Kann man nach dem ersten Ton erkennen, dass SUGARMEN aus England kommen? Ich wage sogar zu behaupten, Kenner der britischen Popmusik würden sogar Liverpool herausschmecken, so wie versierte Weinkenner die Hanglage eines edlen Tropfens genau bestimmen können, denn bei diesem nur 2:43 Minuten langen Smash-Hit verschmelzen BritPop und BritRave in Perfektion.
Die erst 2012 gegründete Band hat zwar außer der Debüt-Single "Dirt", die von Clash-Legende Mick Jones produziert wurde, und dem zweiten Streich "Plastic Ocean" noch nichts veröffentlicht, aber dafür durften sie in diesem Jahr die Bühne mit Bands wie The Who, Blur, Deerhunter,Metronomy und den Sleaford Mods teilen.
Man darf also sehr gespannt sein, wann die Herren Luke Fenlon, Chay Heney,Sam McVann und Tom Shields die Welt mit erstem Longplayer beglücken und ob das Album von der gleichen Qualität ist wie single Nummer zwei.
So gut gelaunt wie der Bandname, klingt auch die Musik des kanadischen Duos bestehend aus Matt Moldowan und Jeffrey Josiah Powell. Die beiden aus Vancouver stammenden Musiker spielen spritzigen IndiePop für den Tanzboden, bei dem eindeutig der Bass und die Keys im Mittelpunkt stehen. Gepaart mit einer im wahrsten Sinne pfiffigen Melodie und einer fetten Hookline dürften damit einige Indie-Disco den Füllüngsgrad der Tanzfläche deutlich erhöhen können.
FINE TIMES musizieren seit 2010 und Sänger Matthew Moldowan bekennt sich von Anfang an ungeniert zu seiner großen Liebe, dem Pop. Das Debütalbum "Fine Times" erschien 2012, erspielte sich in Kanada mit seinen smashigen Pop-Hymnen schnell ein breites Publikum, so dass die beiden es nun wissen wollen und mit der EP "Bad::Better" nun auch in Deutschland ein Zeichen für gutgemachten IndiePop setzen wollen. Toi, toi, toi!
KING GIZZARD & LIZARD WIZARD / Paper Maché Dream Balloon [LP]
Die psychedelischen FolkPop-Bands sprießen zur Zeit ja aus den Böden wie ... ähhh Pilze. Ganz weit vorne in dieser Hinsicht sind nicht selten Bands aus Australien und tära tära auch KING GIZZARD & LIZARD WIZARD stammen aus Känguru-Land. Für Faktenliebhaber: aus Melbourne. ABER, als wirkliche Newcomer kann man das Septett nicht bezeichnen, denn bei "Paper Maché Dream Balloon" handelt es sich bereits um das dritte Album der Band. ABER ging der Sound der ersten LP noch in Richtung StonerRock/Garage und das zweite in Richtung Krautrock, kann man dem neuen Album keinen anderen Stempel als Psychedelic aufdrucken.
Es beginnt mit dem hyperentspannten "Sense", führt hin zum großartigen dem Album den Namen gebenden "Paper Maché Dream Balloon" und diese Relaxtheit hält sich konsequent über das gesamte Werk. Einzige Ausnahmen sind der zappelige Flöten-Spy-Song "Trapdoor" und der irgendwie auch nach Indie schmeckende Boogie "The Bitter Boogie". Das an kleinen Spinnereien nicht geizende Album wurde komplett mit akustischen Instrumenten eingespielt und empfiehlt sich speziell für Freunde eines erlesenen Cover-Designs ;-) als Anschaffung.
Dass (zumeist schreckliche) Musik mit deutschen Texten sich immer mit in den deutschen Charts ausbreitet, hat den positiven Effekt, dass auch abseits des Mainstreams immer mehr Band dem Beispiel von Ja, Panik, Wanda, Die Türen, oder Die Nerven folgen und Alternative Musik mit germanischen Texten bestücken.
Wie groß daran der Anteil der neuen Wiener Schule ist - da muss natürlich auch noch der Nino aus Wien genannt werden - überlassen wir Statistikern oder ihrem Apotheker, fest steht, dass WELLNESS aus Köln klingen wie die innige Vereinigung von Chick Quest und Wanda - beide aus Wien.
Die vier Kölner Matthias Albert Sänger (Gesang, Gitarre), Lars Germann (Gitarre), Simon Armbruster (Bass) und Florian Bonn (Schlagzeug) singen nicht auf kölsch, sondern hochdeutsch und mischen den klassischen Sixties-Surfsound mit IndiePop. Man könnte annehmen, dass dieses Konzept auf Albumlänge etwas schwachbrüstig ist, aber die ersten drei vom erst im Februar 2016 erscheinenden Album "Immer Immer" bereits erhältlichen Songs "Exit Exit", "Endlich endlos" und "Amnestie" beweisen durchgehend Klasse.
Jetzt ist es wahrscheinlich zu spät, aber eigentlich sollte man nochmal über den besch***** Bandnamen nachdenken. Wellness ist Kacke!
Sechs Tage nach den schrecklichen terroristischen Attentaten in Paris gehe ich erstmals wieder zu einem Konzert. Nicht weil ich vorher Angst hatte, sondern weil sich keine Gelegenheit bot.
Natürlich bleibt ein komisches Gefühl, denn auch ich hätte auf einem Konzert von den hochgeschätzten EAGLES OF DEATH METAL sein können, auch wenn sie bei meiner Review ihres letzten Albums nicht so gut weggekommen sind.
Aber die Wut und vor allem die Überzeugung, dass man sich nicht von einem Haufen fehlgeleiteter primitiver Steinzeitmenschen wie der IS sein Leben vorschreiben lässt, hat mich keine Sekunde daran denken lassen, nicht mehr zu einem Konzert oder zum Fußball zu gehen.
Bevor ich mich zum Konzert von SAMANTHA CRAIN äußere, die übrigens einen Tag vor ihrem Köln-Konzert in Paris gespielt hat, möchte ich noch einige Gedanken mitteilen, die mich seit den Anschlägen verfolgen. Wie gesagt, es sind Gedanken, und oft sind es Fragen, auf die es wahrscheinlich keine endgültigen Antworten gibt.
Warum töten Menschen andere Menschen im Namen einer Religion/Ideologie? Ist Neid die schlimmste Geisel der Menschheit? Ist es Zeit, unsere westlichen Werte mit allen Mitteln zu verteidigen? Warum regiert in den sozialen Netzwerken die Dummheit? Wohin mit der Wut? Wohin mit dem Hass?
Da es in Strömen regnet und die Lieder der amerikanischen Songwriterin größtenteils sehr melancholisch sind, erwarte ich einen wenig erheiternden, sondern eher nachdenklichen Konzertabend. Sehr gespannt bin ich, ob Samantha den Song „Killer“ spielen wird, dessen Lyrics in Anbetracht der Geschehnisse der letzten Tage in Paris geradezu prophetische Züge tragen, obwohl sie sich wie das Video verdeutlicht, auf andere schreckliche Geschehnisse beziehen.
I won’t follow anymore My feet, my heart, my head are too sore Wherever they are, there I will be looking
In the rain dark nights of war Dots of silent guns, and what’s more, A virtual game of sorts, the killer of sons
The killer of girls, the killer of self Turned the Garden of Eden into a fiery hell Struck the rock too many times now no water comes out
They say the worst is over, the lowest reached But its such a long road, Keep marching!
And if I say what I mean Use words that are strong and stinging Woman step down unless you’re singing a song to me
Well I’m here, I’m singing a song Killer of souls, killer of rights, you are wrong You made us strangers in our very own homes
Killer of land, killer you will fail Rake the ground with the fork on your tail You never saw it coming No you never knew how That the poorest and the overrun have overcome you now
They say the worst is over, the lowest reached But its such a long road, Keep marching!
Zusammen mit einem Gitarristen namens John betritt Samantha die Bühne. Sie zeigt sich bestens gelaunt und scherzt mit dem jungen Mann von Anfang bis zum Ende des Konzertes. Schnell steht fest, dass die Songwriterin aus Oklahoma heute Abend den Schmerz mit Freude bekämpfen will.
