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Mittwoch, 29. März 2017

WALTER MARTIN feat. Laura Gibson Made My Day! Trip on a Ship!



WALTER MARTIN
Homepage: http://www.waltermartinmusic.com/
From: New York, USA


Herr MARTIN ist seit geraumer Zeit der Mann am Synthesizer bei der IndieRock-Band The Walkmen aus New York. In der Kostprobe "Trip on a Ship", aus dem im Mai erscheinenden Solo-Album "My Kinda Music", singt er ein Duett mit der bezaubernden Laura Gibson. Die Stimmen harmonieren wunderbar bei diesem locker flockigen Frühlingssong, bei dem sich die beiden gegenseitig von in die Brüche gegangenen Beziehungen vorsingen. Der Song lässt sich übrigens ganz wunderbar in Dauerschleife spielen :-).

Montag, 27. März 2017

QUICK & DIRTY: THE JESUS AND MARY CHAIN / Damage and Joy

Published: 24.03.2017
Label: Rykodisc
Genre: NoiseRock, IndieRock
Country: East Kilbride, Scotland



Members:
Jim & William Reed, Brian Young, Phil King
GuestVocals: Sky Ferreirra


Wer kenn es nicht das Gefühl, das einen übermannt, wenn man etwas plötzlich wiederfindet und man erst dann merkt, wie schmerzlich man es vermisst hat. UND WAS HAB ICH DIESE BRÜDER REID VERMISST!

1998 gab es mit "Munki" das letzte - eher ein schwachbrüstiges - Lebenszeichen in Albumform. Seit 2007 gab man für Liveauftritte zwar ein Comeback bekannt, aber außer ein paar Konzerten, die man unter Rentenversorgung abspeichern konnte, gab es keinen wirklichen Anhaltspunkt dafür, dass die beiden in Hassliebe verbundenen und durch den Ozean getrennten Brüder Jim und William noch einmal ein neues Werk fabrizieren würden. Ja, 2008 gab es auf dem TV-Soundtrack von Heroes den Song "All Things Must Pass", der sich jetzt auch auf dem neuen Album befindet, aber mit mehr konnte man eigentlich nicht rechnen.

Jetzt steht beim örtlichen Plattendealer in der NoiseRock-Sparte tatsächlich wieder ein neues Album von THE JESUS AND MARY CHAIN. Die erste Veröffentlichung daraus, "Amputation", war sehr vielversprechend und auch die Kritiken in zahlreichen Musikfachmagazinen noch vor der regulären Veröffentlichung von "Damage and Joy" liesen den Schluss zu, dass es sich nicht um ein gruseliges, die Diskografie der Band merklich in der Qualität drückendes Werk handeln würde.



Die Vorfreude war also groß, aber was ich NIE erwartet hätte ist, dass beim ersten Anhören des Albums, die Pickel wieder anfingen zu spriesen, mein spärliches Haar wieder erblühte, mein Oberkörper wieder Form annahm und Glückshormone meinen Körper durchfluteten. Bestimmt stürmt gleich meine Mutter ins Zimmer, tobt wegen der lauten Musik und droht mich rauszuwerfen, wenn ich nicht sofort das Zimmer aufräume!

Den bösen misantrophischen Schotten ist geglückt, was die gesamte verfluchte Kosmetikindustrie schon oft versprochen, aber noch nie gehalten hat. Echtes Psychocandy! "Damage and Joy", übersetzt so viel wie Schadenfreude, ist eine Frischzellenkur und dies, obwohl das Rezept auf eine uralte, längst bekannte und zum Teil vergessene Formel zugreift: Hymnische Melodien mit bitterbösen Texten, verpackt in krawalligen Feedbacklärm! Vorwärts in die Vergangenheit!

Highlights: Always Sad, The Two Of Us, Los Feliz (Blues And Greens), Mood Rider,
Black And Blues



Tracklist:
01 Amputation
02 War On Peace
03 All Things Pass
04 Always Sad
05 Song For A Secret
06 The Two Of Us
07 Los Feliz (Blues And Greens)
08 Mood Rider
09 Presidici (Et Chapaquiditch)
10 Get On Home
11 Facing Up To The Facts
12 Simian Split
13 Black And Blues
14 Can't Stop The Rock

Sonntag, 26. März 2017

ANORAQUE Made My Day! L I L A!


ANORAQUE
Homepage: https://www.anoraque.com/
From: Basel, Switzerland


Bevor sich alle notorischen Nörgler mit prüden Bemerkungen zum Clip äußern, sei darauf hingewiesen, dass man im Netz immer ganz einfach wegklicken kann. Blöd ist nur, dass man dann erstens einen verdammt guten Rocksong des Schweizer Quartetts um Sängerin Lorraine Dinkel zwischen MathRock und PostPunk verpasst und zweitens einen sehr ästhetischen, von
Evelinn Trouble konzipierten Videoclip. MADE MY DAY!

Samstag, 25. März 2017

NEW SONGS Vol. 151: PORTUGAL. THE MAN / Feel it Still ... WARM DIGITS / End Times ... HER'S / Speed Racer ... FLAMINGODS / Jungle Birds


PORTUGAL. THE MAN / Feel it Still

Fette 4 Jahre ist es her, seit PORTUGAL.THE MAN mit dem Album "Evils Friends" ihren verquerten psychedelischen IndieRock an die Zügel nahmen und mit mehr Groove unterlegten. Bei der Arbeit verfingen sich, laut eigener Aussage die Jungs aus Alaska in einer Sackgasse, denn die neuen Songs wollten sich einfach nicht zu einem neuen Album formen.

Aber nach dem Motto "Der Papa wird’s schon richten" half der Vater von Sänger John Gourley den Jungs wieder in die Spur in dem er von den guten alten Woodstock-Zeiten und den damaligen politischen Beweggründen erzählte.

Da dachte man sich dann wohl, aktueller als unter dem jetzigen US-Präsident Trump kann das Thema nicht mehr werden und entwickelte das in diesem Jahr erscheinende Album "Woodstock". Demzufolge zeigt die Singleauskopplung "Feel it Still" auch gleich welche Parole für Portugal. The Man 2017 gilt: Groove mit Botschaft!

Wer sich nicht entschließen kann, womit er sich dem Unsinn der gerade auf der Welt passiert entgegenstellt, dem sei das interaktive Musikvideo zu "Feel it Still" empfohlen, wo man versteckte Botschaften anklicken kann, um am Ende des Clips seinen personalisierten Auftrag für die Zukunft zu erhalten. Manchmal ist der Zeigefinger gar nicht so schlecht!




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WARM DIGITS / End Times

Lange keinen griffigen ElectroSynthiPop mehr gehabt, da kommt "End Times" vom aus Newcastle und Manchester stammenden Duo WARM DIGITS gerade richtig. Apokalypse Disco für den Untergang!

