girl Loves Me", wo zu einem montonen Schlagzeugbeat Bowie wieder nicht an expliziten Lyrics spart und stimmlich in einigen Passagen tatsächlich wie Johnny Lydon klingt! Die Ballade "Dollar Days" ist der Song, der klingt, als stamme er direkt aus der goldenen Ära des großen Zeremonienmeisters, nur dass auch hier die psychedelisch-spacige Atmosphäre vom Saxophon begleitet wird.



Der siebte und leider schon letzte Song des Albums trägt den Namen "I Can't Give Everything Away". Wieder fiebert das Schlagzeug, eine Mundharmonika setzt feine Akzente und dieses Mal zeigt die Gitarre, dass man für Jazz nicht unbedingt Saxophon benötigt ;-).

Ein ganz vorzügliches aufregendes Album des vielleicht größten britischen Musikers, welches man auf keinen Fall als Alterswerk einstufen kann, denn Bowie bleibt unglaublich neugierig und es gelingt ihm mit traumwandlerischer Sicherheit ein virtuoses Album zwischen KrautRock, ProgRock und Jazz zu platzieren. Höchste Sternezahl für "★" vom Mann, der einst vom Himmel gefallen ist.

Nachtrag: 2 Tage nach der Veröffentlichung des Albums "★" erliegt David Bowie seinem Krebsleiden. Er hat mich über mein ganzes Leben begleitet und wird mir sehr sehr fehlen.

"Nothing will keep us together
We can beat them, for ever and ever
Oh we can be Heroes,
just for one day"


RIP David.

Tracklist:
01 Blackstar    9:56
02 'Tis a Pity She Was a Whore    4:45
03 Lazarus    6:23
04 Sue (Or in a Season of Crime)    4:35
05 Girl Loves Me    4:53
06 Dollar Days    4:36
07 I Can't Give Everything Away    5:41

Samstag, 2. Januar 2016

ISBELLS / Billy

Im letzten Jahr sorgte aus Belgien vor allem die Band Balthazar für Furore, in diesem Jahr könnte den ISBELLS aus dem belgischen Leuven ein ähnliches Kunststück gelingen. 


Nachdem Sänger Gaëtan Vandewoude in verschiedenen belgischen Bands sein Glück versuchte, entschloss er sich 2009 die Band Isbells zu gründen. Mit Naima Joris, Bart Borremans und Gianni Marzo fand er Mitmusiker, die ebenfalls über eine vorzügliche Stimme verfügen und sich an mehreren Instrumenten zuhause fühlen, um seine Vision vom gefühlvollen Folk mit Harmoniegesängen zu verwirklichen.

2012 gelang der Band mit ihrem zweiten Album "Stoalin'" der erste größere Erfolg, als sie in ihrem Heimatland als beste Newcomer nominiert wurden. Im Laufe der Zeit hat sich die Besetzung der Band verändert. Joris und Borremans verließen die Band und mit Chantal Acda (Bass, Perkussions und Vocals) und Christophe Vandewoude (Schlagzeug und Ukulele) stießen zwei neue Mitstreiter hinzu, mit denen nun der dritte Longplayer "Billy" eingespielt wurde.

2014 hatte Vandewoude sich eine kurzer Auszeit vom Folk genommen und unter dem Namen Sweet Little Mojo einen Ausflug in Popgefilde gewagt, aber 2016 soll das Jahr seiner Band werden und mit "Billy" stehen die Sterne nicht schlecht.

Im mit einem zuckersüßen Refrain versehenen Titelsong "Billy" umschmeicheln Bläser und Streicher eifrig die weiche Stimme von Vandewoude, der sich gesanglich irgendwo zwischen Bon Iver , den Tindersticks und Nick Drake einschmiegt. Das zweite Stück "Nothing goes away" beginnt mit einem Herzschlagbeat vom Drumcomputer, wozu eine Solo-Gitarre ihr Leid klagen darf. Wer gerne Gitarren weinen hört, dem wird sich bei dieser sehnsuchtsvollen Ballade wahrscheinlich das Herzchen weiten - ist erlaubt, denn das brandgefährliche alles vernichtende Kitsch-Riff wurde gekonnt umschifft. Dieses Manöver klappt bei den meisten Songs vorzüglich, lediglich bei "I Don't Need Any Color" trägt die Trompete zu dick auf - das klingt ja am Beginn des Stücks nach Weihnachten!



Bei "Calling" ist es ausnahmsweise nicht die Melodie, sondern die Atmosphäre, die das Stück ausmacht. Mit den hellklingenden Glöckchen und der elektronisch leicht veränderten Stimme kommt mir Brian Eno und andere chillige Ambient-Sound-Bastler in den Sinn. Prinzipiell stehe ich nicht so auf diese Hintergrundklangmalereien, aber auf dieser Platte fügt sich der Song sehr gut in das Gesamtbild.

Ganz mein Ding ist dagegen "I was told", wo sich Slide-Guitar und Bläser zum wohlklingenden Country-Americana-Folk vereinen. Geradezu fragil beginnt "The Sounds Of A Broken Man", obwohl der Mann doch schon zerbrochen ist, aber Spaß beiseite, die Nummer beschleunigt gegen Ende ganz ordentlich, so dass man schon fast von einem Popsong sprechen kann. Aber keine Angst, schon der nächste Song "When We Were Young" geht zurück ins Kämmerchen und nimmt nur ein sehr sehr trauriges Piano und die Stimme von Herrn Vandewoude mit. Klingt tatsächlich nach ehrlicher Trauerarbeit und Rückbesinnung und tatsächlich haben die Isbells laut Infotext des Plattenlabels Zealrecords ihr bisher persönliches Album aufgenommen, da sich Songwriter Vandewoude die Worte Rainer Maria Rilkes zu Herzen genommen hat: "Niemand kann Ihnen raten und helfen, niemand. Es gibt nur ein einziges Mittel. Gehen Sie in sich."

"The Art Of Knowing" kombiniert wieder Trompete mit sanften Beats. Mehr als eine Minute führen diese beiden den Song, ehe die Stimme einsetzt, dann fließen alle gemeinsam ins tiefe Tal der Melancholie. Das hört sich ziemlich kitschig an, ist der Song in gewisser Weise auch, aber trotzdem ist er irgendwie Balsam für die Seele, dem man sich oder zumindest ich mich nicht entziehen kann.

Countryesk geht es weiter mit "Hand Of The Chest", einer weiteren traurigen Ballade, bei der man allerdings aufpassen muss, dass man nicht vom Stühlchen fällt, wenn man bei 2:10 ganz unverhofft aus dem Traum geweckt wird. Gut, dass man geweckt wurde, dann als letztes haben sich die Isbells ihre flotteste Nummer "Falling For You" aufgehoben. Hier dürfen tatsächlich zwischen den leisen Passagen die Gitarren auch mal richtig auf Rabauken machen!

Ein gelungener dritter Streich der Isbells, bei dem vor allem das Zusammenspiel zwischen Blasinstrumenten und Streichern zu den sanften Melodiebögen ungewohnt und damit höchst hörenswert klingt. Die Download-Version und die CD gibt es schon seit September 2015, aber auf Vinyl erscheint "Billy" erst am 15. Januar 2016 - und das zählt natürlich ;-).

Tracklist:
01 Billy
02 Nothing Goes Away
03 Calling
04 I Was Told
05 I Don't Need Any Color
06 The Sounds Of A Broken Man
07 When We Were Young
08 The Art Of Knowing
09 Hand Of The Chest
10 Falling For You