Da es mein erstes Konzert von Samantha ist, weiß ich nicht, ob sie ähnlich wie Scott Matthew, der ebenfalls sehr nachdenkliche Lieder hat und bei Konzerten immer sehr witzig ist, ihre Konzerte immer so durchführt oder ob es dem aktuellen Zeitgeschehen geschuldet ist. Zum Glück habe ich meine Konzertbegleiterinnen, die unverwüstliche V. und das hüpfende Yps an meiner Seite und die beiden klären mich auf, dass Samantha auch schon bei ihrem letzten Aufrtritt im Underground (als Support von Deer Tick) den Abend sehr witzig gestaltete.
Trotz der charmanten Einlagen über Lokalpresse-Schlagzeilen wie "Death by Atomic Wedgie" ("Santa Fe" - nähere Ausführungen zur höchst interessanten Wedgie-Thematik siehe den Absatz Danger in Wikipedia) oder verschrobene, aber sympathische irische Bar-Bekanntschaften (Kinks-Cover "Waterloo Sunset"), sind und bleiben die Songs der 29-jährigen Amerikanerin Lieder, die mich strikt fordern, die eigene Denkmaschine anzuwerfen. Gepaart mit der eindringlichen hochemotionalen Stimme von Samantha gehen Stücke wie "Elk City" über das Leben einer jungen Frau, die in einem Kaff am Arsch der Welt für immer versauert oder "Outside the Pale" geradewegs unter die Haut und lassen die Körperbehaarung kerzengerade nach oben stehen. Crain-Songs verbinden auf beeindruckende Weise Wohligkeit mit Nachdenklichkeit.
Trotzdem lachen muss ich als Samantha erzählt, dass sie von ihrem Fenster aus in ihrer Bleibe direkt über dem King Georg heute geschlagene drei Stunden ein Paar beim Sex sehen UND hören konnte und sie sich beeindruckt gibt von der deutschen Standfestigkeit. Was Samantha und ihr gitarrenspielender Part heute Abend zeigen, grenzt aber auch ganz klar an hochsenstitiven Gitarrensex. Also jeder mit seinen Mitteln ;-)
Obwohl der Abend an sich schon an Intimität nicht zu toppen ist, schafft es Samantha mich doch noch einmal ganz besonders zu berühren, als sie einen noch unveröffentlichten neuen Song spielt, der vom einsamsten gut aussehendem Mann (Songttitel maybe "Loneliest Handsome Men"?) handelt. So sanft und so very fein, wie ich immer zu sagen pflege.
Schade, dass das King Georg an diesem Abend nicht aus den Nähten platzt, so wie es die Künstlerin eigentlich verdient hätte, denn wer Songs in seinem Repertoire hat, die so viel zu sagen haben, hätte deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient als nur einen Charterfolg in einem Rinder-Staat wie Manitoba ;-).
Besonderen Dank für "Somewhere All the Time", "Kathleen", "When you come back", "Big Rock" [wo ich leider zum Bierholen genötigt wurde ;-)] und natürlich "Never going back".
Je länger ich darüber nachgrübele denke ich, dass es die richtige Entscheidung von Samantha war, den Auftritt so normal wie möglich zu gestalten. Aber ganz unbeeinflusst bleibt das Konzert im King Georg doch nicht, denn die 29-Jährige spart Songs, in denen es um den Tod geht, größtenteils aus und verzichtet somit auch auf eine Darbietung von "Killer". Wie ich diese Entscheidung finden soll, weiß ich auch einen Tag nach dem Konzert noch immer nicht.
Seit fünf Jahren ist das erste Wochenende im November jetzt schon für den Rolling Stone Weekender am Weissenhäuser Strand an der Ostsee gesetzt. Dabei ist unsere Kölner Truppe auf mittlerweile 12 Personen angewachsen. Natürlich gab es einige Auf- und Abspringer, aber im Prinzip gilt, wer einmal dabei war, der kommt gerne wieder mit.
Dieses Jahr, oh Wunder, klappt die Anreise mit der Deutschen Bahn ohne Probleme. Mit lausigen 10 Minuten Verspätung treffen wir am Hamburger Hauptbahnhof ein und wir sind, obwohl die Buchung immer ohne großen Bestätigungsfirlefanz auskommt, fest davon überzeugt, dass wie letztes Jahr erstmals erfolgreich praktiziert, Taxi Lens uns mit seiner Wagenflotte bereits erwartet.
Und natürlich ist der Lens da! Auch wenn wir uns erst gegenseitig finden müssen, weil Treffpunkt ausmachen ist ja was für Weicheier. Als die Bahn im letzten Jahr ihren X-ten Streik nahm, haben wir beschlossen, die letzten 120 Kilometer nicht mehr mit der Bahn, sondern ganz dekadent mit dem Taxi zurückzulegen. Das hat erstens den großen Vorteil, dass wir keine Hetze zum Anschlusszug haben, den wir dieses Jahr bestimmt auch wieder nicht erwischt hätten, und zweitens, dass wir rechtzeitig auf dem Festivalgelände sind, um auch ja keinen Act zu verpassen.
Leider gibt es auf den Straßen dieses Jahr etwas Stau, weil irgendwelche Straßenplaner irgendeinen Scheiß mit einer Brücke verzapft haben, wie uns der Fahrer von Taxi Lens erklärt. Als Kölner sind wir allerdings ja dilettantische Verkehrsplanung gewohnt und lassen uns deswegen nicht aus der Ruhe bringen. Nur doof, dass wir ausgerechnet den langen Michael & Marion auf der Ersatzbank neben dem Fahrer im Großraumtaxi platziert haben - für den Michael ;-).
Irgendwann gegen Viertel nach drei sind wir am Gelände und können es kaum glauben, dass die Schlange am Schalter, wo man sich die Schlüssel und die Bändchen holt, dieses Jahr den Namen Schlange überhaupt nicht verdient. Schaut ganz so aus als könnten wir dieses Jahr wirklich ganz entspannt neues Deo auflegen und gemächlich zum ersten Konzert, welches um 17:15 Uhr beginnt, spazieren.
Innerhalb kürzester Zeit haben wir die Schlüssel für die Appartements in der Tasche, die dieses Jahr leider sehr breiten und sehr hässlichen Bändchen am Handgelenk und das erste Bier am Hals. UND es ist kein Warsteiner! Es lebe das herbe Jever und der Festivalgott, der es dieses Jahr wohl besonders gut mit uns meint und dafür gesorgt hat, dass der Bierlieferant gewechselt wurde.
An Geschenken gibt es für die Festivalbesucher dieses Jahr eine große wunderbare Tüte an Nichts. Bei meinem ersten Weekender vor fünf Jahren gab es noch eine prallgefüllte wunderschöne Jutetasche mit dem Festival-Logo und darin Magazine, Promo-CDs und und und. Aber dieses Jahr ganz schlicht und einfach nix :-(.
Wie immer benötigt der weibliche Teil unserer Festivaltruppe etwas länger zum Frischmachen, weswegen mein treuer Konzertbegleiter C., Professor R. und ich noch den traditionellen Bratwurststand vor dem Zelt, bzw. den nigelnagelneuen Gyros-Stand direkt an der Alm testen können. Bewertung: Die Bratwurst ist nur noch eine Schinkenbratwurst und kann mit einer echten nicht mithalten. Der Gyros Pita wird wie immer in atemberaubender Geschwindigkeit zubereitet schmeckt aber wirklich vorzüglich!
Aus dem Zelt hört man schon die schrecklichen ARKELLS. C. und ich sind uns einig, dass diese Band so schlecht ist wie die zusammengequirlte Essenz, ach man kann auch Scheiße sagen, aus Bryan Würg Adams und Bon Übel Jovi. Auch ohne sie zu sehen weiß man, dass diese Möchtegern-Rock ’n’ Roll- Pappnasen gerade zum Mitklatschen und -singen auffordern und dass man bestimmt wieder einige Festivalbesucher trifft, die von dieser großartigen Liveband schwärmen. Shame on you, oder wie eine von mir verehrte Band sagen würde: "No skunk, I need to be pissed up to smoke that shit."
Nun aber auf ins Rondell, was jetzt dämlicherweise in Alm umbenannt wurde, um BARNS COURTNEY live zu erleben. Herr Courtney stammt aus dem englischen Ipswich und wurde von niemandem geringeren als Carl Barât entdeckt und als Support für seine Tour engagiert. Da gibt es wohl schlechtere Empfehlungen.
Als Einstieg hat sich die intime Atmosphäre der Location bisher stets bewährt, aber irgendwie werde ich mit Herrn Courtney nicht warm. Klar, der junge Mann hat alle Anlagen, eine wunderbare Stimme mit der richtigen Dosis Rotz, den richtigen Musikgeschmack, aber bei den meisten Songs will er einfach zu viel.
Die Songs klingen alle irgendwie überfrachtet, obwohl er alleine auf der Bühne, nur mit einer Gitarre bewaffnet, steht. Lediglich die bereits bekannte Nummer "Glitter & Gold" vermag zu überzeugen und während er diesen Song spielt wird mir auch klar warum. "Glitter und Gold" ist die einzige Komposition, in der Barns Raum lässt. Raum für seine eindrucksvolle Stimme, für die Töne und Raum für sein sicher noch ausbaufähiges Gitarrenspiel. Aber das Potential ist da und das Alter hat auch bei mir so einiges gerichtet ;-)
Bei der vom Publikum geforderten Zugabe macht Barns dann allerdings wieder einige Punkte gut. Er lässt sich drei Worte aus dem Publikum zuwerfen und improvisiert daraus eine mitreisende Nummer. Ja, die Worte? Wie mich die Damen hüpfendes Yps und Frau Hase aus unserer Runde erinnern halfen, waren es: Sex, Cheescake und Desaster.
Kurz noch ein paar Worte zur Umbenennung der legendären Location. Unsere Befürchtungen, dass aus dem Rondell ein bayrisches Trachtenstadtl wurde, hat sich Gott sei Dank nicht bestätigt. Eigentlich ist fast alles beim Alten, lediglich ein paar Skier und ein blau-weißes-Rauten-Fiasko mit dem neuen Namen, welches an der Toilettentür prangt, verunstalten die ansonsten eher kärgliche Holzhütte.
Weiter geht es in den Baltic Saal, wo in Kürze der Kanadier JOHN SOUTHWORTH seinen nonchalanten Singer/Songriter-Pop zum besten geben wird. Mister Southworth zählt 42 Lenze, seine Discographie startete bereits 1998 und umfasst demnach zahlreiche Veröffentlichungen. Aber erst mit dem 2014er Album "Niagara" gelang ihm hierzulande der Durchbruch. Nicht ganz unschuldig daran ist sicher das Rolling Stone Magazin, welches das Album 2014 sogar zum Album des Jahres erkor.
Was auf Platte sehr gut funktioniert, klappt im gut gefüllten unruhigen Baltic Saal leider nicht. Das Publikum ist viel zu laut für die sanften Klänge und Southworth übernimmt leider auch überhaupt keine Anstrengung, um die Plappermäuler zur Räson zu bringen. Unweigerlich muss ich an den letztjährigen fantastischen Auftritt von Timber Timbre denken, wo Sänger Taylor Kirk mit ziemlich expliziten Ansagen für die nötige Ruhe sorgte. Fazit zu Herrn Southworth: Guter Mann, sehr schöne Songs und vor allem Arrangements, aber falsche Location und ein Liveknaller ist Herr Soutworth auf jeden Fall nicht.
Der Start in den Weekender war definitiv schon besser, aber ich war mir bereits im voraus ziemlich sicher, dass die ALABAMA SHAKES die Latte mit ihrem nun anstehenden Auftritt deutlich höher legen werden.
Leider besitze ich auch im hohen Alter noch jede Menge jugendlichen Übermut und so teste ich beim Gang durch die Einkaufspassage die über Wasser führenden schwebenden Tritte, die eigentlich für Kleinkinder gedacht sind und natürlich hole ich mir nasse Füße. Zur Strafe komme ich ein paar Minuten zu spät im Zelt an und vernehme nur noch die letzten Klänge vom Opener "Sound & Color" der Albama Shakes. "For fuck's sake!", wie meine erst morgen spielenden Lieblinge die SLEAFORD MODS sagen würden.
Die Alabama Shakes sind eine tatsächlich absolute Live-Band! Sängerin Brittany Howard ist ein Wonneproppen mit einer Wahnsinnsstimme und Oberarmen, die meinen Oberschenkeln ähneln. Trotzdem bin ich hin und weg, wer schaut bei einem solchen Temperamentbündel schon auf Äußerlichkeiten und außerdem hat die Dame eine Gitarre geschultert, was mich ohnehin immer weiche Knie bekommen lässt.
Der energiestrotzende Southern Rock, den die Band spielt, ist kräftig mit Blues und Soul gepimpt, aber auch die ruhigeren, zum Teil nahezu minimalistischen Stücke vom neuen Album vermögen live absolut zu überzeugen. Der erhabenste Moment entsteht, als die ersten Töne vom Monster-Hit "Hold on" erklingen. Das Zelt lauscht ehrfürchtig und ich meine ich sehe einen fluoreszierenden Schimmer, eine Art göttliche Aura, sich um das Haupt von Brittany Howard manifestieren. Jetzt bin ich angekommen beim Weekender 2015!
Leider schaffe ich es nicht, das Zelt vor Verklingen des letzten Tones zu verlassen, weswegen das Fiasko seinen Lauf nimmt. Der Baltic Saal, wo direkt im Anschluss IndieRock-Legende THURSTON MOORE spielt, ist pickepackevoll und die Ordner lassen keinen mehr in den Saal. "Ya piece of fuckin' shit", wie meine erst morgen spielenden Lieblinge die Sleaford Mods sagen würden.
Positiv anzumerken für den Weekender 2015 ist, dass jetzt vor und in den Locations zahlreiche Monitore installiert sind, die das Treiben auf der Bühne zeigen, so dass auch Deppen wie ich, die zu spät kommen noch mitbekommen, was drinnen gerade passiert. Aber zum Fernsehgucken und Schlange stehen bin ich nicht hier, also schlendere ich wieder zurück ins Zelt, wo STEVE EARL & THE DUKESspielt. Prinzipiell kann ich mich mit dem CountryBlues des Mannes aus Virginia schon anfreunden, aber in größerer Dosis ist mir die Mucke zu traditionell und damit zu wenig spannend, weswegen ich nur einen kurzen Stopp einlege, mir noch ein Würstchen genehmige und dann wieder Richtung Baltic Saal marschiere, um den alten Helden von BUILT TO SPILLTribut zu zollen.
Dieses Mal ist es kein Problem in den Saal zu kommen. Den Namen der Band kennen wahrscheinlich unzählige IndieRock-Liebhaber, aber da die Band von Mastermind Doug Martsch nie einen wirklich großen Indie-Hit hatte, was nicht heißt, dass sie in der 22-jährigen Karriere keine großartigen Songs ablieferten, schaffte es Built to Spill zumindest in Deutschland nie aus dem übermächtigen Schatten von Vorbildern wie Dinosaur JR oder Pavementhervorzutreten.
Während des Konzertes, ich sehe die Band zum ersten Mal live, wird mir auch klar, woran es hapert. Der Sound ist für den Baltic Saal okay, diese Musikrichtung liebe ich ja sowieso, aber was fehlt, ist erstens ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und ganz besonders eine prägnante Hookline. Genau, das was Slogan-Bands wie die Pixiesoder eben Dinosaur JR ausmacht, fehlt bei fast jedem Song der Band. Ob nun bewusst oder ungewollt, entzieht sich meiner Kenntnis. Da ich aber ein ausgemachter Freund einer gut memorierbaren Hookline bin, die darf auch gerne in einem zehn Minuten ausufernden Song versteckt sein, aber sie muss eben da sein, kann ich das Konzert leider nur gut, aber nicht berauschend finden.
So lasse ich dann auch meine durchaus begeisterten Mitstreiter alleine und mache mich auf ins Witthüs, um mal zu hören, was die vielversprechenden englischen Newcomer NOTHING BUT THIEVES abliefern, deren Konzert leider zeitgleich mit Built to Spill gesetzt worden war. Ach, liebe Weeekender-Planer über den Timetable müssen wir noch mal reden: Müssen die Zeitfenster der drei Locations Witthüs, Alm und Baltic Saal immer parallel verlaufen? Kann man da nicht etwas zeitversetzt starten?
Das Witthüs ist voll, aber ich höre keine Musik und es strömen Menschen aus dem Saal ins Freie. Drinnen angekommen erkunde ich mich und erfahre, dass es irgendein technisches Problem gibt und die Band noch keinen Ton gespielt hat. Was leider ziemlich Kacke ist, denn in Kürze spielt eine meiner Lieblingsbands, ELEMENT OF CRIME auf der Zeltbühne:-(. Irgendwann läuft mir dann die Zeit davon und ich bewege meinen mittlerweile ganz schön schlappen alten Körper zum großen Zelt. Ich habe keine Ahnung, ob die Band an diesem Abend noch spielen durfte. Meine Anfrage an die Band über Facebook blieb bisher leider unbeantwortet.
Zum Finale des Freitags treffe ich fast alle meine Konzertbegleiter wieder. Einige sind noch ganz geflasht vom Auftritt von Built to Spill und so ärgere ich mich noch ein kleines bisschen mehr über den nicht wirklich optimal verlaufenen ersten Festivaltag. Aber wie meinte Weltmeister Andi Brehme einst so zutreffend: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!". Element of Crime retten aber dann den ersten Tag doch noch. Sven Regeners Stimme, seine Lyrics und seine Trompete sind einfach eine Kombination, die mich immer wieder in melancholiegeschwängerte Glückseeligkeit versetzt. Die Band beginnt mit dem englischsprachigem Song "Don't You Ever Come Back" vom 1989er Album "The Ballad of Jimmy & Johnny", meinem ersten Element of Crime-Album und dem ersten, auf dem sich auch der erste deutschsprachige Song der Band befand und der mich wohl für immer an die Band kettete.
Und tatsächlich spielt die Band nach vier Liedern von der aktuellen Platte "Lieblingsfarben und Tiere" auch den historischen Meilenstein in der Bandkarriere. "Der Mann vom Gericht" zeigt noch nicht alles, was sich später daraus entwickelte, dazu ist er noch zu sehr der damals eigentlich schon verebbten NDW verhaftet, aber die Trompete ist bereits prägend, aber Regener zeigt schon wie gut er mit seiner Muttersprache umgehen kann.
Insgesamt umfasst die Setlist 19 Songs, gespickt mit bereits und alsbald Klassikern wie "Rette mich (vor mir selber)", "Draußen hinterm Fenster", "Wenn der Wolf schläft müssen alle Schafe ruhen", "Lieblingsfarben und Tiere", "Weißes Papier", "Delmenhorst" und "Alten Resten eine Chance". Letzterer Song könnte eigentlich der Motto-Song des Festivals werden oder kommt es nur mir so vor, dass der Altersdurchschnitt des Publikums in diesem Jahr noch gestiegen ist? Aber wir werden ja ALLE älter! ;-)
Ob man zum alten Eisen gehört oder nicht, zeigt sich ja immer erst nach dem Headliner. Wir ziehen jedenfalls fast in geschlossener Mannschaftsstärke in das Witthüs, um die After-Show-Party, die in Fachkreisen nur Indie-Disco genannt wird, zu zelebrieren.
Die Bude ist wie immer rappelvoll, und ebenfalls wie eigentlich immer, verleitet mich bereits der erste Song (The Strokes!) meine Jacke irgendwo hektisch zu verstauen und im frisch renovierten Disco-Tempel die Tanzfläche zu stürmen. Was letztes Jahr noch als Baustelle für den Weekender zur Verfügung stand ist nun ziemlich clean gestylt. Looks like Vapiano-Kantine. Der hintere Teil der Tanzfläche ist leider nicht ausreichend beschallt und der Boden ist nach dem ersten verschütteten Bier wieder deutlich zu glatt für Menschen, die gerne auf Rage Against the Machine tanzen. Aber die Musik ist gut, der DJ wird nicht gehängt und wir feiern bis zum Umfallen - im wahrsten Sinne des Wortes.
Es war uns wie immer ein Fest und falls wir uns (wieder) etwas daneben benommen haben, sei uns bitte vergeben - nur der Arsch im karierten Hemd mit den gelackten Gelhaaren, aber ... Sleaford Sleaford Sleaford Mods: "Fuck off, I'm going home".
Der zweite Tag beginnt gegen 11 Uhr. Die Schäden vom Vortag halten sich in Grenzen und das ausgiebige Frühstück im, dieses Jahr im selben Flur liegenden Zimmer der Damen, kann durchaus schon im Magen verbleiben. Der "Held des Tages"-Titel geht an meinen treuen Konzertbegleiter C., der trotz biernasser Haare vorm Vortag die Nacht überlebt und sich als erstes aufgemacht hat, um beim Edeka vom Jens Brötchen zu fangen. Während die Ladys ausdauernd dem Wundermittel Hühnerbrühe huldigen und der Professor den unwiderstehlichen Eiergeruch in seiner Nase bekämpft, kribbelt es mir schon in den Fingern, denn Samstag ist Plattenbörsentag :-).
Leider muss ich feststellen, dass das allerorts wieder ausgebrochene Vinylfieber die Preise für das schwarze Gold auch hier in die Höhe getrieben hat. Aber natürlich schaffen es C. und ich trotzdem ein paar Leckereien in die eigens dafür mitgebrachte Jutetasche zu verfrachten. Anschließend geht es zum traditionellen Strandbesuch, den wir glaube ich noch nie bei solch angenehmen Temperaturen absolvieren durften. Lediglich die steife Prise auf der Brücke nervt etwas, aber dafür entdecken wir zu unserem Vergnügen Pamela Anderson und andere kopflose Personen am Strand und haben bei einem Foto-Shooting jede Menge Spaß mit ihnen.
Beim Rückweg lauschen wir noch etwas dem gerade stattfindenden Strandkonzert von NICOLE ATKINS. Trotz guter Vorsätze hat es leider wieder nicht geklappt an der Verlosung teilzunehmen, um ein Plätzchen im Aquarium zu ergattern und so bleibt nur das Naseplattdrücken an den beschlagenen Scheiben. Könnte man die Verlosung nicht mal über die neuen Medien laufen lassen? Per SMS? Wenn es sein muss sogar kostenpflichtig.
Heute ist Samstag und Samstag ist Fußball. Bisher haben wir immer im Hotel eine Halbzeit der Bundesliga geschaut, aber dieses Jahr gibt es die Kneipe "Heimspiel" direkt in der Einkaufspassage, also verlassen wir die ausgetretenen Pfade und machen uns zu dritt auf zur Sportsbar unseres Vertrauens.
Fußballsamstag am Weekender verläuft für mich immer nach dem gleichen Schema: Ich bin von FC-Fans umzingelt, dieses Jahr Sascha und C. und jedes Jahr gewinnt der FC und meine Königsblauen verlieren. Als der FC in Leverkusen in Führung geht, beschließe ich, deswegen im nächsten Jahr 1000 Euro auf den Karnevalsverein zu setzen, selbst wenn der Gegner die Millionärstruppe aus München ist. Schalke spielt übrigens erst morgen, aber ich gehe davon aus, dass die rabenschwarze Weekender-Serie für S04 in Lüdenscheid aufrechterhalten wird.
Die neue Fussi-Location findet übrigens mein Gefallen. Das Bier wird zwar nur unbedeutend schneller serviert als im Hotel, aber man darf sich Glimmstengel anzünden, kann Nüsschen knabbern - der Wirt meint er hat auch welche - und es ist fast so gemütlich und dunkel wie in einem irischen Pub. Zwischenzeitlich hat der Werksclub den Ausgleich erzielt, aber das Endergebnis steht ja eigentlich schon fest.
Halbzeit ist Trennungszeit. Fussi muss ausnahmsweise hinten anstehen. Rock 'n' Roll hat Vorfahrt und mit den SLEAFORD MODS steht heute als erster Act (Hallo Programmmacher geht's noch!) nichts weniger als die innovativste Band der letzten Jahre auf der Bühne. Sleaford Mods, Sleaford Modes, Sleaford Sleaford Sleaford Mods. Live tonight!
Ich schalte jetzt mal in den Pöbelmodus, um den Jungs aus Nottingham meine Ehre zu erweisen. Wir sind verfickt früh dran im Baltic Saal, der sich langsam aber zusehends füllt. Schön zu merken, dass nicht nur Zuschauer hier sind, die alte Kamellen auslutschen wollen, sondern auch noch genug Eier haben, um mal Neues an die schwerhörigen Ohren zu lassen.
Der Bühnenaufbau ist wie immer bei den Mods minimalistisch. Das Laptop thront auf einem Jever-Bierkasten-Turm - da wird sich der Sponsor freuen - daneben ein Mikro und ansonsten herrscht gähnende Leere. Wie ich aber bereits vom Konzert der Mods in Köln weiß, benötigen die Herren Jason Williamson (Vocals) und Andrew Robert Lindsay Fearn auch nicht mehr, um eine verfickt geile Show abzuliefern.
Auf der Bühne das gleiche Bild wie in Köln. Andrew in der Hand, auf Schritthöhe gehalten, eine Bierflasche (an diesem Abend schafft er 3) und Jason mit einer Wasserflasche. Leider kommt der fette Bass hier im Saal nicht ganz so wie er soll, aber die straighten Lo-Fi-Beats der alten Säcke kicken wie immer gewaltig. Man merkt dem Großteil des Rollings Stone Weekender-Publikum an, dass es solche Musik sonst eher nicht an die Ohren lässt. Aber im Endeffekt ziehen die scharfgeschossenen Worthülsen und die selbstkasteiende Performance des Herrn Williamson immer mehr Fremdelnde in den Bann und man merkt, wie die Was-das-denn?-Stimmung zu "Fucking Great!" kippt.
Auch wenn die britischen Bastarde erneut meine Lieblingssong "The Corgi" nicht spielen - einen netten kleinen Aufruf zum Mord an den Lieblingskötern der Queeen - kann sich die Setlist sehen lassen. Natürlich gibt es "Tied up in Nottz", "Live Tonight", "Tarnatula Deadly Cargo", "Jobseeker", "Jolly Fucker", "No One's Bothered" und als Zugabe sogar "Tweet Tweet Tweet". Und als nach der Zugabe, selbst als das Licht bereits im Saal angeht, noch immer lautstark Sleaford Mods, Sleaford Modes, Sleaford Sleaford Sleaford Mods -Gesänge angestimmt werden, weiß ich, dass die Mods ihre Fangemeinde um weitere Hörer erweitert haben.
Kleiner Tipp für Sleaford-Newbies: Das Englisch der beiden britischen Wutprediger ist oft schwer verständlich, den Slang nennt man Cockney - weswegen diese Page mit den Lyrics der Rotzpoeten wärmstens empfohlen sei. Reviews zu den Alben "Key Markets" und "Divide and Exit" gibt es per Klick auf die Albumtitel und wer meine Review zum wundervollen Konzert in Köln nachlesen möge, bei dem ich mit Andrew eine Bierflasche kreuzen durfte, klicke auf "Fucking Shakin' Stevens!"
Nach den Mods muss nun die obligatorische Nahrungsaufnahme stattfinden, damit die alten ausgezehrten Körper Kraft für die nächste Nacht tanken. Die ersten drei Weekender haben wir uns drei Tage lang hauptsächlich von den Gaben am Bratwurststand ernährt, aber seit letztem Jahr steht fest: Nahrungsaufnahme für immer und ewig im Dschungelrestaurant!
Ich denke viele Festivalbesucher kennen das Etablissement des guten Geschmacks gar nicht, denn dass sich im Abenteuerdschungelland für die Kleinsten ein kulinarischer Tempel verbirgt, muss erstmal entdeckt werden. Was auf den Teller kommt, steht eigentlich schon vorher fest, auch wenn wir einen obligatorischen Blick in die Karte werfen. Letztendlich türmen sich Burger in unterschiedlichen Gewichtsklassen an frischen Pommes Frites auf allen Tellern. Flux werden im tierischen Ambiente die Bäuche gefüllt, aber obwohl die Bedienung dieses Jahr außerordentlich nett UND schnell ist, schaffen wir es erst wieder um 18:45 ins Konzertgeschehen einzugreifen.
Next Stopp Rondell/Die Alm. Eigentlich muss man natürlich in den Baltic Saal zum genialen Songwriter RON SEXSMITH, aber den pausbäckigen Womanizer haben wir schon so oft gesehen, dass sich der Großteil für die sicher gerne mal einen durchziehenden psychedelischen Holländer von JACCO GARDENER entschieden hat. In meinen Augen, oder besser Ohren, die richtige Entscheidung, denn das aktuelle Album "Hypnophobia" hat sich schon viele Male seit der Weekender-Bekanntgabe, dass die Band zum Festival kommt, auf meinem Plattenspieler gedreht. Einfacher Stoff ist das für unvorbereitete Hörer sicher nicht, denn die kleinen feinen Nuancen der psychedelischen Songstrukturen schälen sich erst nach mehrmaligem Hören heraus.
Das Einzige, was mich stört, ist, dass man zum instrumentallastigen Sixties-Sound des Multi-Instrumentalisten, der mit einer fein abgestimmt und eingespielten neuen Band auftritt, keine rauchen kann. Sorry, aber das ist und bleibt Kiffermusik! Bei manchen, in nahezu ekstatischen Jams ausufernden Songs sehe ich trotzdem drehende Spiralen und wunderbare Farbspiele vor meinem inneren Auge. Eigentlich wäre Jacco Gardener ein exzellenter Support für die nächste Deutschland-Tour von Tame Impala!
Zeit festzuhalten, dass der Samstag schon jetzt den Freitag locker in die Tasche gesteckt hat. Weiter geht's zur bunten Haribo-Color-Rado-Mischung der deutschsprachigen Musik. - auch OLLI SCHULZgenannt.
Mit dem aktuellen Album "Feelings aus der Asche" (Review) marschiert der launige Pop-Komiker meines Erachtens zu sehr in Richtung Neue Deutsche Scheissmusik, wie es der Musikexpress kürzlich so schön in Worte fasste, aber inklusive der drei Alben unter dem Namen Olli Schulz und der Hund Marie kann der Hanseate mittlerweile auf sechs Longplayer zurückgreifen und darunter immerhin so großartige Songs wie "Koks & Nutten", "Spielerfrau" oder ganz aktuell "Boogieman". Also mal schauen, welche Mischung Olli heute Abend auftischt, nicht alles in der Haribo-Color-Rado-Mischung schmeckt mir!
Das Konzert ist äußerst unterhaltsam. Mal sucht Olli Zoff mit den Fischköpfen, indem er die Kulturarbeit seiner Heimatstadt Hamburg an den Pranger stellt, dann disst er die Rolling-Stones-Abonnenten, die denken seit Bob Dylan gab es nichts Neues mehr in der Musik und veralbert Radiohead- und Björk-Fans wegen ihres Absolutismuses. Die Ansagen zwischen den Songs sind geistreich und witzig, aber musikalisch geht Olli auch gerne mal über die Grenze des guten Geschmacks. Tina Turner und Bryan Adams kann man aufgreifen, muss man aber nicht! Aber Olli spielt die besten Songs vom neuen Album, natürlich den "Boogieman" und auch die "Spielerfrau" bekommt ihr Fett weg. Erstaunt bin ich, als "Der Brillenmann" erklingt! Ich habe mir gerade erst das Album von "Erfolg" gekauft, ganz besonders wegen des Songs "Der Brillenmann", und nun singt den Olli Schulz?
Wer covert da wen? Der Text klingt ja schon nach Olli. Mmmh. Des Rätsels Lösung ist nicht ganz einfach! Auf dem Cover der Erfolg-Platte steht einfach nur Erfolg - Johannes von Weizsäcker. Dieser Herr von Weizsäcker ist Erfolg wie der Wikipedia-Eintrag verdeutlicht: "Er wurde als Mitgründer der Londoner Band "The Chap" bekannt und verfolgt derzeit sein Soloprojekt Erfolg (mit Damenchor)." Den definitiven Beweis, dass OlliErfolg covert, liefert die Spex:
Nach einer vernaschten ganzen Tüte Haribo ist man einerseits glücklich und anderseits verärgert, weil man sich den Bauch mit so etwas Profanem - ist ja nicht Radiohead oder Björk - vollgeschlagen hat. Ähnlich geht es mir nach dem Comedy-Pop-Schlager-Karussell von Olli. Jetzt wird es aber wieder Zeit für einen echten Rock'n'Roll-Messias. Man neige das Haupt für den gottgleichen Poser und herzenbrechenden Bühnendiktator FATHER JOHN MISTY.
