ALT-J im Kölner E-Werk / Foto: C. |
Das Debüt-Album "An Awesome Wave" schaffte es mühelos in so gut wie jede wichtige Jahresbestenliste, was leider zur Folge hatte, dass das Konzert nicht wie ursprünglich geplant im Gloria, sondern im deutlich größeren E-Werk stattfand.
Als Vorband durfte im ausverkauften E-Werk das Damen-Trio Stealing Sheep sein Können unter Beweis stellen. Die Ladies aus Liverpool hatten sichtlich Freude daran, einem großen Publikum ihre verhuschten Folk-Songs nahezubringen. Speziell die Schlagzeugerin Lucy Mercer, die im Stehen mit Schlägeln, wie man es von Pauken kennt, ihr Instrument bearbeitet, grinst bei der Arbeit fast ununterbrochen. Schön, wenn der Job so viel Spaß macht.
Die naiven hübschen Melodien von Stealing Sheep sind auf Platte "Into the Diamond Sun" allerdings deutlich greifbarer als beim Live-Konzert, was daran liegt, dass es leider in den Harmoniegesängen hapert. Da die Band aber nun mit Alt-J auf Tour ist - an diesem Abend erst zum zweiten Mal - besteht Hoffnung, dass sich Rebecca Hawley (Vocals, Keyboard), Emily Lansey (Vocals, Guitar) und Lucy Mercer (Vocals, Drums) etwas von den Jungs aus Leeds abschauen. Eindeutige Höhepunkte an diesem Abend sind das mit schönen Tempi-Wechseln aufwartende "Circles" und "I' am the Rain", welches mich mit seiner fernöstlichen Note etwas an Siouxsie and the Banshees erinnert.
Kurz nach 21 Uhr ist dann die mit Kritikern-Lorbeeren und Preisen (Mercury Music Prize 2012) überhäufte Band aus Leeds an der Reihe. Die Band mit dem komischen Namen (Alt-J steht für die Tastenkombination, auf einem Mac mit UK-Tastatur, welche das Dreiecksymbol [Δ / Delta] aufruft / Delta wiederum steht in der Mathematik für Änderung und ist außerdem das Symbol der Hipster-Bewegung, der die Band nahesteht), beginnt ohne Umschweife und Worte, wie zu erwarten, mit "Intro". Schon nach wenigen Takten steht fest, der spezielle Klangkosmos, der einen großen Anteil am Erfolg des Albums hat, kann von der Band leicht und locker ins E-Werk transportiert werden. Nahezu perfekt, was die Klangvirtuosen dem lauschenden Publikum präsentieren!
Die Band, bestehend aus den vier ehemaligen Studenten Gwil Sainsbury (Gitarre, Bass), Joe Newman (Gitarre, Gesang), Gus Unger-Hamilton (Keyboard) und Thom Green (Schlagzeug), die sich an der Universität in Leeds kennenlernten (2007), präsentiert sich als perfekt eingespielt. Sänger, Joe Newman, hat eine wunderbar nölende kraftvolle Stimme, die sowohl Höhen als auch Tiefen makellos meistert und den pfiffigen Kompositionen und eingängigen Melodiebögen einen herrlich verschrobenen, aber auch erhabenen Flair verpasst. Und endlich verstehe ich auch, wie Drummer Tom Green es schafft, dass sein Druming klingt wie Beats aus dem Computer. Der Mann schlägt sein Kit mit solcher Inbrunst, dass ich davon ausgehe, er hat schon so einigen "Fellen" den Garaus gemacht. Die Dicke der Venen an seinen Armen ist überaus beeindruckend und selbst von der Mitte des Saales aus bestens zu erkennen!
Als drittes Stück kommt "Tesselate", wobei das ziemlich in Ehrfurcht erstarrte Publikum nach den ersten Tönen erstmals freudig aufjauchzt. Eine Gruppe junger Damen im Publikum singt den Text sogar lückenlos mit! Ob sie genau wissen, um was es in diesem wundervollen Song eigentlich geht? Für Lyrics-Entschlüssler: Hier die Definition von Tesselation und der Songtext, der zu reichlichen Spekulationen Anlass gibt.Perlende Keyboardpassagen und synkopische HipHop-Beats sind die Hauptzutaten für "Something Good" und auch hier singen die Damen von Nebenan im Refrain inbrünstig mit. Apropos Damen! Die Frauenqouote im Publikum ist erstaunlich hoch, obwohl die Band ja eher durchschnittlich aussieht und Sänger Joe Newmann nicht nur mich, sondern sogar das Yps an den von uns hochgeschätzten Ron Sexsmith erinnert - Stichwort Hamsterbäckchen ;-). Aber bevor ich hier eine neue Sexismus-Debatte auslöse: Frauen haben einfach den besseren Musikgeschmack, Hamsterbäckchen sind oberflächlich und ich nehme ALLES zurück!
Natürlich bringt Alt-J auch die durchaus für die Indie-Diso tauglichen Songs "Fitzpleasure" und "Breezeblocks" zu Gehör. "Breezeblocks" ist wunderbar vielschichtig und begeistert mich vor allem wegen dem "Ahhh ahhhh ahhhhh"-Chorus à la "Fade to Grey" und der exzellenten Rhythmik, die von Drumer Thom Green auch live völlig mühelos bewältigt wird. Chapeau!
"Fitzpleasure" beinhaltet so viele Ideen, wie sie manche "Künstler" in ihrem ganzen Leben nicht haben - als Paradebeispiel kommt mir da Herr Westernhagen in den Sinn, den wir nach dem Konzert in einer Kneipe in Köln-Mülheim, zu auch nicht gerade schmackhaftem Gilden-Kölsch, ertragen mussten.
Bei "Mathilda" (bezieht sich inhaltlich auf den Film-Klassiker "Leon der Profi") zeigt Newman erneut, wie ungeheuer gefühlvoll er seine Stimme einzusetzen weiss. Auf Platte nicht unbedingt mein Favorit, aber live mich völlig überzeugt, hat "Taro". Der Song erzählt die tragische Liebesgeschichte der Kriegsfotografen Robert Capa und Gerda Taro und klingt in meinen Ohren nach Fernost, nach Heimweh, nach Verlust und erweckt erstaunlicherweise Assoziationen zu den legendären Talking Heads in mir - keine wirkliche Ahnung warum.
Da die Band bisher erst ein Album veröffentlicht hat, spielt die Band natürlich auch noch "Dissolve me"(MGMT meets Fleet Foxes), "Bloodflood und "Ms". Zwei Songs, die nicht auf dem Debüt-Album sind, verlängern das Konzert noch auf trotzdem viel zu kurze 50 Minuten: "Buffalo" erschien 2012 auf dem Soundtrack zu "Silver Linings Playbook", passt aber exzellent ins Set, und im Zugabenblock spielt die Band einen mir bisher unbekannten Song. Dann ist leider schon Schluss, aber besser kurz und gut als lang und öde, was mich schon wieder an Herrn Westernhagen erinnert.
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