Schon das Cover von Tamara Lindemans viertem Album, welches sie mit ihrer Band THE WEATHER STATION erstmals schlicht unter dem Bandnamen veröffentlicht, scheint zu sagen "Schau mich an, ich habe nichts zu verbergen." Und tatsächlich stimmen Verpackung und Inhalt überein. Dieses Album ist intim und verzichtet auf Dekoration.
2006 wurde die Band von der Singer/Songwritering in Toronto (Kanada) gegründet und seitdem hat sich die Bandbesetzung um Lindeman mehrfach verändert. Für das neue Album, welches laut Lindeman etwas rockiger als die letzten Alben werden sollte, stehen neben der Bandgründerin nun Ben Whiteley am Bass, Adrian Cook an der Pedal Steel Gitarre und Ian Kehoe hinter dem Schlagzeug. Ein radikaler Bruch zum vorherigen Album "Loyality" ist es nicht geworden, aber ein insgesamt breiteres musikalisches Spektrum darf man dem neuen Album auf jeden Fall attestieren.
Bereits der Auftaktsong "Free" zeugt von der neuen Vielfalt in der Musik von The Weather Station. Die Gitarre darf so tun als wollte sie gleich richtig loslegen, darf sie eigentlich aber doch nicht, denn die an Joni Mitchell erinnernde Stimme Lindemans bildet wie immer den Fokus. Nur ganz am Ende des Songs, macht die Sängerin platzt, für Klavier- und Streicherklänge. "Thirty" ist eine Uptempo-Nummer mit staubigem Western-Flair und psychedelischen Flöten, zu der es sich bestimmt wunderbar im Galopp durch weite Prärien reiten lässt.
Ganz sanft und gemächlich beginnt die sehnsuchtsvolle Singer/Songwriter-Ballade "You And I (On The Other Side Of The World)". Wieder paart sich Lindemans hohe Stimme mit einer federleichten, von der akustischen Gitarre getragenen Melodie und wieder schmieren Streicher dem Zuhörer zuckersüßen Honig um die Ohren. Nicht nur in diesem Song erinnert mich Lindemans Art zu singen an Suzanne Vegas Gesangsstil - speziell auf deren Meisterwerk "Solitude Standing" (1987).
"Kept It All To Myself" knüpft da an, wo "Thirty" aufgehört hat, das Pferdchen darf wieder losgaloppieren, macht dieses Mal aber auch ein paar filigrane Schlenker zwischendurch. Gesanglich darf man Frau Lindeman spätestens hier die Meisterklasse attestieren. Anfangs wieder Tempoverschleppung bei "Impossible", aber aus dem minimalistischen Beat schält sich ein Song, der nach den saftigen Wiesen Schottlands oder Irland riecht.
Ganz minimalistisch, mit einem maximal verschleppten Schlagzeugrhythmus, einem sich temporär in den Vordergrund drängenden Bass, natürlich Streichern, dezenten Flötentönen und einer verspielten E-Gitarre präsentiert sich "Power", der stärkste Song des Albums. Maximale Intensität erreicht!
Geradezu euphorisch beginnt dagegen "Complicit", aber dann nimmt Lindeman das Tempo wieder raus, leider, denn der Anfang war sehr vielversprechend und hätte aus dem guten Song einen sehr guten gemacht. "Black Lies" führt wieder über die saftigen Wiesen, ich frage mich, ob Frau Lindeman vielleicht irische Vorfahren hat oder sehr gerne und oft auf der grünen Insel verweilt?
Die fein orchestrierte und hochemotionale Ballade "I Don't Know What To Say" changiert zwischen jazziger Pianobar-Ballade, Kammermusik und Folksong. Im Song klagt sie, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll und sagt deswegen zu viel, in diese Verlegenheit bringen sie ihre Songwriterqualitäten nicht, da sitzt jeder Ton und keiner ist zu viel.
Beim Traurigen "In An Hour", singt Lindeman zur Begleitung der Fingerpickin-Gitarre, welch schwierigen Balanceakt eine Beziehung darstellt, manchmal von überwältigender Romantik, manchmal der pure Horror. Den melancholischen Schlusspunkt eines famosen Albums setzt das spärlich instrumentierte und von Klavierklängen flankierte "The Most Dangerous Thing About You".
"The Weather Station" ist ein Album voller Hoffnung und Schmerz, mit intimer Poesie und unglaublich präzise in der musikalischen Umsetzung. Vielleicht noch nicht ganz ein Meisterwerk, aber ganz sicher ein funkelndes Kleinod.
Tracklist:
01 Free
02 Thirty
03 You And I (On The Other Side Of The World)
04 Kept It All To Myself
05 Impossible
06 Power
07 Complicit
08 Black Flies
09 I Don't Know What To Say
10 In An Hour
11 The Most Dangerous Thing About You
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