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Mittwoch, 29. Juli 2015

SLEEP / Sleep

Ach, vom Gevatter Schlaf könnte ich auch ein Lied singen. Mal zu viel, mal zu wenig, mal zu tief, mal zu unruhig und mit zunehmender Alter benötige ich tatsächlich mehr, obwohl ich mich von der senilen Bettflucht nicht gänzlich freisprechen kann.

Auch Andreas Spechtl, seines Zeichens Dichter, Denker und Frontmann der Band Ja, Panik hat sich seine Gedanken zum Thema Schlaf gemacht und dem kleinen Bruder des Todes sein erstes Solo-Album gewidmet. Also Augen zu und hinein in die Schlafwelten des Herrn Spechtl.

Befragt man Tante Google nach einer Definition für den Schlaf erhält man die rein sachliche Erklärung: "Schlaf ist der Ruhezustand des Körpers, in dem das Bewusstsein ausgeschaltet ist und viele Körperfunktionen herabgesetzt sind." Wir befinden uns also im Ladezustand wie unser geliebtes Handy an der Docking-Station. Aber ist das alles?

Der deutsche Dramatiker und Lyriker Christian Friedrich Hebbel (1813 - 1863) beschrieb Schlaf als das Hineinkriechen des Menschen in sich selbst. Zu dieser Beschreibung passt sehr gut das von Spechtl für sein Album aufwendig, weil nondigital, geschaffene Artwork. Kriecht Andreas in den Schatten oder löst sich der Schatten aus Andreas?



Was Hebbel damit auf den Punkt bringt ist, dass wir im Schlaf gerne verarbeiten, was wir im Wachzustand wahrgenommen haben. Andreas Spechtl ist ein Künstler, der vieles wahrnimmt, was seine Texte für Ja, Panik, immer wieder beweisen. Für SLEEP hat er nun seine akustische Wahrnehmung geschärft, um Geräusche im sogenannten Field-Recording aufzuzeichnen und für sein Projekt mit dem Schlaf zu verwenden.

Nachdem das Vinyl zum zweiten Mal durchgelaufen ist, kann ich zweifelsfrei feststellen, dass Herr Spechtl einen sanften und liebevollen Schlaf hat - mit einer kleinen Ausnahme. Obwohl es sich ganz eindeutig um elektronische Musik handelt, ist "Sleep" nämlich ein sehr warmes Album, ganz im Sinne der Hauntology auf die auch im Sleeve der Platte verwiesen wird. Philosophische Erläuterungen zum Thema Hauntology erspare ich mir hier. Wer weitere, durchaus interessante, Information dazu und über Begründer Jacques Derrida erhalten möchte, der folge den entsprechenden Links im Artikel.

Immer auf der Suche nach Vergleichen, um zu beschreiben, was man hört, kommen mir beim Hören ganz unterschiedliche Musiker in den Sinn: Burial, Leftfield, Pantha Du Prince aber auch Portishead, Phantom/Ghost und ganz besonders "Slow Motion 01" " von Conrad Schnitzler.

Verwandtschaften sind also vorhanden, aber Herr Spechtl hat natürlich seinen eigenen Kopf:

1. "Sister Sleep": Der Song beginnt wie ein Ennio Morricone-Song für einen Italo-Western aus dem Jahr 2024. Klavierfragmente und elektronische Soundsprengsel gesellen sich dazu. Der Dub brummt im Tiefschlaf, eine Trompete buhlt um Aufmerksamkeit und irgendwie klingt es nach Ethno-Pygmäen-Musik und Country gleichzeitig - ein eindrucksvolles Meeting mit Schwester Schlaf!



2. "Hauntology": Es flirrt und zirpt. Weiterhin Dub. Auch wieder ein blechernes Blasinstrument, aber nicht so sehnsuchtsvoll wie bei "Sister Sleep". Der Beat mäandert zwischen hektisch und relaxt - auf keinen Fall Tiefschlaf. Hier wird verarbeitet! Die Maschinerie rattert und läuft, aber mit gelegentlichem Stolpern.

3. "After Dark": Die Dunkelheit kehrt immer wieder. Eine Schleife ist eine Schleife. Schmeckt nach Indien - nach Loop Guru und Ravi Shankar. "Watch out in Germany after the Dark!" Können Sie noch ruhig schlafen?

4. "Bhx Dub": Mehr Klangkonstrukt als Songstruktur. Dub. Das Saxophon ist seit "Libertatia" in Spechtl-Kreisen gesellschaftsfähig.

