3 Tage nach Stornoway zieht es mich schon wieder ins Gebäude 9. Dieses Mal sind die Voraussetzungen allerdings etwas anders. Die Band, Kashmir, die heute Abend spielt, wurde mir von der charmanten Frau H. empfohlen und auch die unverwüstliche V. hatte verlauten lassen, dass es sich um eine exzellente Liveband - die Damen haben Kashmir schon bei einigen Konzerten erlebt - handelt.
So sagte ich also nicht Nein, als Frau H. die Tickets bestellte, noch bevor das neue Album erschienen und ich auch nur einen Ton der Dänen gehört hatte. Dann erschien vor einigen Wochen E.A.R und ich musste feststellen, dass mich das Album nicht wirklich begeisterte. Vieles plätscherte so dahin, wenig Gitarren, viel ausufernde sphärische Sounds, lediglich ein paar Songs gefielen mir und ich konnte mir kaum vorstellen, dass diese Platte mich live begeistern könnte. Hoffnung für das Konzert gab allerdings der Backkatalog der Band, denn auf den sechs vorherigen Alben finden sich wirklich einige Sahnestücke.
Andere Voraussetzungen also, weil ich dieses Mal eben mit nicht sehr hohen Erwartungen kurz vor 20 Uhr im G9 eintraf. Anscheinend verfügt Kashmir über eine beachtliche Fanbase in Deutschland, denn das G9 wurde immer voller und Nina, die eigentlich auch noch an der Abendkasse ein Ticket ergattern wollte, musste feststellen, dass das Konzert restlos ausverkauft war.
Kurz nach Acht betrat ein gelockter bärtiger junger Mann mit akustischer Gitarre die Bühne. Er begrüßte das Publikum zum dänischen Abend, stellte sich als Sänger der Band Dangers of the Sea aus Kopenhagen vor und kündigte für den Mai das Debütalbum an. Schade, dass Andreas Bay Estrup ohne seine Band auflief, denn so hatte er es schwer, gegen das recht geräuschvolle Samstagabendpublikum anzukämpfen.
Seine Nummern wirkten durch die puristische Darbietung leider etwas eintönig, was auch daran lag, dass Andreas Bay Estrup zwar über eine einfühlsame feine Stimme verfügt, aber sein Gitarrenspiel genau diese Feinfühligkeit etwas vermissen lies. Am besten gefielen mir die beiden letzten Stücke "Everything Will Be Alright" und "Show some mercy". Der Titel des letzten Songs hat für eine Support-Act ja etwas Ironisches ;-).
Wenige Minuten nach 21 Uhr betritt Kashmir die Bühne. Sänger Kaspar Eistrup mit Bart und Wollmütze ist sofort anzumerken, dass er auf der Bühne Zuhause ist. Die Band eröffnet mit einem Song, den ich nicht kenne (oder war es "Blood Beech"?), aber im Nachhinein bin ich mir da nicht mehr sicher, da Kashmir die neuen Stücke live wesentlich druckvoller und rockiger spielen als auf Platte - was diesen ausgesprochen gut tat.
"Piece of the Sun" ist neben "Seraphina" (als letzter Song vor der Zugabe gespielt) mein Favorit auf E.A.R. Das scheint allen im Publikum so zu gehen, denn diese beiden Songs werden vom Publikum im Vergleich zu den anderen neuen Songs mit mehr Jubel begrüßt - und auch diese beiden Stücke gewinnen live deutlich dazu.
Die ersten Highlights aber sind die alten Stücke "Kalifornia", "Melpomene" und "Mouthful Of Wasps". Jetzt wird gerockt, was das Zeug hält und die Band präsentiert sich in aboluter Spiellaune. Eistrup weiß ganz genau, wie er die Masse auf seine Seite zieht und bei "Kalifornia" bin ich mir schon sicher, dass es wieder ein gelungener Konzertabend im G9 sein würde. 1A-Indie-Rock ohne Firlefanz!
Begeisterung macht sich bei mir bei "Surfing the warm industry" vom 2003er Album "Zitilites" breit. Treibendes Drumming und bedrohlich wie Joy Divison. Und was Keyboarder Henrik Lindstrand, der einzige Schwede unter lauter Dänen, da für utopische Geräusche mit dem seltsamen Instrument generiert, welches er nicht berührt, sondern die Töne nur durch Handbewegungen erzeugt, euphorisiert mich außerdem. Jetzt hat mich die Band vollends in der Tasche! Die Energie ist greifbar, doch nach "Seraphina" und nur knapp 60 Minuten zieht sich die Band erstmals von der Bühne zurück.
Aber hunderte klatschender Hände wollen mehr! Zweimal noch lassen sich Kashmir an diesem Abend zu Zugaben mit ihren Klassikern (u. a. „The Cynic“ vom Album „No Balance
Palace“ als überlange Maxi-Version, wo Eistrup die Gitarre mit dem Drumstick bearbeitet!) hinreisen, so dass das Konzert insgesamt dann doch etwas mehr als 90 Minuten dauerte.
Ich für meinen Teil bin mit dem Verlauf des Abends sehr zufrieden und nehme mir vor, nochmal verstärkt in die aktuelle Platte reinzuhören, bei der es, wie Eistrup während des Konzertes kund tat, konzeptionell um die Thematik "Krieg und Frieden" geht.
Aber das nächste Album darf gerne wieder mehr rocken!
... und wieder DANKE an den charmanten Hasen für die Fotos!
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