Joshua Tillmann, ala Father John Misty war ja bereits 2012 beim RS Weekender und hatte dort bei Mitstreiterin Frau Haase bleibende Wirkung hinterlassen. Da ich damals unbedingt die Two Gallants sehen wollte, ist es für mich heute eine absolute Pflichtveranstaltung, den ehemaligen Schlagzeuger der Fleet Foxes bei seiner spektakulären Bühnenshow zu erleben. Die Live-Qualitäten des Amerikaners scheinen sich auf jeden Fall herumgesprochen zu haben, denn der Baltic Saal ist gut gefüllt.Seine ersten Weekedner-Auftritt hatte der Father noch im Rondell.
Mister Tillmann hat eine Präsenz auf der Bühne, die einen fragen lässt, wieso dieser Mann sich jahrelang hinter einer Schießbude versteckte und was ihn letztendlich nach vorne holte? Wollte er endlich dem Schlabber-Öko-Look der Fleet Foxes entgehen und schwarze maßgeschneiderte Anzüge tragen? Egal, es war auf jeden Fall der richtige Schritt, denn der Father ist nicht nur ein Hingucker auf der Bühne und ein exzellenter Songwriter, was seine beiden Soloalben, speziell das hervorragende aktuelle "I Love You, Honeybear" beweisen, sondern auch noch ein herausragender Sänger. Beim Konzert jedenfalls sitzt jede Note und jede theatralische Geste da, wo sie hingehört. Absolutes Highlight sind die schwermütigen, aber witzigen Balladen "The Night Josh Tillman Came To Our Apt." und "Bored in the USA", wo die für US-Comedy typischen Lacher auch live eingespielt werden.
Bleiben nur noch zwei Fragen: 1. Kann Father John Misty auch auf der Bühne, wenn man ihm die Hände zusammenbindet und 2. Würde man aus Simon & Garfunkel& Frank Sinatra & Don Henleys Genen etwas basteln, ergäbe es etwas anderes als Father John Misty?
Weiter gehts auf die Zeltbühne, wo bereits DEATH CAB FOR CUTIE ihr bestes geben. Ihr Bestes? Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe bei einigen Songs wirklich den Eindruck als käme zur Unterstützung für Sänger Benjamin „Ben“ Gibbard eine zusätzliche Gesangsspur vom Band. Vielleicht habe ich aber auch schon zu viel Jever? Falls es doch noch jemandem aufgefallen ist, würde ich mich über Feedback freuen, falls nicht, vergesst die letzten Zeilen.
Wir bekommen nicht mehr wirklich viel vom Konzert von Death Cab for Cutie mit, da wir schon bald wieder weiter zur Alm müssen, wo CHADWICK STOKES einer der vielversprechendsten Newcomer spielen wird. So viel noch zu Death Cab for Cutie: Schönes Konzert, unabhängig davon, ob gepfutscht wurde oder nicht, aber die neue Platte "Kintsugi" ist schon sehr ruhig und das beste Lied der Band "Doors unlocked and open" wurde leider nicht gespielt.
Die Alm ist leider nur mittelmäßig besucht. Klar, parallel spielt mit NEW DESERT BLUES und GANG OF FOUR starke Konkurrenz und es machen halt nicht alle ihre Hausaufgaben so ordentlich wie wir, aber wer sich vorher mit den Songs vom zweiten Soloalbum "The Horse Comanche" von Chad (Chadwick) Stokes Urmston beschäftigt hat, der kann heute Abend nur hier und nirgendwo anders sein.
Wir sind etwas erstaunt über das, was wir auf der Bühne sehen, denn nicht wie man erwarten könnte, wenn man das nach vielköpfiger Band klingende Album hört, stehen nur zwei Männer auf der Bühne, um schnell noch den Sound zu checken. Als es dann aber wenige Minuten später wirklich losgeht, ist jegliche Skepsis vergessen, denn die sich als Brüder vorstellenden Herren Chad und Willy lieben und leben Musik. Der Spaß, den die Beiden beim Musizieren haben, überträgt sich ohne Karrenzzeit unverzüglich auf das Publikum. Das Set ist rein akustisch und es kommen nur drei Songs vom Pferde-Album zur Aufführung, aber trotzdem ist dies hier eines der Highlights des diesjährigen Weekenders.
Wie Chad erzählt, lebt Willy mittlerweile nicht mehr in den Staaten, sondern in Schottland und so nutzen die beiden den Weekender auch für eine kleine Familienwiedervereinigung. Man merkt den beiden Brüdern auch deutlich an, wie nahe sie sich emotional stehen. Wenn sie sich beim Spielen anlächeln und nur mit den Augen kommunizieren und das Glück hier und jetzt zusammen zu spielen fast greifbar wird. Großartig!
Da Chad in Deutschland noch relativ unbekannt ist, sollten Interessierte unbedingt mal den Wikipedia-Eintrag mit seiner Biographie unter die Lupe nehmen. Ich jedenfalls werde in der nächsten Zeit meine Lücken schließen und mich mit seinen Bands State Radio und Dispatch beschäftigen.
Ziemlich beseelt geht es zum Festival-Abschluss hinüber zur Zeltbühne, wo die isländische Band OF MONSTERS AND MEN das Finale bestreiten. Natürlich ist das von einem stürmischen Regenschauer etwas in Mitleidenschaft gezogene Zelt nun das Sammelbecken für alle Weekenderista. Nanna Bryndís Hilmarsdóttir und Ragnar Þórhallsson, die Leadsänger von Of Monster and Men, sind ein ziemlich schräges Paar. Nanna ganz in schwarz gewandet, hat dieses typisch elfenhafte, das auch der bekanntesten isländischen Künstlerin Björk anheftet und Ragnar wirkt wie eine Figur aus der Herr der Ringe-Triologie.
Auf der Bühne ergänzen sich die Beiden gesanglich perfekt, weswegen auch die Nummern, wo beide singen, die eindrucksvollsten sind. Die Band ist mir eigentlich mittlerweile zu weit im Mainstream gelandet, aber trotzdem flasht mich das Konzert, so dass ich meine Truppe verlasse und mich möglichst nahe zur Bühne bewege. Bei dem Sextett gibt es auf der Bühne aber auch immer irgendetwas, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Häufig verweilt mein Blick bei Schlagzeuger Arnar Rósenkranz Hilmarsson, der wie eine Idealbesetzung für die Serie Vikingsaussieht. Arnar scheint auf den Bühne im Hintergrund die Fäden zu ziehen - was allerdings nur auffällt, wenn man ihn über längere Zeit beobachtet.
Visuell sind Monsters and Men also ein echter Augenschmaus, aber ich muss mir auch eingestehen, dass mir die Band auch in akustischer Hinsicht sehr zusagt. Ich kenne so gut wie jeden Song, da meine beiden fast erwachsenen Teenager-Töchter die Band sehr gerne hören, und so erwische ich mich beim Mitsingen von "Mountain Sound" , "Crystals" und natürlich "Little Talks" ;-).
Da die großen Mitsing-Nummern schon abgefeuert waren, spielen Of Monsters and Men ein relativ ruhiges Zugaben-Set mit den Songs "Backyard", "Dirty Paws" (hier kann man aber auch schön mitsingen) und "We sink". "We sink" ist der perfekter Abschlusssong mit den uns in die Nacht entlassenden Textzeilen:
"We are the sleepers. We bite our tongues. We set the fire. And we let it burn. Through the dreamers. We hear the hum. They say, 'Come on, come on, let's go.' So come on, come on, let's go"
Wir sind noch keine Schläfer und schleppen unsere müden Kadaver zur Indie-Disco, wo heute eine Dame an den Turntables auflegt und etwas mehr HipHop und sogar Micheal Jackson in ihr Set einfließen lässt. Deutlich mehr Songs, die man lange nicht mehr gehört hat und die das Herz und die tanzwütigen Füße erfreuen! Very fein, wie ich immer zu sagen pflege. Das Highlight ist allerdings als die Chadwick-Brüder hereinschneien und ordentlich mitfeiern. Es war unseren Tanzdamen, der unverwüstlichen V., dem hüpfenden Yps und dem Haasen und selbstverständlich auch mir eine helle Freude, mit den Brüdern zu Nirvana& Co. den Laden zu rocken.
