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HALF MOON RUN
Sun Leads Me on
Im visuellen künstlerischen Bereich lernt man, wie wichtig der Weißraum für Gestaltung ist, was soviel bedeutet wie, man muss den Elementen auch Raum geben. Die schönste raumgebende Musik, also die perfekteste Einbindung des Weißraums, gelingt Half Moon Run aus Montreal auf ihrem zweiten Album "Sun leads me on - auch wenn es laut wird, aber beieindruckender in den leisen Liedern.
Eleganter IndiePop/Rock mit faszinierenden Feinheiten, die es zu entdecken gilt. Für Fans von den Foals, Arcade Fire oder den Fleet Foxes.
TOP 3 SONGS: The Debt, I can't figure out what's going on, Warmest Regards
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JOHN GRANT
Grey Tickles, Black Pressure
Der Herr Grant ist schon ein seltsamer Vogel, der sich einfach nicht in irgendwelche Schubladen stecken lassen will. Bereits auf seinem formidablen zweiten Soloalbum "Pale Green Ghosts" trafen elektronische Musik und Singer/Songwriter-Lieder aufeinander und auch auf "Grey Tickles, Black Pressure" blubbert es auf der einen Seite ("Voodoo Doll", "Black Blizzard", etc.), während er sich auf der anderen Seite akustische Instrumente ("Down Here") zu nutzen macht.
ABER der Schwerpunkt hat sich eindeutig in Richtung Electronic verschoben und Grants Texte deuten darauf hin, dass sich der im Exil lebende Amerikaner mit seiner AIDS-Erkrankung besser arrangiert hat - soweit dies eben möglich ist.
TOP 3 SONGS: Disappointing, Guess How I Know, Global Warming ... LISTEN on Homepage
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JEANNE ADDED
Be Sensational
Dan Levy von The Dø produzierte das eindrucksvolle Debütalbum "Be Sensational" der französischen Sängerin und Multiinstrumentalistin Jeanne Added. Der zentrale Song des Albums ist "A War is coming", bei dem die in klassischem Gesang und am Cello ausgebildete Künstlerin eindrucksvoll ihre kräftige Stimme mit düsteren minimalistischen elektronischen Klängen und einem gefährlich brummenden Bass verbindet.
Bevor sich die Französin der "dunklen Seite" zuwand, war sie vor allem im Klassik- und Jazzbereich mit Marielle Chatain umtriebig. The Dø-Kennern dürfte diese Dame als Mitmusikerin (Saxophon, Perkussions) von Dan Levy und Olivia Merilahti bekannt sein. Dass Jeanne Added über ausreichend musikalisches Rüstzeug verfügt, steht fest, und dass man an diesem minimalistischen Epos zwischen DarkElectro und PostPunk nicht vorbeikommt ebenso.
TOP 3 SONGS: War is coming, Miss it all, Lydia ... LISTEN on Homepage
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LANA DEL REY
Honeymoon
"Honeymoon" ist sicherlich nicht das abwechslungsreichste Album, welches die verführerische Lana del Rey bisher veröffentlicht hat, aber es definiert einen neuen Standard in der Popmusik: SuperSlowMotion-DramaPop. Dem Songwriting gilt dieses Mal eindeutig nicht das Augenmerk, dazu setzt Lana zu oft auf "Nummer sicher", aber die Instrumentierung und die Arrangements sind im wahrsten Sinne großes Kino. Der Breitwandsound der Betörenden mit dem Noir-Look lädt unweigerlich zum Sterben in Schönheit ein.
Es ist sicher auch von der aktuellen Verfassung des Hörers abhängig, ob er sich in dieses klebrige Zuckerbad aus Molltönen begibt - sonst kann es schnell etwas monoton wirken - aber wer erstmal am süßen Saft geschleckt hat, der wird diesem Album auf Dauer nicht widerstehen können. Zu süß, zu betörend, zu unwiderstehlich. Lana ist die aus dem Olymp zurückgekehrte Aphrodite! Schnitze jetzt in meinem Apfelbaum im Garten ein Herz mit "Lana & Ö".
