Manchmal, aber wirklich nur manchmal, sind die Erwartungen der Menge an die ihre Kunst feilbietenden Menschen zu hoch, aber manchmal werden diese Hoffnungen sogar noch übertroffen, so wie am besagten 10. April des Jahres 2013. Aber der Reihe nach.
Gegen 20 Uhr, es ist noch hell, der Winter scheint also überstanden, noch ist nichts zu ahnen von der Größe dieses Abends. Während ich auf meine Mitstreiter für den guten Geschmack warte, bringt ein Pizzabote Pizzen und ist verzweifelt auf der Suche nach dem Besteller. Die Band, die in wenigen Stunden die Bühne verzaubern wird, spielt mit einem kleinen Ball Fußball, was sich durchaus sehen lassen kann.
Wenige Minuten später an der Theke im Gebäude 9 schaut es noch ziemlich leer aus. Wir befürchten, dass wegen des Champion League Viertelfinales zwischen Bayern und der alten Dame aus Turin vielleicht nicht so viele Gäste kommen, wie es die Band verdient hätte.
Gegen 21 Uhr werde ich etwas unruhig, aber als wir den noch fast leeren Konzertraum betreten, dauert es nur noch wenige Minuten, bis die Vorband, die Night Beds aus Nashville, den Konzertabend eröffnen.
Sänger Winston Yellen zeigt direkt, dass er über ein hörenswertes Organ verfügt. Seine Stimme ist ziemlich hoch und im Laufe des Sets beweist er, dass er in ungeahnte Höhen vorstoßen kann. Im Prinzip spielen die Night Beds ziemlich konventionellen melodiösen US-Country-Rock. Meist sind die Nummern sehr sanft und die Stimme Yellens liegt im Fokus, aber wenn es etwas ungestümer wird und die Band dem Frontmann auf Augenhöhe folgen darf oder aber dichte atmosphaärische Sounds entstehen, erinnert mich das ein oder andere Lied an die Band of Horses.
Leider hat der, zwar charmant plaudernde, aber trotzdem unsicher wirkende Frontmann (dem im obigen Video übel mitgespielt wird) den Hang, Töne unnötig in die Länge zu ziehen, so dass manche Stücke an schnulzige Chris Isaak-Balladen erinnern. In der Schauspielerei gibt es den Begriff "Overacting" und irgendwie trifft das auch auf Winston Yellen zu, wenn er sich beispielsweise die Mikrofonschnur um den Hals legt. Bei so einigen Songs kommt mir der Gedanke, dass hier jemand zu viel will (zumindest live - auf Konserve ist es nicht so ausgeprägt) und dadurch sein eigentlich vorhandenes Potential nicht voll ausspielt.
Trotzdem war es beileibe kein schlechter Support, lediglich den Titel, bei dem Yellen versuchte den Brummbären zu geben (also tief zu singen), sollte die Band ganz schnell aus ihrer Setlist streichen, der war nämlich richtig schlecht.
Schon während des Sets der Night Beds hatte sich der Konzertraum gut gefüllt und als es gegen 22:15 Uhr los geht, ist die Halle zu meiner Freude und auch der der Band, wie Stornoway-Frontmann Brian Briggs während des Konzertes mehrfach verlauten lies, ziemlich voll.
Am meisten hatte ich mich an diesem Abend auf "Knock me on my head" gefreut und zu meiner Verblüffung startete die Band aus Oxford exakt mit diesem Song das Konzert. Für die nächsten knapp 80 Minuten sollte das Lächeln in meinem Gesicht Präsenz zeigen.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass das 2010er Debüt-Album "Beachcomber's Windowsill" irgendwie an mir vorbeikam. Aber wozu hat man Freunde mit gutem Musikgeschmack (danke an den treuen Konzertbegleiter C. - der dieses Mal leider schwänzte - und die musikalische Omniszienz Nina) und so lies man mich schon vor dem Konzert wissen, dass die erste Platte vielleicht sogar einen Tick besser wäre als "Tales From Terra Firma" (Rezension).