Der nächste Morgen zeigt müde, aber zufriedene und längst nicht so kaputte Gesichter wie beim letzten Weekender. Es scheint fast so, als ob wir langsam eine gewisse Routine entwickeln würden ;-). Die Heimreise verläuft dann dank der Deutschen Bahn doch wieder nicht so wie geplant, da unser Zug kurzerhand gestrichen wurde und wir somit leider keine Zeit mehr für die traditionellen Asia-Nudeln am Hamburger Bahnhof haben, um den früher abfahrenden Ersatzzug noch zu erreichen.
Aber ein komplett ohne Ärger verlaufendes Weekender-Wochenende wäre ja auch kein echtes Weekender-Wochenende! Wir freuen uns schon auf nächstes Jahr und überlegen tatsächlich doch mal den weiten Ritt mit dem Flugzeug zurückzulegen. Aber wahrscheinlich streiken dann die Piloten oder es gibt eine Terrorwarnung am Flughafen oder ... ABER EGAL wir sind auch nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei.
PianoPop mit großer Stimme und großer Geste - vergesst Adele!
Lange Zeit war ich fehlgeleitet und habe der CD gehuldigt, ehe ich wieder ins warme Vinylreich zurückgefunden habe. Nun müssen natürlich die verlorenen Jahre aufgeholt werden und so gibt es einen ellenlangen Vinyl-Wunschzettel mit Alben, die ich zwar auf CD besitze, aber noch nicht im einzigen wahren Format. Eines der nun wieder in Vinylform nach Hause gekehrten Alben ist das 1992 erschienene Werk "Little Earthquakes" von Tori Amos.
Exakt zwei Tage nachdem ich diesen Heimkehrer wieder begrüßen durfte, schneit mir ein Newsletter ins Postfach, der eine auf dem Cover sehr jung anzusehende Dame preist, die sichLILLY AMONG CLOUDS nennt und die mich vom Aussehen an die großartige Samantha Crain erinnert. Ich erwarte also akustischen Singer/Songwriter Pop, vielleicht mit Countryeinflüssen, vernehme dann aber Musik, die mich an besagtes heimgekehrtes Album erinnert, welches seit Tagen wieder Runden auf meinem Plattenteller dreht.
Dann lese ich im Info-Paper, dass Lilly Brüchner, so der Geburtsname der Künstlerin, aus Würzburg, meiner Heimatstadt stammt und ich bin freudig erregt, denn bisher ist Würzburg in Sachen Musik ja ein völlig unbeschriebenes Blatt und auch nach zwanzig Jahren stelle ich so etwas Seltsames wie Heimatstolz fest.
Genug drumherum geschwafelt. Lillys Debüt-EP enthält fünf selbstkomponierte Songs; von denen kein einziger auch nur ansatzweise nach fränkischer Provinz muffelt. Ganz im Gegenteil, die Produktion von "Lilly Among Clouds" ist auf Champions League-Niveau und kann sich locker mit dem wiedergekehrten Pop-Schwergewicht (Keine Anspielung auf das Körpergewicht der Künstlerin!) Adelemessen. Ja, da lehne ich mich weit aus dem Fenster, aber was wahr ist; muss wahr bleiben;; sagte meine fränkische Großmutter immer!
Selbst Fans der britischen Ausnahmesängerin dürften beim EP-Opener "Keep" kurz zweifeln ob das nun ein neuer Adele-Song ist, denn Lilly ist ebenso stimmgewaltig, ebenso einfühlsam, ebenso emotional und ebenso perfekt produziert. Die zweite Nummer der EP, "Blood & History", klingt dann wie eine der zauberhaft Pianoballaden; wie sie Tori Amos in ihrer langen Karriere vielfach produziert hat. Die Komposition hat eine wunderbare Dramaturgie. Melancholie tropft von allen Noten. Der Gesang ist fehlerlos in den leisen und den lauten Tönen. Kurz: CinemascopePop par excellence mit 100% Hit-Potential.
"Well I could" spaziert zwischen den Genres. Der Song baut auf elektronische Beats; die an Dillon erinnern, im Gegensatz zur Brasilianerin bleibt die Würburgerin aber nicht konsequent minimalistisch, sondern steigert von Strophe zu Strophe die Dosis und setzt im Finale des Songs sogar Akzente mit Dancefloor-Elementen.
"Remember me" erfüllt die Erwartungshaltung, die ich hatte, als ich nur das Cover der EP gesehen und noch keinen Ton gehört hatte: Singer/Songwriter-Pop. Aber Vorsicht, wenn der Rhythmus ins Rollen kommt, tanzt das Klavier immer wieder in Richtung BombastPop. Und Lilly singt sooooo gefühlvoll. Die nachfolgende unplugged Version des Songs ist ebenfalls umwerfend!
Mein Lieblingssong ist "Long Distance Relationship". Die Verbindung der kühlen elektronischen Klänge mit der warme Alt-Stimme von Lilly passt einfach vorzüglich. Hier erinnert mich Lilly wegen der schier körperlich spürbaren Gesangsintensität an eine andere große Klavierkünstlerin: Regina Spektor. Wirklich großes Kino für eine Künstlerin; die sich gerade erst inmitten der Zwanziger befindet und von der man deswegen mit Sicherheit noch mehr hören wird.
Als kleiner Tipp vom Ö: nicht so sehr von den Produzenten in die Adele-Schiene drängen lassen, sondern lieber an Künstlern wie Regina Spektor,Tori Amos oder sogar Shilpa Ray orientieren - und trotzdem immer schön das eigene Ding durchziehen ;-)
Unter dem Namen NAYTRONIX fabriziert Nate Brenner, seines Zeichen Bandmitglied bei den Tune-Yards, seinen ersten Longplayer namens "Mister Divine" für welches die Zeit vielleicht heute noch gar nicht reif ist. Ist mir persönlich aber Schnuppe, denn mich versetzt das Werk in eine unglaubliche, an Hypnose grenzende Tiefenentpannung und dass OHNE mich zu langweilen - was eine echte Kunst ist!
Es gab eine Zeit da nannte man extrem chillige Musik boshafter Weise
Fahrstuhlmusik, passt aber nicht, weil aus diesem Fahrstuhl möchte
zumindest ich nicht mehr aussteigen. Paternostermusik? Passt besser,
weil dieses Transportmittel ja auch nonstop in Schleife fährt und
dadurch etwas Meditatives an sich hat - genau wie die Musik von Herrn Brenner. Aber Paternoster klingt so altertümlich und das passt nun wieder gar nicht zum fiepsigen ElectronicJazzFolk von Naytronix.
Mmmh, ach überlegt euch doch einfach selber etwas schön Klingendes aus
den Bausteinen: Jazz, Electronic, Frickel, ScienceFiction, Paternoster,
Dream, Pop, Folk, Groove und Dub. Und dann kauft das kleine Meisterwerk am besten auf Vinyl in limitierter Colored-Edition!
Schon wieder Stuttgart! Im Fußball läuft es für die Baden-Württembergische Hauptstadt ja eher suboptimal, aber in Sachen Musik entwickelt sich in der sechstgrößten Stadt Deutschlands zunehmend eine höchst beachtenswerte Szene. Neuester auffälliger Act ist der 25-jährige Levin Stadler, der unter dem etwas sperrigen Namen LEVIN GOES LIGHTLY im weitesten Sinne PostRock inszeniert.
"Neo Romantic" ist nach dem 2013 erschienenen Debüt „Dizzy Height“ das zweite Album, das Stadler zusammen mit Paul Schwarz (Gitarre), Thomas Zehnle (Bass) und Max Rieger am Schlagzeug eingespielt hat.
Mit "1989" dem ersten Song des Albums wird eigentlich schon deutlich, dass es sich um eine düstere Zeitreise in die musikalische Vergangenheit von Gothic und Dark Wave handelt. Die analogen Keys flirren, der Beat vom Drumcomputer ist minimalistisch und auch im Gesang orientiert sich Stadler an legendären Dunkelmännern wie Ian Curtis oder Andrew Eldritch. Aber auch wenn die Vorbilder dermaßen offen liegen, vermag es Levin goes Lightly, ganz wie es der Albumtitel verspricht, dem Genres neues Leben einzuhauchen.
So schafft es "Bouquet" zum Beispiel mühelos den schwierigen Spagat zwischen lieblichen DreamPop und albtraumhaften NoWave à la Suicide hinzubekommen und das fulminante "Speedways" zirkuliert vom NoWave auf 8 Minuten Länge zum DroneRock wie ihn Erik "Ripley" Johnson mit seinen Bands Wooden Shjips und Moon Duo zelebriert.