5. "Time To Time": Wäre eigentlich der bessere Einstiegssong ins Album gewesen. Klingt wie die erste Phase während des Einschlafens. Man nimmt noch unterbewusst Geräusche war, aber versinkt dann langsam im tiefen Schlaf. Der Song hat etwas von der schlafwandlerischen Leichtigkeit, die Air-Songs gerne anhaften. Hier sei noch mal an den völlig unterbewerteten großartigen Soundtrack der Franzosen zu "The Virgin Suicides" hingewiesen - der sich ja auch mit dem Bruder des Schlafes befasst.

6. "Duérmete Niño": Athmosphärisch von unglaublicher Dichte. Ein perlendes Klavier, Fragmente eines spanischen Kinderliedes. Wie ein nächtlicher Flug über den schlafenden Körper. Irgendwie schwerelos.

7. "Cinéma Rif": Field Recording in einem Café (mutmaßlich in Marroko). Jemand bestellt laut und deutlich einen Kaffee, dann setzt der tiefe Bassbeat ein und Spechtl singt (wie immer auf diesem Album ausschließlich in englisch) irgendwie geisterhaft. Die Dramatik steigt, der Körper wälzt sich unruhig in seiner Liegestätte ehe er erschöpft bewegungslos verharrt - und die Tassen im Café klirren dazu.

8. "Jinja Nights": Das Schluss-Opus, in dem das Saxophon, gespielt von Rabea Erradi, seine endgültige Heiligsprechung zwischen Geräuschkulissen und Klangkörpern erfährt. Dazu singt Spechtl von einer verregneten nächtlichen Taxi-Fahrt unter dem Einfluss von psychoaktiven Substanzen - siehe auch Tame Impala ;-)

"Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung."
[Heinrich Heine; 1797-1856]

... da kann man sich sogar von der Rebellion erholen ;-)

Samstag, 25. Juli 2015

SAMANTHA CRAIN / Under Branch & Thorn & Tree

Niemand kann zur Zeit so schön Trübsal blasen wie SAMANTHA CRAIN! Ihre Folk-Balladen bestechen durch fragile Arrangements, die aus allen Noten tieftraurig triefen.

Wer sich also zur Zeit in einem angeschlagenen Allgemeinzustand befindet, sollte das neue Werk "Under Branch & Thorn & Tree" der indianischen Singer/Songwriterin aus Oklahoma nicht ohne eine Packung Taschentücher oder entsprechende Stimmungsaufheller konsumieren.

Als Freund von musikalischen "Trauerklößen" wie Scott Matthew, Laura Marling oder Joni Mitchell wird man das vierte Album der Amerikanerin allerdings feiern wie das Tränenmeer im Kino bei einem Film von Jojo Moyes.

Mit ihrem bis dato bestem Album "Kid Face" (2013) hat die 28-Jährige ganz zu sich gefunden und erstmals viel über sich preisgegeben. Auf "Under Branch & Thorn & Tree" gibt sie nun den stillen Beobachter der amerikanischen Working-Class. Ihre Songs erzählen von prägnanten Momentaufnahmen aus ihrer Umgebung, die sie aber fast ausschließlich in Ich-Form präsentiert. Wie viel Autobiographisches in diesem Album wirklich steckt, kann man nur vermuten.

In musikalischer Hinsicht bleibt Samantha bei dem, was sie kann: Traditionelle Folksongs, die nicht unbedingt durch das Songwriting, sondern vielmehr durch die Arrangements und natürlich durch diese seltsam rauchige und brüchige Stimme (und die Texte) so glaubwürdig und echt klingen, dass man, wäre sie eine Gebrauchtwagenhändlerin, ihr für jeden Preis jeden Wagen abkaufen würde.

01. "Killer": Seltsam flirrender Protestsong gegen die potentiellen Zerstörer dieser Welt.

"Well I’m here, I’m singing a song. Killer of souls, killer of rights, you are wrong. You made us strangers in our very own homes."

02. "Kathleen": Ein ungewöhnliches Liebeslied an die beste Freundin (wie man im darauffolgenden Lied erfährt).

"The colors of the night. The darkness around the light. Its so like her."

03. "Elk City": Kleine tragische Geschichte über ein hoffentlich nicht zu mustergültiges Leben einer jungen Frau in einer amerikanischen Kleinstadt.

"I almost moved to Dallas with my best friend Kathleen. But I met a guy at the Longhorn. He said he could fix my washing machine. How’s tomorrow night? Yeah tomorrow night. Well that night turned into 9 months. Sitting on my ass. Waiting for a baby. My first and my last ..."



04. "Outside The Pale":  Mit jede Menge Streicher gegen das Establishment ... und einem schönen Seitenhieb gegen das TV.

"All you see is sex and property, when we run this damn machine. Holding all the riches but it still feels like a dream."