Mit an Bord beim Songwriting waren die alten Bekannten von Field Music, außerdem verdient sich deren Frontmann Peter Brewis als Gastsänger, also kein Wunder, dass "End Times" nicht nur ordentlich pulsiert, sondern auch höllisch groovt.

Das Video ist übrigens echte Handarbeit, aus 16mm-Filmstreifen zusammengebastelt vom Filmkollektiv Film Bee aus Newcastle. Erfrischend Old School!




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HER'S / Speed Racer

Achtung ein Gute-Laune-Song! In etwa so, als würde man alte Beach Boys-Surfin-Songs auf einer LP mit 45 Umdrehungen pro Minute abspielen und eine Prise JanglePop darüberzuckern.

Warnung:
Kann schnell nerven, wenn es draußen regnet oder gar schneit, das Konto ins Minus rutscht, Trump seine komplette Amtszeit durchsteht, der Nachbar den Laubbläser anwirft, der Postbote das Vinyl in den Briefkasten biegt oder einfach nur Montag ist! Dann den Song des Duos HER'S aus Liverpool lieber erst mal auf Eis legen - mit Wodka.




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FLAMINGODS / Jungle Birds

Ich weiß ja auch nicht, was mit mir los ist, aber auch der letzte Song in dieser Reihe ist kein echter Miesepeter. Es tut mir leid - vielleicht ist ja schon Sommer?

"Jungle Birds" ist ein nicht mehr ganz taufrischer Song des in Bahrain gegründeten und sowohl dort, als auch in Großbritannien, musizierenden Quintetts FLAMINGODS. Im Pressetext zum Song steht "If Dead Can Dance and TV On the Radio had a baby, it would be Flamingods." Und ich finde, da hat die Promotionabteilung ziemlich gut hingehört, um den exotisch psychedelischen Sound in Worte zu fassen.

Der Song ist auf "Majesty", dem dritten Album der Band, das im Juni des letzten Jahres veröffentlicht wurde. Im Mai erscheint die neue, vier Stücke enthaltende, EP "Kewali" von der man auf Bandcamp bereits den Titelsong vorab hören kann.




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Donnerstag, 23. März 2017

SAMANTHA CRAIN / You Had Me at Goodbye

Das fünfte Album der Songwriterin mit indianischen Wurzeln ist ein wegweisendes. Erstmals integriert SAMANTHA CRAIN in ihre bisher immer sehr minimalistischen Folksongs aufwendigere Arrangements und schielt über Genregrenzen hinweg. Schon die vorab veröffentlichte Single "Oh Dear Louis" war sehr ungewöhnlich, denn es ist wahrhaftig die erste Crain-Numer zu der man beschwingt tanzen kann!


Die Songs für "You Had Me at Goodbye" schrieb sie laut eigener Aussage in ihrem Heim in Oklahoma innerhalb von nur vier Monaten, wenn sie nicht gerade in einer Pizzeria jobbte, um Geld für ihr "Full Time Hobby" zu verdienen. Einerseits liebt sie ihre Heimat, die Natur, die kreativen Menschen mit denen sie in Berührung kommt, aber andererseits missfällt ihr die oftmals sehr konservative Denkweise der Bevölkerung, sodass sie im Bezug auf ihre Heimatgefühlen sehr zerrissen ist.

Im Gegensatz zu ihren Lyrics merkt man ihrer Musik diese Zerrissenheit aber nur sehr selten an, denn Samantha ist eine Songwriterin mit einem begnadeten Händchen für herzerwärmende Melodien. Dass Samanthas Texte, auch wenn sie noch so banal aus dem Leben berichten, immer hintersinnig und von feinem Humor geprägt sind, sollte sich nachzu ihrem fünften Album langsam aber sicher herumgesprochen haben.

Auch auf "You Had Me at Goodbye" ist dieses Talent, neben ihrer unverkennbaren und sehr eindringlichen Stimme, das Salz in der Suppe. Oder um auf ihren Nebenjob anzuspielen, der Grundbelag auf der Pizza. Der Belag ist zwar bunter, aber der Teig genauso knackig, und wie jeder weiß, ist der Teig das Entscheidende bei einer Pizza!



Nehmen wir die neuen Zutaten unter die Lupe. Beim frühlingshaft federleichten Albumopener "Antiseptic Greeting" bestätigt sich die These, dass Samantha will, dass wir tanzen - oder zumindest fröhlich mitwippen. Danach folgt "Oh Dear Louis", dem ich ja schon eine ordentliche Dosis Pop attestiert habe. Feine Kost!

Song Nummer 3 "Loneliest Handsome Man" zeigt die "alte" Samantha Crain. Ein Song voller schwermütiger Melancholie, Geigen und mit einem Augenzwinkern. Tanzen kann man dazu allerhöchstens Klammerblues auf einer Beerdigung. Pizza Traditionale!



Das rhythmusbetonte "Wise One" ist für Fans ebenfalls etwas gewöhnungsbedürftig, denn hinter dem omnipräsenten Tenorsaxofon verstecken sich temporär sogar einige disharmonische Töne. Bei "Red Sky, Blue Mountain" singt Samantha erstmals in der Sprache ihrer Vorfahren der Choctaw. Was sich ziemlich fernöstlich anhört, erzählt davon wie wichtig ist es, dass wir unsere Erde pflegen. Pizza Naturale!

Ja, auch fiepsende und brummende Elektronik gibt es auf dem neuen Album! Bei "Smile When" wagt Samantha den Schritt in Richtung ArtPop, wäre da nicht die prägnante Stimme, man würde, weiß der Herrgott wen, hinter diesem Stück vermuten. Pizza Extravaganza!

Eher Kammer- als ArtPop ist die Ballade "Betty's Eulogy", nach den ersten Durchläufen finde ich das Stück mit den süßen Streicherarrangements eher etwas belanglos, aber das ändert sich bei Crain-Platten (zumindest bei mir) schon mal schnell. Pizza Surprise!

Dann verliert Samantha bei "Windmill Crusader" den roten Faden, der sich sonst durch ihre Kompositionen und Arrangements zieht - oder aber Produzent John Vanderslice (Spoon, Strand Of Oaks) hatte zu sehr die Finger im Spiel - auf jeden Fall nervt mich hier sowohl das hintergründige Gefiepse als auch Samanthas Gesang mit viel zu viel Uuuuuh und Lalala. Wie Pizza Hawai - nicht mein Fall.

Bei der verhuschten Orgel- und Klavierballade "When The Roses Bloom Again" steht alles auf Moll und auch hier lässt sich kammermusikalischer Anspruch erkennen. Auch hier wirkt mir alles etwas zu angestrengt, zu konstruiert - ich hoffe, Vanderslice hat Schuld. Pizza Tragedia!

