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Sonntag, 26. Mai 2013

THE CHILD OF LOV / The Child of Lov

Ende der Sechziger Jahre entwickelte sich aus Soul, Rhythm & Blues sowie Jazz der Funk. Der Begriff geht auf afroamerikanischen Slang der 1950er Jahre zurück, als man etwas "Schmutziges", "Erdiges" oder auch "Erregendes" als "funky" bezeichnete.

Im Laufe seiner musikalischen Entwicklung kokettierte der kleine Bastard mit Disco, HipHop und House. Es entstanden weitere Bastarde wie der legendäre P-Funk um Georg Clinton, Bootsy Collins und Funkadelic oder der kurzlebige G-Funk - man erinnert sich bestimmt noch an das missratene "Regulate" von Warren G.

Auch mit elektronischen Klängen experimentierte der Funk. Als Pioneer gilt Africa Bambaataa, der 1998 das Album "Future Funk Vol. 1" veröffentlichte. Aber dann wurde es sehr still um den Funk, der mittlerweile im eigenen Kosmos agierende Prince konnte ihn stellenweise in den 90ern noch mit Achtungserfolgen repräsentieren, aber mit der Jahrhundertwende schien der Funk, außer in einer kurzen Renaissance durch Outkast, zu einer aussterbenden Musikgattung zu werden. Bis nun nach dristen Jahren fast aus dem Nichts oder besser aus dem Netz die Rückkehr des schmutzigen Bastards auf die große Bühne möglich scheint.

Zuständig für die Reanimation des Funks ist ein mysteriöser Herr namens Cole Williams, der sich Child of Lov nennt, in Amsterdam resitiert und mit seinem gleichnamigen Debüt-Album da anküpft, wo der Funk den Faden verloren hat.

"Call Me Up" schleppt sich wie ein angeschossener Hund durch den P-Funk. Der Beat ist satt, tief und es riecht nach einer Dope-Höhle und in mantraähnlicher Schleife fleht Cole darum, angerufen zu werden.

"Heal" erhöht das Tempo, es flirrt gefährlich, die Stimme ist wacher und schneidet durch den Beat - ein grandioser Track, den ich ja bereits in der Rubrik "Neue Lieder" im März vorgestellt hatte.


The Child Of Lov - Heal von domino

Kein Geringerer als der BritPop-König Damon Albarn (Blur, Gorillaz ,e tc.) unterstützt das Kind der Liebe beim analog kinsternden "One Day". Feines Ding! Und diese schwebenden Keys! Erinnert in seiner verschleppten Art etwas an Gonjasufi, der sich mit seinem 2012er Werk "Mu.Zz.le" im Gegensatz zum hervorragenden "A Sufi & a Killer" von 2010  leider etwas verzettelte.

Noch etwas elektronischer wird es beim nachfolgenden "Living The Circle". Der Bass blubbert im Rausch der Tiefe und die Beats knallen wie Schüsse - kein Song für Smartphone-Musikhörer. Oder doch, da würde sich das Lautsprecherlein wahrscheinlich verabschieden und in der Bahn würde Stille herrschen ;-).

"Give Me" geisterte auch bereits im März durch das Netz und sorgte verständlicherweise für Aufregung. Der Song zerrt an den Nerven, geifert und beißt sich als Loop bösartig in den Gehirnzellen fest. Die ins alptraumhafte übersteigerte musikalische Inszenierung von "Und täglich grüßt das Murmeltier".


Child of Lov - Give Me from Gladys Bernadac on Vimeo.

Leichter verdaulich ist "Go With The Wind", wo man erstmal so etwas wie Refrain-Strophe-Refrain ohne Schwierigkeiten ausmachen kann und ab Minute 3 sogar mit Gitarrenklängen beschenkt wird. Wie macht Herr Williams das eigentlich mit der Stimme? Gibt es so etwas wie einen Nasal-Effekt-Voice-Filter?

Und jetzt anschnallen! "Owl" featuring MF DOOM ist ein Trip durch den verschleierten Orient. Ein Geräuschkosmos mit Rap-Lyrics, Fado- und Flamenco-Anleihen und Hand-Claps - ein seltsames Stück, mehr Track als Song und definitiv höchst hörenswert.

"Fly" übertreibt es etwas mit den Chorus-Passagen, ruft aber durch die Bläsersätze über den dumpfen Orient-Disco-Beat wieder den "Was ist das?-Effekt" in mir hervor. Bei "Warrior" wird am deutlichsten, weswegen The Child of Lov auch immer gerne mit Prince verglichen wird: Stichwort Falsettgesang.

Der letzte Songs des Albums, "Give It To The People", ist ein weiteres Highlight. Der poppige gutgelaunte Song mit dem seltsamen Pfeifen hat eine echte Hookline und klar erkennbare Songstrukturen, und ist doch alles andere als normale Kost - wie das gesamte Album.

Fazit: Wer gerne in neue schräge Hörwelten vorstößt, der wird eine Menge Spass mit diesem nicht leicht verdaulichen Album bekommen. Wer Funkadelic & Co im Plattenschrank hat, ebenso. The Child of Lov ist wahrscheinlich nicht die Zukunft des Funk, aber eine feine zeitgenössische schmutzige, erregende und gelungene Wiederbelebung des Genres.

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