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Montag, 27. November 2017
Donnerstag, 23. November 2017
NEW SONGS Vol. 169: SKYE WALLACE / Scarlet Fever ... LIZA ANNE / Paranoia ... BERMUDA ANGELS / I Should Be Shot ... A SHADOW OF JAGUAR / Don't Want To Die Here
Damit keine Missverständnisse entstehen, wird auf der Homepage der Kanadierin mit einem Statement direkt klar gemacht, in welcher Sache SKYE WALLACE seit 2013 unterwegs ist: „FolkRock with Shades of Punk“.
Ihr drittes und bisher letztes Album "Something Wicked" erschien im Oktober 2016 und sorgte rund um ihre Heimatstadt Toronto für Furore. Das nigelnagelneue Stück "Scarlet Fever" ist auf jeden Fall in der Lage ihre Fan-Base auch über die kanadischen Grenzen hinaus zu erweitern. Ordentliches PowerPop-Stück mit nur noch wenigen Folkanklängen.
Inhaltlich geht es um eine Liebesgeschichte in Yukon: "Nach dem Winter kommt Scarlet mit dem Boot im Hafen von Dawson City an und ihr Geliebter wartet am Land, versteinert vor Ungewissheit über den Stand ihrer Liebe" Seufz.
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"Paranoia" ist die aktuelle Single von Liza Anne Odachowski aus Nashville, die unter ihren beiden Vornamen LIZA ANNE im Pop- und Rockzirkus mitspielt. "Paranoia" ist ein psychedelischer Popsong, der sich langsam aufbäumt und in einen fluffigen, dezent verzerrten Refrain mündet. Der Song erzählt von Angststörungenund passt somit zum Sound.
Im Januar 2014 veröffentliche Liza Anne ihr Debüt-Album "One" und ein Jahr später das selbst veröffentlichte Durchbruchsalbum "Two", das bislang über 20 Millionen Mal gestreamt wurde. "Paranoia" ist der erste Vorbote des neuen Albums, welches im Frühjahr 2018 erscheinen soll - ich tippe mal, es wird "Three" heißen ;-)..
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Am 20.10 erschien das zweite, selbstbetitelte Album der BERMUDA ANGELS aus New York. Das Duo besteht aus dem Paar Bermuda Jones und Sophie Kadow, die sich verliebten und dann machten, was man so macht, wenn man sich gefunden hat – sie schrieben ein Album ;-).
"I Should Be Shot" ist ein düsterer Track, bei dem Sophie klingt, als wäre, nicht gut Kirschen mit ihr essen. Die Keys schneiden, die Gitarre klirrt und im Video zum Song schaut es aus, als wäre Miss Kadow die ideale Besetzung für Teil Fünf von "Der Exorzist". Schaurig, aber schön!
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Rock 'n' Roll ist doch am schönsten, wenn er roh und mit Leidenschaft zelebriert wird, wenn dann auch noch das Songwriting stimmt, macht er so viel Spaß wie bei "Don't Want To Die Here" von A SHADOW OF JAGUAR aus Colorado.
A Shadow Of Jaguar sind Brian Hubbert (Vocals, Bass, Slide Gitarre) und Andrew Oakley (Schlagzeug), die Anfang 2015 damit begannen Musik zu machen. "Raw" nennt sich das Debütalbum der Duos, das die mittlerweile in New York lebenden Herren im Oktober 2017 an den Start brachten.
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Mittwoch, 22. November 2017
EGIL OLSEN Made My Day! You And Me Against The World!
EGIL OLSEN
Homepage: http://www.egilolsen.com/
From: Ørsta, Norway
Seit 2002 zählt der nerdige Singer/Songwriter, der nebenbei auch als Cartoonist arbeitet, zu den kreativsten Künstlern seiner norwegischen Heimat. Sein neues Album "You and Me Against the World" ist voll mit exzentrischen kleinen und großen Popsongs. Der Titelsong des Albums stellt das Motto des Albums vor: unzerstörbare Liebe in einer immer mehr aus den Fugen geratenen Welt. Ja, der Herr Olsen ist eben auch noch ein großer Romatiker! MADE MY DAY!
Montag, 20. November 2017
GOOD BOY Made My Day! Fishing With A Shotgun!
GOOD BOY
Homepage: http://www.goodboy.band/
From: Brisbane, Australia
Als ich den Song "Fishing With A Shotgun" zum ersten Mal hörte, war ich absolut sicher, dass ich da, ein neues Stück von den verehrten Parquet Courts vernehme, aber denkste, es handelt sich um ein Trio aus Brisbane, welches sich schlicht GOOD BOY nennt. Soeben haben die Australier iher erste EP "Shirk Life" auf Bandcamp veröffentlicht, auf dem die Parallelen zur Band aus New York noch mehr zutage treten. Sänger Tom Lindeman rotzt die Vocals aber wirklich genauso schön aus wie Herr Savage! Gute Jungs! MADE MY DAY!
Freitag, 17. November 2017
THE WEATHER STATION / The Weather Station [Review]
Schon das Cover von Tamara Lindemans viertem Album, welches sie mit ihrer Band THE WEATHER STATION erstmals schlicht unter dem Bandnamen veröffentlicht, scheint zu sagen "Schau mich an, ich habe nichts zu verbergen." Und tatsächlich stimmen Verpackung und Inhalt überein. Dieses Album ist intim und verzichtet auf Dekoration.
2006 wurde die Band von der Singer/Songwritering in Toronto (Kanada) gegründet und seitdem hat sich die Bandbesetzung um Lindeman mehrfach verändert. Für das neue Album, welches laut Lindeman etwas rockiger als die letzten Alben werden sollte, stehen neben der Bandgründerin nun Ben Whiteley am Bass, Adrian Cook an der Pedal Steel Gitarre und Ian Kehoe hinter dem Schlagzeug. Ein radikaler Bruch zum vorherigen Album "Loyality" ist es nicht geworden, aber ein insgesamt breiteres musikalisches Spektrum darf man dem neuen Album auf jeden Fall attestieren.
Bereits der Auftaktsong "Free" zeugt von der neuen Vielfalt in der Musik von The Weather Station. Die Gitarre darf so tun als wollte sie gleich richtig loslegen, darf sie eigentlich aber doch nicht, denn die an Joni Mitchell erinnernde Stimme Lindemans bildet wie immer den Fokus. Nur ganz am Ende des Songs, macht die Sängerin platzt, für Klavier- und Streicherklänge. "Thirty" ist eine Uptempo-Nummer mit staubigem Western-Flair und psychedelischen Flöten, zu der es sich bestimmt wunderbar im Galopp durch weite Prärien reiten lässt.
Ganz sanft und gemächlich beginnt die sehnsuchtsvolle Singer/Songwriter-Ballade "You And I (On The Other Side Of The World)". Wieder paart sich Lindemans hohe Stimme mit einer federleichten, von der akustischen Gitarre getragenen Melodie und wieder schmieren Streicher dem Zuhörer zuckersüßen Honig um die Ohren. Nicht nur in diesem Song erinnert mich Lindemans Art zu singen an Suzanne Vegas Gesangsstil - speziell auf deren Meisterwerk "Solitude Standing" (1987).
"Kept It All To Myself" knüpft da an, wo "Thirty" aufgehört hat, das Pferdchen darf wieder losgaloppieren, macht dieses Mal aber auch ein paar filigrane Schlenker zwischendurch. Gesanglich darf man Frau Lindeman spätestens hier die Meisterklasse attestieren. Anfangs wieder Tempoverschleppung bei "Impossible", aber aus dem minimalistischen Beat schält sich ein Song, der nach den saftigen Wiesen Schottlands oder Irland riecht.
Ganz minimalistisch, mit einem maximal verschleppten Schlagzeugrhythmus, einem sich temporär in den Vordergrund drängenden Bass, natürlich Streichern, dezenten Flötentönen und einer verspielten E-Gitarre präsentiert sich "Power", der stärkste Song des Albums. Maximale Intensität erreicht!
Geradezu euphorisch beginnt dagegen "Complicit", aber dann nimmt Lindeman das Tempo wieder raus, leider, denn der Anfang war sehr vielversprechend und hätte aus dem guten Song einen sehr guten gemacht. "Black Lies" führt wieder über die saftigen Wiesen, ich frage mich, ob Frau Lindeman vielleicht irische Vorfahren hat oder sehr gerne und oft auf der grünen Insel verweilt?
Die fein orchestrierte und hochemotionale Ballade "I Don't Know What To Say" changiert zwischen jazziger Pianobar-Ballade, Kammermusik und Folksong. Im Song klagt sie, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll und sagt deswegen zu viel, in diese Verlegenheit bringen sie ihre Songwriterqualitäten nicht, da sitzt jeder Ton und keiner ist zu viel.
Beim Traurigen "In An Hour", singt Lindeman zur Begleitung der Fingerpickin-Gitarre, welch schwierigen Balanceakt eine Beziehung darstellt, manchmal von überwältigender Romantik, manchmal der pure Horror. Den melancholischen Schlusspunkt eines famosen Albums setzt das spärlich instrumentierte und von Klavierklängen flankierte "The Most Dangerous Thing About You".
"The Weather Station" ist ein Album voller Hoffnung und Schmerz, mit intimer Poesie und unglaublich präzise in der musikalischen Umsetzung. Vielleicht noch nicht ganz ein Meisterwerk, aber ganz sicher ein funkelndes Kleinod.
