HERZPLATTEN - REMEMBER THAT OLD SHIT Kategorie: Psychedelic Sixties Pop Veröffentlichung: 1970 / 2000
Das erste Mal hörte ich von dieser Band in einem Interview mit Björkim Musikexpress, irgendwann Mitte der 80er-Jahre.
Björk
erzählt, dass ihre Eltern, beide sehr der Hippiebewegung zugetan, ständig die Musik dieser brasilianischen Band hörten und sie dadurch in ihrem künstlerischen Schaffen ebenfalls von OS MUTANTES beeinflusst wurde.
Das mag, wenn man die Musik des brasilianischen Kollektivs hört, seltsam anmuten, denn augenscheinliche Parallelen zu Björks Musik lassen sich nur schwer feststellen. So ist es wohl mehr die Grundideologie des Tropicalismo, die Björk in ihrer Denk- u. Arbeitsweise beeinflusste.
Os Mutantes gehörten dieser in den Sechzigern entstandenen kulturell-politischen Bewegung an und bildeten mit Gilberto Gil und Gal Costa die Speerspitze der Bewegung. Die Musik der Mutanten mischt typische lateinamerikanische Klänge (häufig den Bossa Nova) mit psychedelischen Elementen der Rockmusik. Heraus kamen dabei oftmals Soundcollagen, wie man sie heute in den Zeiten des Sampelns gewohnt ist, die zu Beginn der 70er Jahre aber für viele Ohren eine ziemliche Herausforderung gewesen sein mussten.
Das Album "Tecnicolor" war das vierte Album der Band und sollte als Türöffner für die englischsprachige Welt dienen. Alle Songs waren 1970 in Paris, nun nicht in portugiesisch, sondern in französisch und englisch neu eingespielt worden, aber dann gingen die Bänder irgendwie verloren oder, so eine andere Geschichte, die Band war plötzlich mit den Aufnahmen unzufrieden, auf jeden Fall erschien das Album erst ganze 30 Jahre (!!) später auf Universal Records.
Gott sei Dank, denn "Tecnicolor" ist ein brillantes Meisterwerk und kaum mit einem anderen Album der Weltmusikgeschichte zu vergleichen. Wer Lieder wie das entrückte "I Feel A Little Spaced Out (Ando Meio Desligado)", "Saravah" oder das umwerfende "Baby" zum ersten Mal hört und dem ganzen Album Zeit zum Wachsen gibt, der wird verstehen, wieso "Tecnicolor" ganz weit vorne auf der Liste meiner absoluten Lieblingsalben steht.
Tracklist:
01 Panis et Circenses
02 Bat Macumba
03 Virginia
04 She's My Shoo Shoo (A Minha Menina)
05 I Feel A Little Spaced Out (Ando Meio Desligado)
06 Baby
07 Tecnicolor
08 El Justiciero
09 I'm Sorry Baby (Desculpe, Babe)
10 Adeus, Maria Fulô
11 Le Premier Bonheur du Jour
12 Saravah
13 Panis et Circenses (Reprise)
Ein Debütalbum mit dem Titel „Masterpiece“ zu versehen, zeugt entweder von einer guten Portion Selbstvertrauen oder von Ironie. Die Entscheidung, was auf die Band BIG THIEFaus Brooklyn / NY um Songwriterin Adrianne Lenker eher zutrifft, dürfte nach der Besprechung des auf Saddle Creek erschienenen Albums leichter fallen.
Zuerst muss klargestellt werden, dass es sich zwar um ein Debüt handelt, dass die vier Bandmitglieder aber keine blutigen Anfänger, sondern gestandene Musiker sind - ganz besonders Madame Lenker!
In einem interessanten Interview mit dem Magazin Drunkenwerewolf antwortet Lenker auf die Frage, wann sie eigentlich anfing Musik zu machen, mit: "I started making music when I was too little to hold a guitar, and then I picked up a guitar as soon as I got big enough. I'm not really sure why, I just needed to sing."
Im Teenageralter von 15 Jahren veröffentlicht sie ihr Debütabum "Stages of the Sun", von dem ich leider bis auf den Song "So little Life", eine mit Streicher versehenen Ballade zwischen Folk und Pop, nichts mehr im Netz finden konnte. Deswegen habe ich mir soeben, seit langer Zeit mal wieder, statt Vinyl eine gebrauchte CD bestellt. Nur vom Cover-Eindruck her hätte ich diese CD allerdings nie bestellt und mittlerweile ist sie auch eingetroffen und wer nicht gerade auf Teenager-Pop steht dem kann ich verraten, dass es kein essentieller Baustein in Lenkers Karriere ist ;-).
Mit 21 hat sie ihr zweites Album "Ringing Bells" fertig, sieht aber von einer Veröffentlichung des Albums ab. Lediglich der Titelsong ist über Bandcamp zu erhalten. Das zeugt entweder von großer Unsicherheit oder von einem selbstgewählten hohen Qualitätsstandard. Beides kann man in einer Zeit, in der millionenfach halbgare Sachen im Netz veröffentlicht werden, eigentlich nicht hoch genug bewerten.
Weitere zwei Jahre später ist es dann aber doch soweit und es erscheint AdriAnnes zweites, eigentlich aber drittes Album "Hours Were The Birds". Ein minimalistisches, fast akustisches Album, fest in den klassischen Singer/Songwriter-Strukturen verankert, mit witzigen intelligenten Texten und einer zerbrechlichen Stimme zum Dahinschmelzen - so wundervoll unperfekt. Anspieltipps auf diesem entzückenden Geheimtipp, welches ebefalls über Bandcamp zu beziehen ist, sind: "Butterfly", "Hours Were The Birds", "Lighthouse" und "When we were Young". Wer dann noch nicht Feuer gefangen hat, ist unbrennbar.
Auch von schlechten Cover-Designern und Marketingtödeln scheint sie sich nun endgültig empanzipiert zu haben ;-)
Genug der Vorgeschichte. Heute also singt Adrianne in besagter Band namens Big Thief, zusammen mit ihrem alten Weggefährten Buck Meek an der Gitarre, Max Oleartchik am Bass sowie James Krivchenia an den Drums, und macht leicht schrammeligen IndieRock, dem sie mit ihrer außergewöhnlichen Stimme eine ganz besondere Note verleiht.
Auf "Masterpiece" gelingt es Lenker zusammen mit ihren Mannen ihre gesammelten Erfahrung aus Folk und American in einzigartiger Manier mit Elementen aus IndieRock und Grunge zu kombinieren. Dabei entstehen so großartige Stücke wie "Real Love", das minimalistisch mit Lenkers verletzlicher Stimme und vereinzelten Gitarrentupfern beginnt und letztendlich in einer nahezu ekstatischen Noise-Orgie ausufert. Very fein, aber nicht das einzige herausragende Stück auf diesem Debüt-Meisterwerk.
Da wären noch das poppige, vom satten Schlagzeug getragene "Vegas", das luftig leicht auf Gitarrenakkorden schwebt, für Grunge-Freunde das krachende "Humans" sowie "Interstate" und für LoFi-Freaks das charmante "Little Arrow".
Außerdem muss man einfach das betörende "Paul" lieben, das mich sehr anSharon van Etten erinnert, die sich ihrerseits schon mehrfach als großer Big Thief-Fan geoutet hat. Das zärtliche "Lorraine" sollte man auch nicht vergessen, aber DAS Argument, welches dieses Album zu einem tatsächlichen Meisterwerk macht, ist die Schrammelhymne "Masterpiece", die mit einem fetten Monster-Hook auffährt und herrlich verzerrte Gitarren himmlisch erklingen lässt. Aufwühlend, wuchtig, kurz einfach umwerfend!
Ein herzerfrischendes Album mit lauten und leisen Gitarren, mit einer hochemotionalen, aber auch stürmischen Sängerin, mit melancholischer Note und einer Prise Nostalgie - definitiv ein Favorit für die Platte des Jahres 2016. Und beim Cover-Design hat man auch die Champions League erreicht!
Und wie schreibt die Band auf ihrer Bandcamp-Page zu "Masterpiece" so schön: "Listening to Big Thief is like the feeling of looking at a dog and suddenly marveling that it is like you but very not like you; when you are accustomed to looking at a dog and thinking ‚dog‘, watching Big Thief is like forgetting the word ‚dog‘ and looking at that naked animal and getting much closer to it and how different it is to you."
Tracklist:
01 Little Arrow
02 Masterpiece
03 Vegas
04 Real Love
05 Interstate
06 Lorraine
07 Paul
08 Humans
09 Velvet Ring
10 Animals
11 Randy
12 Parallels
Vor wenigen Wochen hatte ich das Glück, erstmalig die USA zu bereisen. Eigentlich hatte ich mir natürlich auch vorgenommen, mindestens ein Konzertchen zu erleben, aber wie es der Teufel will, waren alle interessanten Konzerte zum Zeitpunkt meines Aufenthaltes in New York und Boston aus den unterschiedlichsten Gründen nicht machbar.
Umso mehr freute es mich, dass ich nun einer der besten Bands aus Boston in einer meiner Lieblingslocation in Köln sehen konnte.
QUILTgründete sich 2008 in Boston, bezeichnet sich selbst aber als New Yorker Band, deren vier Mitglieder in Brooklyn, Upstate New York und New Hampshire leben.
Aushängeschild des Quartetts ist Sängerin und Gitarristin Anna Fox Rochinski. Ihr zur Seite stehen am Bass Keven Lareau, an der Gitarre Shane Butler und John Andrews am Schlagzeug. Die Bandgründer Rochinski und Butler lernten sich am College in Boston kennen, starteten als Duo, holten einen Drummer dazu, der die Band aber bereits 2011 nach dem in Cambridge aufgenommenen Debütalbum "Quilt" wieder verließ und durch John Andrews ersetzt wurde.
Das zweite Album "Held in Splendor" nahm die Band 2014 in Brooklyn auf. Da sich das musikalische Spektrum nicht mehr auf FolkRock beschränkte, sondern deutlich um Elemente aus Psychdelic und DreamPop erweiterte, benötigte man für die Liveumsetzung des Albums mehr Hände, weswegen man mit Keven Lareau am Bass ein weiteres Bandmitglied aufnahm.
Anfang 2015 ging die Band dann erneut ins Studio und arbeitete am dritten Album "Plaza", welches im Februar dieses Jahres erschien. Nun tourt die Band durch Europa und macht Halt in der schönsten Stadt am Rhein.
Das King Georg ist gut gefüllt und auf der winzigen Bühne steht neben dem zu erwartenden Equipment auch ein Keyboard, weswegen damit zu rechnen ist, dass die Band für die Liveumsetzung von "Plaza" einen weiteren Musiker mitgebracht hat.
Als es irgendwann nach 21 Uhr losgeht, betritt neben den bekannten Bandmitgliedern tatsächlich auch eine Keyboarderin die Bühne. Wer das King Georg kennt, weiß, dass bei fünf Mann auf der Bühne der Raum verdammt eng wird. So muss sich Bassist Keven Lareau sein Plätzchen am Rande der Kuschelsitzgruppen suchen.
Der Hingucker ist natürlich Anna Fox Rochinski, die in einer kleinen schwarzen Kombination mit schickem übergeworfenem Kurzkimono und quietschroter Gitarre alle Augen auf sich lenkt. Los geht es mit dem verträumten "Passerby" vom aktuellen Album. Anna hält beim Singen oftmals die Augen geschlossen und scheint sich ganz in der Musik zu verlieren. Die Band ist hervorragend aufeinander eingespielt und der Sound im kleinen Kölner Club erstaunlich gut.
Aber leider will nicht nur bei mir, sondern auch bei den meisten meiner heute zahlreichen Konzertbegleiter der Funke nicht so recht überspringen. Ich fürchte es liegt daran, dass das neue Album "Plaza" im Gegensatz zum Vorgänger-Album "Held in Splendor" vom Songwriting eher schwächer zu bewerten ist. "Plaza" setzt mehr auf jamartige Songs, was ja eigentlich live eine Bank sein sollte, aber dafür spielt die Band zu sehr mit angezogener Handbremse.
Stellenweise erinnert der "neue" Sound an den Drone-Sound des Moon Duo und wenn Quilt dann etwas lauter wird und loslässt, passt es auch, aber diese Momente sind leider zu selten. Wenn schon psychedelische Jams, dann bitte etwas schmutziger, etwas rauer, gerne etwas ausschweifender und brachialer. Speziell das Schlagzeug dürfte man etwas variabler gestalten, zeitweilig erinnert mich das stoische Schlagzeugspiel von Drummer John Andrews tatsächlich an den kürzlich verstorbenen Peter Behrens von Trio.
So sind für mich an diesem Abend dann doch eher die wenigen Songs vom 2014er Album, wie das wundervoll schwerelos schwingende "Tie up the Tides", die Highlights.
Ach und verblüffend an diesem Abend fand ich, dass ich bei einigen Songs von "Plaza" fest der Überzeugung war, dass Anna singt, ich aber feststellen durfte, dass Gitarrist Shane Butler die Vocals mit ähnlich weicher Stimme hauchen kann und dass, wenn ich mich nicht auf die Bühne konzentrierte, sondern die Augen schloss, ein kleiner Funke doch übersprang.
Kein ganz rundes Konzert, aber trotzdem ein schöner Abend mit Musik, die ausnahmsweise aus der Dose besser kommt als live.
Man sollte meinen, irgendwann hätte man den Sound von DIE ANTWOORD satt, aber anders als bei den ähnlich mit fetten Beats um sich werfenden The Prodigy schaffen es die Südafrikaner, irgendwie immer ihrem Sound etwas Neues abzugewinnen.
Auf der soeben erschienenen neuesten Veröffentlichung "Suck On This Pre-Candy Mixtape" entdeckt der Dreier aus Kapstadt die Musik der Karibik und Südamerikas für seine Zwecke. Das fette Brett mit 13 Songs, davon einige bekannte Hits in neuem Remix-Gewand, soll die Wartezeit auf das neue Album "Suck On This" verkürzen und kann hier kostenlos heruntergeladen werden.
Los geht es mit "Dance Wif Da Devil", einer nicht ganz netten Anweisung für Amerikaner, wie man den Bandnamen ordnungsgemäß ausspricht. Da haben wir in Deutschland es mit Afrikaans halt echt leichter ;-).
Der erste Song mit dem lautmalerischen Titel "Bum Bum" haut mich schlicht um. Nicht nur die Sounds, auch die Sprache stößt in neue unbekannte Regionen vor, den stellenweise wird der wie üblich mit unflätigen Ausdrücken gespickte Text in spanisch vorgetragen. Crazy Shit!
Das nächste Stück "Gucci Coochie" lässt einen hochfrequenten Sambarhythmus auf Baller-Technosounds treffen. Hallelujah, die Bassmembran nimmt bei voller Lautstärke ungeahnte Dimensionen an!
Beim nächsten Gimmick-Track "Where’s My Fukn Cup Cake?" flippt die heißeste Rapperin der Welt ¥o-Landi Vi$$er mal so richtig aus, ehe mit "Dazed and Confused" wunderbar trippig in Richtung Raggamuffin poltert.
