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Freitag, 17. Juli 2015

TAME IMPALA / Currents

Dieses Mal hatte es drei Jahre statt zwei gedauert, aber nun steht nach "Innerspeaker" (2010) und "Lonerism" (2012) Album Nummer Drei "Currents" der australischen Band TAME IMPALA in den Regalen.

Was sich mit der ersten Hörprobe im Juni "'Cause I'm A Man" -  bereits in den NEW SONGS Vol. 96 besprochen - andeutete, wird nun auf dem kompletten Album bestätigt: Die brachialen und auch die psychedelischen Gitarren bleiben in der Garage, dafür dürfen die Keyboards flirren als wäre Neu! wieder auferstanden. Es scheint ganz so, als hätte Kevin Parker den psychedlischen Rock der Sixties hinter sich gelassen, um nun sphärische psychedelische Klangteppiche mit unendlichen Soundschleifen à la 70er unter das Volk zu bringen.

Vielleicht als Mahnung an die verschreckten Fans gewidmet, lautet der erste Song, der auf Vinyl als Doppel-Album erschienenen Platte "Let It Happen". Zu einem Space-Disco-Beat breiten sich über mehr als 7 Minuten berauschte flächige Keys aus, es gibt wunderbare Tempobrüche und Breaks und erst gegen Ende darf die Gitarre ein kleines bisschen mitspielen.

Gegenüber dem britischen The Guardian ließ Parker verlauten, dass er auf Inspirationssuche für die neuen Songs auf Pilzen mit dem Auto durch L. A. gefahren ist und dabei Bee Gees gehört hat. Ja, liebe Kinder bitte nicht nachmachen, denn nicht jeder klingt dann so als wäre er der verschollene vierte Gibb-Bruder ;-).



Auch Song Nummer 2 "Nangs" beginnt wie ein Soundtrack zu einem Sciene Fiction-Film. Aber natürlich holpert und ruckelt es an den richtigen Stellen, so dass man den sehr kurzen Song doch als Tame Impala Werk zu erkennen vermag. "The Moment" könnte prinzipiell ein MashUp aus Lied 1 und 2 sein, allerdings wird das Tempo leicht angezogen und der Beat ist nicht ganz so Disco, im Gegensatz zum Refrain. Hat Herr Parker eigentlich Beziehungsprobleme? Auf jeden Fall fällt spätestens beim vierten Lied "Yes I'm Changing", einer DiscoFox tauglichen Ballade, auf, wie stark die neuen Songs in Melancholie oder ist es gar Schmerz, Trauer oder Kummer getaucht wurden. Ich bin versucht, den neuen Stil - vielleicht, weil ich auch gerade erst aus Europas schönster Stadt Lissabon zurück bin - SpacePsychedelicFadoDisco zu taufen, denn auch "Eventually" mit einem Hauch mehr Wumms geht in die gleiche Richtung.

Das Komische ist, mir gefällt, was ich da höre, obwohl ich die alten Tame Impala großartig finde und die deutlich rockigere Splitterband Pond verehre. Bin ich im tiefsten Inneren ein Bee Gees-Fan? Soll ich mir mal alte Scheiben der Gibb-Brüder besorgen und daran herumpitchen? Oder habe ich in meinem Leben schon zu viele Champignons, Trüffel und Pfifferlinge verzehrt? Andere Pilze durften meine Kauleiste bisher nicht passieren.

Nach dem kurzen Intermezzo "Gossip" wird mit "The Less I Know The Better" wieder etwas mehr Dampf gemacht, aber Parker klingt tatsächlich noch mehr nach Gibb-Bruder als bei allen vorherigen Liedern. Jetzt bin ich mir sicher, dass Parker ein Problem mit der Liebe hat und befrage Tante Google!

Und siehe da: Parker hat sich wohl tatsächlich vor kurzem von seiner Freundin Melody Prochet getrennt. Jetzt kann ich den Schmerz verstehen, denn ich durfte die attraktive Dame mit ihrer Band Melody‘s Echo Chamber mal im Gloria in Köln als Vorband von Tame Impala erleben. Ab jetzt sprechen wir also bei "Currents" von einem "klassischen" Trennungsalbum - gab es in diesem Jahr ja schon von Björk und könnte sich somit zum Trend ausweiten.

Also weiter zu den Leiden des jungen Parker. "Past Life" beginnt mit einer Art Darth Vader-Stimme und ein schwarzes Loch tut sich auf, in das der himmlisch singende Held erbarmunglos gezogen wird. Hallelujah! Parker wird aber im nächsten Track wieder ausgespuckt  und hat sich aus dem dunklen Loch ein paar nette Gitarrenspielereien von Pink Floyd oder Steven Wilson geborgt - "Disciples"!


Tame Impala - Disciples (Officially Unofficial Music Video) from The Panvan on Vimeo.

Anschließend kommt "'Cause I'm A Man", dem ich ja bereits attestiert habe, dass es das erste Tame Impala-Stück ist, zu dem man, ohne körperliche Schäden befürchten zu müssen, kopulieren kann.



Drei Stücke hat "Currents" noch zu bieten. "Reality In Motion", "Love/Paranoia"und "New Person, Same Old Mistakes". Aber auch diese drei können nicht an echte rockige Brecher wie "Elephant" oder "Solitude Is Bliss" anknüpfen. Ergo, ein echter Überhit wie auf den beiden Vorgängealben ist beim ersten Hören Fehlanzeige. Aber spätestens nach dem dritten Hören ist klar, dass sich auf Currents sehr wohl ein Monsterhit, wenn auch anderer Ausprägung, versteckt: "Let it happen"!

Ein weiteres charakterisches Merkmal des neuen Albums muss festgehalten werden. "Currents" fließt! Die Songs funktionieren alle irgendwie ähnlich (verschleppte dumpfe Beats, flächige Keyboards, eine mit den Vocals geführte Melodie und kleine Gimmicks für zwischendurch) und selbst nach dem vierten Hördurchlauf ist es nicht einfach, sofort zu sagen, welcher Song gerade an der Reihe ist. Parker hat sein exzellentes Songwriting eher etwas zurückgenommen und sich sehr deutlich auf den Klangkosmos konzentriert - Maybe eine Auswirkung der Verzehrung von eukaryotischer Lebewesen oder dem Einfluss der erfolgreichsten Familienband der Welt?

Mittlerweile habe ich das Album wahrscheinlich 10 Mal gehört und erst jetzt schälen sich langsam die Feinheiten aus diesem fließenden Etwas heraus. Die größtmögliche Entfaltung bot "Currents" bisher tatsächlich bei einer morgendlichen Autofahrt kurz vor Sonnenaufgang (4.30 Uhr) und offenem Verdeck - aber ohne Pilze!

Ein abschließendes Fazit über die wirkliche Qualität des Albums lässt sich wahrscheinlich erst nach dem 100ten Durchlauf ziehen, aber ich wage die Prognose, dass das Album in einigen Jahrescharts für 2015 auftauchen wird ;-).

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