Tracklist:
01 Free
02 Thirty
03 You And I (On The Other Side Of The World)
04 Kept It All To Myself
05 Impossible
06 Power
07 Complicit
08 Black Flies
09 I Don't Know What To Say
10 In An Hour
11 The Most Dangerous Thing About You
Mittwoch, 15. November 2017
TOCOTRONIC Made My Day! Hey DU!
TOCOTRONIC
Homepage: http://tocotronic.de/
From: Hamburg, Germany
Die deutschen Surfboys von Tocotronic nehmen politisch unkorrekte Wörter in den Mund und resümieren über das Andersartigsein. "Hey Du" ist der erste Song aus dem am 26. Januar erscheinendem zwölftem Tocotronic-Album "Die Unendlichkeit". Laut Leadsinger Dirk von Lowtzow wird dieses Mal nichts verklausuliert, sondern mit expliziten Worten um sich geworfen ... und außerordentlich biografisch soll das neue Werk auch noch sein. MADE MY DAY!
Montag, 13. November 2017
LASSE MATTHIESSEN Made My Day! When We Collided!
LASSE MATTHIESSEN
Homepage: http://www.lassematthiessen.com/
From:Kopenhagen, Dänemark
Dass LASSE MATTHIESSEN ein begnadetes Talent dafür hat, mit Molltönen Gänsehautmomente zu erzeugen, hat er bereits mehrfach bewiesen, kein Wunder also, dass der Singer/Songwriter, der seit geraumer Zeit in Berlin lebt, es auch in meine THE-LAST-GOODBY-PLAYLIST geschafft hat. Mit "When We Collided" präsentiert er nun einen weiteren gefühlvollen Song, der unter die Haut geht. Bei Startnext fehlen nur noch ein paar Euros, damit dieser hinreißende Song auch auf Vinyl erscheint, also bitte MADE MY DAY!
Samstag, 11. November 2017
ROLLING STONE WEEKENDER 2017 - Der Samstag! [A personal Review]
Freitag 3. & Samstag 4.11.2017
DER SAMSTAG! Als Frühaufsteher obliegt es mir und Weekender-Frischling Tommek für Frühstück zu sorgen. Da wir beide noch nicht ganz vollauf sind, müssen wir etwas öfter bei Edeka Jens einfallen, bis wir alles zusammenhaben, was man für ein kräftiges Frühstück benötigt.
Traditionell gibt es die erste Tagesmahlzeit im Apartment unserer Damen, wo die unverwüstliche V. bereits wieder ausschaut, als hätte sie gestern nur heiliges Quellwasser getrunken. Kaffee und Hühnerbrühe stehen bereit, um Kater, Affen und sonstige Tiere zu vertreiben.
Nach dieser körperlichen Stärkung sind ALLE bereit für neue Aufgaben. Erste Pflicht: Strandspaziergang! Das Wetter ist großartig und so drückt sich keiner vor frischer und belebender Seeluft. Ich halte den Spaziergang allerdings etwas kürzer als die anderen Damen- und Herrschaften, denn ich muss ja unbedingt noch Vinyl diggen.
Natürlich werde ich fündig, aber muss erneut feststellen, dass die Preise für das schwarze Gold weiter am Steigen sind. Krassestes Beispiel: Vor einigen Jahren habe ich mir hier für magere fünf Euro "Haiko Ambulanz" von Fink gekauft, heute will der selbe Schallplattendealer dafür 25 Euro.
Gegen 15.30 geht es in Die Bar - oder muss man es englisch aussprechen ;-) - um zumindest eine Halbzeit lang Bundesliga zu schauen. Das scheint sich aber herumgesprochen zu haben, dass man hier Bierchen, Kippchen und Fußball in schummriger Atmosphäre genießen kann, denn es gibt kaum noch Plätze, an denen man Blick auf die Bildschirme hat. Die meisten in unserer Truppe haben nicht nur Musik-, sondern auch Fußballverstand und sympathisieren deswegen natürlich mit den Königsblauen. Lange Zeit lag der Weekender-Fluch über die Königsblauen, wenn am Weekender gespielt wurde, aber letztes Jahr hatte sich das Blatt gewendet - aber ich gestehe, ich und auch der Herr Professor hatten es völlig vergessen, weswegen wir von einer Niederlage in Freiburg ausgingen. Zu unserer großen Freude war dies aber nicht der Fall, auch wenn die erste Halbzeit katastrophal war, aber das schmälert die Freude über den Dreier nicht. In Sachen Köln hüllen wir dieses Jahr den Mantel des Schweigens.
Sobald der Halbzeitpfiff ertönt, gehe ich mit C. die Treppen hoch in den Baltic Saal und mache den Mann an der Garderobe glücklich, indem ich die kürzeste Hängedauer eines Kleidungsstückes in die Weekender-Geschichtsbücher eintrage. Das konnte ich aber beim Abgeben für einen Euro noch nicht wissen, denn eigentlich bin ich ein großer Fan von Tilman Rossmy und seinem Band-Projekt DIE REGIERUNG und das neue, auf Staatsakt veröffentlichte Album "Raus" hat einige starke Stücke. ABER, die Livestimme ist wirklich ziemlich grottig und die ersten beiden Songs haben so gar nichts Aufwühlendes, sondern sind vom Ponyhof-Kaliber. Und dabei spielt hier einer, der mit "Corinna" einen meiner All-Time-Favorites erschaffen hat.
Nach wenigen Minuten sind wir deswegen zurück an der Garderobe und ich erhalte meinen Mantel frisch gereinigt, gestärkt und aufgebügelt zurück - Spaß. Das Lalala-Geschnulze der einst gar nicht schlechten FRISKA VILJOR ist unerträglich, weswegen wir zur Alm pilgern, wo uns unerwarteter Weise ein Fest für die Augen erwartet.
Auf der Bühne steht das Duo KOLARS aus Los Angeles. Beide tragen Glitzerklamotten, Rob Kolar ein Jackett und Lauren Brown ein Kleidchen, welches ihr gerade so über die Taille reicht. Rob spielt Gitarre und singt und Lauren spielt im Stehen mit ihrem ganzen Körper Schlagzeug. Die Musik der beiden ist gefälliger Desert-Glam-Disco-Rock mit eingängigen Melodien, aber noch vor der Musik steht der Entertainement-Faktor, mit dem die beiden oder besser vor allem Lauren die Alm, die innen ja sowieso wie eine Sauna aussieht, in einen Sauna-Club verwandelt. Ja, diese Dame weiß mit ihren weiblichen Reizen zu spielen und hat ganz sicher nichts unter #MeeToo gepostet, denn wenn ihr ein Typ blöde kommt, wird er wahrscheinlich mit Haut und Haaren verschlungen.
Mehr Details? Aber bitte! Schon bevor es eigentlich losgeht, sucht die Lady nach mir nicht bekannten Dingen auf dem Boden und streckt dabei ihre Kehrseite ins Publikum, wobei natürlich das kurze Glitzerkleidchen durch physikalische Naturgesetze nach oben gezogen wird. Ui, ui, ui, wenn das ihre Mutter wüsste! Das kokette Spielchen geht über das ganze Konzert so. Nach jedem Song trocknet sie ihre Drumsticks mit dem Hauch von Stoff ab und provoziert weitere Hochrutscher, was sie während des Schlagzeugspielens mit ihrer Zunge fabriziert darf ich aus Jugendschutzgründen nicht weiter ausführen und bei einigen Songs gibt sie sogar Stepptanzeinlagen. Ob sie schon mal darüber nachgedacht hat beim Spielen eine Banane zu essen?
Fazit: die Kolars sind live ein Fest für die Sinne, das man nicht besuchen sollte, wenn man beschlossen hat, die nächsten zwanzig Jahre in Enthaltsamkeit zu leben. Mir ist auch heute, Tage später, noch ziemlich heiß bei dem Gedanken an den Auftritt.
Dann steht ein Künstler auf dem Programm, dem ich seit seinem selftiteld Debütalbum "Benjamin Booker" sehr verehre, ich aber noch nie das Glück hatte, ihn live zu erleben - im Gegensatz zum treuen Konzertbegleiter C., der mir ständig unter die Nase reibt wie großartig das Konzert in Köln damals war.
Erstaunt stelle ich fest, was für ein braver und extrem junger Bursche dieser Mann mit der Reibeisenstimme ist! Ganz ehrlich, Herr BENJAMIN BOOKER wirkt so sympathisch und liebenswert, dass ich ihm ohne weiteres meine beiden gutaussehenden, gerade erwachsenen Töchter für einen nächtlichen Waldspaziergang anvertrauen würde.
Musikalisch gibt es überhaupt nichts zu bemängeln am Auftritt des Mannes aus New Orleans. Die Stimme klingt genauso perfekt wie aus der Dose und auch die Band bringt die Songs perfekt über die Bühne. Großes Kino! Die Mischung zwischen Bookers erstem, sehr rohem Album und dem zweiten sehr souligen Werk "Witness" gelingt live erstaunlich gut, da muss nichts passend gemacht werden, das Set fließt. Das Einzige, was mich irgendwie stört ist die fast vollständige Abwesenheit von Aggression in Bookers Performance, die speziell bei den Stücken vom Debütalbum so konträr zu den Stücken wirkt. Und wieder seltsam, trotzdem sind "Wicked Water" und das Meisterwerk "Violent Shiver" vom Erstling meine Highlights des bisherigen Abends.
