MILD HIGH CLUB? Es beginnt, als hätte ein hochzeitsgeplagter, dem Drogenkonsum nicht abgeneigter Alleinunterhalter, aus Verzweiflung über die Musikwünsche der Hochzeitsgäste, einen Song von Mac DeMarco adaptiert. Der Song nennt sich "Skiptracing" und gibt dem Album seinen Namen.
Das Erstaunliche ist, der Sound ist unglaublich geschmeidig und elegant! Vielleicht sieht der Sänger ja aus wie eine Verschmelzung aus Bryan Ferry und Mac DeMarco? Fort mit den Spekulationen, ab jetzt, wenn möglich, nur noch Fakten!
Der Kopf des Mild High Club ist Alexander Brettin, geboren in Chicago und jetzt ansässig in Los Angeles. Sein Debüt gab er im Januar 2015 mit der 45-Inch "Windowpane / Weeping Willow", mit der er bereits andeutete, dass der vom Jazz kommende und in einer Schulband einst als Flötist tätige Künstler für neue musikalische Wege aufgeschlossen ist. Das in L. A. ansässige Label Stones Throw Records erkannte das Potential des Musikers und brachte noch im selben Jahr das Debütalbum "Timeless" heraus, an dem Brettin drei Jahre lang gearbeitet hatte. Während der Arbeit an "Timeless" knüpfte Brettin Kontakte zu anderen Musikern, darunter solche Freigeister wie Ariel Pink, der auf "Timeless" bei "The Chat" die Vocals beisteuert und eingangs erwähnter Mac DeMarco.
Für das neue Album "Skiptracing" benötigte Brettin nur ein Jahr, was wie er verlauten ließ, besonders daran lag, dass er lernte loszulassen und seinen Songs und Sounds mehr Freiheiten gab. Dadurch ist "Skiptracing" einerseits deutlich abwechslungsreicher wie sein Vorgänger und andererseits in einen grazilen Flow eingebettet.
Der "neue" Mild High Club - wenn man die Facebook-Page betrachtet, umfasst er mittlerweile fünf Musiker - macht spacigen-psychedelischen JazzIndieFunk, der aus einer bisher unbekannten Galaxie in unser Musikuniversum vorgedrungen ist, um altebekannte Genres wie Jazz, Indie, Pop, und sogar Country (die wunderbar bekifftetste Pedal Steel-Gitarre aller Zeiten bei "Chasing My Tail") zu assimilieren.
Die Lead-Single "Homage" ist eine hyperelaxte federleichte Mid-Tempo-Nummer mit schrägen Keys und einem groovy Bass, die klingt, als wäre Ariel Pink Mitglied bei Steely Dan geworden. Der Song dürfte sogar in der Lage sein, das wuselige Treiben am Times Square in New York für 2:58 Minuten zu stoppen.
Die Faszination des ganzen Albums ist diese unglaubliche Erdung, die man erfährt, wenn man sich dem schlingernden Flow von "Skiptracing" aussetzt. Ähnlich wie in diesem Jahr, beim natürlich völlig anders klingenden Album "The Waiting Room" von den Tindersticks, schafft es Brettin, dass man das Drumherum ausblendet und den ganzen Scheiß beiseite schieben kann. Bei den Tindersticks funktioniert dies über die Schnittstelle Melancholie beim Mild High Club über eine intergalaktische Form der Relax-Hypnose. Wer z. B. bei "Kokopelli" nicht abschalten kann, dem dürfte nur noch ein schweres Anästhethikum helfen können.
Einer meiner Lieblingsautoren im Musikexpress, der Herr Weiland, schreibt in seiner Rezension als Abschlusssatz zu "Skiptracing": "Das nächste Album vom Mild High Club könnte ein Highlight werden". Ausnahmsweise muss ich widersprechen, denn "Skiptracing" ist eines der ganz großen Highlights in diesem schon bisher wirklich sehr gut verlaufendem Musikjahr. Herzlich wilkommen Herr Brettin im exquisiten Leierkasten-Club, wo sich bereits solche Größe wie Foxygen, Ariel Pink, The Unknown Mortal Orchestra, Iji und Mac DeMarco befinden.
Ach und übrigens nicht den MILD Hugh Club mit dem MILE High Club, auch MHC genannt, verwechseln! Beim MHC handelt es sich um den inoffiziellen Club, in den man automatisch aufgenommen wird, wenn man Sex in einem Flugzeug hätte. Laut Wikipedia idealerweise in einer Flughöhe von 1852 Meter. Es gibt keine Komplikationen, wenn man dabei ganz Laidback die Musik des Mild High Club hört ;-)
Tracklist:
01 Skiptracing
02 Homage
03 Cary Me Back
04 Tesselation
05 Head Out
06 Kokopelli
07 Whodunit
08 Chasing My Tail
09 Ceiling Zero
10 Skiptracing (Reprise)
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