THE SLOW READERS CLUB / Plant the Seed ... ON AND ON / And the Wave has two Sides (LP) ... DIE NERVEN / Out (LP) ... JOHN GRANT / Grey Tickles, Black Pressure (LP)
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THE SLOW READERS CLUB / Plant the Seed
Gute Nachricht für Menschen, die das neue Editors-Album ziemlich langweilig finden und wissen, dass The Killers seit Jahren nur noch Mist abliefern! Aus Manchester kommt eine Band, die sich THE SLOW READERS CLUB nennt und die ziemlich schnell in die Lücke stoßen könnte.
2011 veröffentlichte die Band ihr Debüt, dann im Laufe der Jahre nur einige Singles und nun steht seit längerem das neue Album "Cavalcade" in den Startlöchern. Die aktuelle Single "Plant the Seed" klingt nach sehr tanzbarem IndieElectronicPop à la Depeche Mode meets Editors, hat dank einer Monster-Hook höchstes Hit-Potential und dürfte trotzdem auch den Hören gefallen, die eher abseits des Mainstreams ihre Erfüllung finden.
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ON AND ON / And the Wave has two Sides (LP)
Bereits 2013 habe ich mich ausführlich dem vorzüglichen Debüt (Rezension) dieser Band aus Minneapolis gewidmet, die nun mit ihrem zweiten Longplayer "And the Wave have two Sides" aufwartet.
ON AND ON hat die letzten zwei Jahre genutzt, um ihren schon ziemlich perfekten elektronischen IndiePopsound noch zu verfeinern, obwohl die Band den Verlust zweier Mitglieder zu beklagen hatte und nun nur noch als Trio besteht. Geschafft haben das die verbliebenen Bandmitglieder Nate Eiesland, Alissa Ricci, and Ryne Estwing ganz einfach, indem sie ihre überbrodelten Ideen besser kanalisieren und mehr Raum geben. Es greift also mal wieder das fast immer geltende Prinzip "weniger ist mehr", obwohl ich die Frickeleien auf dem Debüt auch sehr gelungen fand.
Besonders hervorstechen aus dem Album "And the Wave have two Sides" die Songs "Behind the Gun", "Icon Love", "Drifting"und "Wait for the Kill".
"Behind the Gun" setzt ganz auf einen Herzklopf-Beat und spärliche harmonisch eingebundene Industrial-Klänge, getragen von der sanften Stimme von Sänger Nate Eiesland. "Icon love" ist eine flotte IndiePop-Nummer, bei der die Gitarren immer wieder dazwischen gehen und sich sogar einen verdammt großartigen Solo-Part erobern. "Drifting" ist leise, bedächtig und trotzdem auf irgendeine Weise theatralisch, weil es sich ganz langsam aufbläst und den Übergang von der Lagerfeurballade zur Stadionhymne hinbekommt. Der Break in "Wait for the Kill" ist einfach der Hammer!
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DIE NERVEN / Out (LP)
Die feinen Veröffentlichungen in diesem Monat reißen nicht ab und natürlich gehört auch das dritte Album der Stuttgarter Band DIE NERVEN zu den Oktober-Highlights.
Konnte man die Band am Anfang noch mit dem Etikett "Punk" versehen, so muss man spätestens mit "Out" das Etikett verlängern, um dem erweiterten Spektrum gerecht zu werden. Wie wäre es mit Post-Punk-Noise-Indie-Rock?
Auf jeden Fall sind die Nerven wieder ziemlich zornig und bissig (z. B. "iPhone"), bleiben dabei aber gerne tanzbar (z. B. "Barfuss durch die Scherben") und steigern, passend zur Jahreszeit, die Molltondichte im Vergleich zum Vorgänger-Album "Fun" deutlich.
Im Ganzen erinnert mich "Out" ziemlich stark an eine andere legendäre deutsche Band: Fehlfarben in der "33 Tage in Ketten"-Phase. Warum? Weil "Out" sehr düstere Atmosphäre verbreitet, ohne viele Worte wortgewaltig systemkritisch ist und radikal das Brennglas auf die sozialen und politischen Dilemmas unserer Zeit legt, ohne den Zeigerfinger zu explizit zu erheben.
BesteSongs: "Gerade deswegen" + "Barfuß durch die Scherben"
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JOHN GRANT / Grey Tickles, Black Pressure (LP)
Der Herr Grant ist schon ein seltsamer Vogel, der sich einfach nicht in irgendwelche Schubladen stecken lassen will. Bereits auf seinem formidablen zweiten Soloalbum "Pale Green Ghosts" trafen elektronische Musik und Singer/Songwriter-Lieder aufeinander und auch auf "Grey Tickles, Black Pressure" blubbert es auf der einen Seite ("Voodoo Doll", "Black Blizzard", etc.), während er sich auf der anderen Seite akustische Instrumente ("Down Here") zu nutzen macht. ABER der Schwerpunkt hat sich eindeutig in Richtung Electronic verschoben und Grants Texte deuten darauf hin, dass sich der im Exil lebende Amerikaner mit seiner AIDS-Erkrankung besser arrangiert hat - soweit dies eben möglich ist.
Mit dem Album dem Namen gebenden Song "Grey Tickles, Black Pressure" kommt nach einem kurzen Vocal-Intro als zweiter Song des Albums eine Ballade, die opulent in Violinen und Bläsern schwelgt, wie man es vom Vorgänger-Album gewohnt ist. Danach aber zieht JOHN GRANT einen 80's Synthi-Beat aus der Schublade, packt einen funky Groove dazu und klingt wie der Sohn von Funkmaster George Clinton und Performance-Queen Laurie Anderson.
Einer meiner Lieblingssongs ist "Guess How I Know". Über den düsteren monotonen Beat legt Grant ein kleines feines Noise-Gitarrengewitter, packt dazu spacige psychedelische Keys und pimpt das Ganze zusätzlich mit elektronischen Effekten. Fein, fein! Auch der nächste Song, ein Duett mit Amanda Palmer, "You & Him" geht in eine ähnliche Richtung. Oder ist das sogar ElectroGarageRock?
Die hohe Kunst des Schwülstigen perfektioniert Grant in der Ballade "Global Warming". Zur Zeit dürfte kein anderer Künstler in der Lage sein, sich so weit in Kitschregionen vorzuwagen, ohne dabei auch nur annähernd geschmacklos zu werden.
Der vermeintliche Radio-Hit des Albums dürfte die Kooperation mit Tracey Horn werden. Auch bei "Disappointing" setzt Grant den geliebten Analogsynthesizer ein und scheut sich nicht mit Kitsch zu kokettieren, indem er z. B. "Schubidu"-Chöre im Backing einbindet während er inhaltlich das Lächeln eines geliebten Menschen als Nonplusultra feiert. Und mit "Geraldine" schafft es Grant beim nächsten Update endlich in meine Mädchennamen-Playlist!
John Grant - Disappointing feat. Tracey Thorn (Official Music Video)
from Bella Union on Vimeo.
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