Leider dauert es in Deutschland, und ganz besonders in Köln, immer etwas länger bis Songwriter aus den Staaten in größeren Locations auftreten können und so war es nicht verwunderlich, dass das Blue Shell an diesem Abend leider nicht aus den Nähten platzte. ABER Lady Lamb ist ja auch zum ersten Mal alleine auf Tour in Deutschland, abgesehen davon, dass sie bereits vor einigen Jahren (2013) als Support für Neko Case im Gebäude 9 nur mit ihrer Gitarre bewaffnet das Publikum verzückte.
Das Publikum, welches sich entschlossen hatte Lady Lamb heute die Ehre zu geben, störte die kleine Locations jedenfalls nicht, mich eingeschlossen, denn wie immer im Blue Shell war die Atmosphäre sehr intim und somit absolut perfekt für die Rock-Poesie der in Brunswick/Main aufgewachsenen Künstlerin.
Bevor ich mich über das Konzert auslasse, noch einige Fakten zu Aly. 2013 veröffentlichte sie ihr erstes Album "Ripley Pine" auf dem Label Ba Da Bing Records. Von einem Debütalbum kann man jedoch nicht wirklich sprechen, denn von 2007 bis 2013 brachte sie im Eigenverlag bereits sechs Alben heraus. Aly arbeitete in einem DVD-Shop, wo sie nach ihrer Schicht die Möglichkeit hatte, im Keller des Ladens an ihren Songs zu feilen und dies aufzunehmen. Die Produkte ihres kreativen Schaffens brachte sie dann in den örtlichen Plattenladen in Brunswick, um Käufer für ihre Musik zu finden, ehe sie 2010 den nächsten Schritt wagte und nach Brooklyn zog. Ja, die Lady hat Power und Durchhaltevermögen!
Neben diesen Fähigkeiten besitzt Aly weiterhin die Gabe, ihren Texten eine außergewöhnliche Poesie zu verleihen und hinzu kommt, dass sie ihr variantenreiches Songwriting mittlerweile so perfektioniert hat, dass sie eigentlich früher oder später in die Champions-Riege der Songwriter aufsteigen müsste. Es darf sich also jeder freuen, der den Weg ins Blue Shell gefunden hat, denn ich bin mir sicher, so wie Aly wächst und wächst, wird auch die Location für ihre Auftritte wachsen.
Gegen 21:30 betritt Lady Lamb mit zwei Begleitmusikern die Bühnen. Nicht nur ich, sondern auch meine beiden treuen Konzertbegleiter C. und Yps sind verwundert, wie jung Aly in Wirklichkeit ausschaut. Wir tippen auf höchstens Anfang zwanzig, aber Tante Google verrät als Geburtsdatum 1990, das heißt, ihr erstes Album "The Tingly Circus" legte die Lady bereits im zarten Alter von siebzehn vor. Respekt!
Das Konzert beginnt mit dem Song "You Are The Apple" aus dem Album "Ripley Pine". Ein jammiger Song, der die beiden Dinge hervorhebt, die Lady Lamb zu etwas Besonderem machen. Da wäre an erster Stelle die innige Liebe der Künstlerin zu ihrer E-Gitarre, also nix mit Lagerfeuer-Atmosphäre, und Punkt zwei, wer geradliniges Songwriting bevorzugt, ist bei Lady Lamb an der falschen Adresse, denn Aly spickt ihre Lieder fast immer mit unerwarteten Wechseln und Breaks.
Anschließend serviert Lady Lamb ein absolutes Highlight ihres neues Albums. "Billions of Eyes" ist mit "Vena Cava", das sie an diesem Abend leider nicht spielt, eines meiner Lieblingslieder auf "After". Man merkt beim Konzert sofort, dass Lady Lamb das liebt, was sie tut. This Girl is on Fire! In den lauten grungigen Passagen des Songs ist Aly zwar gefährlich nahe daran zu schreien, aber ihre formidable Stimme hält stand und das Publikum, geschätzte 50 Personen, danken es ihr mit frenetischem Beifall.
