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Freitag, 10. November 2017

ROLLING STONE WEEKENDER 2017 - Der Freitag! [A personal Review]

Freitag 3. & Samstag 4.11.2017

DER FREITAG! Zum siebten Mal geht es an den Weissenhäuser Strand zum legendären und natürlich wieder ausverkauften ROLLING STONE WEEKENDER. Waren wir im letzten Jahr nur eine Gruppe von acht Leuten, so ist es in diesem Jahr eine komplette Fußballmannschaft, die sich von Köln auf den Weg in den hohen Norden macht. Den Vergleich sollte man in diesen für die Rheinländer harten Fußballzeiten aber vielleicht lieber bleiben lassen. Kennen eigentlich schon alle das neue Logo der FC?

Mittlerweile funktioniert die Anreise mit der Deutschen Bahn ganz gut, da wir, wie es sich bewährt hat, nicht darauf hoffen, den Anschlusszug in Hamburg zu erreichen, sondern uns direkt von dort mit Taxis Lens ans Festivalgelände bringen lassen. Und natürlich hätten wir auch dieses Jahr wieder den Zug von Hamburg zum Weissenhäuser Strand verpasst - auf die Bahn ist eben Verlass:-)

Gegen 15:30 sind wir an der Anmeldung, wo wir allerdings entsetzt feststellen, dass die Schlange am Bierstand länger ist, als die bei der Bändchen-Abholung. Aber man kennt sich ja aus, weswegen wir erstmal bei Edeka Jens einfallen und amüsiert feststellen, dass wir die beiden vorletzten gekühlten Sixpacks ergattern. Irgendwie kommt der Rolling Stone Weekender aber auch jedes Jahr ganz überraschend um die Ecke.

Etwas ärgerlich wird es dann beim Check-In. Erstens, die 2017er-Bändchen scheinen von einem farbenblinden drogenumnebelten Designer entworfen zu sein - einfach grauenhaft - und man hat für unser eines 4-Bett-Zimmer leider nur einen Schlüssel. Ein Schlüssel für vier Personen. Um es mit der stinksaueren Frau H. zu sagen: "Das geht gar nicht!" So werden wir also gebeten zu warten, bis der Hausmeister im reservierten Zimmer schauen konnte, ob dort vielleicht noch Schlüssel liegengeblieben waren. Waren sie aber natürlich nicht. Nach nerviger Wartezeit sollten wir dann einfach mal unsere Zimmer beziehen und man würde dafür sorgen, dass der Hausmeister dann kommen, das Schloss austauschen und uns vier Schlüssel aushändigen würde. Was tatsächlich auch völlig reibungslos klappte!



Also schnell frischgemacht und ab ins Zelt, um die holländischen Psychedelic-Rocker BIRTH OF JOY als Festivalauftakt zu erleben. Psychedelic ist ja eigentlich mein Ding, aber nicht, wenn er so altbacken und kreativlos daherkommt, wie von diesem Trio. Gääähn, das ist nach einer so langen Anreise - Weckzeit war um 6 Uhr - in etwa so als bekäme man nach einem anstrengenden Marathonlauf ein Altbier aufgetischt. Ich mag beides nicht - Marathon und Altbier - und außerdem hat Sänger Kevin Stunnenberg nicht wirklich eine gute Stimme.

Nächstes Ziel für mich die Alm-Stage, wohingegen sich der größere Teil unserer Truppe allerdings zu Albert Af Ekenstam ins Witthüs aufmacht. Finde beide Acts nicht uninteressant, entscheide mich aber wegen der Location und dem etwas fröhlicheren Sound von Low Roar für die Alm.



