Bisher wandelte JAMIE T mit seiner Musik (2007 "Panic Prevention" und 2009 "Kings and Queens") munter durch diverse Genres (Folk, Ska, Reggae, HipHop und natürlich Pop). Es wurde gerne und häufig der Sampler eingesetzt und gerne auch mal in breitem Cockney gerüpelt.
Mit "Carry on the Grudge" geht Jamie Treays nun einen anderen Weg, vielleicht hat er ja gemerkt, dass der andere Weg in diesem Jahr bereits von den Sleaford Mods deutlich in Beschlag genommen wurde.
Sicher ist man beim ersten Hören als Jamie T-Fan verstört, klingt es doch an allen Ecken und Enden nach BritPop, nach Working Class Hero oder nach den Arctic Monkeys.
Diese Wandlung wird verständlicher, wenn man weiß, dass sich Jamie an Damon Albarn einen der Väter des BritPop der 90er wandte, um mehr über klassisches Songwriting zu erfahren. Eine Regel die ihm Damon beigebracht zu haben scheint, ist, dass gutes Songwriting einfacher funktioniert, wenn man Gefühle investiert und so gibt "Carry on the Grudge" auch den bisher tiefsten Einblick in die Gefühlswelt des Jamie T.
Das Album beginnt mit dem Song "Limit Lies", in der das Ende einer Beziehung thematisiert wird. Schon in diesem ersten Song wird deutlich, dass sich hier ein Künstler in punkto Text und Songwriting dramatisch weiterentwickelt hat - und ja, dies meine ich absolut im positiven Sinne.
Klar, das Rebellische, welches Jamie bisher in seinen Liedern, allen voran "Sticks 'n' Stones", inne hatte, ist in den Hintergrund getreten, aber ist es nicht eine Art von (ich traue mich es zu schreiben) Erwachsenwerden, den Groll anders zu verpacken? Der Groll (engl. Grudge) ist noch da! Und der Vorwurf, dass Jamie an Dirtyness verloren hat, mag in der Gesamtheit so wirken, aber spätestens mit dem 8ten und 9ten Songs des Albums, "Rabbit Hole" und "Peter", sollten eigentlich alle Kritiken in dieser Hinsicht verstummen. Deswegen: "Please, shut the fuck up, it's a brilliant longplayer!"
Zeit für die Einzelwertung:
1. "Limits Lie": Flöte oder was???? Mausert sich vom sanften Pop- zum Rocksong. Besser geht Strophe-Refrain-Strophe einfach nicht. Pflichtsong für die Indie-Disco!
2. "Don’t You Find": Downbeat-Nummer, die mit den elektronischen Effekten an alte Depeche Mode Stücke erinnert, aber doch frisch klingt.
3. "Turn On The Light": Hypnoseversuch mit Xylophon und Rap. Bei Jamie darf jetzt definitiv noch mehr beim Refrain mitgesungen werden.
4. "Zombie": Klingt, als würde man die Melodie schon ewig kennen und dieser Effekt stellt sich gerne ein, wenn ein Song wirklich "fucking brilliant" ist. Witzige Nummer über den tägliche Alltagsstumpfsinn!
5. "The Prophet": Da ist die geliebte Schnoddrigkeit, ganz reduziert mit Gitarre. Jamie ist auch ein f***ing brillianter Geschichtenerzähler!
6. "Mary Lee": Folk-Balade, die man eher aus der Feder von Conor Oberst erwarten würde - und klingt Jamie nicht sogar wie der Oberst!
7. "Trouble": Rhythmusdominierter Song mit deutlichem Bezug zu RNB und HipHop. Boogie Down!
8. "Rabbit Hole": Da ist Jamie doch ganz der Alte! Es wird gerappt, die Riffs sägen durch die Beats und das Tanzbein zuckt unregelmäßig.
9. "Peter" : Und noch 'ne Schippe mehr Dirtyness als beim Vorgängersong. Klingt verdammt punkig und führt in Indie-Discos wahrscheinlich zu großem Geschupse.
10. "Love Is Only A Heartbeat Away" : Downtempo-Folknummer mit dem Jamie sein Singer/Songwriter-Diplom einstreichen darf. Und diese Streicher!
11. "Murder of Crows": So einen ähnlichen Beat und Flow hat der leider sehr unterschätzte und in Vergessenheit geratene Just Jack auch mal rausgehauen. Smooth!
12. "They Told Me It Rained": Melancholische Ballade mit Ironie und großartig eingebundenem Madness-Zitat. "Heavy Heavy Monster Sound"!
Fazit: Meisterwerk ohne wenn und aber!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen