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Donnerstag, 21. September 2017

JORDAN RAKEI / Wallflower [Review]

Ein guter Eröffnungssong für ein Album ist für mich als Vinylhörer auch in den schnelllebigen Zeiten von MP3-Files, wo man ein Album in seine Filetstückchen zerlegen kann,  von immenser Wichtigkeit. "Eye To Eye", der Einstiegssong vom neuen Album des gebürtigen Neuseeländers JORDAN RAKEI ist ein perfekte Albumeröffnung.


Eine sanft - man möchte es schier als dahinplätschernd bezeichnen - akustische Gitarre, eine glasklare Soulstimme, die sich um sich selbst rankt, sind fast zwei Minuten lang in sich verschmolzen, ehe ein jazzig groovender Beat einsetzt und den Song immer mehr auftürmt. Eine Wolkenburg, ein Gigant, der bei mir genau das bewirkt, was er soll: Ich bin gefesselt.

Das zweite Stück, "May" beginnt James Blake-arti. Maschinenraumgeräusche, Pianoklänge, ein sich allmählich herausschällender Marschrhythmus, zu dem sich flirrende Keys gesellen und über all dem schwebt die warme Soulstimme Jordans. Wenn da mal nicht ein neuer großer Emotionenfreileger am Sehnsuchtshimmel aufgeht.

"Sorceress" war die erste Singleauskopplung, feine Soulnummer mit viel Jazz-Anleihen und viel Vocal-Schichten, aber eigentlich fast ein bisschen feige von der Plattenfirma (oder vom Künstler?) mit diesem Stück auf das Mauerblümchen (=Wallflower) aufmerksam machen zu wollen. Andererseits ist es ja oft so, dass die unscheinbaren Mauerblümchen gar nicht so unscheinbar sind wie man anfangs annimmt.



Wo Soul ist, ist Funk meist nicht weit. Bei "Nerve" groovt der 25-Jährige leichtfüssig mit einer funky Guitar - gespielt von Dave Okumu - um die Wette und stellt dann peu à peu ein ganzes Streicherorchester in den Hintergund. Ebenso groovig, aber etwas geschmeidiger, ist die etwas traditonellere Nummer "Goodbyes". Nach dem vierten Stück stelle ich fest, dass mich Jordan mit seiner Stimme und seinem Sound sehr an Omar erinnert, der Mitter der 80er mit der AcidJazz-Welle aus Großbritannien angespült wurde, obwohl er eigentlich als Vertreter des NeoSoul stand.



Neben "Eye To Eye", der innovativste Song auf "Wallflower" ist meiner Meinung nach "Clues Blues". Rakei experimentiert mit Ska, Reggae und Dub, setzt Posaunen und Saxophon ein, um zu erzählen wie man es am besten anstellt, dass das eigene Ego die volle Kontrolle darüber übernehmen kann, wie man sich in seinem Leben anstellt und wie man es wahrnimmt.

Wie er im Pressetext zum Album erläutert, hat seine Entscheidung Brisbane - bereits mit 3 Jahren zog Jordan von Neuseeland nach Australien - zu verlassen und nach London zu ziehen, wo er nun seit 2015 lebt, nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben komplett verändert. Diese Erfahrung, tausende Kilometer enfernt von der Heimat und bisherigen Freunden sind die hauptsächliche Inspirationsquelle für "Wallflower" und auch für den "Clues Blues".

Bei "Chemical Coincidence" pulsiert der holprige Beat und der Multiinstumentalist (er schreibt, singt und spielt die meisten Instrumente auf seinen Platten selbst ein) streut dezente Space-Sound-Effekte ein, besonders schön das Orgel-Intermezzo und die sanfte Tempoverschärfung ab ca. 2:30. ScieneFiction-Jazz mit viel Soul - "Carnation" kommt auch mit auf den sternefunkelnden Space-Trip.

Mit dezenten, in den temporär schlurfenden Beat eingebetteten Handclaps sowie gospelartigen Chorpassagen kleidet Rakei den Song "Lucid", den man guten Tänzern sicher auch als progressiven Flamengo unterjubeln kann. Das vorletzte Stück "Hiding Place" erinnert wieder an die eingangs erwähnte britische Heulsuse Blake: Tiefe Molltöne, Voice-Sampling, Geräusche aus dem Maschinenpark und viel Melancholie.

Beim letzten Stück schweigt der Maschinenpark anfangs gänzlich, nur die akustische Gitarre und Rakeis Stimme eröffnen den dem Album den Titel gebenden letzten Track "Wallflower". Hypnotische Nummer mit Guest-Vocals von Kaya Thomas-Dyke.

Keine Frage, was sich auf dem 2016er Album "Cloak" angedeutet hat, ist nun eingetreten,  Jordan Rakei ist einer der elegantesten und vielversprechendsten Musiker dieser Tage, dem es vielleicht sogar, - sowie Kendrick Lamar beim HipHop - gelingt, den Soul auf eine neue Ebene zu heben. Die Voraussetzungen, die musikalischen Fertigkeiten und die Reife dafür hat er mit seinen 25 Lenzen bereits. Vielleicht wird aus dem Mauerblümchen, das am 22. September auf Ninja Tune erscheint, ja ein prächtiges Rosengewächs ;-)

Und noch ein Goodie vom Debüt-Album:


Tracklist:
01 Eye To Eye
02 May
03 Sorceress
04 Nerve
05 Goodbyes
06 Clues Blues
07 Chemical Coincidence
08 Carnation
09 Lucid
10 Hiding Place
11 Wallflower ft. Kaya Thomas-Dyke



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