LOW ROAR besteht live aus zwei Herren mit sehr hohen, um nicht zu sagen weiblichen Stimmen, aber eigentlich ist es das Solo-Projekt des Kaliforniers Ryan Karazija. Karazija verließ vor sieben Jahren seine sonnige Heimat, um in Island zu leben - manche Sachen muss man nicht verstehen. Die Musik des Sonnenflüchters ist elektronischer DreamPop mit 80er-Jahre-Synthiklängen, die er in Reykjavik auf seinem Laptop gebastelt hat. Die Atmosphäre seiner Songs ist prinzipiell düster, aber ab und an schaut auch mal ein etwas flotterer Beat um die Ecke. Leider haben sich die beiden Musiker auf der Bühne so aufgebaut, dass sie seitlich zum Publikum stehen und sich gegenseitig anschauen. Für meine Standposition rechts von der Bühne ziemlich kacke, weil ich den Mastermind immer nur auf den Rücken schauen darf. Der Auftritt ist okay, aber nicht so gut, dass ich vorzeitig die Biege mache, um im Zelt die Reinkarnation von James Brown alias LEE FIELDS & THE EXPRESSIONS zu sehen.

Lee trägt ein zwei Nummern zu enges blaues Glitzersacko und wird von seinem Gitarristen angekündigt als würde in wenigen Sekunden mit Blitz und Donner Jesus erneut auf die Erde niederfahren. Die visuelle Ähnlichkeit zu Herrn Brown ist wirklich verblüffend und auch einige Gesten und Posen aus Lees Repertoire erinnern stark an den bereits 2006 verstorbenen exzentrischen Godfather of Soul. ABER, hier steht keine Coverband, denn Lee und seine vielköpfige Band schütteln zartschmelzigen Soul mit Zuckermelodien aus dem Ärmel als wäre man im Schlaraffenland. Ich hatte mich schon beim Hausaufgaben machen für den Weekender in seine beiden Scheiben "Faithful Man" und vor allem "Special Night" verliebt, so dass es dem Amerikaner spielend gelingt, mich auf seine Seite zu ziehen.



Mittlerweile ist auch die Splittergruppe vom Albert Af Ekenstam-Konzert im Zelt eingetroffen und schwärmt in höchsten Tönen vom gefühlvollen Auftritt des schwedischen Singer/Songwriters. Mein treuer Konzertbegleiter C. scheint ganz beseelt zu sein und ich vermute, ich hätte wohl doch lieber ins Witthüs gehen sollen. Aber egal, Lee und seine Expressions gefallen allen gut, woran man mal wieder sehen kann, über welch großartigen Musikgeschmack unsere Truppe verfügt ;-). Abschlussbemerkung: Das für das Schlussdrittel des Auftritts von Lee präsentierte rote Glitzersacko ohne T-Shirt darunter, aber mit glitzerndem Goldkreuz auf nackter Brust, war sicherlich Geschmackssache. Prof. R. aus unserer Truppe überlegt allerdings noch immer, ob er mit einem solchen Outfit vielleicht die Studenten in seinen Vorlesungen noch mehr in den Bann ziehen könnte.

Der nächste Slot im Timetable ist eine Zumutung! Hurray for the Riff Raff gegen The Dead South gegen Jochen Distelmeyer! Liebe Weekender-Organisatoren, dafür hätte man euch früher mit dem Rohrstöckchen auf die Finger gegeben! Ich wäge ab. Jochen schon mehrfach gesehen, also Hurray oder Dead South? Noch eine Fehlentscheidung zu so früher Stunde würde mich mental in ein großes Dilemma stürzen. Ich entscheide mich ... für HURRAY FOR THE RIFF RAFF, deren beide großartigen Alben schön längst Bewohner meiner geliebten Vinylsammlung sind.



Das Witthüs ist gut voll und damit es richtig voll wird - wie es der Band aus Puerto Rico/USA gebührt - nörgele ich eine Gruppe Damen an, die jetzt doch tatsächlich was nebenan essen wollen. Die Damen folgen natürlich meinem charmanten Aufruf und sparen so Kalorien für den späteren Abend auf. Ja, jeden Tag eine gute Tat!

Dass ich dieses Mal mit meiner Wahl richtig liege, wird vom ersten Moment an klar. Sängerin Alynda Segra hat eine ausgeprägte Bühnenpräsenz, eine hervorragende Livestimme und die Fähigkeit Rebellionen zu starten! In den Texten der in Amerika lebenden, aber aus Puerto Rico stammenden Künstlerin, wird Tacheles geredet. Soziale Ungerechtigkeiten werden an den Pranger gestellt, Rassismus aufgedeckt und Mut zum Widerstand als Pflicht ausgerufen. Wow, diese Lady hat wirklich Feuer, was wirklich nicht an ihrem kurzen knallroten Minirock liegt! Der Herr Professor und ich sind jedenfalls hin und weg von diesem feurigen Auftritt, der darin gipfelt, dass die Band als Zugabe Bruce Springsteens "Dancing in the Dark" covert und ich, obwohl ich diesen Herrn eher weniger mag, lauthals mitsinge!