Mittlerweile habe ich diesen Fauxpas ausgebügelt, aber ich würde nicht sagen, dass das eine Album besser oder schlechter ist. Aber einen relativ großen Unterschied gibt es schon! Während das Debüt eher Songs mit kleinen feinen Arrangements beinhaltet, fährt man beim neuen Album vermehrt opulente Arrangements auf.
Aber zurück zum Konzert. Nach "Knock me on my head" spielt das Quartett, welches live zum Sextett aufgerüstet hat (unterstützend wirken Susie Attwood [Violine] und ein Herr, der sich an allen möglichen und unmöglichen Musikinstrumenten austobte) zwei mir bis dato unbekannte Nummern vom ersten Album. Im Nachhinein würde ich behaupten, es waren "The Coldharbour Road" und "Fuel up", letzteres eine wunderschöne Folknummer.
Danach bin ich wieder auf der sicheren Seite, denn anschließend erklingt das förmlich zum Mitsingen zwingende "Bigger Picture". Erst vier Stücke gespielt und die Band hat schon jetzt gezeigt, wie eingespielt sie ist und wie vielseitig im Bezug auf das zu spielende Instrument die einzelnen Mitglieder sind. Für Instrumenten-Fetischisten sei erwähnt, dass die Band neben herkömmlichen Musikinstrumenten (Synthesizer, Keyboard, Schlagzeug, Bass, Kontrabass, Cello, Geige, etc.) auch mit einer Säge, Papier, Topfdeckeln und einem metallenem Etwas, das wie der altehrwürdige UEFA-Pokal aussieht, musiziert.
Nach zwei weiteren flotteren Nummern vom neuen Album kündigt Briggs an, das nächste Stück "November Song", eine dylanesk Songwriternummer, ohne Strom präsentieren zu wollen. Es wird ein magischer Moment, bei dem man wirklich die berühmte Stecknadel hätte fallen hören können.
Weiter geht es mit "Here comes the Blackout ...!" und dem überschwenglichen "You Take Me As I Am". Die Köpfe des Publikums beginnen im Takt zu wippen, weil die Spielfreude der Band ins Publikum überschwappt. Die unverwüstliche V. hat das Leuchten in den Augen, was mir immer ohne irgendwelche Worte sagt, dass ihr dieses Konzert gefällt :-).
Nach der temperamentvollen Nummer drosseln Stornoway das Tempo. "Farewell Appalachia" ist vom neuen Album, aber wie bei Album Eins verzichtet die Band hier auf opulente Arragements, lässt der Stimme mehr Raum und setzt an der richtigen Stelle spärliche Akzente. Als "Zorbing" erklingt, steht fest, dass ich mir das erste Album unbedingt zulegen muss. Was ich an Songs besonders liebe ist, wenn sie eine Dramaturgie aufbauen, die mich mitreist und das ist bei "Zorbing" exzellent gelungen - außerdem machen gute Popsongs mit Trompeten immer so verdammt gute Laune!
Den Hauptteil des Konzertes beenden Stornoway mit dem mehrstimmig vorgetragenem tieftraurigen "The Ones we hurt the Ones" - und die Geige weint dazu. Der Zugabenblock beginnt mit einem furiosen Schlagzeug-Solo von Rob Steadman, das nahtlos in "I saw you Blink" mündet - einem weiteren Argument für den Erwerb von "Beachcomber's Windowsill". Weil es so ergreifend war, wird dann auch bei "The Great Procrastinator" unplugged mit Geige, akustischer Gitarre und Kontrabass musiziert. Schöööön.
Zum Abschluss geht bei "Watching Bird" die Post ab. Die Band spielt noch mal alles aus, was dieses Konzert zu einem wunderbaren Ereignis gemacht hat und verdient sich den donnernden Applaus, als sie von der Bühne geht. Der Song muss in meine Indie-Disco-Playlist, und wenn ich nicht gestorben bin, muss ich beim nächsten Stornoway-Konzert wieder dabei sein.
UND ... Danke an den charmanten Hasen für die Fotos!
UND ... wieder wird die von mir aufgestellte Behauptung unterstützt: "Bands mit Liedern über Vögel sind die besten"
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