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Samstag, 10. September 2016

SAM BEAM (Iron and Wine) & JESCA HOOP live in der Kulturkirche in Köln

Location: Kulturkirche, Köln
Date: 08.09.2016

 

Ein Duett ist prinzipiell nichts anderes als ein musikalisches Werk, das von zwei Musikern vorgetragen wird. Im Idealfall kann es dazu führen, dass Großes entsteht wie im Falle des Albums "Love Letter for Fire", welches SAM BEAM von Iron and Wine und JESCA HOOP im Mai dieses Jahres veröffentlichten.


Dieses Werk ist zum Verlieben und handelt von der Liebe, weswegen mein treuer Konzertbegleiter C., der optisch übrigens aussieht wie der große Bruder von Sam Beam, und ich heute gleich mit sieben liebreizenden Damen den Weg in die Kulturkirche fanden - man weiß ja, dass "echte" Männer mit klassischen Liebesliedern, die auf Gefühl setzen, gerne ihre Problemchen haben. C. und meine Wenigkeit haben damit aber überhaupt kein Problem, wir sind sogar im Stande, beim Musik hören das ein oder andere Tränchen zu verdrücken! Jawohl!



Da wir damit gerechnet haben, dass bei diesem Konzert die Kirchenbänke im Saal bleiben sind wir bereits kurz vor dem Einlass um 19 Uhr vor Ort, um Plätze in der vordersten Reihe zu sichern. Es ist so früh, dass ich es nicht mal mehr geschafft habe, etwas zu Abend zu essen und darauf vertraute, dass es in der Kulturkirche neben leckerem Kölsch wieder Brezeln geben würde. Aber falsch gedacht, denn am Ausschank erfahre ich, dass der Brezelbäcker aus Nippes verstorben ist und es anscheinend noch nicht gelungen ist, einen Nachfolger zu finden. Da ich Traditionen in aller Regel gut finde, appelliere ich hiermit an alle Kölner Bäcker der Kulturkirche in Nippes, ein Angebot über einen Konzert-Brezel-Lieferservice zukommen zu lassen.

Die Kirche füllt sich allmählich und leider steigt damit auch die Temperatur und die Sauerstoffarmut. Wer bei den heißen Temperaturen draußen dachte, dass er hier Abkühlung erfahren würde, hatte sich ebenfalls getäuscht. Es wird später tatsächlich noch so heiß, dass sogar Jescas Gitarre zu schwitzen beginnt - ehrlich!

Kurz nach 20 Uhr, nach den traditionell einleitenden Worten des Hausherrn, geht es los mit Erika Wennerstrom, der Frontfrau der amerikanischen IndieRock-Band Heartless Bastards aus Ohio. Die Heartless Bastards standen 2013 auf der Gästeliste für den Rolling Stone Weekender,  mussten dann aber kurzfristig ihren Auftritt absagen, aber da wir als Dauerabonnenten des Weekender-Festivals uns immer gut vorbereiten, war uns zumindest der Bandname noch geläufig, die Songs der Band leider nicht mehr so ganz.

Egal, denn heute Abend war Erika Wennerstrom ohne ihre herzlosen Bastarde da, um nur mit Gitarre und ihrer außergewöhnlichen Stimme das Publikum zu verzücken.

In einem kaftanähnlichen roten Kleid, das ich mal als sehr gewöhnungsbedürftig umschreibe, spielt Miss Wennerstrom ein kurzes Set, bei der sie zwischen akustischer und elektrischer Gitarre pendelt und klassische Folk-Songs präsentiert. Das Gitarrenspiel ist leider wenig variabel, weswegen die Songs einzig durch die facettenreiche Stimme getragen werden. Dadurch ist das Vorspiel zum eigentlichen Liebesakt eher durchwachsen, aber der Höhepunkt kommt ja noch ;-).

Nach einer kurzen Pause geht es dann  mit "Kiss me quick" auch direkt zur Sache. Von der ersten Note an zieht das charmante musikalische Liebespaar mich, und ich denke den anderen Konzertteilnehmern geht es nicht anders, in den Bann. Wir Deutschen kennen ja den oft gehörten Satz von "Jetzt wächst zusammen was zusammen gehört" und dieser Satz trifft im Kern die kongeniale musikalische Verschmelzung von Sam Beam und Jesca Hopp.