Danach erneut ein kurzer Gimmick-Track, ehe mit "Pitbull Terrier" ein Remix-Song vom Album "Donker Mag" (2014) kommt, der zwar ordentlich ballert, mich aber nicht wirklich überzeugt - genauso wenig wie der Original Mix. "I Fink You Freaky" (2012) ist einer meiner Favoriten aus dem Reportoire der bekloppten Afrikaner, das God’s Death Trap Remix kann sich hören lassen, aber die ursprüngliche Version ist die bessere.
"We Want Candy" ist leider auch nur ein kurz angerissener Appetithappen für das neue Album, auf welches ich nach den ersten drei Stücken sowieso schon einen ausgeprägten Appetit entwickelt habe. Als Anfang der 90er Jahre die kurze aber heftige Jungle-Welle von England über Europa einbrach, war ich ein großer Freund dieser elektronischen auf Breakbeats basierenden Musik, weswegen mir auch der God’s Wicked Jungle Remix zu "Fok Julle Naaiers" (2011) von den Remixen am besten gefällt.
Was dann kommt, brauche ich persönlich leider auch nicht. "I Don’t Care" ist mir zu sehr Kirmes-Techno, "Jan Pierewiet" ein weiteres Sound-Gimmick und am Original von "Enter Da Ninja" gibt es nichts zu verbessern, weswegen der Remix überflüssig ist.
ABER, die Vorfreude auf das kommende Album ist groß und ich bin mir ganz sicher, dass die dazugehörigen Video-Clips wie immer eine Augenweite werden.
Tracklist:
01 Dance Wif Da Devil (feat . The Black Goat)
02 Bum Bum feat. God
03 Gucci Coochie (feat. Dita Von Teese, The Black Goat + God)
04 Where’s My Fukn Cup Cake? (feat. The Black Goat)
05 Dazed and Confused (feat. God)
06 Siembamba (feat. The Black Goat)
07 Pitbull Terrier (God’s Berzerker Trap Remix)
08 I Fink You Freaky (God’s Death Trap Remix)
09 We Want Candy feat. (The Black Goat)
10 Fok Julle Naaiers (God’s Wicked Jungle Remix)
11 I Don’t Care (feat. God)
12 Jan Pierewiet (feat. The Black Goat)
13 Enter Da Ninja (The Black Goat Decapitator Remix)
Da wartet man 22 Jahre auf einen neuen Song der legendären STONE ROSES und dann bekommt man eine Fußballhymne?
Nun gut, die Europameisterschaft steht vor der Tür und wirklich gute Songs für Stadien gibt es wahrlich nicht wie Sand am Meer, aber etwas innovativer und zeitgemäßer hätte "All for One" schon ausfallen dürfen.
Der Song ist nicht schlecht, vor allem das fette Solo von John Squire, aber prinzipiell ist es eine höchst traditionelle vom Blues geschwängerte altbackenen Rocknummer mit leicht psychedelischen Zügen.
Aber vielleicht reißen die Briten ja endlich mal was bei der EM und dann hat sich der Hype um die geheimnisvollen Zitronenplakate in britischen und ausgewählten internationale Städten gelohnt. Aber wie sagte Gary Lineker so treffend: "Am Ende gewinnen immer die Deutschen" ;-)
Bei Vinylsammlern dürfte das Label Italians do it better bestens bekannt sein, denn mit welcher Liebe und Farbenvielfalt das kleine Label aus Portland / Los Angeles die Musik seiner Acts, die man als Fusion aus SynthiPop, ItaloDisco und Ambient bezeichnen kann, auf das, hier ebenso gut wie nie, schwarze Gold presst, sucht weltweit seinesgleichen.
So verwundert es auch nicht, wenn man für die schnell vergriffenen Platten des Labels, mittlerweile astronomische Summen abrufen
Neuestes Anlageobjekt ist eine transparente, auf 5000 Stück limitierte Vinylscheibe namens "Cherry 12" vom Label-Flagschiff CHROMATICS die acht Stücke enthält, darunter auch eine Neuinterpretation des Songs "The River" vom 2012 erscheinen Erfolgsalbum "Kill for Love". Das Stück hat nicht nur seinen Flow, sondern auch seinen Titel geändert und nennt sich jetzt "Headlight's Glare". Ansonsten gilt wie immer für Musik aus dem Hause Italian do it better: Sehr smooth, sehr atmosphärisch und sehr elegant.
Coverversionen haben ja eigentlich in den News nicht wirklich was zu suchen, wenn aber eine Coverversion so gelungen ist wie die von "Fallin' Rain" schmeiße ich gerne sämtliche Ressentiments über Bord.
KARL BLAU ist ein Country- & Folk-Musiker aus Anacortes in Washington, der seine Songs gerne mit Elementen aus verschiedenen Genres (Bossa Nova, Worldbeat, R&B) anreichert und seit 1997 Songs veröffentlicht.
Sein neues Album "Introducing Karl Blau" ist am 13. Mai auf Bella Union erschienen und darauf befindet sich auch die superrelaxte und charismatische Coverversion des Songs von Fred Lincoln 'Link' Wray den bereits auch Calexico als Bonus Track auf ihrem Album "Feast of Fire" coverten. Toller Song, tolle Version, nicht sooo tolles Video.
Aus Ontario in Kanada stammt die von Mitch Bowden und David Dunham 2006 gegründete IndieRock-Band DON VAIL.
"Personal League" geht sofort angenehm in Ohr und erinnert mehr an britischen IndiePop als krachenden amerikanischen IndieRock. Die Melodie und die Harmoniegesänge stehen bei den beiden Kanadiern ganz eindeutig im Vordergrund.
Auf der frisch erschienen LP "Fades" befinden sich noch einige weitere Perlen. Empfehlenswert sind besonders das pulsierende dramatisch anschwellende Instrumentalstück "Human Pyramid", das entschleunigte "Fake Blood" und das rumpelnde hymnische "The Truthis, Diane", welches mehr nach Stones Roses klingt als die Stone Roses selbst ;-)
Spontane Konzerte sind schwierig, weil die guten eigentlich kurzfristig nicht zu haben sind. Umso erstaunlicher, dass für die aus South Carolina stammende und in Nashville beheimatete NIKKI LANE, trotz der kleinen Location am Tag des Konzertes noch problemlos Karten zu bekommen sind.
Im Gegensatz zu meinem treuen Konzertbegleiter C. bin ich nicht der absolute Country-Fan, aber das wirklich hervorragende zweite von Dan Auerbach produzierte Album "All or Nothing" der Countrymusikerin war ein unschlagbares Argument, dass sogar meiner schwer zu beeindruckenden Frau gefiel, weswegen wir uns in Viermannstärke, natürlich mit der unverwüstlichen V., gegen 19 Uhr am Stadtgarten trafen.
Da der unsägliche ESCim TV lief, und die omnipräsente Adele die Lanxess-Arena beschallte, mutmaßten wir, dass es Nikki schwer haben würde den Laden zu füllen und so sah es gegen 19:30 bei Einlass noch sehr übersichtlich im schnuckeligen Studio aus.
Aber die Befürchtungen bewahrheiteten sich zum Glück nicht wirklich, denn als gegen 21 Uhr auf der Bühne zum ersten Mal Musik erklingt, ist das Studio 672 zwar nicht ausverkauft, aber doch ganz ordentlich gefüllt.
Unerwarteter, aber erfreulicherweise Weise, gab es einen Support, dachten wir, bis der Mann mit dem schütternen Haar und der Gitarre die ersten Töne aus seiner Kehle erklingen lies. Kommentar von C.: "Neil Young darf schief singen, er nicht!" Aber Surprise, Surprise, wir taten dem Herrn aus Bremen, der ohne seine Band Someday Jacob, aber mit einem verhinderten Abstieg im Studio antrat, unrecht, denn schon ab Lied Nummer zwei hatte der Mann seine nicht perfekte Stimme besser im Griff und begeisterte mit Liedern mit ausgezeichnetem Songwriting und Botschaft. Also Mea Culpa für das erste voreilige Urteil.