Nächster Act - wieder vom Staatsakt-Label. ISOLATION BERLIN! Bisher live auch immer durch die Lappen gegangen, deswegen Kevin Morby und Andy Shauf, die ich beide sehr schätze, heute leider ohne mich. Und auf der Alm ist es halt am Schönsten!
Die Herren aus Berlin schauen aus, als seien sie die letzten übrig gebliebenen Mitglieder von Ton Steine Scherben, allerdings ohne dass sich das Rad der Zeit seit 1970 weitergedreht hätte. Und natürlich gibt es auch zwischen den linkspolitischen Texten und der Art der Gesangs und auch der Melodieführung Berührungspunkte mit den legendären Scherben - kann man ja auch schlechtere Vorbilder haben.
Blickpunkt auf der Bühne ist eindeutig Sänger und Gitarrist Tobias Bamborschke, der sich als sehr plauderfreudig und charismatisch entpuppt - jemand auf der Bühne, der den Namen Frontmann wirklich verdient. Das Set schwankt gekonnt zwischen Melancholie und aufrührerischer Wut, was Bamborschke auch stimmlich perfekt hinbekommt, wenn er entweder zart oder brachial die Töne ausstößt - oder sogar auskotzt. Ganz klar, Isolation Berlin macht live richtig Spaß! Berührendster Moment, die greifbare Schwermut beim Song "Isolation Berlin" und stärkster Moment, als beim vehement geforderten "Fahr Weg" ein Energieschub durch Band und Publikum jagt. Nach dem Gig bin ich stimmlich doch sehr angeschlagen, aber ich liebe es einfach, Parolen mit zu grölen. FAHR WEG!
Nächste Station Zeltbühne mit den wiedergeborenen BritRave-Shoegazing-Helden von RIDE. Es ist ja immer so eine Sache, wenn Bands im betagten Alter wieder auf die Bühne steigen, aber das neue Album "Weather Diaries" ist gar nicht von schlechten Eltern und so freue ich mich auf den Auftritt der Briten. Und was ich so höre ist durchaus fett. Die Wall of Sound steht wie früher und auch gesanglich gibt es nichts zu bemängeln. Leider kann ich aber nicht bis zum Schluss bleiben, denn ein guter Facebook-Freund hat mir mal voller Inbrunst von einem Auftritt der Algiers in Berlin vorgeschwärmt, weswegen ich mich schweren Herzens gegen PARADISE und für die Algiers entscheide.
Keine einfache Entscheidung, denn von Madrugada habe ich alle Scheiben in meiner Sammlung und das zweite Album "The Underside of Power" der ALGIERS ist nicht gerade leichte Kost.
Um die Musik der Algiers in Worte zu fassen, bedarf es vieler Genrenennungen: Soul, Rock, Gospel, Punk, Psychedelic, Industrial, Blues und davon noch gefühlt hunderte von Sub-Genres. Was aber mehr über die Band aus Atlanta aussagt ist, dass sie sehr experimentierfreudig ist und dass einen sogar aus der Dose die Energie dieser Band förmlich anspringt.
Ein Grund weswegen das Quartett Musik macht, prangert direkt auf der Startseite der Homepage der Band, "JOIN THE FIGHT BACK" steht da in großen Lettern. Mit Hurray For The Riff Raff und Isolation Berlin sind bisher schon zwei Revoluzzer-Bands meine Lieblinge des diesjährigen Weekenders, aber ich nehme es vorweg, die ALGIERS stellen alles in den Schatten.
Sänger Franklin James Fisher sprüht vor Spielfreude und Energie und zusammen mit Ryan Mahan (Keys, Bass), Lee Tesche (Gitarre) und Ex-Bloc Party-Member Matt Tong setzten die fantastischen Vier das Witthüs in Flammen. Es ist laut, es ist hochenergetisch, es ist mitreißend, es ist ungewöhnlich, es ist faszinierend, es ist politisch, es ist einzigartig! Fisher singt mit Inbrunst, er kniet nieder, er wälzt sich auf der Bühne. Mahan bearbeitet seine Keys wie ein Tier. Tesche benutzt bei einem Song eine zum Perkussioninstrument umgebaute E-Gitarre, deren Hals abgesägt und die Saiten durch Stahlfedern ersetzt sind und Matt Tong, den wahrscheinlich sogar große Bloc Party-Fans kaum wiedererkennen, bearbeitet wuchtig und mit stoischer Ruhe seine Felle. Diese Band will mit der Gewalt eines Tsunamis Gehirne durchpusten! Ab sofort reihe ich mich uneingeschränkt ein in die Anhängerschar dieser Band und leiste große Abbitte, dass ich bisher keine Vinylscheibe dieser großartigen Formation besitze - dieser Makel ist mittlerweile natürlich behoben ;-).
Völlig beseelt, mit erhöhtem Adrenalinspiegel und klingelnden Ohren geht es zum Abschluss des Weekenders ins Zelt, wo die Ska-Veteranen von MADNESS bereits ihr bestes geben.
Früher war ich ein großer Fan der Combo und so manche Nacht wurde mit "Baggy Trousers", "One Step Beyond" ..." und dem Mega-Hit "Our House" durchgetanzt. Heute steht auf der Bühne eine altgewordene Truppe, die es - ganz besonders nach dem Feuerwerk der Algiers - schwer hat, mich zu begeistern. Madness wirken müde und stellenweise gar wie eine Parodie ihrer selbst. Es freut mich zwar die alten Hits wiederzuhören, besonders freut mich die Coververion "Chase The Devil" von Max Romeo, aber vielleicht wäre es doch besser gewesen, Madness anders in Erinnerung zu behalten.
Ich plädiere hiermit an die Weekender-Organisatoren etwas weniger Rentenrückkehrer auf die Bühnen zu holen und auch im Zelt mal frischere Bands zum Zuge kommen zu lassen. Mir ist schon klar, dass für den Ticketverkauf beim gesetzten Publikum des Weekenders die alten Zugpferde benötigt werden, aber versucht doch mal lieber einen durchgängig aktiven Klepper, wie z. B. The Cure ;-), als dicken Fisch zu fangen und dann noch mehr junge Fohlen als dieses Jahr an den Start zu bringen.
Zum Abschluss des Weekenders geht es wieder zum Abtanzen ins Witthüs, wo ich leider nicht wie erhofft die DJane vom letzten Jahr am Turntable sehe, sondern einen Herrn, der mir bisher unbekannt scheint - wobei ich mich wahrlich nicht mehr an alle vergangenen Weekender-Wochenenden erinnern kann ;-). Der DJ macht seine Sache, besser als DJ Flippo-Was-auch-immer gestern und spielt nicht nur 1000mal gehörte Indie-Kracher, sondern gerne auch mal weniger bekannte Stücke. Ich tanze jedenfalls bis hinter mir abgeschlossen wird und schüttle noch immer den Kopf über ein Buchhalter-Paar, dass mich auf der Tanzfläche blöde ankackte und darauf hinwies, dass hier kein Pogo getanzt wird. Sachen gibt es, die gibt es gar nicht! Nur für euch beiden Sesselpupser:
Wäre übrigens auch eine gute Band für den Weekender 2018.
Insgesamt für mich einer der stärkeren Weekender, mit drei herausragenden Konzerten und keinerlei wirklichen Ausfällen - weder in musikalischer, noch in technischer Hinsicht. Ich danke dem Herrn, dass ich nicht auf den Fake mit THE RURAL JURUR hereingefallen bin, denn Kettcar bereitet mir körperliche Qualen. Ich danke dem Sicherheitspersonal, das mir dieses Jahr besonders freundlich vorkam. Ich grüße Veronika von Taxi Lens. Ich danke meinen Mitstreitern, dass ich mich auch jetzt schon auf das nächste Jahr freue. Ich freue mich, dass Tommek ab jetzt fest zu unserer Truppe gehört und ich nehme mir fest vor, im nächsten Jahr endlich mal bei der Verlosung des Strandkonzertes mitzumachen.
Es hat wieder sehr viel Spaß gemacht am Weißenhäuser Strand.
TschÖ
... bis zum nächsten Weekender!
Vielen Dank für die Fotos an Tommek und Michael Nowottny [www.labor-ebertplatz.de]!
ZUM FREITAG
Traditionell gibt es die erste Tagesmahlzeit im Apartment unserer Damen, wo die unverwüstliche V. bereits wieder ausschaut, als hätte sie gestern nur heiliges Quellwasser getrunken. Kaffee und Hühnerbrühe stehen bereit, um Kater, Affen und sonstige Tiere zu vertreiben.
Nach dieser körperlichen Stärkung sind ALLE bereit für neue Aufgaben. Erste Pflicht: Strandspaziergang! Das Wetter ist großartig und so drückt sich keiner vor frischer und belebender Seeluft. Ich halte den Spaziergang allerdings etwas kürzer als die anderen Damen- und Herrschaften, denn ich muss ja unbedingt noch Vinyl diggen.
Natürlich werde ich fündig, aber muss erneut feststellen, dass die Preise für das schwarze Gold weiter am Steigen sind. Krassestes Beispiel: Vor einigen Jahren habe ich mir hier für magere fünf Euro "Haiko Ambulanz" von Fink gekauft, heute will der selbe Schallplattendealer dafür 25 Euro.
