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Mittwoch, 31. August 2016

AJJ / The Bible 2

Es war ja wirklich höchste Eisenbahn, dass mal jemand eine Fortsetzung für das meistverkaufte Buch aller Zeiten herausbringt. Allerdings hat wohl niemand damit gerechnet, dass Teil 2 in Form eines FolkPunkAlbums erscheinen würde. Aber so ist es nun geschehen und so soll es sein. Und ich sage euch!


Die Fortsetzung des Dauerbrenners stammt von AJJ - die wahrscheinlich selbst aufmerksame Leser dieses Blogs nicht sofort als Andrew Jackson Jihad identifizieren werden - einer Band, die seit 2004 in ständig wechselnder Besetzung aus Phoenix die Welt mit anarchistischer Folkmusik überzieht und in ihren kritisch-poetischen Texten - über den Mensch an sich, die Armut, Religion & Politik - mit Humor und Ironie philosophieren. Ab jetzt also als Zeichen eines Neubeginns AJJ und nur noch formaly known as Andrew Jackson Jihad.

Wie es sich gehört, beginnt die neue Botschaft mit einem Theme, "Cody’s Theme". Audiophile Persönlichkeiten werden beim übersteuerten LoFi-Geschrammel, das nach wenigen Takten einsetzt, zum Lautsprecher laufen, um zu sehen, ob irgendeine Membran gerissen ist. Aber keine Angst, das gehört so!

In diveresen Vinyl-Gruppen auf Facebook wird immer wieder mal die Frage nach Platten laut, womit man Normalo-Partys stoppen oder ungebetene Gäste vertreiben kann. Wer da mal statt Altbewährtes neues Material einsetzen möchte, der kann jetzt mit "The Bible 2" aufwarten.

Mich würde man allerdings nicht los werden, denn ich finde es wunderbar erfrischend, was die Chaoten zum Beispiel bei "Golden Eagle" abfeuern. Klingt wie ein Meat Loaf-"Musical"-Song, bei der die Gitarren mit einer Motorsäge traktiert werden und Bob Dylan (aber es ist natürlich AJJ-Bandleader Sean Bonnette) versucht wie der Fleischklops zu singen.

Schön runterkommen lässt es sich beim Besuch der "Junkie Church". Da trifft man nette Leute, bekommt ein Bierchen und erfährt alles, was wirklich wichtig ist. Und dann Überraschung: Eine mit Keys angereicherte IndiePop-Nummer! "American Garbage" ist das erste Ausrufezeichen auf dem sechsten Album von AJJ. Zwischen New Wave und Psychedelic. Kraftvoll und trotzdem irgendwie ätherisch, dank des vermutlich analogen Synthesizers, der klingt als wäre er aus dem ersten Editors Album "The Back Room" geraubt.

Klavier! Hatte ich noch nicht erwähnt wie abwechslungsreich die Fortsetzung der Bibel ist? Die Saloon-Klavier-Ballade "No More Shame, No More Fear, No More Dread" mit dem schön schäbigen Gesang kann man auf Beerdigungen von interessanten Menschen sicherlich einsetzen. Der Clou der Nummer ist, dass sie bis zum Einsetzen des Beats, nach ca. 1:30 Minuten nach LoFi-Garage klingt und dann mehr und mehr zur Popballade mit Streichern und allem Brimborium ausgebaut wird - nur der Gesang bleibt schräg ;-). Zweites Ausrufezeichen!



Das erste, was man im Netz von "The Bible 2" zu hören bekam, ist die neue Verabschiedungshymne "Goodbye, Oh Goodbye", die im Video so großartig die überchoreografierten in einem Take fabrizierten Clips von OK Go auf's Korn nimmt. Starring Moorhuhn?! Das Sequel der Bibel macht deutlich mehr Spaß als der moralinsaure Vorgänger!

Drittes Ausrufezeichen mit fröhlicher Botschaft ist "White Worms". Die schleimenden kriechenden Würmer scheinen überall zu sein und die schier unglaubliche Botschaft lautet: "You can stop believing, stop believing. Don't don't stop believing. And if you want to hear the devils music, you should probably listen to the devils music."

Wie eine mysteriöse apokalyptische Offenbarung klingt der Text zu "My Brain is a Human Body". Der Sound ist jetzt wieder völlig übersteuert und verzerrt, so klangen früher Tapes, die zu lange in der Sonne, alternativ dem Fegefeuer, gelegen haben. Schließt an die beiden ersten Nummern des Albums an.

"Terrifyer" schmeckt nach PolkaPunk, der beim Tanzen hilft, wenn man zu viel Messwein gekippt hat. Hektisch, aufrührend, wütend und mit einem aberwitzigen Gitarrensoli versehen. Schönste Textpassage: "Some days you're Emilio Estevez, other days you're Charlie Sheen".

Das dramatische Songwriter-Stück "Small Red Boy" erzählt, wenn ich es richtig gedeutet habe, vom entdeckten und freigelegten Teufel im Leib: "I let my horns grow longer´. I observed my skin get redder.
My soul became a hammer. I started to feel better. My hatred turned to pity, my resentment blossomed flowers, my bitter tasted candy, my misery was power.
" PunkPoesie at it's best!



Zum Schluss ein kurzes Lied ("When I’m A Dead Boy"), ebenfalls in Songwriter-Manier über den Tod. Amen. Fortsetzung folgt?

Tracklist:
01. Cody’s Theme
02. Golden Eagle
03. Junkie Church
04. American Garbage
05. No More Shame, No More Fear, No More Dread
06. Goodbye, Oh Goodbye
07. White Worms
08. My Brain is a Human Body
09. Terrifyer
10. Small Red Boy
11. When I’m A Dead Boy

Schon älter, aber noch immer sehr sehens- und hörenswert:




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