Der Schlusssong "Wreck" stimmt versöhnlich. Samantha ist wieder in ihrem Element und alles ist gut. Pizza Nazione!

Insgesamt ein nicht rundum gelungenes Album. Die neue poppige Samantha gefällt mir gut, aber mit ihren Ausflügen in Richtung Kammermusik verliert Samantha ihren spröden Charme, der sie sonst spielend durch ihre Songs trägt. Liebe Samatha nicht so viel Kopf, mehr Bauch, das ist dein Ding!

Trotzdem sehr schade, dass die Künstlerin, die es sich live zu erleben auf jeden Fall lohnt, auf ihrer Tour in diesem Jahr nur einen Halt in Deutschland macht - natürlich in Berlin.

Tracklist:
01 Antiseptic Greeting
02 Oh Dear Louis
03 Loneliest Handsome Man
04 Wise One
05 Red Sky, Blue Mountain
06 Smile When
07 Betty's Eulogy
08 Windmill Crusader
09 When The Roses Bloom Again
10 Wreck

Sonntag, 19. März 2017

THE BAY RAYS Made My Day! Satisfaction!


THE BAY RAYS
Homepage: http://thebayrays.com/
From: Kent, Great Britain


Sehr schöner Clip des Trios aus Kent, der sich natürlich von Nirvanas "In Bloom"-Video aus dem Jahr 1992 inspirieren lies. Trotzdem perfekt, um die unbefriedigende Sonntagsmüdigkeit aus den Knochen zu schütteln. MADE MY DAY!

 

Samstag, 18. März 2017

CAR SEAT HEADREST live im Gebäude 9

Location: Gebäude 9, Köln
Support: TRAAAMS
Date: 16.03.2017

 

Donnerstage sind per se mit einem Hoffnungsschimmer belegt, da das Wochenende in Reichweite scheint. Insofern sind Donnerstage auszuhalten und tausendmal besser als wochenanfangs- nervende Montage. 

Es ist Donnerstag der 16. März 2017. Die Sonne schien den ganzen Tag, nicht nur frühlingshaft, sondern gar sommerlich war mir bei Temperaturen an der 20 Grad-Grenze zumute, als ich mich mit meinem treuen Konzert- begleiter C. auf den Weg ins Gebäude 9 mache um die im letzten Jahr zu recht ihren Durchbruch feiernden CAR SEAT HEADREST aus Seattle zu erleben.

Ich bin voller Vorfreude, ganz besonders weil ich mir auch von der Vorbands TRAAMS aus Chichester in England viel verspreche, aber auch irgendwie unruhig, weil es für meine Königsblauen an diesem Donnertag um den Einzug ins Europapokal-Viertelfinale geht und ich das Spiel, welches in dieser Kleinstadt am Niederrhein stattfindet, nicht live verfolgen kann.

Am G9 treffen wir auf die unverwüstliche V., Vollegrante Ehrenfeld mit Freundin und eine Freundin meinerseits die sich kurzfristig auch entschlossen hat mitzugehen.  Leider hat sie noch kein Ticket und zu meinem Erstaunen ist das Konzert jetzt doch ausverkauft, sodass es heißt, jetzt erst mal ein kühles Beck an Land ziehen und dann versuchen ein Ticket zu fangen.

Sonst nerven einen die Tickethändler bei jedem Konzert, aber heute, wo man sie braucht, scheinen die Herren vom Erdboden verschluckt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und es ist ja schließlich Donnerstag!

Alles wird gut, Ticket in der Tasche, rein ins G9. Der erste Blick gilt dem Merchandise-Stand, wo ich erstaunt feststelle, dass Car Seat Headrest doch tatsächlich nur ihre aktuelles Album "Teens of Denial" auf Vinyl mitgebracht haben. Wieso das denn? F***! Der Tisch der TRAAMS ist deutlich besser gefüllt! Drei Longplayer auf Vinyl und eine 7-Inch. Also doch Donnerstag und alles wird gut.

Los gehts! Die TRAAMS machen von der ersten Minute an Alarm. Für eine Band, die sich 2011 aus Langeweile gegründet hat, weil es in dem Kaff in dem sie leben nur ein sehr limitiertes ödes Nachtleben gab, der richtige Ansatz. Langweile kommt beim Gig von Leadsänger und Gitarrist Stu Hopkins, Bassist Leigh Padley und Schlagzeuger Adam Stock - gibt es einen besseren Namen für einen Drummer? - definitiv nicht auf. Toll, was aus Langweile entstehen kann!

Zwar ist Hopkins nicht gerade ein begnadeter Sänger, aber die entweder mit nonchalanter Lakonie oder glaubwürdiger Aggressivität vorgetragenen Songs zünden vor allem durch den Ideenreichtum des Gitarrenspiels und den flächigen Breitwandsound. Das klingt dann manchmal nach dem Drone-Sound des Moon Duos aka Wooden Shjips, mal nach Krautrrock und stellenweise sogar ansatzweise nach The Mars Volta.

Leicht memorierbare Hits, wie auf der aktuellen Platte des noch kommenden Hauptact, sind nicht die Sache des Trios. Das Songwriting ist zwar gut, je öfter man beispielsweise den Song "Costner" hört, desto mehr zündet er, aber nicht exzellent. Die Melodie steht nicht im Vordergrund, sondern die atmosphärische Dichte und die unbändige Energie mit der die Drei live vollends überzeugen.

An diesem Donnerstagabend ist, neben dem Song "Costner", die Nummer "A House on Fire" das absolute Highlight. Kein Hit für den Mainstream, aber wer es liebt, wenn in der Indie-Disco schwitzende Körper Energie freisetzen, der wird der über 8 Minuten langen Nummer gnadenlos verfallen. Leider ist der Song nicht auf der aktuellen Platte enthalten, sondern nur als limitierte und nicht mehr erhältliche 7-Inch-Single erschienen, aber nach dem Konzert spreche ich mit Sänger Hopkins und er verspricht, dass das Stück auf dem nächsten Longplayer, der leider erst im Frühjahr 2018 erscheint, ein wohlverdientes Plätzchen findet.



Großartige Vorband, aber schlechte Nachrichten aus dem Ballsport: Die komische Truppe vom Niederrhein führt mit 1:0 gegen die königsblauen Schalker. Hole mir ein Frustbierchen und hoffe noch immer das ALLES gut wird.

CAR SEAT HEADREST-Schlagzeuger Andrew Katz setzt sich ans Schlagzeug und beginnt meditativ die Becken seiner Bude zu bearbeiten. Gitarrist Ethan Ives und Bassist Seth Dlaby, in einem Death from Above-T-Shirt gewandet, gesellen sich dazu und beginnen ihr Werk. Es wird erkennbar, dass "Vincent" der Opener des heutigen Abends wird. Mastermind Will Toledo entert unter großem Applaus die Bühne und "Vincent" nimmt Fahrt auf.