Gegen 15.30 geht es in Die Bar - oder muss man es englisch aussprechen ;-) - um zumindest eine Halbzeit lang Bundesliga zu schauen. Das scheint sich aber herumgesprochen zu haben, dass man hier Bierchen, Kippchen und Fußball in schummriger Atmosphäre genießen kann, denn es gibt kaum noch Plätze, an denen man Blick auf die Bildschirme hat. Die meisten in unserer Truppe haben nicht nur Musik-, sondern auch Fußballverstand und sympathisieren deswegen natürlich mit den Königsblauen. Lange Zeit lag der Weekender-Fluch über die Königsblauen, wenn am Weekender gespielt wurde, aber letztes Jahr hatte sich das Blatt gewendet - aber ich gestehe, ich und auch der Herr Professor hatten es völlig vergessen, weswegen wir von einer Niederlage in Freiburg ausgingen. Zu unserer großen Freude war dies aber nicht der Fall, auch wenn die erste Halbzeit katastrophal war, aber das schmälert die Freude über den Dreier nicht. In Sachen Köln hüllen wir dieses Jahr den Mantel des Schweigens.
Sobald der Halbzeitpfiff ertönt, gehe ich mit C. die Treppen hoch in den Baltic Saal und mache den Mann an der Garderobe glücklich, indem ich die kürzeste Hängedauer eines Kleidungsstückes in die Weekender-Geschichtsbücher eintrage. Das konnte ich aber beim Abgeben für einen Euro noch nicht wissen, denn eigentlich bin ich ein großer Fan von Tilman Rossmy und seinem Band-Projekt DIE REGIERUNG und das neue, auf Staatsakt veröffentlichte Album "Raus" hat einige starke Stücke. ABER, die Livestimme ist wirklich ziemlich grottig und die ersten beiden Songs haben so gar nichts Aufwühlendes, sondern sind vom Ponyhof-Kaliber. Und dabei spielt hier einer, der mit "Corinna" einen meiner All-Time-Favorites erschaffen hat.
Nach wenigen Minuten sind wir deswegen zurück an der Garderobe und ich erhalte meinen Mantel frisch gereinigt, gestärkt und aufgebügelt zurück - Spaß. Das Lalala-Geschnulze der einst gar nicht schlechten FRISKA VILJOR ist unerträglich, weswegen wir zur Alm pilgern, wo uns unerwarteter Weise ein Fest für die Augen erwartet.
Auf der Bühne steht das Duo KOLARS aus Los Angeles. Beide tragen Glitzerklamotten, Rob Kolar ein Jackett und Lauren Brown ein Kleidchen, welches ihr gerade so über die Taille reicht. Rob spielt Gitarre und singt und Lauren spielt im Stehen mit ihrem ganzen Körper Schlagzeug. Die Musik der beiden ist gefälliger Desert-Glam-Disco-Rock mit eingängigen Melodien, aber noch vor der Musik steht der Entertainement-Faktor, mit dem die beiden oder besser vor allem Lauren die Alm, die innen ja sowieso wie eine Sauna aussieht, in einen Sauna-Club verwandelt. Ja, diese Dame weiß mit ihren weiblichen Reizen zu spielen und hat ganz sicher nichts unter #MeeToo gepostet, denn wenn ihr ein Typ blöde kommt, wird er wahrscheinlich mit Haut und Haaren verschlungen.
Mehr Details? Aber bitte! Schon bevor es eigentlich losgeht, sucht die Lady nach mir nicht bekannten Dingen auf dem Boden und streckt dabei ihre Kehrseite ins Publikum, wobei natürlich das kurze Glitzerkleidchen durch physikalische Naturgesetze nach oben gezogen wird. Ui, ui, ui, wenn das ihre Mutter wüsste! Das kokette Spielchen geht über das ganze Konzert so. Nach jedem Song trocknet sie ihre Drumsticks mit dem Hauch von Stoff ab und provoziert weitere Hochrutscher, was sie während des Schlagzeugspielens mit ihrer Zunge fabriziert darf ich aus Jugendschutzgründen nicht weiter ausführen und bei einigen Songs gibt sie sogar Stepptanzeinlagen. Ob sie schon mal darüber nachgedacht hat beim Spielen eine Banane zu essen?
Fazit: die Kolars sind live ein Fest für die Sinne, das man nicht besuchen sollte, wenn man beschlossen hat, die nächsten zwanzig Jahre in Enthaltsamkeit zu leben. Mir ist auch heute, Tage später, noch ziemlich heiß bei dem Gedanken an den Auftritt.
Dann steht ein Künstler auf dem Programm, dem ich seit seinem selftiteld Debütalbum "Benjamin Booker" sehr verehre, ich aber noch nie das Glück hatte, ihn live zu erleben - im Gegensatz zum treuen Konzertbegleiter C., der mir ständig unter die Nase reibt wie großartig das Konzert in Köln damals war.
Erstaunt stelle ich fest, was für ein braver und extrem junger Bursche dieser Mann mit der Reibeisenstimme ist! Ganz ehrlich, Herr BENJAMIN BOOKER wirkt so sympathisch und liebenswert, dass ich ihm ohne weiteres meine beiden gutaussehenden, gerade erwachsenen Töchter für einen nächtlichen Waldspaziergang anvertrauen würde.
Musikalisch gibt es überhaupt nichts zu bemängeln am Auftritt des Mannes aus New Orleans. Die Stimme klingt genauso perfekt wie aus der Dose und auch die Band bringt die Songs perfekt über die Bühne. Großes Kino! Die Mischung zwischen Bookers erstem, sehr rohem Album und dem zweiten sehr souligen Werk "Witness" gelingt live erstaunlich gut, da muss nichts passend gemacht werden, das Set fließt. Das Einzige, was mich irgendwie stört ist die fast vollständige Abwesenheit von Aggression in Bookers Performance, die speziell bei den Stücken vom Debütalbum so konträr zu den Stücken wirkt. Und wieder seltsam, trotzdem sind "Wicked Water" und das Meisterwerk "Violent Shiver" vom Erstling meine Highlights des bisherigen Abends.
Nächster Act - wieder vom Staatsakt-Label. ISOLATION BERLIN! Bisher live auch immer durch die Lappen gegangen, deswegen Kevin Morby und Andy Shauf, die ich beide sehr schätze, heute leider ohne mich. Und auf der Alm ist es halt am Schönsten!
Die Herren aus Berlin schauen aus, als seien sie die letzten übrig gebliebenen Mitglieder von Ton Steine Scherben, allerdings ohne dass sich das Rad der Zeit seit 1970 weitergedreht hätte. Und natürlich gibt es auch zwischen den linkspolitischen Texten und der Art der Gesangs und auch der Melodieführung Berührungspunkte mit den legendären Scherben - kann man ja auch schlechtere Vorbilder haben.
Blickpunkt auf der Bühne ist eindeutig Sänger und Gitarrist Tobias Bamborschke, der sich als sehr plauderfreudig und charismatisch entpuppt - jemand auf der Bühne, der den Namen Frontmann wirklich verdient. Das Set schwankt gekonnt zwischen Melancholie und aufrührerischer Wut, was Bamborschke auch stimmlich perfekt hinbekommt, wenn er entweder zart oder brachial die Töne ausstößt - oder sogar auskotzt. Ganz klar, Isolation Berlin macht live richtig Spaß! Berührendster Moment, die greifbare Schwermut beim Song "Isolation Berlin" und stärkster Moment, als beim vehement geforderten "Fahr Weg" ein Energieschub durch Band und Publikum jagt. Nach dem Gig bin ich stimmlich doch sehr angeschlagen, aber ich liebe es einfach, Parolen mit zu grölen. FAHR WEG!
Nächste Station Zeltbühne mit den wiedergeborenen BritRave-Shoegazing-Helden von RIDE. Es ist ja immer so eine Sache, wenn Bands im betagten Alter wieder auf die Bühne steigen, aber das neue Album "Weather Diaries" ist gar nicht von schlechten Eltern und so freue ich mich auf den Auftritt der Briten. Und was ich so höre ist durchaus fett. Die Wall of Sound steht wie früher und auch gesanglich gibt es nichts zu bemängeln. Leider kann ich aber nicht bis zum Schluss bleiben, denn ein guter Facebook-Freund hat mir mal voller Inbrunst von einem Auftritt der Algiers in Berlin vorgeschwärmt, weswegen ich mich schweren Herzens gegen PARADISE und für die Algiers entscheide.
Keine einfache Entscheidung, denn von Madrugada habe ich alle Scheiben in meiner Sammlung und das zweite Album "The Underside of Power" der ALGIERS ist nicht gerade leichte Kost.
Um die Musik der Algiers in Worte zu fassen, bedarf es vieler Genrenennungen: Soul, Rock, Gospel, Punk, Psychedelic, Industrial, Blues und davon noch gefühlt hunderte von Sub-Genres. Was aber mehr über die Band aus Atlanta aussagt ist, dass sie sehr experimentierfreudig ist und dass einen sogar aus der Dose die Energie dieser Band förmlich anspringt.
Ein Grund weswegen das Quartett Musik macht, prangert direkt auf der Startseite der Homepage der Band, "JOIN THE FIGHT BACK" steht da in großen Lettern. Mit Hurray For The Riff Raff und Isolation Berlin sind bisher schon zwei Revoluzzer-Bands meine Lieblinge des diesjährigen Weekenders, aber ich nehme es vorweg, die ALGIERS stellen alles in den Schatten.