TOP 3 SONGS: Salvatore, Honeymoon, High by the Beach ... LISTEN on Homepage
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LOU DOILLON
Lay Low
Das erste Album ("Places") der Französin mit der exquisiten Abstammungslinie (s. Wikipedia) erschien 2012 und ist seitdem für mich zu einer echten Größe geworden. Besonders an kräfteschöpfenden Sonntagen, wo mein Zustand nahe an einer Leichenstarre grenzt und ich das Sofa nur mit erbittertem Widerstand verlasse, ist mir "Places" ein treuer Begleiter geworden. Weil Doillons Stimme wärmender ist als ein wohlig knisterndes Kaminfeuer, sanfter als ein Kashmirschal auf nackter Haut und kuscheliger als mein Kater im Winter.
Als ich dann im Vorfeld der Veröffentlichung erfuhr, dass das neue Album "Lay Low" in Coproduktion mit Taylor Kirk, dem knurrigen Leadsänger der kanadischen Band Timber Timbre entstehen sollte, fieberte ich dem Release des Albums entgegen wie ein 5-Jähriger dem Gabentisch am Heiligen Abend. Und die Vorfreude wurde nicht enttäuscht: Ein Album wie geschaffen für eine nebelverhangene Nacht im trüben November. Sogar so gut, dass man sich wünschte, dieser ungeliebte Monat würde sich bis zur Ewigkeit strecken.
TOP 3 SONGS: Above my Head, Where to Start, Weekender Baby ... LISTEN on Homepage
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SHILPA RAY
Last Year's Savage
Seemannslieder? Klagelieder? BluesRock? PunkRock? CountryPunk? Alles irgendwie zutreffend! Aber, was unumstößlich auf Shilpa Ray zutrifft, ist, dass die Dame aus New Jersey den Blues hat, den tieftraurigen, den in Dunkelheit versinkenden, egal ob sie in Singer/Songwriter-Manier ("Burning Bride") vorträgt oder wie bei "Johnny Thunders Fantasy Space Camp" zum Harmonium rockt.
Im Vergleich zu den beiden ersten Alben ist Shilpa auf den ersten Höhrgenuss ruhiger geworden, der BluesRock ist nicht mehr ganz so krawallig und die punkige Attitüde ist unter einem Mäntelchen verdeckt, die Stimme nicht mehr ganz so rotzig. ABER auch auf der neuen Platte ist ALLES noch vorhanden, wohl dosiert, fein akzentuiert und das Harmonium ist prägnanter als je zuvor. Es scheint fast so als wäre nach langer vergeblicher Suche endlich das weibliche Äquivalent zu Nick Cave gefunden worden!
TOP 3 SONGS: Oh my Northern Soul, Johnny Thunders Fantasy Space Camp, Nocturnal Emissions ... LISTEN on Homepage
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THE SLOW SHOW
White Water
In diesem Jahr erschien weder ein neues The National, noch ein neues Elbow-Album, zwar erschien mit "Courting The Squall" ein Soloalbum von Elbow-Sänger Guy Garvey, aber nicht er, sondern The Slow Show aus Manchester mit ihrem Debütalbum "White Water" schloss die Lücke.
Minimalistisch und episch sind eigentlich zwei Adjektive, die sich gegenseitig ausschließen. Genau diese Kombination ist es aber, die das Quintett um Sänger Rob Goodwin, mit einem Bariton gesegnet wie Kurt Wagner von Lambchop, auf ihrem dem Americana verschriebenem Erstling herzerwärmend gelingt. Wer mit Streichern in tiefem Moll baden möchte, wird hier seine Erfüllung finden.
TOP 3 SONGS: Bloodline, God only knows, Dresden ... LISTEN on Homepage
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YAST
My Dreams Did Finally Come True
Es scheint so, als wären nicht nur die Träume von YAST wahr geworden, sondern auch meine Wünsche, dass es einer Band endlich mal gelingen möge, das Rotzige und die Gitarren von Dinosaur Jr mit der atmosphärischen Dichte von Ultra Vivid Scene zu verbinden. Was für ein Wall of Sound! Es ist gelungen und ich bin schlicht hin und weg vom Zweitling der Schweden aus Sandviken, einer Kleinstadt mit etwas mehr als 20 000 Einwohnern.
