Wir sind natürlich zeitig vor Ort, aber man kann schnell erahnen, dass das Blue Shell heute Abend sicher nicht aus den Nähten platzen wird. Wahrscheinlich ist es dem ruhigeren neuen Album "Shadows" geschuldet, denn wenn es nach dem 2011 erschienen brillanten Album "King of the Waves" ginge, müsste sich vor dem Eingang eine lange Schlange bilden.
Sei's drum, das Trio um Mastermind Barrie Cadogan, seines Zeichens auch noch Teilzeit-Gitarrist bei Primal Scream wird den Laden schon rocken - hoffen wir!
Als wir kurz vor 21 Uhr in den Club gehen, sind ca. 40 Leute anwesend, um der Kölner Band SPARKLING, die als Support für die Barries randürfen, zu lauschen. Auf Anhieb gefällt meinen Ohren, was die drei Kölner Jungs da mit Schlagzeug, Bass und Gitarre abliefern. Der Sound ist very britisch und orientiert sich an Post-Punk-Bands der 80er, speziell die ganz frühen The Cure kommen mir öfter ins Gedächtnis, aber auch The Streets, insbesondere durch den mitunter von Sänger Levin Krasel eingesetzten Sprechgesang, lassen sich als Referenz ausmachen.
Die noch sehr junge Band, bestehend aus den Brüdern Leon (20) und Levin Krasel (17) sowie Luca Schüten (18), präsentiert sich gut eingespielt und ihr minimalistischer IndieRock, oftmals mit treibendem Bass und immer mit sehr kraftvollem grooveorientierten Schlagzeug (Leon Krasel), gefällt mir von Song zu Song mehr, zumal die Jungs auch ein Händchen für gutes Songwriting haben. Kleiner Tipp an den siebzehnjährigen Sänger Levin Krasel: Noch etwas an der englischen Aussprache feilen und etwas mehr Dirtyness in die Stimme legen - aber das kann ja auch mit zunehmendem Alter noch kommen ;-).
In unserer munteren Konzert-Clique ist man sich auf jeden Fall einig, dass die Band definitiv das Zeug dazu hat, den Bekanntheitsgrad in kürzester Zeit zu expandieren, denn SPARKLING hat trotz der verschiedenen heraushörbaren Einflüsse eine hohe Unverwechselbarkeit. Wird also Zeit, dass man nach dem Konzert auch einen physikalischen Tonträger erwerben kann, wonach ich am Merchandise-Stand von Little Barrie leider vergeblich Ausschau hielt.
Nach einer kurzen Pause betreten dann LITTLE BARRIE in Gestalt von Songwriter/Gitarrist Barrie Cadogan, Bassist Lewis Wharton und Drummer Virgil Howe die Bühne. Das Publikum hat sich mittlerweile zwar annähernd verdoppelt, aber 80 Leute sind für einen Freitagabend doch ziemlich wenig für eine Band, die seit mehr als einem Jahrzehnt die Bühnen rockt.
Der Start mit "Tip it over" vom Album "King of the Waves" ist furios! Die Band und ihr Sound strotzen vor Coolness und Barrie Cadogan beweist, dass er ein begnadeter Gitarrist ist, indem er seinen Finger virtuos über das Instrument rasen lässt und der Gitarre wunderbare Töne entlockt. Live wird besonders deutlich, wie groovelastig der Rock’n’Roll der Band eigentlich ist, denn eigentlich kann man zu fast jedem Song der Band herrlich abzappeln.
Aber nach drei, vier Songs merkt man der Band aus Nottingham an, dass sie zwar einen in musikalischer Hinsicht astreinen Gig abliefern, aber auch, dass sie von Publikum und Atmosphäre im Blue Shell deutlich mehr erwartet haben, denn irgendwie kommen Publikum und Band nicht so richtig zusammen. Im Klartext: Das Konzert ist gut, aber bis zur Esktase fehlt noch ein ganzes Stück.
Mit "Shadow" erkenne ich das erste Stück vom neuen Album. Der ruhigere, in psychedelische Gefilde abdriftende Song ist keinesfalls schlecht, kommt meines Erachtens aber viel zu früh im Konzert und führt dazu, dass die gerade erst durch den fulminanten Start aufgeheizte Stimmung wieder abflacht. Danach nehmen die Briten aber mit "Fuzzboom" wieder Fahrt auf. Der Titel des Songs ist Programm! Richtig krachen lässt es die Band dann bei "Pauline", dem besten Song des neuen Albums, ein straighter SixtiesRock-Stampfer mit feiner Hookline.
Highlight des Abends neben "New Diamond Love" ist natürlich "Surf Hell", ein urgewaltiger Song mit dem sich LITTLE BARRIE ja auf ewig in der INDIE-DISCO-Bestenliste eingetragen haben. Nach nicht mal 60 Minuten verlässt die Band dann die Bühne, kommt aber nach kurzem Gemurre und Zugabebekundungen wieder zurück, um die Gesamtspielzeit dann noch auf ca. 70 Minuten zu strecken.
Fazit: Wie schon desöfteren bei hervorragenden Musikern festgestellt, hapert es auch bei Little Barrie an der Fähigkeit, auch das nicht an Virtuositäten hängende Publikum, welches einfach abrocken will, mit ins Boot zu holen. Ob dies bei den Briten nur an diesem Abend der Fall war, kann ich nicht beurteilen, aber ich hege die Vermutung, dass die Band bei größeren Auftritten es deutlich mehr krachen lassen kann.