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Dienstag, 22. April 2014

KALLE MATTSON und BEATY HEART live im ARTHEATER in Köln [17.04.2014]

Eigentlich kommt es anders und zweitens als man denkt - was nicht immer schlecht sein muss.

Geplant war, in dieser Woche eigentlich am Mittwoch im King Georg der psychedelischen IndieRock-Band QUILT aus Boston zu lauschen. Erhöhtes Arbeitsaufkommen führte dann aber dazu, dass wir den Mittwoch cancelten und unser Augenmerk auf den Donnerstag legten, wo verdammt viele gute Bands in Köln ein Gastspiel gaben: TEXTOR im King Georg, BLOOD RED SHOES im Bürgerhaus Stollwerk und BAND OF SKULLS im Underground, um nur Einige zu nennen.

Letztere hatten wir vor kurzem bereits live gesehen, Bürgerhaus Stollwerk war mir persönlich für diesen Abend zu groß und TEXTOR der zweifelsfrei über feine Texte verfügt, klang mir zu monoton nach Kinderzimmer-Beats. Tante Google warf als weiteres Event für diesen Abend den Kanadier KALLE MATTSON als Gast im Artheater aus und nach Ansicht des nachfolgenden Videos endete die Kampfabstimmung unter Fünfen 3:2 für Kalle.

Das Artheater in Köln Ehrenfeld ist für mich trotz mehr als 20-jähriger Umtriebigkeit auf Kölner Konzertbühnen ein unbekanntes Gebiet. Etwas irritierend sind die nicht gerade dezent angebrachten Hinweise, wie man sich auf bzw. um dem Gelände zu verhalten hat: "Unterlassst: Urinieren, Erbrechen, Lärm, Flaschenwerfen, Aufenthalt in Hauseingängen und Außenbereichen!" Einerseits traurig, wenn solche Hinweise aufgehängt werden müssen, aber andererseits erinnern mich diese größtenteils in Versalien geschriebenen Hinweise an Menschen, die Hausflure mit ebensolchen pflastern.

Die Location als solche ist wirklich bezaubernd! Eine runde Theke zentral im Raum, darum einfache aber gemütliche Sitzgruppen und an Wänden und Decken jede Menge archaisch anmutende Hirschgeweihe. Das Personal ist sehr zuvorkommend, die Preise außerordentlich fair (es gibt Becks) und es gibt zwei Räume, die für Konzert bzw. Eventzwecke zur Verfügung stehen. Das heutige Konzert findet im Saal im Erdgeschoss statt, der zu unserer Überraschung heute ebenfalls bestuhlt ist, was sicher der Zuschauerzahl, die den Raum betreten, sehr entgegenkommt, denn ich zähle gerade mal 20 Besucher. Autsch, da tun einem die Künstler wirklich unendlich leid.

Kurz nach 20 Uhr betreten vier junge Herren (die Band ist eigentlich ein Trio, wird live aber von einem Bassisten unterstützt) aus London names BEATY HEART die Bühne. Mein treuer Konzertbegleiter C. hatte am Abend vorher nach der Band gegoogelt, als er den Namen auf den Tickets gelesen hatte und war auf ein einerseits irritierendes und andererseits sehr vielversprechendes Video gestoßen:



Zwei seltsame Vögel in avantgardistische Burka-Gewändern zeigen eine Art Paarungstanz. Klänge zwischen Talking Heads, WU LYF und den Beach Boys. Für C. und mich war eigentlich schon vorher klar, dass der Höhepunkt des Abends höchstwahrscheinlich die Vorband sein würde.

Und was die Londoner dann auf der Bühne an einem rhythmischen Feuerwerk abbrennen, ist tatsächlich formidabel. Der erste Song "Yadwigha's Theme" beginnt mit einer Art orientalischer Kakophonie, baut rhythmisch dann fernöstliche Klänge zu einem hypnotischen Track auf und verblüfft mit Gesangsharmonien à la Brian Wilson.



Bereits mit der zweiten Nummer "Lekka Freak out" hat mich die Band in der Tasche. Auch hier wird über den Rhythmus der Vibe transportiert. Wer dazu die Füße stillhalten kann, ist wahrscheinlich tot oder kommt zum ersten Mal mit Musik in Berührung, die sich um gängige Songstrukturen nur wenig schert. Die Kompositionen, eigentlich verschachtelt und trotzdem mit deutlich erkennbarer Melodieführung, erinnert mich stark an XTC, einer NewWave-Band aus den 80ern, deren Album "Skylarking" eigentlich in keiner gutsortierten Plattensammlung fehlen darf.