Sänger Franklin James Fisher sprüht vor Spielfreude und Energie und zusammen mit Ryan Mahan (Keys, Bass), Lee Tesche (Gitarre) und Ex-Bloc Party-Member Matt Tong setzten die fantastischen Vier das Witthüs in Flammen. Es ist laut, es ist hochenergetisch, es ist mitreißend, es ist ungewöhnlich, es ist faszinierend, es ist politisch, es ist einzigartig! Fisher singt mit Inbrunst, er kniet nieder, er wälzt sich auf der Bühne. Mahan bearbeitet seine Keys wie ein Tier. Tesche benutzt bei einem Song eine zum Perkussioninstrument umgebaute E-Gitarre, deren Hals abgesägt und die Saiten durch Stahlfedern ersetzt sind und Matt Tong, den wahrscheinlich sogar große Bloc Party-Fans kaum wiedererkennen, bearbeitet wuchtig und mit stoischer Ruhe seine Felle. Diese Band will mit der Gewalt eines Tsunamis Gehirne durchpusten! Ab sofort reihe ich mich uneingeschränkt ein in die Anhängerschar dieser Band und leiste große Abbitte, dass ich bisher keine Vinylscheibe dieser großartigen Formation besitze - dieser Makel ist mittlerweile natürlich behoben ;-).
Völlig beseelt, mit erhöhtem Adrenalinspiegel und klingelnden Ohren geht es zum Abschluss des Weekenders ins Zelt, wo die Ska-Veteranen von MADNESS bereits ihr bestes geben.
Früher war ich ein großer Fan der Combo und so manche Nacht wurde mit "Baggy Trousers", "One Step Beyond" ..." und dem Mega-Hit "Our House" durchgetanzt. Heute steht auf der Bühne eine altgewordene Truppe, die es - ganz besonders nach dem Feuerwerk der Algiers - schwer hat, mich zu begeistern. Madness wirken müde und stellenweise gar wie eine Parodie ihrer selbst. Es freut mich zwar die alten Hits wiederzuhören, besonders freut mich die Coververion "Chase The Devil" von Max Romeo, aber vielleicht wäre es doch besser gewesen, Madness anders in Erinnerung zu behalten.
Ich plädiere hiermit an die Weekender-Organisatoren etwas weniger Rentenrückkehrer auf die Bühnen zu holen und auch im Zelt mal frischere Bands zum Zuge kommen zu lassen. Mir ist schon klar, dass für den Ticketverkauf beim gesetzten Publikum des Weekenders die alten Zugpferde benötigt werden, aber versucht doch mal lieber einen durchgängig aktiven Klepper, wie z. B. The Cure ;-), als dicken Fisch zu fangen und dann noch mehr junge Fohlen als dieses Jahr an den Start zu bringen.
Zum Abschluss des Weekenders geht es wieder zum Abtanzen ins Witthüs, wo ich leider nicht wie erhofft die DJane vom letzten Jahr am Turntable sehe, sondern einen Herrn, der mir bisher unbekannt scheint - wobei ich mich wahrlich nicht mehr an alle vergangenen Weekender-Wochenenden erinnern kann ;-). Der DJ macht seine Sache, besser als DJ Flippo-Was-auch-immer gestern und spielt nicht nur 1000mal gehörte Indie-Kracher, sondern gerne auch mal weniger bekannte Stücke. Ich tanze jedenfalls bis hinter mir abgeschlossen wird und schüttle noch immer den Kopf über ein Buchhalter-Paar, dass mich auf der Tanzfläche blöde ankackte und darauf hinwies, dass hier kein Pogo getanzt wird. Sachen gibt es, die gibt es gar nicht! Nur für euch beiden Sesselpupser:
Wäre übrigens auch eine gute Band für den Weekender 2018.
Insgesamt für mich einer der stärkeren Weekender, mit drei herausragenden Konzerten und keinerlei wirklichen Ausfällen - weder in musikalischer, noch in technischer Hinsicht. Ich danke dem Herrn, dass ich nicht auf den Fake mit THE RURAL JURUR hereingefallen bin, denn Kettcar bereitet mir körperliche Qualen. Ich danke dem Sicherheitspersonal, das mir dieses Jahr besonders freundlich vorkam. Ich grüße Veronika von Taxi Lens. Ich danke meinen Mitstreitern, dass ich mich auch jetzt schon auf das nächste Jahr freue. Ich freue mich, dass Tommek ab jetzt fest zu unserer Truppe gehört und ich nehme mir fest vor, im nächsten Jahr endlich mal bei der Verlosung des Strandkonzertes mitzumachen.
Es hat wieder sehr viel Spaß gemacht am Weißenhäuser Strand.
TschÖ
... bis zum nächsten Weekender!
Vielen Dank für die Fotos an Tommek und Michael Nowottny [www.labor-ebertplatz.de]!
ZUM FREITAG
Freitag, 10. November 2017
ROLLING STONE WEEKENDER 2017 - Der Freitag! [A personal Review]
Freitag 3. & Samstag 4.11.2017
DER FREITAG! Zum siebten Mal geht es an den Weissenhäuser Strand zum legendären und natürlich wieder ausverkauften ROLLING STONE WEEKENDER. Waren wir im letzten Jahr nur eine Gruppe von acht Leuten, so ist es in diesem Jahr eine komplette Fußballmannschaft, die sich von Köln auf den Weg in den hohen Norden macht. Den Vergleich sollte man in diesen für die Rheinländer harten Fußballzeiten aber vielleicht lieber bleiben lassen. Kennen eigentlich schon alle das neue Logo der FC?
Mittlerweile funktioniert die Anreise mit der Deutschen Bahn ganz gut, da wir, wie es sich bewährt hat, nicht darauf hoffen, den Anschlusszug in Hamburg zu erreichen, sondern uns direkt von dort mit Taxis Lens ans Festivalgelände bringen lassen. Und natürlich hätten wir auch dieses Jahr wieder den Zug von Hamburg zum Weissenhäuser Strand verpasst - auf die Bahn ist eben Verlass:-)
Gegen 15:30 sind wir an der Anmeldung, wo wir allerdings entsetzt feststellen, dass die Schlange am Bierstand länger ist, als die bei der Bändchen-Abholung. Aber man kennt sich ja aus, weswegen wir erstmal bei Edeka Jens einfallen und amüsiert feststellen, dass wir die beiden vorletzten gekühlten Sixpacks ergattern. Irgendwie kommt der Rolling Stone Weekender aber auch jedes Jahr ganz überraschend um die Ecke.
Etwas ärgerlich wird es dann beim Check-In. Erstens, die 2017er-Bändchen scheinen von einem farbenblinden drogenumnebelten Designer entworfen zu sein - einfach grauenhaft - und man hat für unser eines 4-Bett-Zimmer leider nur einen Schlüssel. Ein Schlüssel für vier Personen. Um es mit der stinksaueren Frau H. zu sagen: "Das geht gar nicht!" So werden wir also gebeten zu warten, bis der Hausmeister im reservierten Zimmer schauen konnte, ob dort vielleicht noch Schlüssel liegengeblieben waren. Waren sie aber natürlich nicht. Nach nerviger Wartezeit sollten wir dann einfach mal unsere Zimmer beziehen und man würde dafür sorgen, dass der Hausmeister dann kommen, das Schloss austauschen und uns vier Schlüssel aushändigen würde. Was tatsächlich auch völlig reibungslos klappte!
Also schnell frischgemacht und ab ins Zelt, um die holländischen Psychedelic-Rocker BIRTH OF JOY als Festivalauftakt zu erleben. Psychedelic ist ja eigentlich mein Ding, aber nicht, wenn er so altbacken und kreativlos daherkommt, wie von diesem Trio. Gääähn, das ist nach einer so langen Anreise - Weckzeit war um 6 Uhr - in etwa so als bekäme man nach einem anstrengenden Marathonlauf ein Altbier aufgetischt. Ich mag beides nicht - Marathon und Altbier - und außerdem hat Sänger Kevin Stunnenberg nicht wirklich eine gute Stimme.
Nächstes Ziel für mich die Alm-Stage, wohingegen sich der größere Teil unserer Truppe allerdings zu Albert Af Ekenstam ins Witthüs aufmacht. Finde beide Acts nicht uninteressant, entscheide mich aber wegen der Location und dem etwas fröhlicheren Sound von Low Roar für die Alm.
LOW ROAR besteht live aus zwei Herren mit sehr hohen, um nicht zu sagen weiblichen Stimmen, aber eigentlich ist es das Solo-Projekt des Kaliforniers Ryan Karazija. Karazija verließ vor sieben Jahren seine sonnige Heimat, um in Island zu leben - manche Sachen muss man nicht verstehen. Die Musik des Sonnenflüchters ist elektronischer DreamPop mit 80er-Jahre-Synthiklängen, die er in Reykjavik auf seinem Laptop gebastelt hat. Die Atmosphäre seiner Songs ist prinzipiell düster, aber ab und an schaut auch mal ein etwas flotterer Beat um die Ecke. Leider haben sich die beiden Musiker auf der Bühne so aufgebaut, dass sie seitlich zum Publikum stehen und sich gegenseitig anschauen. Für meine Standposition rechts von der Bühne ziemlich kacke, weil ich den Mastermind immer nur auf den Rücken schauen darf. Der Auftritt ist okay, aber nicht so gut, dass ich vorzeitig die Biege mache, um im Zelt die Reinkarnation von James Brown alias LEE FIELDS & THE EXPRESSIONS zu sehen.