YAST gelingt es mit "My dreams did finally come true" einen Raum voll aus sphärischen psychedelischen Gitarrenwänden zu erschaffen, in welchem man sich bereits nach dem ersten Song "When you're around" so pudelwohl fühlt, dass man für immer hier einziehen möchte. Ich denke, ich werde wohl die Fenster zumauern, damit mich niemand mehr herausholt. Und Tschüss - Forever euphoric!
TOP 3 SONGS: When you're around, Freinds, How many ... LISTEN on Homepage
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GENGAHR
A Dream Outside
"A Dream Outside" ist ein grandios wunderbares PsychPop-Werk mit verschrobenen Melodien, das es an Vertracktheit mit Foxygen auf der einen und den Foals auf der anderen Seite aufnehmen kann. Songs wie "Bathed in Light", "Powder", "She's a Witch", "Trampoline" und "Fill my Gums with Blood" haben allesamt das Zeug dazu, Klassiker des Genres zu werden und auch die anderen Stücke liegen durchweg über Durchschnittsniveau. Ein wirklich furioses Debütalbum des Londoner Quartetts!
TOP 3 SONGS: Fill my Gums with Blood, Bathed in Light, Powder ... LISTEN on Homepage
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NAYTRONIX
Mister Divine
Unter dem Namen Naytronix fabriziert Nate Brenner, seines Zeichen Bandmitglied bei den Tune-Yards, seinen ersten Longplayer namens "Mister Divine", für welches die Zeit vielleicht heute noch gar nicht reif ist. Ist mir persönlich aber Schnuppe, denn mich versetzt das Werk in eine unglaubliche, an Hypnose grenzende Tiefenentpannung und das OHNE mich zu langweilen - was eine echte Kunst ist!
Es gab eine Zeit, da nannte man extrem chillige Musik boshafter Weise Fahrstuhlmusik, passt aber nicht, weil aus diesem Fahrstuhl möchte zumindest ich nicht mehr aussteigen. Paternostermusik? Passt besser, weil dieses Transportmittel ja auch nonstop in Schleife fährt und dadurch etwas Meditatives an sich hat - genau wie die Musik von Herrn Brenner. Aber Paternoster klingt so altertümlich und das passt nun wieder gar nicht zum fiepsigen ElectronicJazzFolk von Naytronix.
Mmmh, ach überlegt euch doch einfach selber etwas schön Klingendes aus den Bausteinen: Jazz, Electronic, Frickel, ScienceFiction, Paternoster, Dream, Pop, Folk, Groove und Dub. Und dann kauft das kleine Meisterwerk am besten auf Vinyl in limitierter Colored-Edition! Ach ja, und mit "Shadow" gibt es einen Song, der so wunderbar nach Talking Heads klingt, dass man denkt, es hätte eine Reunion der Kultband stattgefunden.
TOP 3 SONGS: Shadow, Mister Divine, Back in Time ... LISTEN on Homepage
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SLEAFORD MODS
Key Markets
Der Hals ist noch immer dick! Der nächste Schlag in die Fresse beginnt mit hooliganartigen Schlachtrufen beim Song "Live Tonight". Die hochgeschätzten Wutbürger* Sleaford Mods nehmen erneut kein Blatt vor den Mund und prangern wie gehabt zu minimalistischen harten Beats - Respekt an Andrew Robert Lindsay Fearn - die Übel unserer Zeit an: Wirtschaftspolitik, die den einfachen Bürger aus den Augen verliert oder die Orientierungslosigkeit des Einzelnen im Gewirr der 1 000 000 Möglichkeiten.
Wie wichtig diese Band z. Z. ist, zeigt, dass immer mehr Künstler (als Beispiel höre man sich Leftfields neues Album "Alternative Light Source" an oder das letzt PiL-Album) sich am Sound-Style der Sleaford Mods orientieren oder sie sogar ins Boot holen (Prodigy feat. Sleaford Mods). THIS F***ING-TIME IS SLEAFORD-TIME!
*mit den meisten dieser Art möchte ich mich aber nicht solidarisieren.
TOP 3 SONGS: Live Tonight, No Ones Bothered, Tarantula Deadly Cargo
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BALL PARK MUSIC
Puddinghead
"Puddinghead"? Damit bezeichnet man im englischsprachigem Raum jemanden, der absolut nichts auf die Reihe bekommt. Das mag vielleicht auf die ersten beiden Alben von Ball Park Music aus Brisbane zutreffen, aber mit dem dritten Album schießt sich das Quintett hinaus aus dem Loser-Universum.
