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Donnerstag, 9. März 2017

VAGABON / Infinite Worlds [LP]

Im Song "The Embers" nennt sich Sängerin Lætitia Tamko von VAGABON einen kleinen Fisch im großen Haifischbecken. Wahrscheinlich fühlt man sich so, wenn man über Umwege von Kamerun nach New York kommt und versucht in der dortigen Musikszene Fuß zu fassen. Es war ein weiter Weg, aber mit dem Album "Infinite Worlds" dürfte das kleine Fischchen in der Verwertungkette einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht haben.


Aufgewachsen ist Lætitia Tamko in Kamerun. Als Teenager kommt sie nach Harlem in New York und wird wegen ihres kahlrasierten Schädels, der in Kamerun bei Frauen nicht ungewöhnlich ist, gemobbt. Die nächste Heimat wird Yonkers, eine 200.000 Einwohner-Stadt südlich von New York. Hier ignoriert man sie, aber hier ist es auch so provinziell, dass ihre aufblühenden Ambitionen Musik zu machen, keinen nährreichen Boden finden.



In der Highschool erhält sie endlich ihre erste Gitarre. Mit einer DVD bringt sie sich das Spielen bei und beginnt Songs zu schreiben. Dann kommt das Leben dazwischen und sie beginnt ein Ingenieurstudium. Während des Studiums ermunterte sie ein Freund, dem wir deswegen zu ewigem Dank verpflichtet sind, doch wieder Musik zu machen.

Sie veröffentlichte erste Stücke auf Bandcamp und beginnt live kleine Konzerte zu spielen. Dann ist sie reif für den nächsten Schritt. Sie sucht sich Musiker, die ihre eindringliche Stimme mit E-Gitarre und Schlagzeug nach vorne tragen können. Vagabon, eine neue IndieRock-Band aus NY, ist geboren. Eine Band? Auf der Facebook-Page von Vagabon steht unter Bandmitglieder als Information ganz selbstbewusst: Lætitia x4.

Zwar halfen bei "Infinite Worlds" einige Musiker (Casey Weissbuch, Elise Okusami, Eva Lawitts, Dominick Anfiteatro, etc.) mit, aber wie man in den Liner-Notes erfährt, steht hinter Guitars, Synths, Drums, Bass und Vocals jeweils auch Lætitia Tamko, was dafür spricht, dass Lætitia (noch) nicht bereit ist, ihre Musik in andere Hände zu legen. Ob das gut oder schlecht ist? Es spricht auf jeden Fall dafür, dass sie sich mit ihren Songs sehr identifiziert und solange wie möglich alle Fäden in der Hand behalten möchte.

Das acht Stücke enthaltende Debütalbum beginnt mit "The Embers", einem Song, der in seiner Art sehr an die letztjährigen IndieRock-Abräumer Big Thief und Mothers erinnert. Ein ähnliche Stimme, ähnlich an- und abschwellend schrammelnde Gitarren und ähnlich offene persönliche Lyrics. Genau der IndieRock also, den wie hier gerne mit "Very fein" betiteln.



"Fear & Force " ist zärtlicher als der Opener. Die Gitarre zahm, die Stimme warm, die Beats tief und die Handclaps wohl dosiert. Zerbrechlich wäre der falsche Ausdruck, denn trotz aller Harmonie klingt nicht erst, wenn der Song gegen Ende Fahrt aufnimmt, Stärke und Kraft durch.

Der dritte Streich "Minneapolis" ist dafür gemacht, in der Indie-Disco Bewegung zu erzeugen. Die Gitarren scheinen freien Lauf zu haben, das Schlagzeug darf ungestüm loslegen und die Breaks zwischendurch verschaffen kurze sinnige Verschnaufpausen. Ich will es noch mal ganz explizit ausdrücken: GrandioseNummer!



Und nun? Genrewechsel? Es blubbert und plätschert der Synthi. Keine echten Vocals bei "Mal à L'aise ", sondern Stimmen aus der Echo-Kammer. Entfaltet meditative Wirkung wie eine große Marihuana-Wolke. Aber der Titel des Stückes bedeutet soviel wie "unbehaglich"? Mag dem ein oder anderen IndieRock-Fan so gehen, ich kann mich darin aber sehr gut einrichten.

Dann wird es bei "100 Years" aber wieder für alle Rockfans behaglich. Man lausche den unter stromgesetzten Gitarren und einem Schlagzeuger, der die Felle mit Inbrunst bearbeitet. Danach wieder Luftholen bei der anfangs akustischen Ballade "Cleaning House", bei der das scheppernde Schlagzeug dafür sorgt, dass es keine Folkballade wird, die man schon x-mal in ähnlicher Weise gehört hat. Schon wieder alles richtig gemacht Miss Tamko.

Für alle Melancholiker wird die Uptempo-Ballade "Cold Apartment " ein Stammgast in der Blue-Playlist bekommen. Da kann man doch wunderbar mitfühlen und den ganzen Scheiß hinaus in die Welt schreien - natürlich nicht so gefühlvoll wie Lætitia Tamko, aber was raus muss, muss raus.

Der leider schon letzte Song ist "Alive and a Well". Eine Gitarre, eine Stimme und das Ende einer sehr schönen unendlichen Welt. Machen wir unsere Zukunft doch einfach selbst!

"I would change my hair / I’d grow taller / I’d live everywhere that I love / I’d stand strong / My feet will drag on / And my odor will linger / It is something they will long for / I will make a home that is my own / If I move around, I know it won’t be for a while."

Tracklist:
01 The Embers
02 Fear & Force
03 Minneapolis
04 Mal à L'aise
05 100 Years
06 Cleaning House
07 Cold Apartment
08 Alive and a Well

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