05. "You Or Mystery": Über den frühen Tod eines Nachbarn, den man nicht wirklich kannte und der trotzdem sehr nachdenklich macht.

"He seemed like a sad man and he slammed all the doors. Never drew up his curtains. He was small and pale on the porch."

06. "When You Come Back": Schrecklicher Liebeskummer!

"When you come back could you bring my heart? Its kinda hard livin since you took it so far. Hope you kept it whole and in your arms. When you come back could you bring my heart?"



07. "Big Rock": Die Nummer, die etwas aus dem Rahmen fällt. Fröhlicher, fast schon glückseliger, CountryPop, der in etwa so klingt wie die besseren Stücke von Sheryl Crow. Thematisch geht es um Einsamkeit und dem Festsitzen in Gewohnheiten.

"Stuck in between floors on the elevator. Stuck in a box with my worries so tall. How do I smile when my ride going up has stalled? I’m stuck in a box while they’re all on the job."

08. "All In": Ist Zweifel genug?

"The way that we both are ugly In florescent light. More dead, more put down and under han some with rabid bite. We do what we can. Thought I had more than that"

09. "If I Had A Dollar": Und wieder geht es um Einsamkeit und Ängste.

"Yeah I got myself set up real nice. Crazy what money can buy. All these new friends that I got. Always want me high. I could buy myself a house . I could get myself a car. Have all the tea in china  Smoke the best cuban cigars."



10. "Moving Day": Ach, immer diese tragischen zwischenmenschlichen Beziehungen.

"My eyes found your eyes in the back yard. Moving plants, moving hearts. Seems I thought I saw you smile but it ran off with the memory and died. You're all I want. You're all I want."

Fazit: Wer handgemachte Songs mag und findet, Computer haben in der Musik nichts verloren, der wird an Samantha Crains neuestem Werk nichts zu mäkeln finden. Und wer einfach nur gerne Songs mag, die vor Emotionalität überborden, der auch ;-)

Dienstag, 21. Juli 2015

WILCO / Star Wars

Welch freudige Überraschung! WILCO präsentieren ihr neues Album völlig unerwartet und unangekündigt als kostenlosen Download.

Das auf dem Cover ein hübsches Kätzchen - funktionieren im Netz ja immer ;-) - zierende Werk nennt sich "Star Wars" und ist für einen begrenzten Zeitraum nach Angabe der eigenen Mailadresse als Free-Download erhältlich.

Vinyl + CD kann man übrigens auf der Homepage der Band auch vorbestellen, allerdings erscheinen die Tonträger erst am 21ten August. Deshalb habe ich natürlich sofort und unverzüglich, sozusagen völlig kopflos, meine Daten preisgegeben und die elf neuen Stücke auf meinen Rechner geladen.

Vielen Dank an  Jeff Tweedy und seine Mannen, die auf ihrer Facebook-Page zur Veröffentlichung von "Star Wars" schrieben: 'Consider it a gift from Wilco, or as Jeff calls it, "a jolt of joy: a fun surprise."' Was gibt es Schöneres als Überraschungen, aber mal schauen, ob es auch keine böse ist ;-)

Der erste Song oder besser die erste Songskizze nennt sich "EKG" und klingt wie was uraltes anarchistisches Intermezzo von The Residents. Da will wohl Jeff Tweedy auch mit seiner Band da anknüpfen, wo er auf seiner Soloplatte aufgehört hat: Mehr Mut zur Unfertigkeit und zu lauteren Tönen!

Und dann kommt auch schon ein Leckerbissen, denn "More ..." wandelt sich in Sekunden von der anfänglich zahmen Folk-Nummer zu einem fein randalierenden Schrammler, bei dem die Gitarre trotz des poppigen Refrains nicht gebändigt werden kann. Noch besser wird es bei "Random Name Generator"! Da lässt es sich doch richtig zu mit dem Kopf wackeln! Klar, nach Wacken will Herr Tweedy nicht, aber da scheint schon noch ordentlich Feuer in ihm zu brennen, das dringend nach außen muss.



Kurze Verschnaufpause mit "The Joke Explained". Aber auch bei diesem Song klingen die Gitarren immer wieder angenehm schräg und liefern sich ein Duell mit der Melodie. Und manchmal klingen die Saiteninstrumente wirklich als würde eine Katze miauen - vielleicht deswegen die Muschi auf dem Cover?

Bei "You Satellite" klingt alles wie bei The Velvet Underground zu den dunkelsten Zeiten und Jeff tatsächlich wie Lou Reed! Hallelujah! Mit "Taste The Ceiling" kämpft sich der typische Neo-Folk von Wilco erfogreich zurück auf die Platte. Sehr melodiös, mit Melancholie durchzogen und woher stammen diese geisterhaften Geräusche im Hintergrund? Geigen oder doch eher eine Slide-Gitarre, deren Töne im Effektgerät gedeeeeeehnt wurden?

