SILENT SLEEP / I Wish It Could Be Different ... SUN KIL MOON / Universal Themes [LP] ... EVERYTHING EVERYTHING / Regret ... SHILPA RAY / Last Year's Savage [LP]
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SILENT SLEEP / I Wish It Could Be Different
"I wish it could be different", ein Satz, den man sich ja ziemlich oft denkt, oder? Aber was könnte alles anders und vermeintlich besser sein? Ich für meinen Teil fände es besser, wenn wir Griechenland endlich die Freiheit schenken (Back to Drachmen), wenn Banken nur noch den Stellenwert hätten, der ihnen gebührt (Fremdgeldverwalter), wenn der HSV (Relegationsmeister) endlich in der zweiten Liga wäre, wenn massentauglicher RNB wieder in der Versenkung verschwände, wenn man nicht immer auf Frauen warten müsste, und und und.
Dem originellen Playmobil-Style-Clip zu "I wish it could be different" von SILENT SLEEP aus Liverpool entnehme ich die Botschaft, dass man manchmal einfach Feuer legen muss, um Dinge zu verändern. Auch wenn im Video buchstäblich gezündelt wird, denke ich, sollte man es aber eher als Metapher sehen und die Streichholzpackung in der Ecke liegen lassen ;-).
Ansonsten bleibt festzustellen, dass es sich um eine feine FolkPop-Nummer handelt, die sich Mastermind Christopher McIntosh - der einige Jahre in Berlin lebte - ausgedacht hat, die aber ein wenig mehr Nonkonformität gut vertragen könnte.
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SUN KIL MOON / Universal Themes [LP]
Wer dachte, mit "Benji" hat Mark Kozelek sein Pulver vorerst verschossen, der lag aber so was von daneben, denn mit der nun, nur ein Jahr später, veröffentlichten LP "Universal Themes" knüpft er nahtlos an dem kleinen Meisterwerk des Vorjahres an - obwohl er vieles anders macht!
Die Platte beginnt mit einem knapp 9 Minuten langem Song über ein sterbendes Opossum. Ja, dieser Mann hat etwas zu sagen, wenn er von seiner Plattenfirma nach Worten bezahlt würde, könnte er sich wahrscheinlich alsbald zur Ruhe setzen!
Weitere 9 Minuten zelebriert Kozelek "Birds of Flims". Sanft plätschert die Folk-Gitarre und der Singer/Songwriter erzählt und erzählt und erzählt und philosophiert. Von seiner harten Arbeit, vom Telefonat mit seiner Süßen, vom Heimweh, vom Filmgeschäft (der Film heißt "Youth" und kommt in Deutschland voraussichtlich im Herbst in die Kinos), von der Frustration Hitler zu schauspielern, von Veronica aus Mailand, vom täglichen Kampf und natürlich vom Gesang der Vögel.
Waren die ersten beiden Songs noch vorwiegend akustisch, wird bei "With a Sort of Grace" die E-Gitarre angeschmissen - natürlich geht auch dieser Song über die 9 Minuten-Distanz. Wunderbarer Schrammel-GargenRock, bei dem Kozelek sich in punkto Schnodrigkeit auf Augenhöhe mit J. Mascis befindet. Auf Anhieb mein Liebling auf der neuen Platte!
"Cry Me a River Williamsburg Sleeve Tattoo Blues" könnte man als archaischen Blues bezeichnen. Ein kraftloses schläfriges Schlagzeug, gefangen in einer Endlosschleife (nicht ganz, der Song dauert "nur" etwas mehr als 7 Minuten), ein ziemlich veträumtes Gitarrensoli und tatsächlich ein echter Refrain!
Der kleine Schlingel Kozelek erzählt in seinen Songs eigentlich keine wirklichen Geschichten, sondern schildert viel mehr alltägliche Begegnungen, so als wären sie Tagebucheinträge oder ein Sammelsurium an Kurznachrichten. Bei "Little Rascals" ist er (wieder) ziemlich schlecht gelaunt und schwadroniert zu einem Stakkato-Gitarrenbeat:
"Now I'm looking out the window where Robin Williams died. Passed him once in a car on Thanksgiving day. Was with my girlfriend at the time who sadly passed away just before she turned 35. That's when I learned the world's unfair and that things aren't always right.