Lee trägt ein zwei Nummern zu enges blaues Glitzersacko und wird von seinem Gitarristen angekündigt als würde in wenigen Sekunden mit Blitz und Donner Jesus erneut auf die Erde niederfahren. Die visuelle Ähnlichkeit zu Herrn Brown ist wirklich verblüffend und auch einige Gesten und Posen aus Lees Repertoire erinnern stark an den bereits 2006 verstorbenen exzentrischen Godfather of Soul. ABER, hier steht keine Coverband, denn Lee und seine vielköpfige Band schütteln zartschmelzigen Soul mit Zuckermelodien aus dem Ärmel als wäre man im Schlaraffenland. Ich hatte mich schon beim Hausaufgaben machen für den Weekender in seine beiden Scheiben "Faithful Man" und vor allem "Special Night" verliebt, so dass es dem Amerikaner spielend gelingt, mich auf seine Seite zu ziehen.
Mittlerweile ist auch die Splittergruppe vom Albert Af Ekenstam-Konzert im Zelt eingetroffen und schwärmt in höchsten Tönen vom gefühlvollen Auftritt des schwedischen Singer/Songwriters. Mein treuer Konzertbegleiter C. scheint ganz beseelt zu sein und ich vermute, ich hätte wohl doch lieber ins Witthüs gehen sollen. Aber egal, Lee und seine Expressions gefallen allen gut, woran man mal wieder sehen kann, über welch großartigen Musikgeschmack unsere Truppe verfügt ;-). Abschlussbemerkung: Das für das Schlussdrittel des Auftritts von Lee präsentierte rote Glitzersacko ohne T-Shirt darunter, aber mit glitzerndem Goldkreuz auf nackter Brust, war sicherlich Geschmackssache. Prof. R. aus unserer Truppe überlegt allerdings noch immer, ob er mit einem solchen Outfit vielleicht die Studenten in seinen Vorlesungen noch mehr in den Bann ziehen könnte.
Der nächste Slot im Timetable ist eine Zumutung! Hurray for the Riff Raff gegen The Dead South gegen Jochen Distelmeyer! Liebe Weekender-Organisatoren, dafür hätte man euch früher mit dem Rohrstöckchen auf die Finger gegeben! Ich wäge ab. Jochen schon mehrfach gesehen, also Hurray oder Dead South? Noch eine Fehlentscheidung zu so früher Stunde würde mich mental in ein großes Dilemma stürzen. Ich entscheide mich ... für HURRAY FOR THE RIFF RAFF, deren beide großartigen Alben schön längst Bewohner meiner geliebten Vinylsammlung sind.
Das Witthüs ist gut voll und damit es richtig voll wird - wie es der Band aus Puerto Rico/USA gebührt - nörgele ich eine Gruppe Damen an, die jetzt doch tatsächlich was nebenan essen wollen. Die Damen folgen natürlich meinem charmanten Aufruf und sparen so Kalorien für den späteren Abend auf. Ja, jeden Tag eine gute Tat!
Dass ich dieses Mal mit meiner Wahl richtig liege, wird vom ersten Moment an klar. Sängerin Alynda Segra hat eine ausgeprägte Bühnenpräsenz, eine hervorragende Livestimme und die Fähigkeit Rebellionen zu starten! In den Texten der in Amerika lebenden, aber aus Puerto Rico stammenden Künstlerin, wird Tacheles geredet. Soziale Ungerechtigkeiten werden an den Pranger gestellt, Rassismus aufgedeckt und Mut zum Widerstand als Pflicht ausgerufen. Wow, diese Lady hat wirklich Feuer, was wirklich nicht an ihrem kurzen knallroten Minirock liegt! Der Herr Professor und ich sind jedenfalls hin und weg von diesem feurigen Auftritt, der darin gipfelt, dass die Band als Zugabe Bruce Springsteens "Dancing in the Dark" covert und ich, obwohl ich diesen Herrn eher weniger mag, lauthals mitsinge!
Für Wissbegierige: "Pa'lante" ist eine Wortschöpfung aus den beiden spanischen Wörtern "para" und "adelante" und bedeutet "Vorwärts!" im Sinne vom italienischen "Forza!", also als Anfeuerungsaufruf. Wieder etwas gelernt, verehrte Herrschaften!
Schnell am Grillstand noch ein Nackensteak mitnehmen (gibt es im hohen Norden eigentlich keinen ordentlichen Bäcker oder ist die Gewinnmarge sonst zu mickrig) und anstellen am Witthüs für CAMERON AVERY. Der Australier brachte in diesem Jahr sein erstes Soloalbum unter seinem eigenen Namen heraus "Ripe Dreams, Pipe Dreams", hat aber vorher bereits als Bassist von Tame Impala, als Schlagzeuger von Pond und mit seinen ersten Frontmann-Projekt The Growl im Rockzirkus mitgespielt. Auf seinem ersten Album gibt Cameron den Crooner in einer Mischung aus Father John Misty und Frank Sinatra.
Gutaussehener Knabe, dieser Herr Avery, der im schwarzen stylischen Anzug seinen Gig absolviert. Tolle kraftvolle Stimme, aber irgendwie scheint er noch nicht genau zu wissen, in welche musikalische Richtung er gehen möchte. Wenn er den Crooner geben möchte, muss er seine Liveauftritte mit etwas mehr Theatralik füttern und wenn er in die Singer/Songwriter-Schiene möchte, muss er noch etwas am Songwriting feilen und die Intensität erhöhen. Aber trotz der Unentschlossenheit des Künstlers ein insgesamt feines Konzert mit den beiden herausragenden Songs "Watch Me Take It Away" und "C'est Toi" - auch wenn er den Namen der einstigen Angebeteten nicht verraten hat.
Den Schlusspunkt am Freitag setzt der immer gutgelaunte und deswegen vom Professor wenig gelittene GLEN HANSARD. Den Iren habe ich zuletzt 2015 in Köln live gesehen und es war damals wirklich ein großartiges Konzert. Heute hat es Glen etwas schwerer, denn man merkt schon, dass hier nicht alle auf seiner Seite sind, aber trotzdem lässt sich Hansard den Spaß am Musik machen nicht nehmen und liefert einen exzellenten, wenn auch deutlich weniger mit Emotionen behafteten Auftritt ab als damals in Köln.
Mittlerweile zähle ich zu den Gebrüdern Plattfuß, aber das hält mich und meine Reisegruppe natürlich nicht ab, zum Abschluss des Tages zur After-Show-Party ins Witthüs zu pilgern. Leider ist die Beschallung wie im letzten Jahr, d. h. die Boxen sind nicht wirklich auf die Tanzenden gerichtet, so dass leider die Klangqualität und Lautstärke beim Abtanzen etwas verloren geht.
Wie immer ist die Bude rappelvoll und der DJ mit dem seltsam peinlichen Namen spielt Indie-Hit an Indie-Hit. Das Tanzbein zuckt in der INDIE-DISCO, aber leider hat der Mann, der uns zum Tanzen bringen soll noch immer keinen Flow, will sagen, er schafft es einfach meistens nicht, Übergänge hinzubekommen, ohne dass es dem Zuhörer wehtut. Als dann mein treuer Konzertbegleiter C. auch noch bei "Don't Stop Me Know" von Queen vor guter Laune schier platzt und er den Dancefloor zu seinem Wohnzimmer macht, gebe ich auf und begebe mich gegen 2:30 Uhr in Richtung Bettenhausen. Tomorrow is just another day!
TschÖ
ZUM SAMSTAG!
Vielen Dank für die Fotos an Tommek + Michael Nowottny [www.labor-ebertplatz.de]!
Mittlerweile funktioniert die Anreise mit der Deutschen Bahn ganz gut, da wir, wie es sich bewährt hat, nicht darauf hoffen, den Anschlusszug in Hamburg zu erreichen, sondern uns direkt von dort mit Taxis Lens ans Festivalgelände bringen lassen. Und natürlich hätten wir auch dieses Jahr wieder den Zug von Hamburg zum Weissenhäuser Strand verpasst - auf die Bahn ist eben Verlass:-)
Gegen 15:30 sind wir an der Anmeldung, wo wir allerdings entsetzt feststellen, dass die Schlange am Bierstand länger ist, als die bei der Bändchen-Abholung. Aber man kennt sich ja aus, weswegen wir erstmal bei Edeka Jens einfallen und amüsiert feststellen, dass wir die beiden vorletzten gekühlten Sixpacks ergattern. Irgendwie kommt der Rolling Stone Weekender aber auch jedes Jahr ganz überraschend um die Ecke.
Etwas ärgerlich wird es dann beim Check-In. Erstens, die 2017er-Bändchen scheinen von einem farbenblinden drogenumnebelten Designer entworfen zu sein - einfach grauenhaft - und man hat für unser eines 4-Bett-Zimmer leider nur einen Schlüssel. Ein Schlüssel für vier Personen. Um es mit der stinksaueren Frau H. zu sagen: "Das geht gar nicht!" So werden wir also gebeten zu warten, bis der Hausmeister im reservierten Zimmer schauen konnte, ob dort vielleicht noch Schlüssel liegengeblieben waren. Waren sie aber natürlich nicht. Nach nerviger Wartezeit sollten wir dann einfach mal unsere Zimmer beziehen und man würde dafür sorgen, dass der Hausmeister dann kommen, das Schloss austauschen und uns vier Schlüssel aushändigen würde. Was tatsächlich auch völlig reibungslos klappte!