So, was hatten wir noch nicht? Ein bisschen GarageBluesRock? Na, dann viel Freude mit dem "Pickled Ginger". Danach hat man wieder eine Verschnaufpause verdient und kann sich dem minimalistischen rohen "Where Do I Begin" hingeben. Bis zur 2 Minute denkt man es wäre der erste Song auf dem Album, welchem es etwas an Originalität fehlt, aber dann lassen Wilco die Gitarren irgendwie hüpfen und ich wünschte mir das Stück wäre nicht bereits schon nach 2:55 Minuten zu Ende.

Ganz relaxt, vielleicht sogar ein bisschen bekifft, kommt "Cold Slope" daher und plustert sich dann doch noch zu einem echten Rocker mit feinen Riffs und Breaks auf. Und wenn man das Riff einen ganzen Song übernehmen lässt, dann klingt es ähnlich wie bei "King Of You" dem nachfolgenden Lied - auch fein.



Den Abschluss des kostenlosen knackigen Spektakels bildet "Magnetized", eine traurige Ballade bei dem die lange klingenden sakral anmutenden Molltöne den Hörer tief einpacken ehe das Schlagzeug und der Rhythmus die Melodie wie durch einen Schleier lüften. Gespenstisch gut. Und hört man da nicht auch wieder katzenartige Geräusche ;-)

Fazit: Knapp 33 Minuten, die mir richtig Freude bereiten! Danke Jeff, John, Glenn, Mikael, Nels und Pat!

Freitag, 17. Juli 2015

TAME IMPALA / Currents

Dieses Mal hatte es drei Jahre statt zwei gedauert, aber nun steht nach "Innerspeaker" (2010) und "Lonerism" (2012) Album Nummer Drei "Currents" der australischen Band TAME IMPALA in den Regalen.

Was sich mit der ersten Hörprobe im Juni "'Cause I'm A Man" -  bereits in den NEW SONGS Vol. 96 besprochen - andeutete, wird nun auf dem kompletten Album bestätigt: Die brachialen und auch die psychedelischen Gitarren bleiben in der Garage, dafür dürfen die Keyboards flirren als wäre Neu! wieder auferstanden. Es scheint ganz so, als hätte Kevin Parker den psychedlischen Rock der Sixties hinter sich gelassen, um nun sphärische psychedelische Klangteppiche mit unendlichen Soundschleifen à la 70er unter das Volk zu bringen.

Vielleicht als Mahnung an die verschreckten Fans gewidmet, lautet der erste Song, der auf Vinyl als Doppel-Album erschienenen Platte "Let It Happen". Zu einem Space-Disco-Beat breiten sich über mehr als 7 Minuten berauschte flächige Keys aus, es gibt wunderbare Tempobrüche und Breaks und erst gegen Ende darf die Gitarre ein kleines bisschen mitspielen.

Gegenüber dem britischen The Guardian ließ Parker verlauten, dass er auf Inspirationssuche für die neuen Songs auf Pilzen mit dem Auto durch L. A. gefahren ist und dabei Bee Gees gehört hat. Ja, liebe Kinder bitte nicht nachmachen, denn nicht jeder klingt dann so als wäre er der verschollene vierte Gibb-Bruder ;-).



Auch Song Nummer 2 "Nangs" beginnt wie ein Soundtrack zu einem Sciene Fiction-Film. Aber natürlich holpert und ruckelt es an den richtigen Stellen, so dass man den sehr kurzen Song doch als Tame Impala Werk zu erkennen vermag. "The Moment" könnte prinzipiell ein MashUp aus Lied 1 und 2 sein, allerdings wird das Tempo leicht angezogen und der Beat ist nicht ganz so Disco, im Gegensatz zum Refrain. Hat Herr Parker eigentlich Beziehungsprobleme? Auf jeden Fall fällt spätestens beim vierten Lied "Yes I'm Changing", einer DiscoFox tauglichen Ballade, auf, wie stark die neuen Songs in Melancholie oder ist es gar Schmerz, Trauer oder Kummer getaucht wurden. Ich bin versucht, den neuen Stil - vielleicht, weil ich auch gerade erst aus Europas schönster Stadt Lissabon zurück bin - SpacePsychedelicFadoDisco zu taufen, denn auch "Eventually" mit einem Hauch mehr Wumms geht in die gleiche Richtung.