Wie der spärliche Bühnenaufbau im Studio 672 bereits erahnen lies, kam Nikki für ihre erste Europa-Tour als Headliner leider nicht mit kompletter Band nach Köln, also kein Schlagzeug und keine Pedal-Steel-Gitarre :-(.
Nikki betritt nach einem etwas hektischen Soundcheck, der aber wohl dem nervigen Pfingstverkehr und einer deswegen verspäteten Ankunft geschuldet war, mit einem Gitarristen zu ihrer Rechten und einer Dame mit Rassel und Tambourine zu ihrer Linken die Bühne. Beim ersten Lied stimmt soundmäßig leider noch nicht alles, aber Nikki erweist sich als wahrlich oberfleißige Livemusikerin, sehr souverän darin, mit kleinen Zeichen für den Mann am Ton den Sound in den Griff zu bekommen.
Trotz der vielen absolvierten Liveauftritte merkt man Miss Lane an, dass sie noch immer ausreichend über Spielfreude verfügt, denn keine Sekunde hat man den Eindruck, dass hier jemand sein bewährtes Programm abspult, sondern ganz im Gegenteil, die Funken sprühen von der ersten Sekunde an. Speziell mein treuer Konzertbegleiter C. steht schon nach wenigen Minuten in Flammen ;-)
In bin mit dem Repertoire von Nikki leider nicht so vertraut, dass ich hier eine vollständige Setlist liefern könnte, so kenne ich so gut wie keinen Song aus ihrem Debütalbum "Walk of Shame" von 2011, aber sie spielt auch einige Songs von ihrem letzten Album, so dass auch ich schnell mit ihrem Auftritt warm werde.
Der erste besonders auffällige Songs an diesem Abend ist "Man Up", eine explizite weibliche Ansage an Herren, die es sich auf ihrem Arsch zu gemütlich machen. Die unverwüstliche V. outet das Stück dementsprechend auch gleich als ihren Lieblingssong ;-).
Das Set der Amerikanerin ist sehr geschmeidig und charmant. Immer wieder sucht sie Kontakt zum Publikum, fragt nach Songwünschen, was nicht immer sofort verstanden wird, erzählt von ihren Tourerlebnissen und flachst mit ihren Bühnenpartnern. Besonders die Damen scheinen zusammen ziemlich viel Spaß auf dieser Europa-Tour zu haben, während der als Spanier vorgestellte Gitarrist eher introvertiert wirkt und es so scheint, als ob auch er nicht alles versteht, wenn die Dame aus South Carolina und die Lady aus New York ihre Späßchen auf der Bühne treiben.
Zu Gehör gebracht werden neben zahlreichen Songs die ich nicht kenne, das zauberhafte "You can't talk to me like that", das angeforderte "Love's on Fire" und das mir unbekannte, aber tolle "700 000 Rednecks".
Nach einer kurzen Pause folgt eine Zugabe, wo ich dann auch noch meinen Lieblingssong "Sleep with a Stranger" serviert bekomme und ein Stück, bei dem der vom Support bekannte begabte Bremer in die Saiten greifen darf. Very fein!
Ein tolles Konzert mit einer ausgesprochen sympathischen Künstlerin, das für mich zwar einige wenige Längen hatte - weil halt doch Schlagzeug und Pedal Steel fehlten - aber Nikki versprach Köln irgendwann auch mit einer kompletten Band zu besuchen und klar ist, dass wir Vier dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder zu ihrem Publikum gehören.
Der sympathische Eindruck, den Nikki während des Konzertes hinterlies, verfestigte sich, als sie kurz nach dem Konzert gut gelaunt am Merchandise-Stand auftauchte, Selfies mit sich machen lies, fleißig signierte und dem treuen Konzertbegleiter C. vollends das Herz brach. Und dann noch dieses neckische Tattoo, eine Colaflasche, deren Hals man kurz über dem Gürtelbund sieht, das von der Kehrseite grüßt!
Während C. und ich uns mit Vinyl eindecken, muss die unverwüstliche V. ohne ein Andenken an diesen Abend bleiben, denn die heißen Panties, wahrscheinlich von der ausgebildeten Mode-Designerin Nikki selbst entworfen, für die sie sich interessiert, waren mit 25 Euronen doch etwas teuer - vor allem wenn man bedenkt, dass das Vinyl schon für 20 zu haben war! Wer trotzdem so ein heißes Teil haben möchte, kann auch online zu schlagen, allerdings für satte 30 Euro.
Und meine holde Gattin darf jetzt auch gerne öfter mit auf ein Konzert, denn der schreckliche Chinese Man-Fluch scheint gebrochen!
Sehnsuchtsvolle, gerne auch vor Schmerz triefende Melodien sind eigentlich etwas für kalte und nebelige Herbsttage, trotzdem haben die beiden derzeit angesagtesten und begnadetsten Heulsusen – natürlich Briten - fast zeitgleich ihre neuen Alben mitten im Frühling und ohne große Vorankündigung veröffentlicht. Mister JAMES BLAKE wartete am 5. Mai mit "The Colour is Anything" und RADIOHEAD drei Tage später mit "A Moon Shaped Pool" auf. Ein Fest für Trauerklöße!
Beide Alben loten aus, wie tief man mit mehr oder weniger elektronischen Mitteln in die schmachtende Welt der Melancholie hinabsteigen kann - wer nicht aufpasst, könnte sogar in durchaus vorhandene depressive Abgründe stürzen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich liebe melancholische Lieder und ich liebe so ziemlich alles, was die beiden Acts bisher veröffentlicht haben. Und um ein für alle Mal klarzustellen, der historische Schlager "Liebeskummer lohnt sich nicht" von Siw Malmquist ist inhaltlich gequirlte Scheiße, denn unzählige Trennungs-, Trauer- und Abschiedalben in der Pop-History haben gezeigt, dass es sich sehr wohl lohnen kann in Schmerz und Leid zu ertrinken!
Bevor ich mich mit den beiden Alben befasse, noch ein Hinweis für (junge) Menschen: Diese beiden Alben empfiehlt es sich auf einer qualitativ hochwertigen Anlage zu hören. Nein, damit meine ich kein iPhone und auch keine grausamen Klangschachteln, die man heute als Lautsprecher bezeichnet. Tut euch einfach selber den Gefallen und genießt bei nicht zu geringer Volumezahl die verschachtelten und ausgetüftelten Kompositionen auf einer richtigen Hifi-Anlage. Bestenfalls natürlich auf Vinyl, aber da muss man bei beiden leider noch etwas warten :-(.
JAMES BLAKE / The Colour in Anything
Es herrscht Stille. Funkstille. Es wurde alles gesagt zwischen dem Paar. Nur "Radio Silence" sendet noch fiepsende Töne, zu denen der Mann am Klavier sein Wehleid klagt "I can’t believe that you don’t wanna see me".
Punkt! Aus! Schluss! "I've done so much since who better to show it to you. It's sad that you're no longer her. It's sad that you're no longer her. No longer her, no longer, no longer her, no longer." "Points" ist eine düstere, verzweifelt klingende aufgeschichtete Soundcollage aus gepitchten und geloopten Vocals, dem ein tiefer Bass folgt. Post-Dubstep per Definiton.
Schrei nach Liebe! "Love Me In Whatever Way" lässt deutlicher echte Songstrukturen erkennen als die vorherigen Tracks, die Stimme wird nur wenig verfremdet. Verhöhnen da Lacher den schmachtenden Barden? Ist das der Blues der Zukunft?
