Bevor ich mich dem Konzert im Underground widme, erst ein paar Informationen: 1977 wird King Khan unter dem bürgerlichen Namen Arish Ahmad Khan als Sohn indischer Einwanderer in Kanada geboren. Die Liebe bringt ihn Ende der 90er ans Ende der Welt - nach Kassel. Wahrscheinlich aus Verzweifelung darüber, dass in Kassel nur während der Documenta Kultur im Überfluss stattfindet, gründet er sein Band-Projekt King Khan and the Shrines, mit dem er Soul und Funkmusik der 50er, 60er und 70er mit psychedelischer Note wieder aufleben lässt. Irgendwann hält ihn dann aber doch nichts mehr in der "hessischen Metrople", er schlägt seine Zelte in Berlin auf und tourt mit seiner Band durch die halbe Welt. Weil dieser Mann aber anscheinend eine panische Angst vor Langweile hat, formiert er nebenbei noch die GarageRock-Band King Khan & the BBQ. Im Jahr 2007 veröffentlicht er eine Platte mit BBQ auch mit den Shrines die beiden Alben "Mr. Supernatural" und "What is?!" nur unter seinem Namen King Khan.
Durch seine ausufernden Tourneen und leidenschaftlichen Konzerte verfestigt sich mit der Zeit sein Ruf als Liveband par excellence, aber natürlich geht ein solches, stets auf höchster Flamme kochen, auch an die Substanz und so musste King Khan zwangsläufig zurückschalten, um wieder neue Kraft schöpfen zu können. In dem Song "Darkness", der sich auf der aktuellen, mittlerweile achten Platte "Idle No More" befindet, verarbeitet Khan diese dunkle Phase.
Aber wie man dieser Platte anhören kann, ist der Akku wieder vollgeladen, der Spaß ist zurück und King Khan und seine Shrines geben wieder Vollgas - mal sehen:
Eigentlich hatten wir nicht mit einer Vorband gerechnet, aber auf einem Tour-Plakat über dem Merchandise-Stand steht GOLDEN HELMETS und kurz vor 21 Uhr bestätigt sich die Vermutung, als die Band, die wir schon beim Warmspielen und Soundcheck erleben durften, die Bühne betritt.
Wunderbar krachender 60s-Garage-PunkRock wird uns da um die Ohren gehauen. Es ist laut, es ist nicht sehr virtuos, aber der Spaß, den die Band auf der Bühne hat, infiziert das Publikum. Die Texte sind alle so einfach gestrickt, dass man schon nach wenigen Sekunden den Refrain mitgröhlen könnte, was ich stellenweise sogar tue ; -). Sänger Johnny Kanone kann eigentlich gar nicht singen, aber er hat Temperament und kommt mit seiner Bühnenpräsenz sehr sympathisch rüber. Wir sind uns einig: "Mit diesem Herrn kann man bestimmt schön ein, zwei Bierchen trinken".
Kurz, die Köln/Solinger-Band ist ein perfekter Anheizer für den Khan und ich überlege mir sogar am 30. April zur angekündigten Release-Party (Die CD "Transatlantic" erscheint am 17.4) der Golden Helmets im Sonic Ballroom vorbeizuschauen.
Es ist schon fast 22 Uhr als sich die Bühne mit den Shrines füllt. Acht Mann, davon eine drei Mann starke Bläsergruppe stehen bereit, um dem König den richtigen Empfang zu geben. Als er erscheint, trägt er auf nacktem Oberkörper einen goldenen Kurzmantel, um seinen Hals liegt eine archaisch anmutende Knochenkette und er trägt einen Federschmuck, der nur Bühnen mit einer gewissen Deckenhöhe zulässt.
Erster Eindruck: James Brown wurde wiedergeboren. Wow, was Khan da mit seinen Stimmbändern zelebriert. Er knurrt, brüllt und schreit, dass der 2006 verstorbene Godfather Of Soul ganz sicher seine wahre Freude an ihm hätte. Bereits als zweiter Song kommt die Monsternummer "Land of the Freak" vom Album "What Is?! ". "Yeah, the land of the freak now baby, only enough for you and me. Ooooooh!" Das Publikum ist sofort bereit, dieses Land zu betreten, wird anfangs noch nur in den ersten Reihen getanzt und auf den hinteren Plätzen nur mit dem Arsch gewackelt, verwandelt sich im Laufe des Abends der Konzertsaal in einen zappelnden Tanzflur.
Stellenweise weiß man gar nicht, wo man hinschauen soll, so viel Bewegung ist auf der Bühne. Der Keyboarder unternimmt mitsamt seines Instrumentes Ausflüge ins Publikum, Khan mutiert zum allesfressenden Soul-Monster und die Bläser-Sektion, ebenfalls mit goldenen Umhängen bestückt, bläst sich die Lunge aus dem Leib.
Wer schon mal versucht hat, aus einem Blechinstrument einen Ton herauszubekommen, weiß, wie anstrengend das ist und ich frage mich, ob die nonstop Bläser der Shrines mit ihrer Backenmuskulatur nicht sogar Nüsse knacken können.
Ich kann wirklich nicht mehr nachvollziehen, welche Songs der Khan und seine Shrines dem Publikum alle um die Ohren gehauen hat, aber es war kein Durchhänger dabei, keine Nummer zum Luftholen (nein auch nicht "Darkness"), immer 100% volle Funk-Soul-Sixties-Psychedlic-Garage-Rock-Attacke!
Meine persönlichen Favoriten in dieser fulminanten Soul-Revue waren vor allem das schön schrammelnde "Bite my Tongue" vom aktuellen Album. Wer den wunderbar trashigen Clip mit Cape, Charme und ohne Melone noch nicht kennt, bitteschön:
Live auch noch ein Stück besser als auf Vinyl war "Luckiest Man" und natürlich das bei der Zugabe in überbordendem Fraunefumml und mit Langhaar-Perücke präsentierte "I wanna be a Girl". Très chic! Der Mann kann einfach alles tragen - sogar einen riesigen goldenen Stierkopf!
Am Ende dieses Abends sehe ich in unserer Gruppe nur zufriedene und glückliche Gesichter und das ein oder andere verschwitzte T-Shirt und ich weiß für mich ganz gewiss: "See you again King Khan!"
Dein treuer Untertan
Ö
Weitere Informationen über die unzähligen Seiten-Projekte von King Khan findet man unter: http://en.wikipedia.org/wiki/King_Khan_%28musician%29