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Freitag, 22. März 2013

STORNOWAY / Tales from Terra Firma

90 km nordwestlich von London liegt Oxford, die Hauptstadt der Grafschaft Oxfordshire. Beschauliche 154.000 Einwohner sind vor allem stolz auf die altehrwürdige Oxford University.

Wegen des architektonischen Erscheinungsbildes wird Oxford auch Stadt der träumenden Türme genannt. Da passt es, dass eine Band, die überaus verträumte Folk- und Popmusik macht, aus eben dieser Stadt kommt. Komisch nur, dass sie sich nach der schottischen Stadt Stornoway benannte und noch komischer, dass Rob und Oli ursprünglich aus Johannesburg (Südafrika), Jon aus London und Brian aus Irland kommt.

Was sich Rob (Schlagzeug), Jon (Keyboard), Brian (Vocals, Gitarre) und Oli (Bass) also bei der Namenswahl gedacht haben, entzieht sich meiner Kenntnis und wissen nur die Vier, was ich aber weiß, ist, dass mir lange kein so in sich geschlossenes Werk untergekommen ist wie "Tales from Terra Firma", das zweite Album von STORNOWAY.

Beide Alben hat das Quartett an den unterschiedlichsten Orten aufgenommen. In einer Garage, einer Kirche, in Gemeindezentren, einer Scheune, Küchen und Badezimmern. Wer nun aber denkt, das hört sich an wie die "Küchenmusik" von Coco Rosie, was keinesfalls disrespektierlich sein soll, ich schätze die beiden Schwestern sehr, der liegt völlig schief. Der Klang des gesamten Albums ist exzellent und die Musik wunderbar unzeitgemäß! Hier basteln Musiker, mit teils ungewöhnlichen Instrumenten, liebevoll an Ohrwurm-Melodien, die sich keinen Deut um Trends scheren.

Das Album beginnt mit dem gutgelaunten Statement "You take me as I am". Das Piano perlt fröhlich, nimmt immer mehr Fahrt auf, die Bläser blasen sich die Seele aus dem Leib und Sänger, Songwriter und Gitarrist Brian klingt mit seinem irischen Akzent wie ein trockengelegter vor Gesundheit strotzender Shane MacGowan, der aber eigentlich Bob Dylan sein möchte.



Mit "Farewell Appalachia", wo die Gitarre sehnsüchtig wispert und die Perkussions zauberhaft klingeln und auch mit dem flotteren "The Bigger Picture" wildert die Band am Rande von Simon & Garfunkels Gefilden. Die Refrains sind nicht mehr aus dem Ohr zu bekommen, die Melodien sind zuckersüß, aber nicht zu klebrig. Die Band schafft es mit ihrem Sound sehr charmant, eine wohlige Atmosphäre zu generieren, also Bad Vibrations und Stornoway geht auf jeden Fall schwer zusammen, obwohl die Songs durchaus auch melancholische Züge tragen.

"(A Belated)Invite To Eternity" wagt sich etwas weiter aus den üblichen Folksong-Strukturen, experimentiert mit orchestralem Sound und raffinierten Streicherpassagen. "Hook, Line, Sinker" ist der erste Song, der vehement das Tanzbein auffordert, wofür in erster Linie das dynamische Drumming von Rob Steadman verantwortlich zeichnet. Für die Indie-Disco aber nur bedingt geeignet, da der Bewegungsdrang durch stille Passagen abgebremst wird. Würde mich aber nicht abhalten, die Füßchen zu bewegen!

"Knock Me On The Head" beginnt wie der Soundtrack zu einer fernöstlichen Reise und wird dann zum heißen Anwärter für den Folk-Song des Jahres! Ja, da haben sich die Villagers vielleicht zu früh gefreut - auf jeden Fall kann ich die Zeilen 'You hung an albatross around my neck, but you needed to knock me on the head and say "no! no! no! no! no!"' mittlerweile sogar im Schlaf singen. Mit "albatross" ist hier übrigens nicht der gleichnamige Vogel gemeint, sondern der um den Hals hängenden Mühlstein.



Damit die gute Stimmung aber nicht überhand nimmt, wird mit "The Great Procrastinator" wieder abgebremst und in erzählender Singer/Songwriter-Manier und musikalischen Avancen in Richtung New Orleans, dem großen Zauderer gehuldigt. Die wehmütige Ballade "The Ones We Hurt The Most" singt die Band vielstimmig - eignet sich hervorragend für gebrochene Herzen, kommt mir aber etwas zu wenig aus dem Quark. Schön aber austauschbar.



Beendet wird das verträumte Album mit dem spartanischen "November Song", passt ganz gut, weil ich das Album wahrscheinlich mindestens bis November in meiner Favoriten-Playlist parken werde. Nachdem im letzten Jahr meines Erachtens die Amerikaner die besten Alben herausbrachten, scheint das Insel-Imperium in diesem Jahr machtvoll zurückzuschlagen: Villagers, Palma Violets, To Kill a King, ...fein, fein!

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