Ein mächtiger tief klopfender Bass eröffnet das mir immer mehr zusagende "Timeless". Im Hintergrund maschinelle Geräusche wie aus einem gigantischen trostlosen Industriepark. Es rauscht. Nur einer möchte anders sein. Er wird durch das Raster fallen. Wird er?
Benutzte nie die Worte "Für immer"! Auf "f.o.r.e.v.e.r." gibt es den entblößten Blake. Schier pure Stimme und reine Pianoklänge zu einem minimalistischen Liebeslied. Der Klangkosmos weit aufgestoßen wird dagegen wieder bei "Put That Away And Talk to Me". Der Bass meldet sich vehement zurück! Zu den für Blake typischen rhythmischen Klängen wie aus einer Fabrik gesellt sich ein in höchsten Tönen agierendes Glockenspiel. Erstmals so etwas wie demokratische Gleichschaltung von Hoch- und Tieftöner. Wer die richtigen Boxen besitzt, darf hier als Wagemutiger ruhig die Grenzen der Belastbarkeit ausprobieren.
"I hope my life is no sign of the times." Ich fürchte sein musikalisches Schaffen schon, denn die Einsamkeit des digitalisierten Lebens und das damit wachsende Verlangen nach greifbaren Dingen kann man modernen und zeitgenössischer nicht mit Noten umsetzen als es Blake bei dieser pochenden elektronischen Gefühlseruption tut - und man kann sogar fast dazu tanzen.
Kann man Bläser aus einem Trauergottesdienst in einen fortschrittlichen Popsong integrieren? Man kann, bei "Waves Know Shores" verschmelzen Bläsersätze mit Orgelklängen zur Skizze eines Schlachtfelds der Liebe. Herr Blake scheint es unendlich schwer mit den Frauen zu haben. Sein Herz ist willig, aber die Widerstände scheinen unüberwindbar. Schöner leiden mit Streichern, Bläsern und einem Herzbeat kurz vorm Stillstand bei "My Willing Heart".
Einer meiner Lieblingssong ist "Choose me". Der elektronische Feingeist Blake zimmert Gospelgesänge an einen Beat aus der Drum and Bass-Ära und lässt die Vocals in den Himmel steigen. Gigantisch - sollte bei ebensolcher Lautstärke rezipiert werden.
Für Menschen, die derzeit in Kanada von Waldbränden gepeinigt werden, ist die Kooperationsnummer "I Need A Forest Fire" zwischen Bon Iver und James Blake sicher nicht ganz schmerzfrei, der erhabenen Schönheit des Stücks wird man sich aber selbst dann nicht entziehen können. Und manchmal kann ein Feuer auch etwas Reinigendes in sich birgen. Großartiges Stück!
Sanft tuckert der Beat bei "Noise Above Our Heads", wo Blake es tatsächlich sogar wagt, seine Stimme zu erheben, weil es zur Hölle noch mal einfach keinen Frieden findet. Ist Blake eigentlich im privaten auch so innerlich zerrissen oder therapiert er sich mit seiner Klagemusik? Würde gerne mal auf ein Bierchen und ein paar Taschentüchern mit dem Briten durch die Kneipen ziehen.
Moll! Moll! Moll! Seine professionellen Klavierkünste zelebriert er in dem Album den Namen gebenden Stück "The Colour In Anything". Er hat noch Hoffnung! Irgendwann brechen die Farben durch. Irgendwann macht Blake ein gutgelauntes Album, in dem nur Dur-Töne vorkommen und zu dem man zügellos tanzen möchte. Vielleicht irgendwann - ich hoffe, es dauert noch ewig ;-)
In nahezu orchestrale Dimensionen entführt das mit flirrenden Keys aufwartende "Two Men Down", das am Rande des psychedelischen Wahnsinns herumstolziert. Auffällig wird spätestens hier, dass Blake auf "The Colour in Anything"seinen Minimalismus maximal erweitert hat. Über "Modern Soul" wurde bereits alles gesagt. Der Titel ist Programm.
Ebenfalls mit einer ordentlichen Prise Modern Soul versehen ist "Always". Lange stampft der monotone Beat zu Klavierklängen, ehe sich Blake wieder mit seinen Vocals im Decoder verfängt, sich harmoniumartige Töne und Hand-Claps integrieren, um neue Klangwelten zu erschaffen. Den Abschluss des mit über 76 Minuten Spielzeit monumentalen Werkes bildet die Voice-Collage "Meet You In The Maze". Unzählige Male erklingt "Music can't be everything". Musik kann nicht alles sein, aber Musik kann alles. Weiter offenlegen lässt sich Emotionalittät im musikalischen Kontext zumindest nicht - zumindest bisher nicht.
Tracklist:
01 Radio Silence
02 Points
03 Love Me In Whatever Way
04 Timeless
05 f.o.r.e.v.e.r.
06 Put That Away And Talk to Me
07 I Hope My Life
08 Waves Know Shores
09 My Willing Heart
10 Choose Me
11 I Need A Forest Fire (feat. Bon Iver)
12 Noise Above Our Heads
13 The Colour In Anything
14 Two Men Down
15 Modern Soul
16 Always
17 Meet You In The Maze
RADIOHEAD / A Moon Shaped Pool
Der Einstieg ist schneller als jeder Song auf Blakes Album. "Burn The Witch" flirrt hektisch und der dröhnende unterschwellige Bass brummt gefährlich. Das im Kopf entstehende Szenario ist Monumentalkino. Dramatische Bilder. Verzweifelte Bilder. Kraftvolle Bilder. Das ist kein Blues, das ist progressivster ArtRock mit vom Videoclip, für den Animationskünstler Chris Hopewellverantwortlich zeichnet, eindrucksvoll unterstrichener Sozialkritik.
"Burn the Witch" zeigt mit dem Finger auf alle, die es sich zu einfach machen, die Zusammenhänge verallgemeinern, um Schuldige ausmachen zu können nur um dem eigenen naiven Seelchen Beruhigung zu geben. Problematisch ist nur, dass man leider davon ausgehen muss, dass genau diese Dumpfbacken mit einer streitbaren, weil immer innovativen Band wie Radiohead leider gar nichts anfangen können.
Das zweite Stück beginnt mit einer Art Glöckchenkakophonie, aus der sich sanft eine Melodie herausschält. Wie bei Blakes "Modern Soul" verhält es sich auch bei "Daydreaming": der Titel ist Programm. Auch bei Radiohead paaren sich Klavierklänge mit elektronischen Sounds und bilden mit Streichern hochemotionale verträumte Klanglandschaften.
Noch geisterhafter und flüchtiger ist "Decks Dark". Es beginnt mit einem Flirren, das man wie aus der Entfernung wahrnimmt, aber immer näher kommt. Wieder gesellen sich als erstes Glöckchen, Piano und Streicher zum sanften Gesang Thom Yorkes. Schwebende Chorgesänge und schließlich eine Gitarre stoßen dazu. Letztendlich klingt es, als wären Folk-Songs von Nick Drakein viele Schichten zerlegt und zu einem gigantischem Luftschloss aufgetürmt worden.
Im nächsten Song "Desert Island Disk" darf die Gitarre von Ed O'Brien eröffnen. Was sehr verhuscht und bedächtig beginnt, wächst sich aus zu einer epischen Filmmusik mit Science-Fiction-artigen Klangmalereien. Bei diesem Song wird erneut deutlich, dass Nick Drake für dieses Album die größte Inspiration gewesen sein muss, nur dass Radiohead mit ihren Kompositionen viel mehr nach dem Raum greifen.