Die Australier servieren melodiösen SchrammelRock, kreuzen New-Wave-Elemente dazu und haben die richtige PsychoNerd-Dosis inhaliert um neben dem bereits eroberten fünften Kontinent (Chartsposition Platz 2) jetzt auch der ganzen Welt in den Arsch zu treten, damit sie auch nie nie wieder jemand mehr als Puddinghead bezeichnet!
TOP 3 SONGS: Struggle Street, Everything Is Shit Except My Friendship With You, A Good Life is the Best Revenge ... LISTEN on Homepage
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THE DEAD WEATHER
Dodge and Burn
Ach, macht das wieder Spaß durch diese schmutzigen, unglaublich fetten Gitarren zu torkeln, das Schlagzeug zu spüren, das mit schierer Urgewalt vermöbelt wird und fasziniert der für diesen Sound perfekten Stimme von Alison Mosshart zu lauschen. Man kann wirklich nicht feststellen, welcher Song einen am meisten mitreißt, aber in einem Sturmtief lässt es sich ja auch schwierig ausmachen, durch welchen Tropfen man letztendlich triefnass geworden ist.
Was Jack White anfasst, scheint einfach immer zu gelingen, selbst wenn er nur am Schlagzeug sitzt und ein bisschen Backgroundgesang zusteuert. Wenn dann noch die famose Alison Mosshart (The Kills), Gitarrist Dean Fertita (Queens of the Stone Age) und Bassist Jack Lawrence (The Raconteurs) mit von der Partie sind beim Höllenritt über messerscharfe Riffs, kann einfach nichts schiefgehen!
TOP 3 SONGS: Three Dollar Hat, I Feel Love (Every Millions Miles), Buzz(killer) ... LISTEN on Homepage
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THE LIBERTINES
Anthems For Doomed Youth
Zeit für Helden? Ist es schlau, wenn sich eine Band, die mit nur zwei Alben ("Up the Bracket" [2002] und "The Libertines" [2004]) einen Kultstatus erworben hat, nach mehr als elf Jahren ein neues Album auf den Markt bringt, das genauso klingt als wäre es vor 10 Jahren eingespielt worden?
Schlau ist sicherlich der falsche Ansatz, den die Gefahr, das IndieRock-Monument The Libertines zu zerstören, ist sicher größer als den Status neu zu zementieren. ABER, wenn einer die Gefahr nicht scheut, sondern sich leidenschaftlich in dieselbige stürzt, dann wohl niemand mit mehr Intensität als das fleischgewordene Rock 'n' Roll Enfant terrible Pete Doherty.
Im Endeffekt ist es wie mit einer Tippabgabe für den Lieblingsfussballverein - man kann das Herz nicht ausschalten. Aber warum auch! I'm in Love with a Feeling!
TOP 3 SONGS: Gunga Din, Anthems For Doomed Youth, Iceman ... LISTEN on Homepage
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JON SPENCER BLUES EXPLOSION
Freedom Tower
New York Urban Groove! Wer bereits seit 1992 die Welt mit herausragenden Alben mit einem einzigartigen Soundgebräu aus Rock ’n’ Roll, Blues, Soul, Rockabilly, Noise, PunkRock und Hip-Hop versorgt und dann so ein 10tes Album hinlegt wie die Jon Spencer Blues Explosion, dem darf man dann doch wohl ungestraft das Prädikat "besonders wertvoll" verpassen.
Vielen Bands geht im Laufe ihrer Karriere irgendwann die Luft aus, die Ideen versiegen, man kopiert sich selbst oder schlimmer noch andere. Bei der Jon Spencer Blues Explosion lodert das Feuer mehr denn je. Ach Feuer, "Freedom Tower" ist eine Explosion, die ganze Städte oder besser NY in Schutt und Asche legt. Brandstifter seid ihr Herr Spencer, Herr Bauer und Herr Simins!