Das Komische ist, mir gefällt, was ich da höre, obwohl ich die alten Tame Impala großartig finde und die deutlich rockigere Splitterband Pond verehre. Bin ich im tiefsten Inneren ein Bee Gees-Fan? Soll ich mir mal alte Scheiben der Gibb-Brüder besorgen und daran herumpitchen? Oder habe ich in meinem Leben schon zu viele Champignons, Trüffel und Pfifferlinge verzehrt? Andere Pilze durften meine Kauleiste bisher nicht passieren.

Nach dem kurzen Intermezzo "Gossip" wird mit "The Less I Know The Better" wieder etwas mehr Dampf gemacht, aber Parker klingt tatsächlich noch mehr nach Gibb-Bruder als bei allen vorherigen Liedern. Jetzt bin ich mir sicher, dass Parker ein Problem mit der Liebe hat und befrage Tante Google!

Und siehe da: Parker hat sich wohl tatsächlich vor kurzem von seiner Freundin Melody Prochet getrennt. Jetzt kann ich den Schmerz verstehen, denn ich durfte die attraktive Dame mit ihrer Band Melody‘s Echo Chamber mal im Gloria in Köln als Vorband von Tame Impala erleben. Ab jetzt sprechen wir also bei "Currents" von einem "klassischen" Trennungsalbum - gab es in diesem Jahr ja schon von Björk und könnte sich somit zum Trend ausweiten.

Also weiter zu den Leiden des jungen Parker. "Past Life" beginnt mit einer Art Darth Vader-Stimme und ein schwarzes Loch tut sich auf, in das der himmlisch singende Held erbarmunglos gezogen wird. Hallelujah! Parker wird aber im nächsten Track wieder ausgespuckt  und hat sich aus dem dunklen Loch ein paar nette Gitarrenspielereien von Pink Floyd oder Steven Wilson geborgt - "Disciples"!


Tame Impala - Disciples (Officially Unofficial Music Video) from The Panvan on Vimeo.

Anschließend kommt "'Cause I'm A Man", dem ich ja bereits attestiert habe, dass es das erste Tame Impala-Stück ist, zu dem man, ohne körperliche Schäden befürchten zu müssen, kopulieren kann.



Drei Stücke hat "Currents" noch zu bieten. "Reality In Motion", "Love/Paranoia"und "New Person, Same Old Mistakes". Aber auch diese drei können nicht an echte rockige Brecher wie "Elephant" oder "Solitude Is Bliss" anknüpfen. Ergo, ein echter Überhit wie auf den beiden Vorgängealben ist beim ersten Hören Fehlanzeige. Aber spätestens nach dem dritten Hören ist klar, dass sich auf Currents sehr wohl ein Monsterhit, wenn auch anderer Ausprägung, versteckt: "Let it happen"!

Ein weiteres charakterisches Merkmal des neuen Albums muss festgehalten werden. "Currents" fließt! Die Songs funktionieren alle irgendwie ähnlich (verschleppte dumpfe Beats, flächige Keyboards, eine mit den Vocals geführte Melodie und kleine Gimmicks für zwischendurch) und selbst nach dem vierten Hördurchlauf ist es nicht einfach, sofort zu sagen, welcher Song gerade an der Reihe ist. Parker hat sein exzellentes Songwriting eher etwas zurückgenommen und sich sehr deutlich auf den Klangkosmos konzentriert - Maybe eine Auswirkung der Verzehrung von eukaryotischer Lebewesen oder dem Einfluss der erfolgreichsten Familienband der Welt?

Mittlerweile habe ich das Album wahrscheinlich 10 Mal gehört und erst jetzt schälen sich langsam die Feinheiten aus diesem fließenden Etwas heraus. Die größtmögliche Entfaltung bot "Currents" bisher tatsächlich bei einer morgendlichen Autofahrt kurz vor Sonnenaufgang (4.30 Uhr) und offenem Verdeck - aber ohne Pilze!

Ein abschließendes Fazit über die wirkliche Qualität des Albums lässt sich wahrscheinlich erst nach dem 100ten Durchlauf ziehen, aber ich wage die Prognose, dass das Album in einigen Jahrescharts für 2015 auftauchen wird ;-).

Freitag, 10. Juli 2015

NEW SONGS Vol. 101: WAVVES x CLOUD NOTHINGS ... KRISTY AND THE KRAKS ... POMPLAMOOSE ... EZRA FURMAN

WAVVES x CLOUD NOTHINGS / No Life for me [LP] ... KRISTY AND THE KRAKS / Smile [LP] ... POMPLAMOOSE / Besides [LP] ... EZRA FURMAN / Perpetual Motion People [LP]

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WAVVES x CLOUD NOTHINGS / No Life for me [LP]


Nathan Williams (WAVVES) und Dylan Baldi (CLOUD NOTHINGS) haben kollaboriert und eine LP mit dem Namen "No Life for me" veröffentlicht. Wer mit beiden IndieRock-Bands vertraut ist, dem dürfte klar sein, dass diese Zusammenarbeit ziemlich fette Ernte hervorbringen müsste.