Weitere Höhepunkte des Albums sind das mit spacigen PsychedelicSounds mäandernte "Spider's Web" und die hingebungsvolle Düster-Ballade "Perfume" mit Gastsängerin Mehtap Avci. Ja, wohin treiben sie denn? Auf jeden Fall in die richtige Richtung!
Für alle Vinyl-Junkies sei die auf 500 Stück limitierte Platte, die man für mindestens 15 Euro auf der Bandcamp-Seite von Levin goes Lightly bestellen kann, wärmstens empfohlen.
Ist es tatsächlich so, dass eine amerikanische Band als erstes ein Album herausbringt, dass Europas Flüchtlingkrise in adäquater Weise thematisiert? Explizit bezieht sich DEERHUNTER aus Atlanta auf ihrem sechsten Album nicht auf die derzeitige humanitäre Herausforderung unserer Zeit, aber im Kleinen handelt das Album "Fading Frontier" in vielen Songs von nichts anderem als von dem Gefühl nirgendwo hin- und dazuzugehören.
Vielleicht, weil dieses Thema sehr von Emotionalitäten geprägt ist, oder weil Mastermind Bradford Cox dieses Mal nicht persönlich von schweren Schicksalsschlägen (Todesfälle im Freundeskreis) getroffen wurde, sind Deerhunter auf "Fading Frontier" sanfter und wesentlich melodiöser als je zuvor. Was letztendlich der Grund ist, vermag wahrscheinlich nur Cox selber aufzulösen, vielleicht war es auch der schwere Autounfall, der Cox unter starken Schmerzen lange ans Bett band, aber es spielt eigentlich keine große Rolle, denn auch im neuen eleganteren Gewand bleiben Deerhunter im Prinzip ihrem eigenen Stil treu.
Besonders hinhörenswert sind das rumpelige "Snakeskin" ("Carrion" lässt ähnliche Assoziationen zu, geht aber mehr in die Psychedelic-Richtung), das mich doch tatsächlich irgendwie an coole Frühwerke von Marc Bolan erinnert, obwohl man das Stück nicht wirklich als GlamRock bezeichnen kann. Auch dashymnische mit kräftig zupackenden Gitarren versehene "All the same" und die mit elektronischen Blubbereien ausgestattete verhuschte Ballade "Living my Life", wissen zu überzeugen. Deerhunter - Breakervon bestvideochannel
Wer es liebt in Harmoniegesängen zu versinken, wer den unverkrampften Folk der Sixties zu schätzen weiß, aber auch wer virtuose Grenzgänger wie die Pfarmers (Review) wertschätzt, der wird voraussichtlich sein Herz an DARLINGSIDE verlieren.
Das Quartett aus Massachusetts besticht durch sanfte melodiöse Songs, die zwar fest im Folk und Country verwurzelt sind, aber durch schrulligen Charme, spielerischen Witz und Kreativität sehr gegenwärtig klingen.
Audiophile Hörer werden hin- und hergerissen sein vom grazilen Gitarrenpickling von Harris Paseltiner (spielt außerdem das Cello), dem Geigen- und Mandolinenspiel von Auyon Mukharji, den Banjoklängen von Don Mitchell oder eben von den mehrstimmigen Harmoniegesängen, zu denen sich Bassist Dave Senft als vierte Stimme hinzugesellt. Und wer ganz genau hinhört, wird immer mehr Instrumente (12-saitige Gitarre, Wurlitzer, Harmonium, etc.) und musikalische Schattierungen (Bluegrass, KammerPop, Indie und und und) aus den subtilen Arrangements wahrnehmen.
Wahrscheinlich ist es mit der Wärme und der Intensität, die dieses
Album
vom ersten Ton an ausstrahlt sogar möglich, eine arktische Nacht im Freien
ohne Polar-Equipment zu überleben. Für mich als ausgewiesene Frostbeule
ist "Birds say" definitiv ein Album, das mich tröstend über den
bedrohlich näherrückenden Winter bringt.
damit es auch einmal schriftlich fixiert ist, möchte ich Ihnen hiermit mitteilen, dass ich mich immer über Rezensionsexemplare freue, ganz besonders, wenn diese aus Vinyl sind, denn hier hatte Tocotronicunrecht: Analog ist besser!
ABER, diesen Blog betreibe ich zu meinem und hoffentlich auch für einige interessierte Menschen zum reinen Vergnügen. D. h., ich sehe mich in keinster Weise irgendwie verpflichtet eine Rezension über einen Tonträger zu schreiben, wenn mir dessen Inhalt - also die Musik oder die Texte - nicht zusagt.
ODER aber es kommt sogar noch schlimmer für euch und ich zerpflücke den mir ans Herz gelegten Künstler in der Luft. ABER keine Angst, das kommt selten vor, denn in erster Linie möchte ich gute Musik verbreiten und nicht vor schlechter warnen - obwohl, wenn ich an die mir zugesandte Haudegen-CD denke ... ABER lassen wir das lieber, sonst wird mir schlecht. Wer diese ABER und ODER nicht akzeptieren kann, darf mich "gerne" aus seiner Verteilerliste streichen.
AUCH lese ich gerne die zahlreichen Newsletter, aber bitte nur, wenn ich mich auch wirklich für diesen angemeldet habe oder per Email bei mir die Erlaubnis eingeholt wurde. Bescheuert finde ich allerdings, wenn der gleiche Newsletter zum xten Male in meinem Postfach landet. Es kann dann leider passieren, dass mir irgendwann die Hutschnur reisst und ich den Absender blockiere, was wiederum sehr schade ist, wenn im nächsten Newsletter das potentielle The Next Big Thing im Mülleimer landet.
NEIN, meine Zeit erlaubt es mir nicht, auch noch ein Feedback per Email zu geben oder euch gar mit einem Link zur Rezension zu versorgen. Schaut doch einfach mal im Blog vorbei und freut euch, wenn ich einen eurer Künstler für erwähnenswert erachte.
SORRY, wenn ich nicht jeder Band, die sich direkt an mich wendet, Feedback gebe. Ich bin eine One-Man-Show und habe leider am Tag nur 24 Stunden zur Verfügung. Ich höre aber immer kurz rein und falls meinen vielbeschäftigten Ohren zusagt, was sie hören, seid ihr irgendwann dabei. Versprochen.
PRINZIPIELL bin ich für fast alle Genres zu haben. Die eine große Ausnahme ist Schlager und die andere stupide Dancefloormucke. Besondere Liebe empfinde ich für Indie- und Alternative-Musik, was man im Blog ja auch unschwer erkennen kann. Zarte liebevolle Bande hege ich in Richtung Electro und auch das ein oder andere Heavy-Konstrukt vermochte mich schon zu überzeugen. Je älter ich werde, desto besser finde ich mich in Jazz und Country zu Recht und auch Reggae und Dub dürfen ab und an auf meinen Drehern rotieren. Dann wäre da noch Klassik. Kommt schon mal auf den Teller, aber um dazu meinen Senf abzugeben, fehlt es mir sicher an der nötigen Kompetenz.
APROPOS Kompetenz. Nein, ich bin selber kein Musiker, sondern nur Musiksüchtiger, dies aber schon seit frühester Jugend. Mein Credo: "Gute Musik erkennt man am Geschmack und über Geschmack lässt sich nicht streiten". Virtuosität in der Musik ist schön, für mich aber nur ein Nebenkriterium. Musik muss mich treffen. Ins Herz. Mit voller Wucht in den Bauch. Oder gerne auch ins Hirn.
SORRY, das klingt jetzt alles ziemlich arrogant, wenn ich es mir so durchlese, ABER eigentlich will ich doch nur klarstellen, dass dieser Blog absolut unabhängig ist und bleibt, dass ich mir gerne ständig neue Dinge anhöre, aber die Zeit einfach begrenzt ist, und dass ich die Zeit, die ich habe, für das Schreiben benötige.
Ö
Wieso "Ö"? Nach einem Konzert der Türen im King Georg in Köln verkaufte die Band Plakate mit Buchstaben. Leider war ich etwas spät am Stand und konnte mir nur noch ein "Ö" ergattern. Ich kam mit einem "Ä" ins Gespräch und wurde danach zum "Ö". So spielt das Leben!