Eeeendlich. 3 Jahre des Wartens sind vorbei und Deerhunter legen mit "Monomania" ihr fünftes Album vor. Es ist zwar nicht ganz so großartig geworden wie Halcyon Digest von 2010, aber Meisterwerk auf Meisterwerk macht man ja auch sehr selten und wer weiß, vielleicht wächst es ja noch - ich erinnere mich, wie lange es gedauert hat, bis ich mich in Halcyon Digest eingehört hatte.
Laut Pressetexten wurde das neue Werk zu Beginn des Jahres in nächtlichen Sessions in Brooklyn aufgenommen und mit Nicolas Vernhes (Animal Collective, Björk) produziert. Leichte Kost ist es demnach natürlich nicht geworden. Die Sounds sind roh, ungeschliffen und grenzen manchmal für ungeübte Ohren wahrscheinlich sogar an Kakophonie ("Leather Jacket II"). Radioairplay vor nächtlicher Stunde wird die Band aus Atlanta wohl hierzulande auch kaum erhalten. Aber trotzdem dürfte "Monomania" zugänglicher sein als der Vorgänger, da die Band es eher auf konventionelle Weise krachen lässt und dadurch die Melodien deutlicher zu Tage treten.
Den Albumtitel "Monomania" kann man als Programm werten. Der Begriff stammt aus einer psychiatrischen
Krankheitslehre des frühen 19. Jahrhunderts und bedeutete so viel wie
„Einzelwahn“. In der modernen Psychatrie findet diese Theorie einer isolierten, „partiellen“ Störung keine Zustimmung mehr, aber partieller Wahnsinn versteckt sich - mal mehr, mal weniger - in jedem einzelnen Song des Albums und legitimiert somit den Albumtitel auf jeden Fall ;-).
Der Opener "Neon Junkyard" ist wohltemperierter Garagenrock. Bandleader Bradford Coxs eindringliche Stimme ist bis kurz vor die Schmerzgrenze verzerrt, im Background knarzt und fiepst es elektronisch. Noch mehr Disharmonien stecken im bereits erwähnten "Leather Jacket II". Es brodelt gewaltig und wer sich nicht festhält, wird hinfortgetragen vom bösen Sturm aus Geräusch, in dem eine schneidende Gitarre der einzige Orientierungspunkt scheint.
Danach wird es deutlich gemächlicher. Bei "The Missing" tritt die sonst unter der Oberfläche lauernde Melodie ganz deutlich zum Vorschein. Die Gitarre muss den Führungspart an Schlagzeug und Keyboard abgeben und leicht psychedelische Fäden schwirren durch die Luft.
"Pensacola" ist schön dreckiger, erdiger Rock inklusive Wolfsgeheule und Country-Blues-Feelin'. Ähnlich gestrickt ist auch "Dream Captain", nur, dass die Stimme von Cox noch hässlicher und beißender klingt und die naive Melodie vor dem Refrain dazu im Gegensatz steht.
Wie der Jam einer zugekifften Bande langhaariger Hippies klingt "Blue Agent" - allerdings erinnert mich der formidable Song stark an frühes Zeug von den Eels, deswegen leichte Abzüge in der B-Note "T.H.M." ist erstaunlich laid-back und sanft - aber man muss ja mal auch Luft holen dürfen.
Dafür groovt es bei "Sleepwalking" um so feiner. Gibt es so etwas wie beschwingten Krautrock, falls ja, verleihe ich diesem Song hiermit dieses Etikett. Bei "Back To The Middle", das ebenfalls sehr beschwingt klingt, ist der hitverdächtige Mitsing-Refrain der Fixpunkt, um den sich die poppige Melodie rankt. Doch was für's Radio vor 22 Uhr.
"Monomania" räumt damit aber direkt wieder. Der Song dehnt und streckt sich unter einem gefährlichem Bass und versinkt mit aller Macht im Noise-Punk-Gewitter.Wahrscheinlich am Ende einer der nächtlichen Sessions, bei der das Album eingespielt wurde, entstand "Nitebike" Dunkelheit. Macht um 4 Uhr morgens mit nicht mehr ganz klarem Kopf sicher Gänsehaut! Den Rausschmeißer auf "Monomania" stellt das melodiöse "Punk (La Vie Antérieure)" dar. Spacige Keys tangentieren erst temporär die Leadgitarre, ehe sie sich ganz über den Song hermachen und nur noch ein akustisches Säuseln zurücklassen.
Deerhunter machen weiter kompromisslos, was ihnen (bzw. Cox) gefällt. Nebenprojekte (Atlas Sound / Lotus Plaza) haben keinen störenden Einfluss, sondern befruchten die Band sogar noch in ihrer Kreativiät auf der manischen Suche nach "Ungehörtheiten".
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