Was soll ich sagen, es sind wirklich neun ganz paradiesische Früchtchen geworden. Es scheppert und schrammelt - und ganz wie man es von den beiden Bands, von den Wavves mehr und von den Cloud Nothings etwas weniger, gewohnt ist - steht im Zentrum des LoFi-Wahnsinns immer eine feine Melodie, die man bei Stromausfall auch auf der akustischen Gitarre zupfen könnte.

Die leckersten Früchte sind eindeutig das ausufernde "How it's gonna do", das wie ein aufgebohrte BritPop-Hymne klingende "Come down", das hektische "Hard to Find", das treibende "Nervous", das schlicht geniale "No Life for me" und das randalierende "Such a Drag". Ach, frisches Obst ist doch immer lecker!

Das Schätzchen wird in einer auf 1000 Stück limitierten Auflage in rotem Vinyl, voraussichtlich Mitte Oktober, erscheinen! Vorbestellen kann man hier: http://shop.thehyv.net/products/wavves-x-cloud-nothings-no-life-for-me-lp-limited-pressing-of-1000, aber leider kann ich keine Infos über die Versandkosten finden?



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KRISTY AND THE KRAKS / Smile [LP]

Es zauberte mir tatsächlich ein Lächeln ins Gesicht, als ich das erste Mal "Night Time" hören durfte. Wunderbarer kleiner kurzer Smash-Hit, zu dem man in nächtlicher Stunde schön zappeln kann - wenn man cool genug ist ;-).

Alle Songs von KRISTY AND THE KRAKS atmen Punk und sind mit einer ordentlichen Portion Coolness versehen, aber doch ziemlich minimalistisch (Gitarre und Stehschlagzeug) gehalten. Das gefällt mir außerordentlich gut, weil es trotzdem irgendwie total unschuldig klingt, was die beiden Damen Kate Kristal und Ana Threat so locker flockig für das Wiener Label Totally Wired Records aus dem Ärmel schütteln.

Die beiden Wienerinnen bringen mit "Smile" zwar ihr Debütalbum als Kristy and the Kraks heraus, haben aber bereits bei den Bands Dot Dash und Mäuse im Undergrund der österreichischen Hauptstadt Erfahrungen gesammelt. Mein Apotheker weiß leider nicht genau, welchen Wirkstoff sie mit diesen Bands verabreichten, als brandneues GarageAustriaAnarchieGitarrenDuo besteht die verlockende Rezeptur jedenfalls aus The Shangri-Las meets The Cramps meets Tarantino meets Siouxsie Sioux meets The Slits!

Anspieltipps: "Night time", "Ghoul", "Be Nice", "Nautiloid Reef", "Zodiac", "Smile".



... und natürlich gibt es Bonuspunkte für das Raumpatrouille Orion-Gedächtnis-Cover!

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POMPLAMOOSE / Besides [LP]

Den ersten Song, den ich von POMPLAMOOSE zu Gehör bekam, war "I'm the Shit" und als Erstes dachte ich wegen der Stimme von Natalie Dawn Knutsen, dass ich auf einen alten verschollenen The Dø-Song gestoßen bin. Da ich natürlich sofort Feuer und Flamme war, wurde Tante Google angeworfen und das aktuelle Album "Besides", ohne weiteres Vorhören, erworben.

Das Album beginnt mit "I'm the Shit" (Eigenkomposition!) und beim Blick auf die gesamte Tracklist stutze ich dann doch einigermaßen, denn die weiteren Songs haben fast alle Titel, die man aus der Popgeschichte kennt: "I feel good", "Come Together", "Like a Prayer" usw.

Als dann das zweite Lied "I feel good" beginnt, verschwindet die Sorgenfalte fast unverzüglich wieder, denn in einem solch fluffigen Soundgewand hatte ich den James Brown-Klassiker wahrlich noch nie gehört. Nach dem Beatles Cover "Come Together" war mir klar, dass mich seit Nouvelle Vague keine Band mehr mit Neubearbeitungen alter Klassiker dermaßen verzückt hat.

Sehr hörenswert auch, was, das auch im echten Leben als Paar fungierende Duo Jack Conte und Natalie Dawn Knutsen aus Madonnas bestem Song machen: smooth und easy groovin'!

Die weiteren Songs im Schnelldurchlauf:

"Like A Million": Smash-Hit Eigenkomposition. Video ziemlich großartig! Alles in einem Take gedreht!