Es scheint so, als wollte die Band sich direkt die Hits vom Leib spielen, denn der nächste Song ist "Fill in the Bank", der IndieRock-Kracher vom "Teens of Denial"-Album. Und dann passiert etwas, womit ich NIE gerechnet hätte!

Das Publikum singt mit! Nicht nur den Refrain! Verdammt, noch vor wenigen Wochen hatte ich den treuen Konzertbegleiter C. damit veräppelt, das auf dem Konzert von Die höchste Eisenbahn wahrscheinlich alle ganz beseelt mitsingen würden und mit das eindeutig zu viel Gefühlsduselei wäre. Und jetzt das! Eine überschaubare Anzahl Pogo-Tänzer und eine riesige Menge Mitsinger. Fühle mich wie bei einem Stadionkonzert der Kings of Leon. Ein Blick auf das Smartphone lässt meine Donnerstagshoffnung schmelzen wie Butter in der Sonne. 2:0 für die kleine Pferdebande aus Mönchengladbach.



Ach, die Hoffnung stirbt zuletzt und die Band spielt die Songs live knackig und gut, wenn ihnen auch etwas die Durchschlagskraft fehlt, welche die Traams demonstriert haben, dafür haben Car Seat Headrest aber die besseren Melodien. Was aber nicht wundert, wenn man weiß, das Will Toledo seit 2010 wahrscheinlich nichts anderes mehr macht als Songs zu schreiben. Anders kann eine Diskografie in 7 Jahren mit 10 Alben ja wohl nicht hinhauen.

Der seltsame Bandname stammt übrigens angeblich daher, dass Toledo die Lyrics für die seine ersten Alben immer auf dem Rücksitz seines Autos geschrieben hat. Und was hatte er da immer im Blick. Richtig, die Kopfstütze ;-)

Nächster Song "Maud Gone" vom Vorgängeralbum "Teens of Style". Leider fehlt die besoffene Orgel und somit das auffälligste Merkmal des Songs, der deswegen etwas dahin plätschert. Vielleicht für die Liveauftritte doch noch einen Musiker beschäftigen, ein Bläser in "Vincent" wäre auch schön gewesen.

Zurück aufs Gaspedal mit "Destroyed by Hippie Power". Hier passt alles, kommt live ziemlich fett und der nölige Gesang von Toledo lässt mich an Herrn Mascis denken.

Anschließend nimmt sich das Mastermind eine kurze Gesangspause und übergibt an Gitarrist Ethan Ives, der seinem Aussehen nach eigentlich einen Ramones-Song covern müsste, aber einen Pixies-Song darbietet. "Motorway to Rosell" ist nicht der beste Pixies-Song und Ethan Ives nicht der beste Sänger. Kann man machen, muss man aber nicht.

Der Halbzeitstand ist 2:0. Ganz nüchtern bin ich nicht mehr, da passt der Song "Sober to Death" nicht ganz, aber das schrammelige melancholische Frühwerk aus dem Jahr 2011 hat durchaus seinen Reiz.

Es blubbert der Anfangsbeat von "Something Soon" und die Mitsinger sind wieder alle mit an Bord. Was läuft hier heute eigentlich schief? Hat die Band eine so große Teenie-Fanbase? Und Drummer Andrew Katz bedankt sich tatsächlich auch noch für das Mitsingen. Jetzt Spaß beiseite, ist Mitsingen bei Konzerten in Ordnung? Nach dem Konzert führe ich mit C. darüber eine Diskussion und wir sind uns beide einig: NEIN! Refrain kann man mal, aber ganze Strophen never ever!

Aber das war noch gar nicht der Mitsinghöhepunkt, denn als Nächstes kommt das von mir heiß geliebte "Drunk Driver / Killer Whales" ... und die Fischer Chöre erwachen. Meine Herren, ich hätte es ahnen müssen als zu Beginn des Konzertes vor mir drei Teeniegirls, geschätzte 1,20 Meter groß, mit ebenso großen Rucksäcken auf den Schultern, meine Nerven strapazierten. Oh Donnerstag was ist nur aus dir geworden.



Es folgt das gefällige "1937 State Park" und dann das wirklich großartige "Famous Prophets (Minds)", das ebenso wie "Sober to Death" vom Album "Twin Fantasy" stammt. Fühle mich wieder besser und wage einen ängstlichen Blick auf das Handy: 2:2! Alles wird gut, auf Donnerstage ist in der Regel wohl doch verlass!



Als letzten Song gibt es dann noch das feine "Unforgiving Girl (She's not an)" vom aktuellen Album und dann ist leider schon Schluss, wenn man an das schier unendlich Songpotential der Band denkt, schon ein bisschen knauserig, aber ich will nicht klagen, denn insgesamt eine feines Konzertchen - inklusive Vorband.

Jetzt hätte ich auch gerne Schluss im Dorf im Niederrheinischen, aber es sind noch 6 Minuten und dann gibt es auch noch 4 Minuten Nachspielzeit. ABER ES IST DONNERSTAG UND ALLES WIRD GUT!

TschÖ Gladbach!



Donnerstag, 16. März 2017

LAURA MARLING / Semper Femina [LP]

Männerwelt war gestern! In keinem Bereich drängen Frauen so weit in die Spitze vor wie in der Popkultur - ganz ohne Quote! Was das letzte Jahr in popkultureller Hinsicht bereits stark aufzeigte, scheint in 2017 nun geradezu inflationäre Formen anzunehmen. Stellt sich die Frage: Warum?


Liegt es daran, dass Frauen mehr zu sagen haben, dass sie mehr (ihr) Leid, sicher auch aufgrund der in vielen Bereichen immer noch vorherrschenden Männerwelt, klagen müssen? Liegt es daran, dass, wie es allgemeingültig behauptet wird, Frauen besser Gefühle zeigen können? Oder ist die Zeit einfach reif für eine Woman’s World?

Die Britin LAURA MARLING macht sich auf ihrem Konzeptalbum "Semper Femina" auf die Suche nach der Weiblichkeit.

Lateiner werden den Albumtitel sofort transkribieren können, allen anderen sei der Titel als "Immer Frau" übersetzt und der Hinweis gegeben, dass Miss Marling das Zitat des lateinischen Dichters und Epikers Vergil, welches vollständig "Varium et mutabile semper femina" lautet und eine ganz andere Bedeutung hat, nämlich "Etwas Unbeständiges und immer Veränderliches ist die Frau", für ihre Zwecke radikal kürzt und diesem somit eine gänzlich andere Bedeutung verleiht.

Darf und kann Miss Marling das?! 3 Mal JA!