It fucked me up, and for weeks I couldn't get out of bed. The world don't owe us shit, I learned that real fucking young. And I learned it again."
Im tiefsten Inneren ist Kozelek, alias SUN KIL MOON aber ein (enttäuschter) Romantiker (und Vielflieger ;-) , was er im "Garden of Lavender" mit weinerlichem Unterton beweist:
"I see the big orange tabby cat getting warm on the cover of the laptop. He turns over on his backlooking for a belly rub. I see the deer trap and the snow on the end of the path that leads into my backyard. I hear the sound of my girlfriend's car, coming up the driveway and it fills my heart."
Aber Kozelek liebt auch das Boxen, eine Sportart die er selber jahrelang ausgeübt hat. Der Song "Ali/Spinks 2" handelt vom Rückkampf Ali gegen Spinks. Den ersten Kampf am 15. Februar 1978 hatte Ali überraschend verloren und im Rückkampf zeigt er keine Gnade mit Spinks und holte sich den Titel zurück.
Der letzte Titel des Albums "This Is My First Day And I'm Indian And I Work At A Gas Station" dürfte bei den längsten Songtiteln der Rock- u. Popgeschichte gut Chance haben auf den vorderen Plätzen zu landen. Geschickt wechselt Kozelek im Song das Tempo, spielt mit Variationen und Mehrstimmigkeit und wie immer erzählt er und erzählt und erzählt - wahrscheinlich erzählt er bis er gestorben ist, was hoffentlich noch lange auf sich warten lässt, denn es wäre ein unendlicher Verlust für den Rock and Roll!
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EVERYTHING EVERYTHING / Regret
Mit ihrem 2013 erschienenen zweitem Album "Arc" und vor allem der Hitsingle "Cough Cough" konnten die Herren aus Manchester ihre Gefolgschaft deutlich ausbauen.
Bei der ersten Hörprobe vom neuen Album "Get to Heaven", dem Song "Regret", ist die markante Stimme von Sänger Jonathan Higgs nicht ganz so prägnant wie gewohnt, da die sehr griffige Hook den Ohrwum-Popsong absolut dominiert. Für EVERYTHING EVERYTHING ein sehr konventioneller, aber keinesfalls schlechter Song. Aber keine Angst, was das Netz so flüstert, und was ich sonst schon vom neuen Album hören kann, deutet darauf hin, dass "Regret" mit Abstand der eingängigste Song auf "Get to Heaven" ist.
Regret von
Everything Everything auf tape.tv.
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SHILPA RAY / Last Year's Savage [LP]
Seemannslieder? Klagelieder? BluesRock? PunkRock? CountryPunk? Alles irgendwie zutreffend! Aber was unumstößlich auf SHILPA RAY zutrifft, ist, dass die Dame aus New Jersey den Blues hat, den tief traurigen, den in Dunkelheit versinkenden, egal ob sie in Singer/Songwriter-Manier ("Burning Bride") vorträgt oder wie bei "Johnny Thunders Fantasy Space Camp" zum Harmonium rockt.
Es scheint fast so als wäre nach langer vergeblicher Suche endlich der weibliche Gegenpart zu Nick Cave auf der Bühne erschienen! Diese eindringliche Stimme! Das Erstaunliche ist, dass Shilpa Ray kein unbeschriebenes Blatt ist. Bereits zwei Alben stehen in ihrer Diskographie zu Buche.
Ihre erste Band nannte sich Beat the Devil, der zweiten Band Shilpa Ray and her Happy Hookers drückte sie dann schon ihren Namensstempel auf und das Album "Last Year's Savage" ist nun ihre erste Veröffentlichung unter ihrem bloßen Namen.
Im Vergleich zu den beiden ersten Alben ist Shilpa auf den ersten Höhrgenuss ruhiger geworden, der BluesRock ist nicht mehr ganz so krawallig und die punkige Attitüde ist unter einem Mäntelchen verdeckt, die Stimme nicht mehr ganz so rotzig. ABER auch auf der neuen Platte ist ALLES noch vorhanden, wohl dosiert, fein akzentuiert und das Harmonium ist prägnanter als je zuvor.
Mit diesem großartigen in sich unglaublich geschlossenen Album wird sich SHILPA RAY in einigen Jahresbestenlisten wiederfinden!
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