Weiter geht der spirituelle Trip mit "Get the Gurls". Was aus der Dose eher nach schwachbrüstiger Kiffermucke klingt, kommt live mit deutlich mehr Druck und Intensität und es macht pure Freude zu sehen, wie die Jungs aus der Rhythmusabteilung alle möglichen Schlagwerkzeuge bearbeiten. Irgendwie bekomme ich große Lust, mal wieder einen Trip nach Indien zu machen :-).



Das "Banana Bread" schmeckt ein wenig nach den Foals oder Vampire Weekend, was vor allem an der ähnlichen Stimmfarbe von Josh Mitchell liegt. Anschließend kommt dann endlich der Burka-Song "Kanutes Comin' Round" - der vermeintliche Höhepunkt des Abends. Aber falsch gedacht, denn der nächste Song "Yass" übertrifft das vorher Gehörte noch.



Die beiden Herren Charlie Rotberg und James Moruzzi bearbeiten nun gemeinsam verschiedenes Schlagwerk in exstatischer Manier. Ausgerechnet dieser Song ist im Netz noch nicht präsent, aber am 6ten Mai soll das Debütalbum "Mixed Blessings" erscheinen und keine Frage, wer einer der ersten Käufer dieses Debüts sein wird. Der letzte Song "Seafood" bestätigt, dass da im Mai etwas ziemlich Einzigartiges und künstlerisch Wertvolles erscheint, womit wir dann beim eigentlichen Haupt-Act des Abends wären.


Genau daran, am künstlerisch Auffälligem, haperte es nämlich beim Auftritt des Kanadiers KALLE MATTSON. Mit fünf Mann vermag es Kalle nur in wenigen Momenten ein Licht zu entzünden, und das, obwohl ich gerade noch bei BEATY HEART in Flammen stand! Die Songs sind zu austauschbar, weil die Melodien zu oft über den Marktplatz der Popmusik getrieben wurden. Wenn Kalle mit der Mundharmonika agiert, wandelt er auf den Pfaden von Bob Dylan, wenn er mit der Band in rockigere Gefilde vordringt, klingt er nach Huey Lewis And The News, einer Band der ich leider noch nie etwas abgewinnen konnte, aber so gut wie nie klingt er eben nach Kalle Mattson.

Mir persönlich gefallen die Momente, in denen er nur mit seiner Gitarre und ohne Bandbegleitung deutlich besser spielt, denn hier kann man zumindest erahnen, dass ein Musiker mit eigenem künstlerischen Schaffen sich mitteilen will. Im Gegensatz zu C., der mit dem munteren Zwischenansagen von Kalle überhaupt nichts anfangen kann, finden die Damen und ich, dass Kalle durchaus Charme und das Zeug zum Erzähler hat. Sehr schön zum Beispiel die Anektode zum Tanzverbot am Karfreitag, die in dem Slogan und eigentlich potentiellen Songtitel "Footloose for Jesus" endete.


Ich weiß nicht, ob Kalle mal einen Auftritt von Scott Matthew oder Ron Sexsmith gesehen hat - letztere stammt ja ebenfalls aus Kanada - aber ich empfehle ihm mal diesen beiden Herren auf die Finger zu schauen, denn in diese Richtung kann ich mir eine Entwicklung mit mehr eigener Personality von Kalle Mattson vorstellen. Mit diesen ausgenudelten Huey Lewis- Klängen kann ich jedenfalls nichts anfangen und wer im Americana-Kontext Bläser einsetzen möchte, solle mal ins letzte Giant Sand-Album hören, denn in einem Song heute Abend dachte ich doch wirklich an einen Trompeten-Part aus der schrecklichen Welt der Schlagermusik.

Nach dem Konzert schnappe ich mir noch die Vinyl EP  Slush Puppy / Cola von BEATY HEART, trage mich in deren Newsletter ein und hoffe bald elektronische Post zur erhalten, die mir mitteilt, dass das Debüt der Londoner erschienen ist.

Vorfreude ist was Schönes!
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SETLIST Beaty Heart

01 Yadwigha's Theme
02 Lekka Freak out
03 Get the Gurls
04 Banana Bread
05 Kanutes Comin' Round
06 Yass
07 Seafood

... Danke an den Hasen für Fotounterstützung :-)

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