TOP 3 SONGS: Down and Out, Born Bad, Tales Of Old New York: The Rock Box
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SUFJAN STEVENS
Carrie & Lowell
Multiinstrumentalist Sufjan Stevens zieht den Stecker! Nach der perfekten Verbindung des Singer/Songwritertums mit der elektronischen Musik auf dem Meisterwerk "The Age of Adz" (2010) hat der umtriebige Musiker aus Detroit die Konsequenz gezogen und ein Album mit akustischer Gitarre und Harmoniegesängen (gesampelt über die Voice-Memp-App seines iPhones) eingespielt. "Carrie & Lowell" ist schlicht, unaufgeregt und trotzdem höchst virtuöser GitarrenpickingFolk.
Die Namensgeber des bisher persönlichsten Werkes von Sufjan sind seine 2012 verstorbene Mutter und sein Stiefvater, der ihn auf seinem musikalischem Weg auch als Geschäftpartner bei Asthmatic Kitty Records begleitete.
TOP 3 SONGS: Should have known better, Death with Dignity, Blue Bucket of Gold
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Sufjan Stevens, "No Shade in the Shadow of the Cross" (Official Audio) from Asthmatic Kitty on Vimeo.
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KENDRICK LAMAR
To Pimp A Butterfly
Wahrlich ist nicht jeder Nigger ein Star wie Kendrick Lamar in "Wesley's Theory" beim ersten Song von "To Pimp a Butterfly" proklamiert. Aber, der Nigger, der in diesem Jahr mit überwältigendem Vorsprung den anderen Rappern zeigt, wer im Moment im HipHop das Nonplusultra ist, darf schon auch mal das Blaue vom Himmel versprechen oder es zumindest als Ziel ausrufen.
Kendrick Lamar gelingt es mit seinem dritten Album ein überbordendes Meisterwerk zu generieren, das auf übliche Plattitüden (fast) verzichtet, trotzdem mit explizit Worten nur so um sich wirft, aber mit Lyrics zum Nachdenken nicht geizt, sämtliche Genregrenzen ignoriert, höllisch groovt und somit den Qualitätsstandard auf höchstem Niveau neu definiert. Hiphop welcome back to Champions League! Eeeeeeeeeendlich!
TOP 3 SONGS: King Kunta, How much a Dollar cost, The Blacker The Berry ... LISTEN on Homepage
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DIANE COFFEE
Everybody's a Good Dog
Who the fuck is Diane Coffee? Tja, hinter dem seltsam klingenden Namen verbirgt sich niemand geringeres als Shaun Fleming, Schlagzeuger bei DER PsychedelicFreakFolkPop-Band Foxygen.
Das Pseudonym soll sich aus einer Reminiszenz an die große Dame des Motown-Sounds Diana Ross und dem Songtitel "Mr. Coffee" des mir nicht bekannten Songwriters Nathan Pelkey zusammensetzen. Den besagten Song konnte ich im ganzen Netz nicht finden, aber anscheinend gibt es sogar einen Dokumentarfilm über den mystischen Songwriter (guckst du: https://youtu.be/0edrQh9rO48).
Auf jeden Fall ist Dianes zweites Soloalbum "Everybody's a Good Dog" ein Album, so vollgepackt mit Verrücktheiten, dass man wahrscheinlich auch nach dem 1000ten Durchhören noch immer Dinge entdeckt, die einem bis dato durch die Lappen gegangen waren.
TOP 3 SONGS: Too much Space Man, Everyday, Duet ... LISTEN on Homepage
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LADY LAMB
After
Seit 2007 war Songwriterin Aly Spaltro unter dem sperrigen Bühnennamen Lady Lamb and the Beekeeper bisher tätig. Sie bringt es in dieser Zeit auf sieben Alben, sechs davon als Home-Recordings, die sie in Eigenregie veröffentlicht, ehe sich 2013 das Label Ba Da Bing Records ihrer annimmt und das Album "Ripely Pine" herausbringt, auf dem Aly die Früchte ihre Teenagerzeit erntet und zeigt, dass sie erwachsen geworden ist.
2014 wechselt sie zu Mom + Pop Music, nennt sich nur noch Lady Lamb und absolviert mit "After" bravourös ihre Reifeprüfung. Spaltro konzentriet sich jetzt nicht mehr nur auf klassischen Folk und Songwriter-Songs, sondern wildert in allen Gärten und pflügt sie wie ein Wirbelwind um.