"Walking On Sunshine": Der Hit von Katrina an the Waves entschleunigt, verspielt und trotzdem gutgelaunt.



"Stevie Wonder Herbie Hancock Mashup": Der Titel und das Video sprechen für sich! Ziemlich genial!



"Pay Attention": Keine Ahnung, ob es sich um einen eigenen Song handelt oder um ein Cover. Sachdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen.

"All About That Super Bass": Verschmilzt Meghan Trainors Superhit "All About That Bass" mit Nicki Minajs Superhit "Super Bass" und macht daraus eine echte Pomplamoose-Nummer.

"Uptown Funk": Auch der Smash-Hit von Mark Ronson und Bruno Mars (dass ich diesen Namen hier mal nennen würde, hätte ich nicht gedacht) bekommt zum ersten Mal so etwas wie Charme, kann mich aber nicht wirklich überzeugen.



"I Wanna Be There": Dürfte auch ein eigener Song sein, zumindest ist bei mir kein Lichtchen angegangen und Tante Google wusste auch keinen Rat.

"30 Rock": Eigenkomposition. Ziemlich genau so gut wie "I'am the Shit" :-)

Das Lächeln bleibt bis zum 12. Song des Albums, Song Nummer 13 ist leider mehr als überflüssig, denn "Somewhere over the Rainbow" geht in gar keiner Überarbeitung mehr.






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EZRA FURMAN / Perpetual Motion People [LP]

Sorry, aber auch von diesem amerikanischem Musiker aus Chicago habe ich nichts gehört, bevor der Musikexpress das Album "Perpetual Motion People" zur Platte des Monats kürte. Wem es ähnlich geht, dem sei verraten, das Furman bereits seit 2012 Solo-Alben veröffentlicht (die aktuelle LP ist Solo-Album Nummer 3) und er von 2007 bis 2011 mit der Band Ezra Furman and the Harpoons ebenfalls drei Alben herausbrachte.

Die im Link zum Musikexpress abrufbare Rezension spricht für sich und hat mich zusammen mit dem auf der ME Sounds Promo-CD enthaltenen Song "Restless Year" dazu gebracht, das Album ""Perpetual Motion People" zu meiner Sammlung hinzuzufügen. UND ... das Album ist wirklich ein Ohrenschmaus! Voll mit kleinen Hits: "Lousy Connection", "Wobbly", "Body was made", großen Hits: "Can I sleep in your Brain", "Restless Year", kleinen ironischen Dramen: "Haunted Head", knisternden Lagerfeuer-Folksongs: "Hour of deepest Needs", "Ordinary Life", "One Day I will sin no more" knackigen Punkrockern: "Tip of a Match" und sentimentalen Balladen: "Watch you go by", "Can I sleep in your Brain".

Und ja, wahrhaft war lange niemand so nah am Zappa-Cosmos wie Ezra Furman! Für die genaue Analyse der Texte brauche ich noch ein paar Monate! Fehlt nur noch der Stempel: Meisterwerk!


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Mittwoch, 1. Juli 2015

NEW SONGS Vol. 100: FOALS ... EMPIRE DUST ... LA PRIEST ... MILTON STAR

FOALS / What went down ... EMPIRE DUST / The Beast don't Love ... LA PRIEST / Inji [LP] ... MILTON STAR / Things fall apart
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FOALS / What went down


Jetzt sind aber die Gäule mit den FOALS durchgegangen!, ein böser brummender Untergangs-Bass und fette Riffs. Hallelujah, die sonst so streng kalkulierende Band aus Oxford lässt alle Wut raus und haut mit beiden Fäusten ordentlich auf den gedeckten Tisch.

Oftmals ist es reines Promo-Gewäsch, aber wenn Sänger Yannis Philippakis im Interview mit dem NME sagt, "What went down" ist einer der animalischsten und wildesten Songs, die wir je gemacht haben, darf man sogar noch weiter gehen und behaupten DER animalischste und wildeste.

Als Foals-Fan ist man sicher beim ersten Hören etwas verschreckt, aber einfach ein paar Mal Repeat drücken, die Volume nach oben schrauben und man freut sich ganz sicher auf das versprochen härteste Album der Foals ever, welches laut Plattenlabel am 28. August erscheinen soll.


Foals - What Went Down on MUZU.TV.

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EMPIRE DUST / The Beast don't Love

Da hat aber jemand wirklich gut bei Meister Tricky zugehört. Der Song passt sogar nicht zum spiesigen Cover von EMPIRE DUST, der düstere Clip zum Song "The Beast don't Love" dafür umsomehr.