Ja, denn neben der großen PJ Harvey, fällt mir im aktuellen Pop- und Rockzirkus niemand ein, der die Ausarbeitung eines musikalischen und textlichen Zusammenhangs für ein Album sorgfältiger konzipiert.  

Ja, denn neben ihrer Arbeit am neuen Album initiierte Laura Marling eine Podcast-Reihe mit dem Namen "Reversal of the Muse: An Exploration of Femininity in Creativity" mit dem selbst gestellten Auftrag die Weiblichkeit in kreativen Berufen zu Wort kommen zu lassen. Neben bekannten Persönlichkeiten wie Dolly Parton, Emmylou Harris, Karen Elson oder der Girl-Band Haim berichten auch Normalsterbliche von ihren Erfahrungen und Erlebnissen.

Ja, denn die 27-Jährige ist im Musikzirkus für ihr Alter schon viel rumgekommen. 2006 ist sie Gründungsmitglied der FolkRock-Band Noah an the Wahle, deren Sänger ihr damaliger Freund Charlie Fink ist. Charlie produziert ihr Solo-Debüt-Album "Alas, I Cannot Swim", welches 2008, zeitgleich mit dem ersten Album von Noah and the Wahle, erscheint und so erfolgreich ist, dass Laura die Band verlässt, um sich ganz auf ihre Solokarriere zu konzentrieren. Es folgen vier weitere exzellente Alben, meist Konzeptalben, mit denen Marling ihren Status als außergewöhnliche Singer/Songwriterin ausbaut.

"Super Femina" ist das sechste Album der in Grafschaft Hamsphire geborenen Britin und in musikalischer Hinsicht, das Album mit dem größten Spektrum. Natürlich ist Marling ein Kind des Folks und dementsprechend sind die Wurzeln, aus denen sie kommt in jedem der neun neuen Lieder deutlich zu hören, aber ihre feinsinnigen federleichten Arrangements flirten mehr mit Pop, Blues und Jazz als je zuvor.



Der dezent auf einer Basslinie groovende Opener "Shooting" ist ein gutes Beispiel für das dezent ausgeweitete Klangspektrum der Künstlerin. Würde diesen Song nicht Miss Marling singen - was sehr schade wäre, denn Laura ist nicht nur eine sehr gute Gitarristin, sondern auch eine virtuose Sängerin - und man stattdessen die Stimme von beispielsweise Thom Yorke oder PJ Harvey hören würde, käme kaum jemand auf den Gedanken, dass die Nummer nicht ins Repertoire dieser Künstler gehöre.

Der zweite Song des Albums, "The Valley", besticht durch filigranes Finger-Picking, einen ungewohnten Walzertakt und der so unglaublich tröstlichen Gesangsstimme, die es vermag noch süßer zu klingen als die himmlischen Streicherpassagen des Stückes. Ich habe erst vor Kurzem meine Plattensammlung um einige Joni Mitchell-Platten erweitert und stelle fest, dass obwohl einige Jahrzehnte zwischen den Künstlerinnen liegen, es doch deutliche Parallelen gibt.



Bei "Wild Fire" ist offensichtlich, dass Laura sich beim Komponieren des Stückes vom Lou Reed Klassiker "Walk on the Wild Side" inspirieren lies. Bewusst schreibe ich "inspirieren", denn die anfängliche Ähnlichkeit verfliegt schnell, da ihr das Kunststück gelingt, dem 45 Jahre alten Stück, das selbstbewusste weibliche Äquivalent entgegenzusetzen. "You can stop playing that shit out on me!"

"Don’t Pass Me By" beginnt mit einem rumpelnden und zeitweise stolpernden, höchstwahrscheinlich analogen, Drumcomputer. Dazu gesellen sich schwebende Vibrato-Gitarrenklänge und Laura singt von alten Freunden, nie zu vergessenden Melodien und der Möglichkeit oder Unmöglichkeit zu lieben. Klingt schon beim ersten Hören wie ein Klassiker und erinnert stark an die unterkühlte melancholische Note von Portishead-Platten.

Das frühlingshaft beschwingte, aber trotzdem sehr gefühlige und nachdenkliche "Always This Way" wirft einen Blick zurück auf zerbrochene Lieben, begangene Fehler ohne Bitternis, sondern mit der Gewissheit, dass es auf jeden Fall der eigene Weg war. In einer Art Sprechgesang, irgendwo zwischen Leonard Cohen und Bob Dylan, sinniert Miss Marling bei "Wild Once" über die Evolution des Einzelnen während des unaufhaltsamen Prozesses dem Älterwerden:

"It's hard if you can't change it / It's worse if you don't try / You will sit down to explain it / And you're constantly asking why / You are constantly asking why / Well, you are wild  / And you must remember / You are wild, chasing stones."

Bei "Next Time" klingt es, als wäre die akustische Gitarre in einer Endlosschleife gefangen, während um sie herum alle, natürlich im angemessenen Rahmen, improvisieren um einen schmuckvollen Songrahmen zu bilden. Schön, die kleinen angedeuteten Ausflüge ins ProRock-Land.



Der einzige, musikalisch etwas schwächere, weil sehr traditionelle Song ist "Nouel", aber vielleicht auch nur, weil Laura Marling hier den Fokus ganz bewusst auf ihre gewählten Worte legen will. Ganz im Gegenteil zum Vorgänger Song zeigt der Schlusssong des Albums "Nothing, Not Nearly" Ecken und Kanten, sogar Dissonanzen und eindeutige IndieRock-Tendenzen.

Fazit: Mit ihrem sechsten Album "Semper Femina" ist Laura Marling endlich das Meisterwerk gelungen, auf welches sie seit Jahren kontinuierlich hinarbeitet. Congratulation, it's a self-confident woman’s world and I like it!

Tracklist:
01 Soothing
02 The Valley
03 Wild Fire
04 Don’t Pass Me By
05 Always This Way
06 Wild Once
07 Next Time
08 Nouel
09 Nothing, Not Nearly

Montag, 13. März 2017

NEW SONGS Vol. 150: LEVIN GOES LIGHTLY / O'Neill ... SKATERS / In Your Head ... NICK & JUNE / Home Is Where The Heart Hurts Pt. 1 ... BRYDE / Less

LEVIN GOES LIGHTLY / O'Neill

Auch wenn seine Musik deutlich näher an Joy Divison liegt, als an David Bowie, muss man wenn man Levin Stadler, den Frontmann von LEVIN GOES LIGHTLY, sieht doch sofort an den verstorbenen David Bowie in seiner Ziggy Stardust-Inkarnation denken.

Höchstwahrscheinlich wird er die Lücke, die Bowie hinterlassen hat, nicht schließen können, aber dass das dritte Album "GA  PS" der Stuttgarter Band, zu der neben Stadler noch Mehtap Avci, Max Rieger, Paul Schwarz, Thomas Zehnle zählen, in der Lage ist Leerräume zu füllen, möchte ich definitiv behaupten. Die erste Kostprobe "O'Neill" ist jedenfalls ein ausgezeichneter Lückenfüller!

Wer noch Lücken im Plattenregal hat, sollte sich unbedingt auch das Vorgängeralbum "Neo Romantic" nach Hause holen, bevor am 28.4 das neue Album erscheint.



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SKATERS / In Your Head

Seit 2012 gibt es die aus New York kommende Band SKATERS, die 2014 mit dem Album "Manhattan" debütierte. Drei Jahre später erscheint nun mit "In Your Head" die Lead-Single vom soeben erschienenen Longplayer "Rock and Roll Bye Bye".

Singer/Songwriter des Quartetts ist Michael Ian Cummings, der Mann von dem man allerdings schon gehört haben könnte, ist Gitarrist Joshua Hubbard, der bereits für The Paddingtons und Dirty Pretty Things in die Saiten griff. Irgendwie fanden der Amerikaner Cummings und der Engländer Hubbard über den großen Teich hinweg auf einer Party zusammen. Woraufhin Hubbard beschloss, für ein paar Wochen nach New York zu gehen, um mit Cummings Musik zu machen. Beim ersten Gig wurden noch einige Pixies-Covers gespielt - deren Einfluss lässt sich auch beim neuen Album erahnen - bis das Debütalbum erschien und genügend eigenes Songmaterial vorhanden war.

"Rock and Roll Bye Bye" ist ausgereifter und vielschichtiger als das Debüt und klingt so als hätten Oasis und die Pixies gemeinsame Sache gemacht.




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NICK & JUNE / Home Is Where The Heart Hurts Pt. 1

Verträumten Folk, mit einer männlichen und einer weiblichen Stimme, die nicht besser miteinander harmonieren könnten, machen NICK & JUNE aus Nürnberg. 2012 fand man zusammen und veröffentlichte nach einer schnell ausverkauften EP, das Debüt "Flavor & Sin". Es folgten mehr als 300 Konzerte, was erklärt, weswegen es so lange dauerte, bis das zweite Album "My November My", welches am 31. März erscheint, im Kasten war.

Wer sich im letzten Jahr in das bittersüße Album "Love Letter For Fire" von Sam Beam und Jesca Hoop verliebt hat, der wird in dem mittlerweile zum Quartett gewachsenen Duo aus Franken eine neue Liebe finden. Und immer daran denken: "Home Is Where The Heart Hurts"!




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BRYDE / Less

Bisher war Sarah Howells die walisische Sängerin und Frontfrau der Paper Aeroplanes, eher im balladesken Songuniversum zu Hause. Mit ihrem neuen Projekt BRYDE lässt die Waliserin es zumindest im Song "Less" ordentlich krachen.

Die Nummer erinnert an frühe druckvolle Stücke von PJ Harvey, geht entschlossen offensiv nach vorne und ordnet sich trotzdem der unwiderstehlichen und unverkennbaren Stimme der Britin unter. Bitte mehr davon, der erste Longplayer ist überfällig! Newsletter ist abonniert.



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Donnerstag, 9. März 2017

VAGABON / Infinite Worlds [LP]

Im Song "The Embers" nennt sich Sängerin Lætitia Tamko von VAGABON einen kleinen Fisch im großen Haifischbecken. Wahrscheinlich fühlt man sich so, wenn man über Umwege von Kamerun nach New York kommt und versucht in der dortigen Musikszene Fuß zu fassen. Es war ein weiter Weg, aber mit dem Album "Infinite Worlds" dürfte das kleine Fischchen in der Verwertungkette einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht haben.


Aufgewachsen ist Lætitia Tamko in Kamerun. Als Teenager kommt sie nach Harlem in New York und wird wegen ihres kahlrasierten Schädels, der in Kamerun bei Frauen nicht ungewöhnlich ist, gemobbt. Die nächste Heimat wird Yonkers, eine 200.000 Einwohner-Stadt südlich von New York. Hier ignoriert man sie, aber hier ist es auch so provinziell, dass ihre aufblühenden Ambitionen Musik zu machen, keinen nährreichen Boden finden.



In der Highschool erhält sie endlich ihre erste Gitarre. Mit einer DVD bringt sie sich das Spielen bei und beginnt Songs zu schreiben. Dann kommt das Leben dazwischen und sie beginnt ein Ingenieurstudium. Während des Studiums ermunterte sie ein Freund, dem wir deswegen zu ewigem Dank verpflichtet sind, doch wieder Musik zu machen.

Sie veröffentlichte erste Stücke auf Bandcamp und beginnt live kleine Konzerte zu spielen. Dann ist sie reif für den nächsten Schritt. Sie sucht sich Musiker, die ihre eindringliche Stimme mit E-Gitarre und Schlagzeug nach vorne tragen können. Vagabon, eine neue IndieRock-Band aus NY, ist geboren. Eine Band? Auf der Facebook-Page von Vagabon steht unter Bandmitglieder als Information ganz selbstbewusst: Lætitia x4.

Zwar halfen bei "Infinite Worlds" einige Musiker (Casey Weissbuch, Elise Okusami, Eva Lawitts, Dominick Anfiteatro, etc.) mit, aber wie man in den Liner-Notes erfährt, steht hinter Guitars, Synths, Drums, Bass und Vocals jeweils auch Lætitia Tamko, was dafür spricht, dass Lætitia (noch) nicht bereit ist, ihre Musik in andere Hände zu legen. Ob das gut oder schlecht ist? Es spricht auf jeden Fall dafür, dass sie sich mit ihren Songs sehr identifiziert und solange wie möglich alle Fäden in der Hand behalten möchte.

Das acht Stücke enthaltende Debütalbum beginnt mit "The Embers", einem Song, der in seiner Art sehr an die letztjährigen IndieRock-Abräumer Big Thief und Mothers erinnert. Ein ähnliche Stimme, ähnlich an- und abschwellend schrammelnde Gitarren und ähnlich offene persönliche Lyrics. Genau der IndieRock also, den wie hier gerne mit "Very fein" betiteln.



"Fear & Force " ist zärtlicher als der Opener. Die Gitarre zahm, die Stimme warm, die Beats tief und die Handclaps wohl dosiert. Zerbrechlich wäre der falsche Ausdruck, denn trotz aller Harmonie klingt nicht erst, wenn der Song gegen Ende Fahrt aufnimmt, Stärke und Kraft durch.

