Oft wird die Musik von Bill Callahan als Low-Fi bezeichnet, aber eigentlich führt diese Beschreibung bei Callahans Musik in die Irre. Callahan macht reduzierte, ja karge Musik, aber in Hi-Fi-Qualität. Melodien schälen sich nur langsam aus den Songstrukturen und gerne auch nur bei genauerem Hinhören. Ein bisschen ist es mit der Callahanschen Musik wie mit impressionistischer Kunst, wo Formen zu Flächen verschwimmen und mit wenigen skizzenhaften Pinselstrichen Realitäten eindrucksvoll in Szene gesetzt werden.
Am 14ten Februar startete Callahan, der einst als Smog seine Karriere begann, seine Deutschlandtour zum exzellenten Album "Dream River" in der Kulturkirche in Köln-Nippes. Wahrlich ein Ort wie geschaffen für die ätherische Klangmalerei des Mannes mit der tiefen warmen Stimme. Man stelle sich vor, David Beckham hätte statt seiner Piepsstimme diesen Bariton, dann wäre er wahrscheinlich für ganze Jahrzehnte als "Sexiest Man Alive" gesetzt. Aber vom Unterhosen-Model-Fußballer zurück zur Kunst des Mannes aus Texas.
Wie gewohnt startet das Konzert in der ausverkauften Kulturkirche pünktlich. Ebenfalls wie gewohnt und liebgewonnen, findet der Herr des Hauses die richtigen Worte, um den schottischen Singer/Songwriter Alasdair Roberts als Support für Bill Callahan anzukündigen.
Mr. Roberts ist ein klassischer Geschichtenerzähler, aber leider fällt es mir etwas schwer, dem Schotten zuzuhören, was vielleicht am Akzent, aber vielleicht auch an meinem niedrigen Konzentrationslevel nach einer ziemlich stressigen Arbeitswoche liegt. Fest steht aber, der Herr von der Insel ist sehr sympathisch - auch wegen seiner charmanten, auf deutsch vorgetragenen Konversation mit dem Publikum. Die Songs sind nicht sehr variabel und auch keine Innovation, aber gutes musikalisches Handwerk will auch gelernt sein.
Nach einer - für Raucher zu kurzen - Pause betritt Callahan die Bühne. Seine Mitmusiker an Schlagzeug, Bass und Gitarre sitzen, nur Bill steht mit geschulderter Gitarre im T-Shirt und in spärlich aber atmosphärischer Ausleuchtung auf dem Podium.
Ohne große Worte eröffnet er das Konzert mit einem der stärksten Songs auf "Dream River". "The Sing" ist eine Hommage an den einsamen Wolf an der Hotelbar. Nie wurden die Worte "Beer" und "Drinking" eindringlicher in einem Song zu Gehör gebracht. Seine ironische Ader unterstreicht Callahan bei der Wahl dieses Titels als Einstiegssong, enthält "The Sing" doch auch folgende für die Kulturkirche sehr passenden Zeilen: "Giving praise in a quiet way. Like a church, like a church, like a church that’s far away."
Anschließend folgt mit "Javelin Unlanding" meine Lieblingsnummer vom letzten Album, was aber auch bedeutet, dass die beiden eingängigsten Songs bereits hinter uns liegen und es nun Kost gibt, die nicht so einfach zu verdauen ist - übrigens exakt wie die Titelfolge auf dem Album.
Spätestens nach "Small Plane" wird klar, dass hier ein auf Perfektionismus abzielendes Konzert stattfindet. Jede Note sitzt! Der Bariton brummt perfekt! Würde man die Songs von CD parallel zu den live dargebotenen Liedern einspielen, würde man es wahrscheinlich kaum bemerken.Wenn ich also was an dem Konzert unbedingt kritisieren muss, dann diese absolute Perfektion, aber vielleicht hängt mir auch nur noch das Babyshambles-Konzert vor einigen Wochen nach ;-).
Großer Jubel brandet auf, als Callahan die Mundharmonika umschnallt und mit "America" den ersten Song vom Erfolgsalbum "Apocalypse" aus dem Jahr 2011 anstimmt. Ein großartiger kraftvoller Song, bei dem Bill sein zwiespältiges Verhältnis zu seinem Heimatland in wenige aber sehr treffende Wort kleidet - erinnert mich inhaltlich immer wieder an Morrisseys "Irish Blood, English Heart".
Live etwas kräftezehrend ist die gefühlt 15 Minuten Lange Nummer "One Fine Morning", jetzt wünsche ich mir zum ersten Mal an diesem Abend, dass die Bestuhlung in der Kirche geblieben wäre und ich wohlig zurückgelehnt mein Kölsch an der Gebetsbuchablage einklinken könnte.
"Spring" erhöht den Kuschelfaktor unter den Valentinstagspärchen. Passt ja auch schön "And all I want to do is to make love to you". Von der Instrumentierung erinnert mich der Song live mit seiner Rhythmik und den Gitarren-Parts vehement an einen Santana-Song unter Valiumeinfluß - schön!
Nach den Songs "Dover" und "Ride my Arrow" spielt Callahan mit seiner formidablen Band eine sehr einfühlsame Coverversion des 1984 verstorbenen Rhythm-and-Blues-Sängers Percy Mayfield. Selbstverständlich wird aus "Please Send Me Someone to Love" eine typische Callahan-Nummer - auch in Bezug auf die Länge ;-)!
Mit dem seltsam schlurfenden, stets das Tempo verschleppenden "Seagull" und dem träumerischen "Winter Road" beendet Callahan den Hauptteil eines stets erhabenen Konzertes. Aber natürlich brandet sofort tosender Applaus und Zugaberufe auf und die Band erscheint in Kürze wieder auf der Bühne.
Die Zugabe erfreut mich ganz besonders, da Callahan einen meiner Favoriten-Songs, "Dress Sexy at My Funeral" aus seinem Back-Katalog als Smog singt und wie kann dieser Abend schöner enden als mit "Too Many Birds". Wie sagte ein weiser Mann: "Jede gute Band hat mindestens einen Song über Vögel in ihrem Repertoire!" Beweise unter Birdsongs.
Ö ... Schade nur, das "Free's" nicht gespielt wurde :-(
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SETLIST:
"The Sing"
"Javelin Unlanding"
"Small Plane"
"America!"
"One Fine Morning"
"Spring"
"Drover"
"Ride My Arrow"
"Please Send Me Someone to Love" (Percy Mayfield cover)
"Seagull"
"Winter Road"
Zugabe:
"Dress Sexy at My Funeral"
"Too Many Birds"
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