Sie lässt scheppernden Fuzz-Gitarren ertönen ("Vena Cava"), schenkt uns griffige Gitarren-Licks, die nach Sixties klingen ("Billions of Eyes"), spielt mit elektronischen Effekten ("Violet Clementine"), schaut beim PostPunk ("Heretic") und NewWave ("Batter") vorbei, lässt es ordentlich rocken ("Dear Arkansas Daughter") und singt zarte, fragile Balladen wie bei "Sunday Shoes". Neben ihrem variantenreichen Songwriting besitzt Aly auch noch die Gabe, ihren Texten eine außergewöhnliche Poesie zu verleihen, was sie mittlerweile zu einer sehr kompletten Künstlerin macht, von der für die Zukunft weitere Meisterwerke zu erwarten sind.
TOP 3 SONGS: Billions of Eyes, Vena Cava, Violet Clementine ... LISTEN on Homepage
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SAMANTHA CRAIN
Under Branch & Thorn & Tree
Niemand kann zur Zeit so schön sehnsüchtig klingen wie Samantha Crain. Ihre Folk-Balladen bestechen durch fragile Arrangements, die aus allen Noten tieftraurig triefen.Wer sich also zur Zeit in einem angeschlagenen Allgemeinzustand befindet, sollte das neue Werk "Under Branch & Thorn & Tree" der indianischen Singer/Songwriterin aus Oklahoma nicht ohne eine Packung Taschentücher oder entsprechende Stimmungsaufheller konsumieren. Als Freund von musikalischen "Trauerklößen" wie Scott Matthew, Laura Marling oder Joni Mitchell wird man das vierte Album der Amerikanerin allerdings feiern wie das Tränenmeer im Kino bei einem Film von Jojo Moyes.
In musikalischer Hinsicht bleibt Samantha bei dem, was sie kann oder besser hervorragend kann und schon auf dem formidablen Vorgängeralbum "Kid Face" zu Gehör brachte: Traditionelle Folksongs, die zwar auch durch das Songwriting, aber vielmehr durch die Arrangements und natürlich durch diese seltsam rauchige und brüchige Stimme (und die Texte) so glaubwürdig und echt klingen, dass man, wäre sie eine Gebrauchtwagenhändlerin, ihr für jeden Preis jeden Wagen abkaufen würde.
Wer handgemachte Songs mag und findet, Computer haben in der Musik nichts verloren, der wird an Samantha Crains neuestem Werk nichts zu mäkeln finden. Und wer einfach nur gerne Songs mag, die vor Emotionalität überborden, der auch. Und wer die Möglichkeit hat Samantha live zu erleben, der sollte auf gar keinen Fall zögern!
TOP 3 SONGS: Killer, Outside the Pale, Kathleen ... LISTEN on Homepage
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TAME IMPALA
Currents
Gegenüber dem britischen The Guardian ließ Parker verlauten, dass er auf Inspirationssuche für die neuen Songs auf Pilzen mit dem Auto durch L. A. gefahren ist und dabei Bee Gees gehört hat. Klingt nach schrecklich abgedrehten Sounds, aber das Komische ist, mir gefällt, was ich da höre. Obwohl ich die alten Tame Impala großartig finde und die deutlich rockigere Splitterband Pond verehre!
Bin ich im tiefsten Inneren demnach vielleicht ein verkappter Bee Gees-Fan? Soll ich mir mal alte Scheiben der Gibb-Brüder besorgen und daran herumpitchen? Oder habe ich in meinem Leben schon zu viele Champignons, Trüffel und Pfifferlinge verzehrt? Andere Pilze durften meine Kauleiste bisher nicht passieren.
Was kann mich als Freund des Saiteninstruments Gitarre dazu bringen, ein Album, das fast ausschließlich auf Keyboard-Sounds basiert, so lieb zu gewinnen?
Erstens: "Currents" fließt! Die Songs funktionieren alle irgendwie ähnlich. Verschleppte dumpfe Beats, flächige Keyboards, eine mit den Vocals geführte Melodie und kleine Gimmicks für zwischendurch. Selbst nach dem x-ten Hördurchlauf ist es nicht einfach, sofort zu sagen, welcher Song gerade an der Reihe ist.
Zweitens: Parker hat sein exzellentes Songwriting etwas zurückgenommen und sich sehr deutlich auf den Klangkosmos konzentriert - Maybe eine Auswirkung der Verzehrung von eukaryotischer Lebewesen oder dem Einfluss der erfolgreichsten Familienband der Welt? Deswegen klare Hörempfehlung: Lautstärke kurz vor Schmerzgrenze.