Für Wissbegierige: "Pa'lante" ist eine Wortschöpfung aus den beiden spanischen Wörtern "para" und "adelante" und bedeutet "Vorwärts!" im Sinne vom italienischen "Forza!", also als Anfeuerungsaufruf. Wieder etwas gelernt, verehrte Herrschaften!



Schnell am Grillstand noch ein Nackensteak mitnehmen (gibt es im hohen Norden eigentlich keinen ordentlichen Bäcker oder ist die Gewinnmarge sonst zu mickrig) und anstellen am Witthüs für CAMERON AVERY. Der Australier brachte in diesem Jahr sein erstes Soloalbum unter seinem eigenen Namen heraus "Ripe Dreams, Pipe Dreams", hat aber vorher bereits als Bassist von Tame Impala, als Schlagzeuger von Pond und mit seinen ersten Frontmann-Projekt The Growl im Rockzirkus mitgespielt. Auf seinem ersten Album gibt Cameron den Crooner in einer Mischung aus Father John Misty und Frank Sinatra.

Gutaussehener Knabe, dieser Herr Avery, der im schwarzen stylischen Anzug seinen Gig absolviert. Tolle kraftvolle Stimme, aber irgendwie scheint er noch nicht genau zu wissen, in welche musikalische Richtung er gehen möchte. Wenn er den Crooner geben möchte, muss er seine Liveauftritte mit etwas mehr Theatralik füttern und wenn er in die Singer/Songwriter-Schiene möchte, muss er noch etwas am Songwriting feilen und die Intensität erhöhen. Aber trotz der Unentschlossenheit des Künstlers ein insgesamt feines Konzert mit den beiden herausragenden Songs "Watch Me Take It Away" und "C'est Toi" - auch wenn er den Namen der einstigen Angebeteten nicht verraten hat.



Den Schlusspunkt am Freitag setzt der immer gutgelaunte und deswegen vom Professor wenig gelittene GLEN HANSARD. Den Iren habe ich zuletzt 2015 in Köln live gesehen und es war damals wirklich ein großartiges Konzert. Heute hat es Glen etwas schwerer, denn man merkt schon, dass hier nicht alle auf seiner Seite sind, aber trotzdem lässt sich Hansard den Spaß am Musik machen nicht nehmen und liefert einen exzellenten, wenn auch deutlich weniger mit Emotionen behafteten Auftritt ab als damals in Köln.



Mittlerweile zähle ich zu den Gebrüdern Plattfuß, aber das hält mich und meine Reisegruppe natürlich nicht ab, zum Abschluss des Tages zur After-Show-Party ins Witthüs zu pilgern. Leider ist die Beschallung wie im letzten Jahr, d. h. die Boxen sind nicht wirklich auf die Tanzenden gerichtet, so dass leider die Klangqualität und Lautstärke beim Abtanzen etwas verloren geht.

Wie immer ist die Bude rappelvoll und der DJ mit dem seltsam peinlichen Namen spielt Indie-Hit an Indie-Hit. Das Tanzbein zuckt in der INDIE-DISCO, aber leider hat der Mann, der uns zum Tanzen bringen soll noch immer keinen Flow, will sagen, er schafft es einfach meistens nicht, Übergänge hinzubekommen, ohne dass es dem Zuhörer wehtut. Als dann mein treuer Konzertbegleiter C. auch noch bei "Don't Stop Me Know" von Queen vor guter Laune schier platzt und er den Dancefloor zu seinem Wohnzimmer macht, gebe ich auf und begebe mich gegen 2:30 Uhr in Richtung Bettenhausen. Tomorrow is just another day!

TschÖ
ZUM SAMSTAG!

Vielen Dank für die Fotos an Tommek + Michael Nowottny [www.labor-ebertplatz.de]!


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