"Ful Stop". Tempoerhöhung. Irgendwie in weiter Entfernung wütet ein bedrohlicher stampfender Beat, der hinter einem Grundrauschen verborgen bleibt. Orientalisch anmutendes Gezwitscher branded auf und ab. Der Beat rückt näher. Die Stimme fleht. Der Schleier zerreist bei 3:10. All Gates are open! Sphärische Popmusik im Sinne von Maurice Ravel.
"Glass Eyes". Wieder erklingt Musik wie zu einem Film und Yorkes wispernde Stimme. Radiohead sind die visuellesten Musiker dieses Planeten. Ein klassisches Streicherarrangement, ein Klavier, gefühlvoller Gesang und im Kopf des Hörers entstehen Bilder. Nicht zu unterschätzen darf man die Mitarbeit des London Contemporary Orchestra, die bei vielen Stücken die Streicher stellten und der Band dabei halfen, ihre flächigen Sounds zu füllen.
Ein tanzbarer Beat und sogar so etwas wie eine Hookline schimmert bei "Identikit" durch. Trotzdem gespenstig, beklemmend, übernatürlich, dämonisch schön. Und wieder darf die Gitarre mitmachen, nicht nur als Beiwerk, sondern als Gleichwertiges Teil des Ensembles - das war auf den letzten Radiohead-Alben nicht immer der Fall.
Aus einer Kakophonie an Pianotönen entsteigt bei "The Numbers" der nächste Folk-Song. Das Schlagzeug marschiert, trotzdem klingt es wie ein Jam. Ein Space-Jam weit weit draußen im Raum. Als hätten sich Radiohead vorgenommen, mit diesem Song die visionäre Fortsetzung von Bowies "Space Oddity" zu erschaffen. Gewaltig schön und man muss feststellen, dass sich vor allem die Arbeit von Bassist Colin Greenwood als Filmmusikschaffender in nicht geringem Maße auf das Album ausgewirkt hat .
Das Schweben geht weiter. "Present Tense" wird geführt von einer mäanderten Gitarrenmelodie und einem rhythmischen Rasseln. Langsam dringt das Schlagzeug in den Vordergrund. Schnittstelle zu James Blake: Yorkes Stimme wird gesampelt und schichtweise übereinandergestapelt. Wie ein flüchtiges Lied am sommerlichen Lagerfeuer, das man so dort aber niemals nicht spielen könnte.
"Tinker Tailor Soldier Sailor Rich Man Poor Man Beggar Man Thief". Ein gedämpfter Electro-Beat, maschinelles Knistern. Wäre nicht Yorkes unverkennbare Stimme, könnte man hinter den Klängen durchaus auch Blake vermuten, oder zu Beginn moderat, aber spätestens wenn die auf diesem Album allgegenwärtigen Streicherpassagen erklingen, ist geklärt, wer dieses Monument errichtet hat.
Hardcore-Radiohead-Fans kennen von den elf neuen Stücken bereits sieben Stücke. Das eigentlich älteste und bekannteste dürfte die Schlussnummer, das live gerne gespielte "True Love Waits" sein. Der Bass rumort in Tiefen, die man bei Blake gewohnt ist und das Klavier scheint in einer Echohalle unter einem Wasserfall zu stehen, so perlen die Klänge in Unendlichkeit aus ihm heraus.
Beide Acts haben geliefert. Die musikalische Qualität beider Alben ist ausgesprochen hoch. Blake zeigt mehr nackte Emotion und Radiohead mehr Intellekt. Blake mal in leuchtendem Mitternachtsblau und Radiohead in tiefem Rabenschwarz. Beides ist ergreifend schön und in beiden Werken lässt es sich wunderschön ertrinken.
Tracklist:
01 Burn The Witch
02 Daydreaming
03 Decks Dark
04 Desert Island Disk
05 Ful Stop
06 Glass Eyes
07 Identikit
08 The Numbers
09 Present Tense
10 Tinker Tailor Soldier Sailor Rich Man Poor Man Beggar Man Thief
11 True Love Waits
Mit Partnersuche ist es ja keine einfache Sache. Das gilt im Privaten und ganz sicher auch für eine musikalische Zusammenarbeit.
Das kann ins Auge gehen, wie das mich nur wenig überzeugende kürzlich erschienene überambitionierte Werk "Epic Jammers and Fortunate Little Ditties" zwischen Bonnie 'Prince' Billy und den Bitchin Bajas beweist. Es kann aber auch zu einem wunderschönen Kind führen, was wiederum die Zusammenarbeit zwischen SAM BEAM (Iron & Wine) und einer Dame namens JESCA HOOP belegt.
Das Kind nennt sich "Love Letter for Fire" und hatte seinen Geburtstag am 15.04.2016 auf SubPop. Die eingetragene liebevollen Eltern sind der amerikanische Singer/Songwriter Sam Beam geboren in South Carolina und Jessica "Jesca" Ada Hoop aus Kalifornien, die mittlerweile in Manchester/England lebt. Während der Vater musikalisch interessierten Menschen durch seine Arbeiten mit Iron & Wine hinreichend bekannt sein dürfte, ist die Mutter ein relativ unbeschriebenes Blatt.
Wie die Pressemitteilung zum Album erfahren lässt, ging Sam Beam schon lange mit der Idee schwanger, ein Duett-Album zu machen, aber es mangelte an der richtigen Partnerin. Die lange Suche hat sich zweifelsohne gelohnt, denn so zärtlich, wie sich diese beiden Stimmen ineinanderschmiegen und mit welchem Feingefühl für Komposition die beiden Songwriter dreizehn samtweiche Songs zur Welt verhalfen, ist schlicht umwerfend.
Natürlich ist diese Songsammlung, wie der Albumtitel unschwer erkennen lässt, ein Kind der Liebe. Schon die erste Auskopplung "Valley Clouds" öffnete die Türe sperrangelweit für zärtliche Gefühle. Romantiker und Freunde von handgemachter Musik werden sich kaum der Magie entziehen können, welche die beiden Künstler entfachen und selbst emotionale Grobglötze sollten Angst davor haben, dass die harte Schale durch diese geballte Emotionalität Risse bekommt. Als wäre es eine Warnung, heißt der erste Song des Albums ja auch noch "Welcome to the Feeling".
"Love Letter for Fire" ist ein märchenhaftes Gesamtwerk mit luftigen Streichern, zärtlichen Percussions und sanften Klavierklängen, das während knapp 40 Minuten für akute Herzerwärmung sorgt. Obwohl nicht selten ein trauriges Moll durchschimmert, ist es eine hoffungsvolle Platte, wie ein erfrischender Windhauch in der Schwüle des Sommers.
Ich mag mich nicht festlegen, welcher Song am traurigsten, welcher am schönsten, welcher am geschmeidigsten oder elegantesten ist, denn mir gefällt wirklich alles an diesem Kind und ich bin mir ganz sicher, dass dies auch der Fall bleiben wird, wenn das Kind groß und altgeworden ist.
Tracklist:
01 Welcome to Feeling
02 One Way to Pray
03 The Lamb You Lost
04 We Two Are a Moon
05 Midas Tongue
06 Know the Wild that Wants You
07 Every Songbird Says
08 Bright Lights and Goodbyes
09 Kiss Me Quick
10 Chalk It Up to Chi
11 Valley Clouds
12 Soft Place to Land
13 Sailor to Siren
Ich gestehe, ich habe einen gewissen Hang zu Damen in der Rockmusik. Dieses Mal gilt meine Aufmerksamkeit drei krawalligen Mädels namens Andreya, Laura und Jil.
Wie macht die auch Taube genannte Flugratte? GURR machen genau die Art von Musik, die man schon vom Bandnamen her erwartet. Druckvoller highspeed PunkRock, wie man ihn aus den frühen 90er Jahren von der damaligen RiotGrrrl-Bewegung und deren Flagschiff Bikini Kill kennt.
Die Debüt-EP "Furry Dreams" ist nicht mehr taufrisch, sie erschien bereits 2015 auf Duchess Box Records, aber der Song "No New Friends" klingt so frisch, dass ich mich geradezu genötigt sah die Band, die in Berlin lebt, in den News vorzustellen. Und knackiger Grrrl-Surf-Punk geht doch immer, ganz besonders, wenn Ladies von einem surrealen Traum singen, in dem sie sich betrinken und an kalifornischen Stränden Surfeboys aufreißen oder sie sich am Ende des Monats wegen Geldmangel ausschließlich von Haferbrei ernähren. Guten Appetit!
Aus London stammt die fünfköpfige Band WEST OF THE SUN , die ähnlich wie dieTemples und The Coral psychedelischen Rock mit starken Sixties-Bezügen zum Besten geben. Zu meiner großen Freude mischen die Mannen um Leadsänger Luke Ward zu diesem höchst rhythmischen Sound noch eine ordentliche Dosis Spagehtti-Western-Feeling und beweisen auf ihrem Vorboten, "Siberian Hysteria", für das in diesem Jahr angekündigte Debütalbum ein gutes Händchen für feines Songwriting.
Ganz in britischer Großmaul-Tradition kündigen sie für ihr Album ein Kaleidoskop aus den unterschiedlichsten Genres an, nennen Bands wie Primal Scream, Chemical Brothers, The Doors, Django Django aber auch Echo & the Bunnymen als Referenzen und bezeichnen ihren Sound als Big Beat Manifesto.
Also trommeln können sie - bin gespannt, ob auch was hinter den großen Tönen steckt - wir werden es hören!
Zwei Alben hat das Duo SEGOaus Los Angeles bereits auf dem Kitsune Label veröffentlicht, nun fand man sein Zuhause bei Dine Alone Records und präsentiert Album Nummer drei "Once Was Lost Now Just Hanging Around."
Die Single "Obscene Dream" galoppiert mit elektronischen Beats wie ein erstmals auf die Weide gelassenes Fohlen. Garniert mit spacigen Synths, verzerrtem Shout-Gesang, frenetischen Percussions und extrem tanzbarer Rhythmik lässt sich mit dem Stück bestimmt jede Indie-Disco in Grund und Boden rocken.
Und feine Wortspiele in den Lyrics können die Herren Spencer P. und Thomas C. auch noch aus dem Ärmel schütteln! Hörenswert!
Eigentlich ist es ziemlich traditionelle Rockmusik, die ODDITY aus Chicago machen. Eigentlich ist es kein unglaubliches neues Riff, dass uns in "Pressure's Gone" um die Ohren gehauen wird und eigentlich verfügt Sänger Oscar Baker nicht über die absolute Rockröhre, aber im Ganzen macht der Song doch einen exzellenten Eindruck.
Da beweist das Trio, welches sich 2012 gründete, vorher aber schon unter dem Namen Fletcher in der lokalen Musikszene umtriebig war, mal eben, dass es nicht immer auf die Zutaten, sondern auf das große Ganze ankommt. Man könnte auch sagen, was die Füchse aus Leicester City im Fußball gezeigt haben, zeigt Oddity in puncto Rock. Gratulation an beide! ;-)
Herr ADAM GREENaus New York hat ja schon immer ein kleines bisschen etwas an der Lampe. Jetzt hat er das Ding gerieben und "Aladdin" herausgelassen, als Film und als Album!
Bevor ich mich der Musik widme, einige Informationen zu Greens 82 Minuten langem Film, der in einer schrillen kunterbunten Pappmaché-Kulisse mit echten Schauspielern gedreht wurde, wild mit Ecstasy und sarkastischer Gesellschaftskritik herumwirft und vier Monate für den Aufbau, aber nur fünf Wochen für den Dreh benötigte.
Die Story: Aladdin (natürlich gespielt von Adam Green) ist ein Möchtegern-Musiker in einer surrealen quietschbunten Welt mit schwer gestörten Familienverhältnissen. Die Mutter ist ein konsumgeiles Etwas und die Schwester das genaue Gegenteil, eine Kämpferin gegen den Kapitalismus Die Stadt, in der Aladdin lebt, wird von einem korrupten skrupellosen König und dessen dekadenter Tochter regiert. Der amerikanische Rolling Stone verpasste dem Film die passende Schlagzeile "Fellini on Ketamine" und besser lässt sich der schräge Independent-Film auch nicht in wenigen Worten beschreiben.
Kaufen kann man den Greenschen Bilderrausch für 8,99 Dollar unter https://adamgreensaladdin.vhx.tv/ - leihen geht schon für 2,99 Dollar. Allerdings ist Deutschland vorerst wieder ausgesperrt (Update: seit dem 7.05 klappt es mit Kreditkarte). Inhaltlich kann man über den Film geteilter Meinung sein, als künstlerisch wertvoll würde ich ihn aber definitiv bezeichnen!
Das Album "Aladdin" wurde, wie bereits die letzten drei Alben des Anti-Folk-Künstlers, in Los Angeles aufgenommen. Laut Adam Green schrieb er die Songs zwar während der Produktionszeit des Films, aber sie beziehen sich nicht direkt auf diesen, sondern stehen für sich selbst.
Neunzehn Lieder, stellenweise nur hörbuchartige Gimmicks, zaubert die Pippi Langstrumpf des ArtPops aus seiner Wunderlampe und läuft dabei seit langer Zeit endlich wieder zur Höchstform auf. Witzige Lyrics, tolles Songwriting und grandiose Gimmicks.
Gleich der erste Song "Fix my Blues" ist ein legitimer Anwärter für die Songs des Jahres. Ein wunderbar relaxter Basslauf! Green singt als wäre er der junge Scott Walker und barocke Spinettklänge aus der Orgel umrahmen die verträumte Melodie. "Nature of the Clown" kombiniert psychedelische Noisegeräusche und Scrachtin' mit einer funky Gitarre und einem Refrain, der klingt, als wäre er einem tausendmal gehörten Sixties-Ohrwurm entliehen. Liest sich sicher seltsam, klingt auch so - aber gut.
Warum ich beim Sound von "Time Chair" immer an Serge Gainsbourg denken muss, weiß ich eigentlich gar nicht, ich weiß aber, dass ich die fluffige Nummer sofort nach den ersten Takten in meine Favoriten-Playlist geschoben habe und sie wahrscheinlich dort die nächsten Jahrzehnte verweilen wird. Very fein, wie man hier zu sagen pflegt.
DreamPop made by Adam Green gibt es bei "Never lift a Finger",
wo der bekloppte hochkreative Soundbastler mit Orgel, Bläsern und dem
Thermin einen Song bastelt, der klingt, als könne man damit sich zu diesen Klängen für
immer zum Schlafen niederlegen. Lachen dagegen muss man unweigerlich beim
schrulligen "Birthday Mambo" und beim instrumentalen BubblegumPop von "Chinese Dance Theme". Ich glaube Herr Green hatte unglaublichen Spaß beim Basteln an "Aladdin" und genauso viel Spaß macht es, in diesen schrillen PopArt-Kosmos des Amerikaners einzutauchen.
Weitere Anspieltipps: "Phoning the Blues", das sanft auf Keys schwebende "Trading our Graves", das drogenverhangene verspielte "Life in a Videogame" und das wie aus einem Musical klingende "Are you interested in Music?". Yes I'am!