Mittlerweile habe ich das Album wahrscheinlich 30 Mal gehört und immer mehr schälen sich die Feinheiten aus diesem fließenden Etwas heraus. Die größtmögliche Entfaltung bot "Currents" bisher tatsächlich bei einer morgendlichen Autofahrt kurz vor Sonnenaufgang (4.30 Uhr) und offenem Verdeck - aber ohne Pilze! LET IT FLOW!
TOP 3 SONGS: Let it happen, 'Cause I'm a Man, Disciples ... LISTEN on Homepage
Tame Impala - Let It Happen from theoffstream on Vimeo.
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TOCOTRONIC
Tocotronic (Das rote Album)
Die Tocos sehen ROT! Nein kein blutiges wütendes Album, sondern rot und sanft wie die Liebe.
"Ohne Liebe bin ich nichts. Selbst wenn ich in allen Sprachen der Welt, ja mit Engelszungen reden könnte, aber ich hätte keine Liebe, so wären alle meine Worte hohl und leer, ohne jeden Klang, wie dröhnendes Eisen oder ein dumpfer Paukenschlag." könnte von Dirk von Lowtzow sein, ist aber aus dem 13ten Kapitel vom "Hohelied der Liebe".
Diesen, auf gefühlt 10 000 Trauungen gehörten Text, hat ein gewisser Paulus von Tarsus geschrieben und nein, auch dieser Herr, obwohl er auch ein "von" im Namen trägt, ist kein Mitglied von Tocotronic.
ABER auch das sogenannte rote Album der Tocos wäre ohne die Liebe nichts. Herman van Veen hatte ja vor Jahren schon einmal für einen Song "ein zärtliches Gefühl", die Mannen um Herrn von Lowtzow baden ein komplettes Album, 13 Songs lang, im Gefühl der Liebe. Nicht die ewige wahre Liebe, eher die pubertäre Liebe, die stürmische, die wilde, die verlorengegangene. Nicht kitschig (kleine Ausnahme: "Zucker"), aber unendlich romantisch!
Mit diesem von Amors Pfeil durchbohrten Album gelingt Tocotronic nun auch die endgültige Wende, der Ausweg aus Ehehölle mit dem Diskursrock. Gerade noch war ich der Meinung, Tocotronic hätte keine Eier (News 87), da treten sie mir schonungslos in die selbigen und sorgen dafür, dass mich frei nach Adenauer, respektive Beckenbauer für die jüngere Generation, mein Geschwätz von gestern nicht mehr interessiert.
TOP 3 SONGS: Prolog, Zucker, Haft ... LISTEN on Homepage
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FATHER JOHN MISTY
I Love You, Honeybear
Man neige ehrfürchtig das Haupt für den gottgleichen Poser und herzenbrechenden Bühnendiktator Father John Misty, der einst als Bandmitglied bei den Fleet Foxes hinter dem Schlagzeug versauerte und mit seinem zweiten Solo-Album nun endgültig zum Rock'n'Roll-Messias aufsteigt.
Brillierte Father John Misty auf seinem Erstling "Fear Fun" (2012) noch mit eher introvertiertem Singer/Songwriter-Folk bricht es nun aus ihm heraus und er präsentiert sich auf "I love you, Honeybear" als Reinkarnation der längst vergessenen großen Crooner, dem es allerdings völlig egal ist, aus welchen musikalischen Bereichen er sich seine Zutaten holt. Zuckriger ElectroPop bei "True Affection", Soul für das Herz bei "When You're Smiling and Astride Me" oder schmalziger CountryBlues wie bei "Nothing Good Ever Happens At The Goddamn Thirsty Crow", es ist immer ein Spagat zum Kitsch, aber Joshua Tillmann, aka Father John Misty, bewältigt ihn mit spielerischer Leichtigkeit.
Eingebettet in bombastische Streicherarrangements gedeihen aus seinen eigentlich zarten Songpflänzchen prachtvolle Gewächse. Aus einem Liederabend wird ein Gottesdienst und der Prediger von Glaube, Liebe und Hoffnung schüttet seine Ingredienzien kübelweise aber voller Zärtlichkeit über den Zuhörer aus. Absolutes Highlights sind die mit Ironie zu geniesenden Balladen "The Night Josh Tillman Came To Our Apt." und "Bored in the USA". Danke Vater, ich bin bekehrt!