Also schnell frischgemacht und ab ins Zelt, um die holländischen Psychedelic-Rocker BIRTH OF JOY als Festivalauftakt zu erleben. Psychedelic ist ja eigentlich mein Ding, aber nicht, wenn er so altbacken und kreativlos daherkommt, wie von diesem Trio. Gääähn, das ist nach einer so langen Anreise - Weckzeit war um 6 Uhr - in etwa so als bekäme man nach einem anstrengenden Marathonlauf ein Altbier aufgetischt. Ich mag beides nicht - Marathon und Altbier - und außerdem hat Sänger Kevin Stunnenberg nicht wirklich eine gute Stimme.
Nächstes Ziel für mich die Alm-Stage, wohingegen sich der größere Teil unserer Truppe allerdings zu Albert Af Ekenstam ins Witthüs aufmacht. Finde beide Acts nicht uninteressant, entscheide mich aber wegen der Location und dem etwas fröhlicheren Sound von Low Roar für die Alm.
LOW ROAR besteht live aus zwei Herren mit sehr hohen, um nicht zu sagen weiblichen Stimmen, aber eigentlich ist es das Solo-Projekt des Kaliforniers Ryan Karazija. Karazija verließ vor sieben Jahren seine sonnige Heimat, um in Island zu leben - manche Sachen muss man nicht verstehen. Die Musik des Sonnenflüchters ist elektronischer DreamPop mit 80er-Jahre-Synthiklängen, die er in Reykjavik auf seinem Laptop gebastelt hat. Die Atmosphäre seiner Songs ist prinzipiell düster, aber ab und an schaut auch mal ein etwas flotterer Beat um die Ecke. Leider haben sich die beiden Musiker auf der Bühne so aufgebaut, dass sie seitlich zum Publikum stehen und sich gegenseitig anschauen. Für meine Standposition rechts von der Bühne ziemlich kacke, weil ich den Mastermind immer nur auf den Rücken schauen darf. Der Auftritt ist okay, aber nicht so gut, dass ich vorzeitig die Biege mache, um im Zelt die Reinkarnation von James Brown alias LEE FIELDS & THE EXPRESSIONS zu sehen.
Lee trägt ein zwei Nummern zu enges blaues Glitzersacko und wird von seinem Gitarristen angekündigt als würde in wenigen Sekunden mit Blitz und Donner Jesus erneut auf die Erde niederfahren. Die visuelle Ähnlichkeit zu Herrn Brown ist wirklich verblüffend und auch einige Gesten und Posen aus Lees Repertoire erinnern stark an den bereits 2006 verstorbenen exzentrischen Godfather of Soul. ABER, hier steht keine Coverband, denn Lee und seine vielköpfige Band schütteln zartschmelzigen Soul mit Zuckermelodien aus dem Ärmel als wäre man im Schlaraffenland. Ich hatte mich schon beim Hausaufgaben machen für den Weekender in seine beiden Scheiben "Faithful Man" und vor allem "Special Night" verliebt, so dass es dem Amerikaner spielend gelingt, mich auf seine Seite zu ziehen.
Mittlerweile ist auch die Splittergruppe vom Albert Af Ekenstam-Konzert im Zelt eingetroffen und schwärmt in höchsten Tönen vom gefühlvollen Auftritt des schwedischen Singer/Songwriters. Mein treuer Konzertbegleiter C. scheint ganz beseelt zu sein und ich vermute, ich hätte wohl doch lieber ins Witthüs gehen sollen. Aber egal, Lee und seine Expressions gefallen allen gut, woran man mal wieder sehen kann, über welch großartigen Musikgeschmack unsere Truppe verfügt ;-). Abschlussbemerkung: Das für das Schlussdrittel des Auftritts von Lee präsentierte rote Glitzersacko ohne T-Shirt darunter, aber mit glitzerndem Goldkreuz auf nackter Brust, war sicherlich Geschmackssache. Prof. R. aus unserer Truppe überlegt allerdings noch immer, ob er mit einem solchen Outfit vielleicht die Studenten in seinen Vorlesungen noch mehr in den Bann ziehen könnte.
Der nächste Slot im Timetable ist eine Zumutung! Hurray for the Riff Raff gegen The Dead South gegen Jochen Distelmeyer! Liebe Weekender-Organisatoren, dafür hätte man euch früher mit dem Rohrstöckchen auf die Finger gegeben! Ich wäge ab. Jochen schon mehrfach gesehen, also Hurray oder Dead South? Noch eine Fehlentscheidung zu so früher Stunde würde mich mental in ein großes Dilemma stürzen. Ich entscheide mich ... für HURRAY FOR THE RIFF RAFF, deren beide großartigen Alben schön längst Bewohner meiner geliebten Vinylsammlung sind.
Das Witthüs ist gut voll und damit es richtig voll wird - wie es der Band aus Puerto Rico/USA gebührt - nörgele ich eine Gruppe Damen an, die jetzt doch tatsächlich was nebenan essen wollen. Die Damen folgen natürlich meinem charmanten Aufruf und sparen so Kalorien für den späteren Abend auf. Ja, jeden Tag eine gute Tat!
Dass ich dieses Mal mit meiner Wahl richtig liege, wird vom ersten Moment an klar. Sängerin Alynda Segra hat eine ausgeprägte Bühnenpräsenz, eine hervorragende Livestimme und die Fähigkeit Rebellionen zu starten! In den Texten der in Amerika lebenden, aber aus Puerto Rico stammenden Künstlerin, wird Tacheles geredet. Soziale Ungerechtigkeiten werden an den Pranger gestellt, Rassismus aufgedeckt und Mut zum Widerstand als Pflicht ausgerufen. Wow, diese Lady hat wirklich Feuer, was wirklich nicht an ihrem kurzen knallroten Minirock liegt! Der Herr Professor und ich sind jedenfalls hin und weg von diesem feurigen Auftritt, der darin gipfelt, dass die Band als Zugabe Bruce Springsteens "Dancing in the Dark" covert und ich, obwohl ich diesen Herrn eher weniger mag, lauthals mitsinge!
Für Wissbegierige: "Pa'lante" ist eine Wortschöpfung aus den beiden spanischen Wörtern "para" und "adelante" und bedeutet "Vorwärts!" im Sinne vom italienischen "Forza!", also als Anfeuerungsaufruf. Wieder etwas gelernt, verehrte Herrschaften!
Schnell am Grillstand noch ein Nackensteak mitnehmen (gibt es im hohen Norden eigentlich keinen ordentlichen Bäcker oder ist die Gewinnmarge sonst zu mickrig) und anstellen am Witthüs für CAMERON AVERY. Der Australier brachte in diesem Jahr sein erstes Soloalbum unter seinem eigenen Namen heraus "Ripe Dreams, Pipe Dreams", hat aber vorher bereits als Bassist von Tame Impala, als Schlagzeuger von Pond und mit seinen ersten Frontmann-Projekt The Growl im Rockzirkus mitgespielt. Auf seinem ersten Album gibt Cameron den Crooner in einer Mischung aus Father John Misty und Frank Sinatra.
Gutaussehener Knabe, dieser Herr Avery, der im schwarzen stylischen Anzug seinen Gig absolviert. Tolle kraftvolle Stimme, aber irgendwie scheint er noch nicht genau zu wissen, in welche musikalische Richtung er gehen möchte. Wenn er den Crooner geben möchte, muss er seine Liveauftritte mit etwas mehr Theatralik füttern und wenn er in die Singer/Songwriter-Schiene möchte, muss er noch etwas am Songwriting feilen und die Intensität erhöhen. Aber trotz der Unentschlossenheit des Künstlers ein insgesamt feines Konzert mit den beiden herausragenden Songs "Watch Me Take It Away" und "C'est Toi" - auch wenn er den Namen der einstigen Angebeteten nicht verraten hat.
Den Schlusspunkt am Freitag setzt der immer gutgelaunte und deswegen vom Professor wenig gelittene GLEN HANSARD. Den Iren habe ich zuletzt 2015 in Köln live gesehen und es war damals wirklich ein großartiges Konzert. Heute hat es Glen etwas schwerer, denn man merkt schon, dass hier nicht alle auf seiner Seite sind, aber trotzdem lässt sich Hansard den Spaß am Musik machen nicht nehmen und liefert einen exzellenten, wenn auch deutlich weniger mit Emotionen behafteten Auftritt ab als damals in Köln.
Mittlerweile zähle ich zu den Gebrüdern Plattfuß, aber das hält mich und meine Reisegruppe natürlich nicht ab, zum Abschluss des Tages zur After-Show-Party ins Witthüs zu pilgern. Leider ist die Beschallung wie im letzten Jahr, d. h. die Boxen sind nicht wirklich auf die Tanzenden gerichtet, so dass leider die Klangqualität und Lautstärke beim Abtanzen etwas verloren geht.