Souverän spielt sich die Lady nachfolgend durch "Dear Arkansas Daughter", "Milk Duds" und "Sunday Shoes" vom aktuellen Album. Die beiden Mitmusiker aus London bleiben allerdings ziemlich blass neben diesem kleinen Energiebündel auf der Bühne. Manchmall fehlt mir von Seiten der Band an den rockigen Stellen etwas Druck und Leidenschaft, vielleicht sollte sich Aly doch auf eine feste Band einlassen, damit live das Gaspedal ruhig noch eine Spur mehr durchgetreten wird.
Zwischendurch verblüfft Aly das Publikum mit einigen Sätzen auf deutsch. Sie erzählt, dass sie zu Deutschland einen speziellen Bezug hat, denn sie verbrachte in frühster Kindheit einige Jahre in dem kleinen Ort Spangdahlem in der Eifel. Da sich dort eine amerikanische Air Base befindet, gehe ich davon aus, dass ihr Vater dort stationiert war. Und nun erklärt sich auch, weswegen sich unter den Zuhörern Menschen befinden, die man sonst wohl nicht in einer solchen Location und bei einem solchen Konzert trifft. Es ist Alys deutsche Verwandtschaft, die angereist ist, um die amerikanische Verwandtschaft zu begrüßen. Keine Angst, es spielten sich keine Szenen wie in einer Nicholas Sparks-Verfilmung ab, aber ein bisschen umarmt und gedrückt wurde schon ;-).
Es folgt ein Set mit drei Songs ("The Nothing Part II), "Bird Ballons", "Aubergine") aus ihrem "Debütalbum", wo die Lady eindrucksvoll zeigt, über welche exzellente Stimme sie verfügt und wie virtuos sie mit ihrer E-Gitarre umgehen kann. Ich bin hin und weg und freue mich schon darauf "Ripley Pine" am Merchandise-Stand auf Vinyl zu erwerben, aber leider wird wie sich später zeigt daraus nichts, denn in Brüssel hat man die Lady leider bestohlen und neben ihrem geliebten Pedalboard auch noch das Meiste an Merchandise-Produkten aus dem Kofferraum gestohlen. Arschlöcher!
Spätestens nach "Spat out Spit" und "Batter" ist mir persönlich klar, dass ich gerade eines der besten Alben dieses Jahres live erleben darf. Mein Highlight des Abends ist "Crane your Neck", bei dem Aly alleine auf der Bühne - die Begleitband hatte zwischenzeitlich die Stage verlassen - mit ihren Fingern wie magisch über ihre Gitarre streichelt und von leidenschaftlicher gieriger Liebe singt. "
"But there's a hunger under my skin and its gripping at my bones. There's a hunger like a lion's and it's ripping right through my bones"
Natürlich ist die in Kindheitserinnerungen schwelgende Ballade "Ten" der perfekte Song, um ein Konzert zu beenden, aber das Publikum fordert mehr und so kehrt die Lady auf die Bühne zurück und bedankt sich sehr nett bei allen Zuhörern die gekommen sind. Dann lässt sie alle Lichter im Blue Shell löschen und singt auf Wunsch eines Zuhörer Acappella "Up in the Rafters" vom 2010er Self-Release "Mammoth Swoon". Großartig. Gänsehaut. Danke.
SETLIST:
"You are the Apple"
"Billions of Eyes"
"Dear Arkansas Daughter"
"Milk Duds""Sunday Shoes"
"The Nothing Part II"
"Bird Balloons"
"Aubergine"
"Spat out Spit"
"Batter"
"Crane your Neck"
"Ten"
Zugabe:
"Up in the Rafters"
Lyrics vom aktuellen Album "After" untger: http://www.ladylambjams.com/lyrics/