TOP 3 SONGS: The Night Josh Tillman Came To Our Apt., Bored in the USA, When You're Smiling and Astride Me ... LISTEN on Homepage
Father John Misty - The Night Josh Tillman Came To Our Apartment (Official Video) from PIASGermany on Vimeo.
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REVIEW |
EZRA FURMAN
Perpetual Motion People
Wie schön es doch ist, wenn jemand, den man bisher überhaupt nicht auf der Kette hat, plötzlich ins gleisende Rampenlicht tritt. Von Ezra Furman einem amerikanischem Musiker aus Chicago hatte ich nie etwas gehört, bevor der Musikexpress das Album "Perpetual Motion People" zur Platte des Monats kürte.
Wem es ähnlich geht, dem sei verraten, das Furman bereits seit 2012 Solo-Alben veröffentlicht (die aktuelle LP ist Solo-Album Nummer 3) und er von 2007 bis 2011 mit der Band Ezra Furman and the Harpoons ebenfalls drei Alben herausbrachte. Auf der dem Musikexpress beigelgten Promo-CD befand sich der Song "Restless Year", der mir zwar direkt gefiel, mich aber anfangs nicht umhaute. Dann sah ich das dazugehörige Video und lauschte im Netz einigen anderen Songs vom Album "Perpetual Motion People".
Das Feuer war entfacht und als schließlich die in königsblau gepresste Vinylscheibe in mein bescheidenes Heim fand, verfiel ich hoffnungslos dem Charme und Witz des nerdigen Chansonniers, der sich gerne in Fauenkleidern präsentiert. Das Album läuft bis heute in Heavy Rotation auf meinem Plattendreher und ich kann einfach nicht genug bekommen von Hits wie "Lousy Connection", "Wobbly", "Can I sleep in your Brain", oder eben "Restless Year". Ich lausche dem zappaesken ironischen Drama bei "Haunted Head", den knisternden Lagerfeuer-Folksongs "Hour of deepest Needs", "Ordinary Life" oder "One Day I will sing no more" und erschrecke mich regelmäßig über den plötzlich auftauchenden rotzigen Punkrocker: "Tip of a Match".
Am 1. November hatte ich dann das Vergnügen, Ezra live im Blue Shell in Köln zu erleben. Wer fleißiger Leser dieses Blogs ist, der weiß, dass ich nicht sooo selten zu Konzerten gehe und in diesem Jahr schon einige Highlights (Jon Spencer Blues Explosion, Glen Hansard, Father John Misty, etc.) verbuchen konnte, trotzdem geht in diesem Jahr der Titel "Konzert des Jahres" an Ezra Furman. Herzlichen Glückwunsch zu Platz 2 und danke für ein wundervolles IndiePop-Album, an dem auch Frank Zappa seine Freude gehabt hätte.
TOP 3 SONGS: Can I sleep in your Brain, Restless Year, Wobbly ... LISTEN on Homepage
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COURTNEY BARNETT
Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit
Der erste wirkliche Longplayer der australischen Singer-/Songwriterin und Gitarristin Courtney Melba Barnett schlägt ein wie eine Granate, hätte ich fast gesagt, distanziere mich aber sofort von dieser kriegerischen Umschreibung - obwohl sie so schön gepasst hätte.
Versuchen wir es friedlicher. "Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit" ist ein leidenschaftliches Feuerwerk an rhythmusgetriebenen Gitarren, ein wunderbar lakonisches Werk über Alltagsbetrachtungen und gleichzeitig ein feministisches Manifest. Zu dick aufgetragen? Wie wäre es mit ein roher ungeschliffener Diamant mit wunderbaren Ecken und Kanten, in dem es elf funkelnde magische Momente zu entdecken gibt? Oder die gelungeste Verbindung zwischen Songwritertum und Grunge? Der schnoddrig schönste Sprechgesang seit der Entdeckung Australiens? Oder schlicht die Platte des Jahres!
TOP 3 SONGS: Pedestrian at Best, Depreston, Dead Fox ... LISTEN on Homepage
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