Wie die beiden auf der Bühne sich die Bälle zuwerfen bei den unterhaltsamen Plaudereien und natürlich in musikalischer Hinsicht, habe ich es in dieser Intensität bisher nur selten erlebt. Leider ist Sam beim Sprechen ein kleiner Nuschler und deutlich schlechter zu verstehen als die mittlerweile in Manchester lebende Kalifornierin Jesca, aber selbst wenn ich nicht alles kapiere, verstehe ich, dass diese beiden Künstler sich prächtig verstehen und riesigen Spaß an dem haben, was sie tun.

Sam, der seine sanfte Stimme beim Konzert mit einem Rotwein geschmeidig hält und Jesca mit ihrer glasklaren Stimme harmonieren wie ein glückliches altes Ehepaar und ich wünsche mir definitiv weitere "Kinder" dieses Paares. Über die einzelne wunderbaren Songs auf "Love Letter for Fire" habe ich in der Mai-Rezension des Album schon genug geschwärmt und natürlich gelingt es dem Duo, die magische Intensität der Lieder auch live spielend umzusetzen. Gänsehaut überzieht mich bei "Valley Clouds", "Bright Lights & Goodbyes" und speziell bei meinem auch vom Publikum frenetisch gefeierten Lieblingsong "Every Songbird Say". Bei meinem treuen Konzertbegleiter C. meine ich beim Song "One Way to Pray" einen dramatischen Emotionalitätsanstieg zu bemerken.



Eine Sternstunde ist das rhythmisch faszinierende "Chalk It Up to Chi", wo Jesca eindrucksvoll alle Facetten ihrer wunderbaren Stimme präsentiert und auch das Pfeifen live problemlos hinbekommt. Es sind viele Melodien auf "Love Letter for Fire", die im Ohr kleben bleiben, aber ""Chalk It Up to Chi" scheint die höchste Klebekraft zu besitzen, denn ich wache am Tag nach dem Konzert tatsächlich mit dieser Melodie im Ohr auf.

Neben den selbst komponierten Songs spielen Sam & Jesca in der Kulturkirche auch zwei Coverversionen. Beide Songs sind ausreichend bekannt, aber die eigenwilligen Interpretationen von "Islands in the Stream" von den Bee Gees geschrieben und vom Duo Kenny Rogers & Dolly Parton zum No-1-Hit gemacht und  "Love is a Stranger" von den Eurythmics ändern ihrer Aura so sehr, dass man tatsächlich ins Grübeln kommt. "Very fein", wie man in unseren Kreisen zu sagen pflegt!

Im Laufe des Konzerts fragt Sam das Publikum, welcher dieser beiden gecoverten Interpreten dem deutschen Publikum näher steht und ich alter gutgelaunter Schelm rufe ihm doch glatt "Ramones" entgegen - da die beiden vorher über Rock-Klischees gealbert haben - weshalb er anschließend, mit einem fragendem  "really?" auf den Lippen, ziemlich verwirrt wirkt ;-).

Überhaupt kam auch der Spaßfaktor an diesem Abend nicht zu kurz. So rief Jesca zu einer spontan Abstimmung auf, ob die Zusammenarbeit zwischen ihr und Sam weitere Früchte tragen solle und natürlich folgte darauf ein "Yes" aus zahlreichen Kehlen. Im Laufe des Abends wurde dann übrigens auch schon der Titel für das zweite Album festgelegt: "Wiener Schnitzel" ;-).

Aber auch die schönsten Momente gehen zu Ende und so ist nach leider nur einer Zugabe und Standing Ovations  gegen 23 Uhr der Konzertabend beendet. Schnell noch mit Vinyl am gutbesuchten Merchandise-Stand eingedeckt und um mich herum sehe ich nur zufriedene Gesichter. Die unverwüstliche V. droht gar mit Haue, falls irgendjemand sich erdreisten würde zu sagen, dass ihm dieses Konzert nicht gefallen habe. Und wo sie Recht hat, hat sie Recht die Unverwüstliche!



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