Früher nannte man es TripHop, aber was der Franzose Ghislain Baran und Lord Kimo, Gründungsmitglied der Asian Dub Foundation, in ihrem neuen Projekt hören lassen, verschmilzt doch deutlich mehr Genres miteinander. Am hervorstechensten ist natürlich der Rap vom MC Babatunde, der in seiner Art und Weise stark an Maxi Jazz von Faithless erinnert.

Der Song "The Beast don't Love" befindet sich auf der EP "Intelligent People", die weitere vier Songs beinhaltet und zum sehr fairen Preis von 1,99 € bei den diversen Download-Portalen erworben werden kann.



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LA PRIEST / Inji [LP]

Wer es liebt, wenn man sich erst ganz langsam an ein Album herantasten muss, wenn man nicht sofort Zugang findet, dafür dann aber eine neue Liebe, der sollte sich unbedingt anhören, was Sam Eastgate, alias Sam Dust (früher Sänger bei Late of the Pier) auf seinem neuesten Werk "Inji" an schrägen Tönen und Melodien absondert.

Das Werk startet mit einem tiefen brummenden Bass und dem Song "Occasion", der klingt als hätte ihn Frank Zappa komponiert und Prince bearbeitet und die Vocals eingesungen. Wunderbar schräge SlowFunk-Nummer, die auch Funkadelic-Jünger begeistern dürfte.

Der zweite Streich "Lady's In Trouble With The Law" führt ins beschwingte oder besser bekiffte psychedelische Popreich. Seltsame Science-Fiction-Keys, eine Gitarre, die irgendwo im Zwielicht werkelt und ein Beat wie aus den frühen 80er Jahren. Auch toll!

Beim Instrumentalstück "Gene Washes With New Arm" wird es plötzlich sehr düster und atmosphärisch, ehe bei "Oino" der Sequenzer blubbert und zum Tanzen einlädt. Wäre das ein Song für die späten Stunden in der Indie-Disco?

"Party Zute / Learning To Love" geht zurück zur Machart des ersten Songs, aber Zappa wird durch Aphex Twin ersetzt. Es blubbert und bläst (Saxophon?) zu einem Beat der monoton beginnt und dann schnurstracks in die Disco einbiegt, als es gelernt wird zu lieben. Ein über 8 Minuten langer SpaceDiscoDub-Knaller - definitiv für die Indie-Disco!

Im "Lorry Park" nutzt der Mann aus Nottingham, der mittlerweile in Wales lebt und lange Zeit im selbstgewählten Exil in Grönland verbrachte, eine gesampelte und übereinandergeschichtete Vocalspur, um einen technoiden Instrumental-Track aufzubauen. Anschließend fährt der "Night Train" die müden Gäste der Disco mit einem dezenten House-Beat und seltsam erschöpften Gesang nach Hause. Kann man bestimmt auch perfekt als musikalische Untermalung für eine nächtliche Autobahnfahrt nutzen - falls die Bahn wieder mal streikt ;-).

Mit "Fabby" folgt ein weiteres Instrumentalstück, welches allerdings im Vergleich zu den anderen Stücken sich im Verlauf des Stückes immens aufplustert und zum Ende hin schier orchestrale Ausmaße annimmt. Bei "A Good Sign" klingt Sam als hätte er etwas über den Durst getrunken und mit einer Aphasie zu kämpfen, die Keys flirren spacerockartig und irgendwie klingt es auch nach Nintendo 64-Bit. Den Albumabschluss bildet mit "Mountain" eine Synthi-Ballade, bei der Sam wahrscheinlich seine Hoden abgeklemmt hat, um stimmlich solche Höhen zu erreichen ;-). Autsch, aber fein!

Zehn ungewöhnliche mutige Stücke über Sex und Liebe für Hörer, die die Grenzerfahrung nicht scheuen und sich nicht im Universum von LA PRIEST verlieren. Der Herr scheint übrigens auch sehr gerne den Pinsel zu schwingen:  http://earth-window.org/ .



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MILTON STAR / Things fall apart

Mit dem, was die Band MILTON STAR so spielt, kann ich nicht immer etwas anfangen, aber "Things Fall Apart" ist eine großartige dramatische Nummer irgendwo zwischen Mark Lanegan und Nick Cave -, auch wenn die Streicher doch etwas dicker aufgetragen werden.

Die Band besteht aus den Engländern Alan Wyllie and Graeme Currie, die bereits vorher in unterschiedlicher Form miteinander musizierten. Als Milton Star agieren sie in der Grauzone zwischen Blues, Country und PostRock, gerne opulent, dramatisch und immer sehr sehr düster. Alan lebt in einer alten Kirche in Five, der Heimatstadt des Duos, in der die beiden Musiker auch den cineastischen Sound für ihre Songs erarbeiten.


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