Tracklist:
01 Fix My Blues
02 God = Humans
03 Nature of the Clown
04 Aladdin Are You OK?
05 Someone Else's Plan
06 Time Chair
07 Never Lift a Finger
08 TechnoFungal Insect Species
09 Birthday Mambo
10 Chinese Dance Theme
11 Me from Far Away
12 Do Some Blow (With Me)
13 I Only Take Cocaine
14 Phoning in the Blues
15 Trading Our Graves
16 Life in a Videogame
17 No Masterpiece Policy
18 Interested in Music
19 What Is Dying Like?
DAN SARTAIN ist ein hoffnungslos verrücktes Rock 'n' Roll Tier das sich um Genregrenzen ein Scheißdreck kümmert und einfach das macht worauf er Lust hat.
Auf "Century Plaza" hat Dan unbändige Lust ein Album zu machen, das klingt als hätte man das dunkelste Depeche Mode-Album "Ultra" mit Songs aus dem Suicide-Kosmos in einen Mixer geworfen und verquirlt.
Der erste Song, "Walk Among The Cobras", dürfte Kennern des Sartain-Outputs bereits aus dem Jahre 2003 vom Album "Dan Sartain vs. the Serpientes" bekannt sein. Allerdings hat die damalige Version, noch mit dem Zusatz "Part I" versehen - es gab dann auch noch einen "Part II" und "III" die zwar den gleichen Titel trugen aber völlig andere Stück sind - mit der Neuinterpretation wenig Gemeinsamkeiten.
Der Text ist geblieben, aber statt Gitarre und bluesigem RumpelRock serviert Sartain auf der neuen Version analoge Synthesizer und einen satten Beat im Herzschlagrhythmus. Was bleibt ist der düstere Gesang Sartains, die Lyrics, sowie die bedrohliche Atmosphäre. Um für weitere Verwirrung zu sorgen sei noch erwähnt, dass es auf der 2010 erschienen Platte "Dan Sartains Lives" ebenfalls einen Song namens "Walk Among the Cobras" gibt, allerdings mit dem Zusatz "Part IV", und auch dieser Song hat mit "Part I." und der jetzigen Version nichts zu tun.
"Cabrini Green" ist eine neue Nummer, bei der die Keys schummrig zu einem minimalistischen Beat wie Wackelpudding wabbern. Das Instrumentalstück erinnert an Soundtracks zu Filmen aus den 80er Jahren vonJohn Carpenter.
Um die Referenzen für dieses Album ganz deutlich offenzulegen covert Dan anschließend Alan Vegas "Wipeout Beat". Leider entschließt sich Dan die schneidenden Gitarren aus dem Original zu verbannen, dafür legt er den Beat noch tiefer. Das Original ist besser, weil aggressiver, aber trotzdem hat das Cover seine Berechtigung, denn auch die von Sartain durchgeführte klarere Strukturierung des Songs hat ihren speziellen Reiz.
Eine deutliche Temposteigerung erfährt das Album bei "Black Party". Rasant hektischer ElectroPop, mit leicht paranoiden Flipperautomaten-Sound, der an frühe Stücke von The Human League ("Reproduction") erinnert. Auch der nächste Song "Sinking In The Shallow End" trägt den gleichen Stallgeruch, das Tempo ist aber wieder deutlich heruntergeschraubt, dafür ist die Hookline verdammt catchy - trotz einiger Suicide-Gedächtnis-Schreie ;-).
Ein echter Geniestreich ist "First Blood", der einzige Song mit Gitarren. Zum blubbernden Beat, Handclaps und elektronischem Gefiepse gesellen sich Gitarrensoli die man aus schrecklichen Rocknummern aus den 80ern kennt. Wahnsinnig großartig!
Lupenreinen OldSchool-SynthiPop tischt Dan bei der hymnischen Ballade "Do You Hear My Voice" auf. Eingängige Nummer, aber es fehlt irgendwie der Kniff um mich wirklich zu begeistern. Das gelingt ihm beim perniziösen "Feigning Ignorance", das wie schon "Cabrini Green" auch als Filmsoundtrack funktionieren könnte, wieder deutlich besser.
"Century Plaza" ist sicher ein Album, mit dem nicht allen Sartain-Fans etwas anfangen können, denn zu weit entfernt sich der Mann aus Alabama von seinen RockabillyBluesRock-Wurzeln, aber als mit diesen Sounds Großgewordener macht mir persönlich der dunkle Ritt durch die 80er jede Menge Spaß.
Tracklist:
01 Walk Among The Cobras
02 Cabrini Green
03 Wipeout Beat
04 Black Party
05 Sinking In The Shallow End
06 First Bloods
07 Do You Hear My Voice
08 Feigning Ignorance
Echte Zeitreisen sind ja leider immer noch nicht möglich, aber wer mal die dunkle Seite der 80er Jahre kennenlernen möchte, kann mit "Work & Velocity" eine authentische musikalische Reise in die Vergangenheit unternehmen.
Das Trio CRYSTAL SODA CREAMaus Wien, bestehend aus Theresa Adamski (dr, keys, voc), Philipp Forthuber (voc, guit) and Sebastian Ploier (bass) macht giftigen DarkWave /PostPunk. der sich eng an die frühen 80er orientiert, als The Cure mit Werken wie "Faith" und "Pornography" noch meilenweit vom Pop entfernt waren.
Den deutschsprachigen Song "Rationale Arbeitsschritte" hatte ich ja bereits im Februar (New Songs Vol. 116) euphorisch besprochen und erfreulicherweise hält auch der Longplayer alles, was der Vorbote versprochen hat.
Neben dem Song "Rationale Arbeitsschritte" gibt es neun neue Stücke auf "Work & Velocity", davon weitere zwei deutschsprachige, die allesamt den klaustrophobischen und unterschwellig wütenden Sound perfektionieren, der bereits seit dem 2013 erschienenen Longplayer-Debüt "Escape from Vienna" die Band charakterisiert.
Der Album-Opener "Command Control", bei dem es um hierarchische Dualismen geht, wird getragen von einem minimalistischen Beat, schwebenden Keys und dem genretypischen Gitarrensound, der dazu anregt die dunkelste verfügbare Stelle bis zum letzten Song des Albums "Past Agression" aufzusuchen.
Automatisch entstehen vor dem geistigen Auge beim Hören von "Work & Velocity" schwebende Nebelschwaden und durch den im gleichnamigen Song auftauchenden Chorus mit mänlicher und weiblicher Stimme fühle ich mich wohlig an Songs von Phillip Boa and the Voodooclub erinnert, als dieser noch mit der großartigen Pia Lund gemeinsame Sache machte.
Bemerkenswert ist, dass das Album trotz Zweisprachigkeit keine Brüche erfährt, sondern eine permanente atmosphärische Dichte aufweist, sogar bei "Saurer Hauch", wo mich der Gesang von Phillipp Forthuber tatsächlich an Campino von den Toten Hosen denken lässt und ich eigentlich mit den Düsseldorfern schon seit Jahren nichts mehr anfangen kann. Feines Herbststimmungs-Album, das mit dem heute erwachenden Frühling es vielleicht etwas schwer haben dürfte.
Fazit: Wer die Kategorie morbide Sounds in seinen Plattenschrank neben den Scheiben von Bauhaus, Joy Division, The Cure oder The Birthday Party um ein zeitgenössisches Werk erweitern möchte und es liebt, wenn der Bass hektisch brummt, kann bei "Work & Velocity" bedingungslos zuschlagen. Einziges Manko, für das Vinyl will das Label Totally Wired Records doch tatsächlich 10 Euronen für den Versand nach Deutschland. WTF!
Tracklist:
01 Command Control
02 Rationale Arbeitsschritte
03 Work & Velocity1
04 Saurer Hauch
05 Expedition Corps
06 Anatomy
07 Schlag zu, lauf weg
08 Patient Doctor
09 September
10 Past Aggression