Wie immer ist die Bude rappelvoll und der DJ mit dem seltsam peinlichen Namen spielt Indie-Hit an Indie-Hit. Das Tanzbein zuckt in der INDIE-DISCO, aber leider hat der Mann, der uns zum Tanzen bringen soll noch immer keinen Flow, will sagen, er schafft es einfach meistens nicht, Übergänge hinzubekommen, ohne dass es dem Zuhörer wehtut. Als dann mein treuer Konzertbegleiter C. auch noch bei "Don't Stop Me Know" von Queen vor guter Laune schier platzt und er den Dancefloor zu seinem Wohnzimmer macht, gebe ich auf und begebe mich gegen 2:30 Uhr in Richtung Bettenhausen. Tomorrow is just another day!
TschÖ
ZUM SAMSTAG!
Mittwoch, 8. November 2017
MALA RUCKUS Made My Day! Beast Of Our Babylon!
MALA RUCKUS
Homepage: https://www.malaruckus.com/
From: China / At the moment residing in Praque (Czech Republic)
Eine Indie-Band aus China ist mir bisher noch nicht untergekommen - ist bestimmt nicht leicht in der Volksrepublik Musik dieser Art zu machen, oder? Das Quintett macht harmonischen IndieFolk der perfekt zur Jahreszeit passt, in der man hinter beschlagenen Fenstern vom Baum fallenden Blättern hinterherschauen kann und sehnsuchtsvoll an den zurückliegenden Sommer denkt. Dabei sollte man aber beim Versinken in den getragenen Streichersätzen und Montyros sanfter Stimme - die mich stark an das Fatherland-Album von Kele Okereke erinnert - nicht vergessen auch ein Ohr auf die poetischen Lyrics zu haben:
"Today a son’s born in an Ikea manger
And although he’s a stranger, you know him too well
Because he was born a killer, an apple eatin’ sinner
And to this overwhelming potluck he brings a platter of hell"
Mala Ruckus sind Alex Montyro (Vocals, Guitar, Harmonica), Francis Carlisle (Keyboard, Vocals, Synthesizer), Ian James (Bass, Vocals), Caolon O'Neill Forde (Guitar, Mandolin) und Sean Rollins (Drums, Percussion). Die Fünf arbeiten zurzeit an ihrem Debütalbum und kommen im Sommer auch auf eine kleine Deutschlandtour. MADE MY DAY!
Montag, 6. November 2017
NEW SONGS Vol. 168: MILLIE TURNER / Eyes On You ... THE WAR ON DRUGS / Nothing To Find ... JONATHAN BREE / You're So Cool ... ANDREAS SPECHTL / The Age Of Ghost
Die 17-jährige Britin MILLIE TURNER veröffentlichte im Juli mit "Underwater" ihren ersten Song. Feine ElectroBallade, aber nicht so stark, wie ihre zweite Veröffentlichung "Eyey On you", in dem Millie von einer Liebe singt, die nicht immer bequem, aber dafür sehr ehrlich ist.
Auch dieser Song ist eine Ballade, aber näher am Folk, als am Pop. Der Beat ist nun LoFi, die Stimmung düsterer und die Melodie mit dieser betörenden Stimme ein echter Ohrwurm der unter die Haut geht.
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Dass Adam Granduciel und seine Band WAR ON DRUGS, traditionellen und doch zeitgenössischen exzellenten Americana machen hat sich mittlerweile auch in Deutschland herumgesprochen, wo das letzte Album ("A Deeper Understanding") der Herren aus Philadelphia erstmals in den Charts landete.
Die neueste Singleauskopplung aus diesem Werk ist "Nothing To Find", eine Smells-like-80s-Hymne, die wie gemacht ist für lange Fahrten auf den amerikanischen Highways. Und auf dem Mixtape befinden sich nebenbei noch Songs von Tom Petty, Springsteen, Dylan und Neil Young ;-).
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JONATHAN BREE ist ein Musiker aus Neuseeland, den vielleicht einige von seiner IndiePop-Band The Brunettes her kennen, von denen es allerdings 2011 das letzte Lebenszeichen gab. Als Solokünstler ist mir Bree bisher noch nicht aufgefallen, obwohl er bereits 2013 ("The Primrose Path") und 2015 ("A Little Night Music") zwei Soloalben herausbrachte.
Im Februar 2018 soll das dritte Solowerk kommen, aus dem es mit dem Song "You're So Cool" nun den ersten Appetithappen gibt. Verdammt coole Nummer im Crooner-Stil mit wunderbaren Streichersätzen, irgendwo zwischen Scott Walker und Depeche Mode.
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Es wird wohl auch 2017 nichts mehr mit einem neuen Ja, Panik-Album und so viel Spaß, wie deren Frontmann ANDREAS SPECHTL mittlerweile an elektronischer Musik gefunden hat, befürchte ich sogar Schlimmeres.
Das erste Stück vom am 10. November erscheinenden Album "Thinking About Tomorrow And How To Built It", setzt im Vergleich zu seinen Arbeiten auf seinem ersten sehr frickeligen Electro-Album "Sleep", mehr auf Rhythmus und Beat. Die Düsternis ist geblieben, aber sie ist tanzbar geworden - auf den Resten von Europa?
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Freitag, 3. November 2017
SUFJAN STEVENS Made My Day! Wallowa Lake Monster!
SUFJAN STEVENS
Homepage: http://sufjan.com/
From: N.Y. , U.S.A.
Manche Menschen können einfach ein wenig auf der Gitarre klimpern und man ist fasziniert. SUFJAN STEVENS ist mit Sicherheit ein solcher Mensch! Der Singer/Songwriter, der 1975 in Detroit geboren wurde, bringt in steter Regelmäßigkeit gute bis sehr gute Alben hervor. Zuletzt das emotionale Meisterwerk "Carrie & Lowell", mit dem er seinen Eltern und seiner Kindheit ein Denkmal setzte. Anscheinend sind bei den Arbeiten an diesem Album so viele Songs entstanden, dass Sufjan nun mit "The Greatest Gift" nachlegt und Outtakes, Demos & Remixe veröffentlicht. Auf Vinyl erscheint das Album am 24. November. MADE MY DAY!
Mittwoch, 1. November 2017
QUICK & DIRTY: Swœr / Unfinished thoughts of an innocent dead child
Published: 03.10.2017
Label: Swœr, distributed by Spinnup
Genre: PostRock, ExperimentalRock
Country: Meiningen, Deutschland
Members:
Erik Swiatloch
Diese Erklärung, die wohl jeder, der schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, auch auf sich projezieren kann, gab Erik Swiatloch alias Swœr, zu seinem Debütalbum "Unfinished thoughts of an innocent dead child". Nicht jeder ist allerdings in der Lage, so wie Erik, diesen retrospektiven Gefühlszustand in Musik zu verwandeln.
In 12 atmosphärisch unglaublich dichten Songs lässt Erik Bilder im Kopf entstehen, die bei jedem Hörer sicher anders sein werden und sich wahrscheinlich auch bei jedem mit anderen Emotionen verknüpfen. Mich persönlich überschwemmen beim Hören seines Erstlings Zustände von innerer Ruhe, Schwermut, Melancholie, Sehnsucht, aber auch Euphorie und dieses seltsame Wohlbehagen, welches mich manchmal erfasst, wenn ich meinen Körper über seine Maßen beansprucht habe, deswegen ausgelaugt, aber irgendwo auch glückseelig bin.
Siwatloch macht laut eigenen Angaben Musik seit er 7 Jahre alt ist. Er hat mehrere Musikinstrumente autoditaktisch erlernt und hat auf seinem Debütalbum zu Hause, am liebsten mit einem Glas Wein in Reichweite, alle Instrumente selbst eingespielt. Ausserdem bin ich mir sicher, dass er Zuhause ein paar Alben von Mogwai und vielleicht sogar Thurston Moore im Regal stehen hat. Das alles macht ihn mir sehr sympathisch und bestätigt mich in der Annahme, dass Swœr und "Unfinished thoughts of an innocent dead child" echte Herzensangelegenheiten sind.
Gesagt werden muss noch, dass es nicht verwunderlich ist, dass der gebürtige Thüringer, der nomalerweise u. a. Musik für Bilder macht (http://erikswiatloch.de/), es auch beherrscht, Musik zu machen, die Bilder im Kopf generieren. Verwundert bin ich allerdings darüber, das Erik erst 24 Jahre ist und schon dachte, dass der musikalische Freigeist seiner frühen Jugend bereits in Alltagskosmos versandet sei - aber mit "Unfinished thoughts of an innocent dead child" hat er diese selbstgestellte These ja eindrucksvoll widerlegt. Und als etwas älterer Kreativer kann ich ihm sagen, dass sich natürlich Abnutzungserscheinungen auftun, dass man Normen im Kopf entwickelt, dass es aber auch immer wieder kreative Eruptionen gibt ;-).
Anspieltipps: Eigentlich keine, denn obwohl das Album aus Fragmenten entstanden ist, hat es einen wunderschönen Fluss - einen langen ruhigen. Aber wer es mal schnuppern möchte, sollte sich zum Appettitholen erst "Voices ring out and fall silent ", dann "I want to save our souls" und schließlich "Cause it soaks you up in your own" anhören. Wer dann noch keine Begierde in sich spürt, mehr von Swœr zu hören, leidet womöglich unter Gefühlslegasthenie.
Tracklist:
01 The lovely memories in the ground
02 Voices ring out and fall silent
03 Try to run backwards
04 But melt like cold water
05 In a sweet breeze
06 I want to save our souls
07 To keep them in my hallway
08 And the time has collapsed
09 It settled down into you
10 No need to breathe
11 Cause it soaks you up in your own
12 Until the silent mutes it all
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