Der dritte Streich "Minneapolis" ist dafür gemacht, in der Indie-Disco Bewegung zu erzeugen. Die Gitarren scheinen freien Lauf zu haben, das Schlagzeug darf ungestüm loslegen und die Breaks zwischendurch verschaffen kurze sinnige Verschnaufpausen. Ich will es noch mal ganz explizit ausdrücken: GrandioseNummer!



Und nun? Genrewechsel? Es blubbert und plätschert der Synthi. Keine echten Vocals bei "Mal à L'aise ", sondern Stimmen aus der Echo-Kammer. Entfaltet meditative Wirkung wie eine große Marihuana-Wolke. Aber der Titel des Stückes bedeutet soviel wie "unbehaglich"? Mag dem ein oder anderen IndieRock-Fan so gehen, ich kann mich darin aber sehr gut einrichten.

Dann wird es bei "100 Years" aber wieder für alle Rockfans behaglich. Man lausche den unter stromgesetzten Gitarren und einem Schlagzeuger, der die Felle mit Inbrunst bearbeitet. Danach wieder Luftholen bei der anfangs akustischen Ballade "Cleaning House", bei der das scheppernde Schlagzeug dafür sorgt, dass es keine Folkballade wird, die man schon x-mal in ähnlicher Weise gehört hat. Schon wieder alles richtig gemacht Miss Tamko.

Für alle Melancholiker wird die Uptempo-Ballade "Cold Apartment " ein Stammgast in der Blue-Playlist bekommen. Da kann man doch wunderbar mitfühlen und den ganzen Scheiß hinaus in die Welt schreien - natürlich nicht so gefühlvoll wie Lætitia Tamko, aber was raus muss, muss raus.

Der leider schon letzte Song ist "Alive and a Well". Eine Gitarre, eine Stimme und das Ende einer sehr schönen unendlichen Welt. Machen wir unsere Zukunft doch einfach selbst!

"I would change my hair / I’d grow taller / I’d live everywhere that I love / I’d stand strong / My feet will drag on / And my odor will linger / It is something they will long for / I will make a home that is my own / If I move around, I know it won’t be for a while."

Tracklist:
01 The Embers
02 Fear & Force
03 Minneapolis
04 Mal à L'aise
05 100 Years
06 Cleaning House
07 Cold Apartment
08 Alive and a Well

Montag, 6. März 2017

NEW SONGS Vol. 149: POND / Sweep Me Off My Feet ... JEREMY TUPLIN / Where The Lights End ... TALL TALL TREES / Being There ... OSCAR MIC / Loop Hop


POND / Sweep Me Off My Feet

Bandleader Nick Allbrook hat bei seiner alten Band Tame Impala angeklingelt und deren Mastermind Kevin Parker gebeten, die neue Single der Australier zu produzieren. Parker sagte ja, befand sich allerdings wohl noch in der Psychedelic-Bee Gees-Phase vom 2015er Albums "Currents", weswegen POND sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen muss, auf der gleichen Welle zu reiten.

Verstehen wir und nicht falsch, Pond und Tame Impala haben schon immer Schnittstellen, aber Pond war bisher immer die ungebremstere Variante und diese Attitüde haben sie bei "Sweep me off my feet" verloren. Trotzdem ist die Nummer natürlich ein Sahneschnittchen, aber halt eines von einer anderen Torte.




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JEREMY TUPLIN / Where The Lights End

Eigentlich sollte man ja meinen, irgendwann gebe es nichts Neues mehr in der Musik. Gibt es noch irgendein Musikgenre, welches nicht mit einem anderen angebandelt hat? Man kann lange darüber grübeln, aber ganz sicher wird man eher spät auf die Verbindung von Folkmusik und Spaceklängen kommen.

Ein Herr mit tiefer Stimme aus London, auf den Namen JEREMY TUPLIN hörend, wagt auf seinem schwer melancholisch und doch luftig leichten Song "Where The Lights End" genau diesen Spagat - und es gelingt!  Im Song geht es einerseits um eine Reise in den Weltraum und andererseits um das Ende einer Beziehung - ziemlich genial durch den Songtitel verknüpft.

Ob das in diesem Jahr noch erscheinende Debütalbum "I Dreamt I Was An Astronaut", wie der Titel bereits mutmaßen lässt, auch auf Albumlänge den Spagat wagt, wird sich zeigen. Houston, I'm in love.




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TALL TALL TREES / Being There

Was Andrew Bird die Geige, ist Mike Savino, dem Mann hinter TALL TALL TREES, das Banjo.

Was der New Yorker aus diesem eigentlich nicht wirklich hippen Instrument herausholt, ist hypermodern, weil bisher nie gehört. Seine selbstentwickelte musikalische Wunderwaffe, die mit elektronischen Effekten und Spielereien wahrlich nicht geizt, nennt er Banjotron 5000, seine Musik nenne ich jetzt einfach mal hymnisch hypnotischen BanElecTrONFolk.

Sein erstes Solo-Album "Freedays", auf dem auch die famose Nummer "Being There" zu finden ist, wurde am 17.02. auf Joyful Noise Recording veröffentlicht - sehr passender Labelname für diesen Künstler.




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OSCAR MIC / Loop Hop

Wer zur Hölle ist OSCAR MIC? Ein unehelicher Sohn der Beastie Boys? Sein visuelles Erscheinungsbild lässt allerdings eher auf den Sohn von Dieter Meier und Boris Blank von Yello tippen ;-). Mmmmh. Oder vieleicht die einst von Kraftwerk ausgerufene Mensch-Maschine??

Versuchen wir es mit einer Annäherung: Oscar Mic gibt auf Twitter als Wohnort Hackney, London an. Bisher stehen dort ausbaufähige 4 "gefällt mir"-Angaben und 26 Follower. Auf Soundcloud, wo man immerhin sechs Songs des Künstlers anhören kann, sind es schwachbrüstige 8 Follower.
Als Beschreibung kann man dort lesen: "One man. One guitar. A bag full of guitar pedals and percussion and a mouth like an 808".

In der Mail, mit dem nicht gerade marktschreierischen Betreff  "Oscar Mic song and video for submission", die mich erreicht hat, steht, dass Oscar Mic im wirklichen Leben Seamus Hayes heißt und er seine Musik umschreibt als: "WOPBOPALOOBOPALOPBOOMBIP". Der Track "Loop Hoop", der nur auf Vocal-Loops und Rap aufgebaut ist, wird demnach die erste offizielle Single und erscheint am 17. April. Wer wie ich nach der Nummer nicht genug von Oscar bekommen kann, der darf sich auf Soundcloud die anderen fünf Stücke ebenfalls zu Gemüte ziehen - und wird sicher genauso hingerissen sein!




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Freitag, 3. März 2017

QUICK & DIRTY: KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD / Flying Microtonal Banana

Published: 24.02.2017
Label: Heavenly Recordings
Genre: Psychedelic, Psychedelic Rock, Acid Rock
Country: Melbourne, Australia

 


Members:
Stu Mackenzie, Ambrose Kenny Smith, Joey Walker, Cook Craig, Lucas Skinner, Eric Moore, Michael Cavanagh



Kurztrips werden ja in Zeiten von Billig-Airlines immer beliebter. Aber selbst der billigste Billigflieger wird das Angebot der australischen Band KING GIZZARD & THE LIZARD WIZARD für einen 41:53 Minuten langen Trip nach Indien nicht unterbieten können.

Das man mit dem Septett aus Melbourne toll fliegen kann, hat die Band seit ihrer Gründung im Jahre 2010 auf bereits acht Alben eindrucksvoll bewiesen. Kein Zuschlag für Gepäck oder Speisen, einfach ganz entspannt in den eigenen vier Wänden, oder natürlich bei Freunden, verreisen. ABER, einen so durchgehenden Höhenflug wie mit der fliegenden Banane gab es bisher noch nicht.



Ein kurzes Rauschen, dann steigt der Psychedelic-Düsenjet mit dem ersten Song "Rattlesnake" sekundenschnell in die Höhe und hält den Kurs stringent, bis nach neuen Stücken mit dem Titelstück des Albums "Flying Microtonal Banana" sanft zur Landung angesetzt wird. Dazwischen keine Probleme mit Druck auf den Ohren, mörderischer Beinfreiheit oder pappigen Lebensmitteln, sondern ein Rausch aus Samba-Rhythmen, mittelalterlichen Klängen, gigantischen Schlagzeug-Erruptionen, verkappten Dudelsack-Attacken, unbändigen Synthischleifen und alles gespielt auf mikrotonaloptimierten Instrumenten.



Und zum Schluss die Nachricht, die alle Passagiere nichts anderes als ein "What the F***?" entlocken kann: Die Band beliebt in diesem Jahr 5 (!!!!!) Alben zu veröffentlichen. Da heißt es dann wohl für alle Vielflieger den Platz für das Psychedelic-Genre in der Vinyl-Sammlung zu verbreitern. Und wer das Vinyl dann auch noch in den vielen unterschiedlichen Farben will ... ;-).

Tracklist:
01 Rattlesnake
02 Melting
03 Open Water
04 Sleep Drifter
05 Billabong Valley
06 Anoxia
07 Doom City
08 Nuclear Fusion
09 Flying Microtonal Banana

Mittwoch, 1. März 2017

NEW SONGS Vol. 148: ANDY WARD / Drinks & Money ... LOUIS BERRY / She Wants Me ... ALDOUS HARDING / Horizon ... mESMO / Relief


ANDY WARD / Drinks & Money

Letztes Jahr war ich mit den Neuerscheinungen in der elektronischen Musik bis auf wenige Ausnahmen relativ unglücklich. Am 13. Februar 2017 bekam ich eine Mail, dass der in Brisbane lebende Künstler ANDY WARD, kurz vor Ende des letzten Jahres in Australien den Song "Drinks&Money" als Debüt veröffentlichte und nun der dazugehörige Clip abzurufen sei. Klick.

Nicht nur die ersten Klänge erinnern an James Blake, sondern auch die Biografie des Musikers, der wie Blake, als klassischer Musiker (Violinist) ausgebildet wurde. Aber im Gegensatz zu Blake traut sich Ward bei seinen pulsierenden Electro-Balladen auch mal richtig ein elektronisches Feuerwerk abzuschießen und man erahnt sogar einen Hauch Dirtyness.

"Drinks&Moneys" hat eine wunderbar anschwellende Dramatik und wird aus meiner aktuellen Playlist so schnell nicht mehr verschwinden. Für alle, die den Song am Rechner hören: unbedingt über eine fette Anlage und sehr sehr laut hören. Bisher gibt es den Song nur über Bandcamp zum selbst gewählten Preis.



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LOUIS BERRY / She Wants Me

Der dritte Heißmacher auf den hoffentlich endlich bald mal erscheinenden ersten Longplayer des Mannes aus Manchester mit der Raspelstimme. Noch gibt es keinen Erscheinungstermin, aber die Mitteilung, dass es 2017 passieren wird und dass Berry zurzeit sowohl in London als auch in Nashville an dem Debütabum arbeitet.

Die britische Musikpresse zündet mal wieder eine gewaltige Hype-Rakete und so sollte man vorsichtig sein, was man alles über ihn liest. Glauben darf man allerdings, dass LOUIS BERRY einiges auf den Kasten hat. Listen!





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ALDOUS HARDING / Horizon

Beim Rolling Stone Weekender 2016 stand die Neuseeländerin ALDOUS HARDING auf der kleinsten Bühne des Festivals und verzauberte mit ihrer Performance das ganze Publikum. Auch den jetzt als ersten Song vom neuen Album vorgestellten Song "Horizon" spielte sie damals.

Mittlerweile ist Harding beim renommierten 4AD-Label untergekommen und dieses lässt über die Presserabteilung verlauten, dass das Label-Debüt in Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten Produzenten John Parish (PJ Harvey, Eels, Sparklehorse) umgesetzt wird. Welch frohe Botschaft, denn damit dürfte sichergestellt sein, dass Aldous ihren sehr eigenen verstörenden Charme behält.

Die ganz in weiß gekleidete Dame, die im dramatischen Song "Horizon" im Clip bei einer Art Aikido-Performance zu sehen ist, ist übrigens die Mutter der Künstlerin.




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mESMO / Relief

mESMO ist kein Kunstwort, sondern portugiesisch und bedeutet "Das Gleiche". Das Debüt von  mESMO erscheint demnächst auf Staatsakt. Also deutschsprachig? Zumindest nicht die erste, ziemlich bezaubernde, Vorab-Single "Relief".

Man hört zwar dem Sänger (Nicolai von Schweder-Schreiner) recht deutlich an, dass englisch nicht seine Muttersprache ist, aber das gibt dem herrlich pathetischen Song nur zusätzliche einen besonderen Charme.

Sänger ist in diesem Falle aber nicht Bandmitglied, sondern Gast, denn hinter mESMO stecken Vredeber Albrecht und Lars Precht, die Anhänger der Hamburger Schule sicher sofort als Bandmitglieder von Blumfeld identifizieren. Die beiden langlährigen musikalischen Weggefährten haben für ihr aktuelles Studio-Projekt "The Same Inside", welches am 31.3 erscheint, zahlreiche Freunde ins Studio eingeladen und so darf man sich u. a. auf  Dirk Von Lowtzow (Tocotronic) und Jens Friebe freuen und auf eine Cover-Version vom großartigen "Wichita Lineman", das Conor J. O’Brien (Villagers) auf "Where Have You Been All My Life?" im letzten Jahr schon erfolgreich reanimierte.





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