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Sonntag, 1. Dezember 2013

MY WEEKENDER 2013 – Nachbericht zum Rolling Stone Weekender 2013

Zum dritten Mal hieß es für mich im November ab an die Ostsee an den Weißenhäuser Strand zum Rolling Stone Weekender. Wie immer ist es für uns Kölner bis nach dort oben in den hohen Norden ein weiter Ritt. Aber es scheint sich ja doch immer zu lohnen, denn schließlich ist unsere kleine musikalische Reisegruppe mittlerweile auf 10-Mann-Stärke angewachsen.

Wie jedes Jahr hat die liebe Deutsche Bahn wieder eine Überraschung für uns parat. Dieses Mal ist eine Großbaustelle am Essener Hauptbahnhof und je länger die um kurz nach 8 Uhr begonnene Fahrt in Richtung Norden dauert, umso schneller wird klar, dass wir unseren Anschlusszug in Hamburg auf keinen Fall erwischen. Leichte Panik macht sich breit, denn das erste Konzert JUNIP geht ja schon um 17:17 Uhr los!

Aber trotz des Bummelexpresses über Lübeck und gefühlte 10 000 unbekannte Zwischenstopps sind wir gegen 16:30 am Bahnhof in Oldenburg (Holst). Endlich! Wie immer ist der Lenz schon da (das örtliche Taxiunternehmen, welches von der unverwüstlichen V. immer weit im voraus gebucht wird), und so sind wir kurz vor fünf endlich auf dem Festivalgelände. Leider ist an der Information, wo man sich anmelden muss, gerade ein großer Andrang und bis wir die Zimmerschlüssel und Festival-Bändchen in den Händen halten, tickt dir Uhr erbarmunglos weiter. Gerade passieren wir die Elefanten am Badespaß, als die ersten Klänge von JUNIP aus dem Festivalzelt erklingen. Grrrrr, kann man die Bahn dafür eigentlich in Regress nehmen?

Also, nur rasch das Gepäck in die Appartements geworfen - die dieses Mal die perfekte Lage zwischen Rondell und Zelt haben - frisch Deo aufgelegt und ab geht es, um wenigstens noch ein paar Klänge der Schweden zu hören.

DER FREITAG

Das Zelt ist schon gut gefüllt! Weekend-Neuling B. und ich, die anderen mussten sich etwas länger frisch machen, kommen gerade noch rechtzeitig zu meinem JUNIP-Lieblingssong "Your Life your Call". Weiteren zwei Songs können wir noch lauschen, dann machen wir uns aber auf zum Rondell wo die Anderen bereits warten, um TELEMAN zu hören.

Das Rondell ist für mich und auch viele meiner Mitstreiter DIE Bühne, welche den speziellen Charme des Weekenders ausmacht. Intimer kann man Musik eigentlich kaum genießen. Unvergesslich bleiben die Auftritte von Howling Bells, To Kill a King und natürlich Reignwolf! Und so bin ich dieses Jahr gespannt auf die Londoner TELEMAN, die den musikalischen Reigen im Rondell eröffnen.

Zum Einstieg kommt der melodiöse PowerPop des Londoner Quartetts genau richtig. Als Musikinteressierte haben wir uns natürlich auf die Acts des diesjährigen Weekender vorbereitet und der Song "Cristina" ist nicht nur bei unserer Frau H. - die zufällig diesen Vornamen trägt - sondern auch bei allen anderen weit vorne. Kommt auch live, neben "Steam Train Girl" und "In your Fur" am besten.

Nach dem zweiten Bier (leider immer noch Warsteiner) fällt uns auf, dass der Weekender in einigen Punkten leider abgebaut hat. Schon beim Einchecken war uns der besonders hässliche und billige Plastikbeutel aufgestoßen. Ja, die Sparschraube am Willkommensgeschenk wird weiter angezogen, was auch der Inhalt belegt, der dieses Jahr genau genommen eigentlich nur noch aus Promomaterial besteht.
Und nun mussten wir feststellen, dass auch die Bierpreise gestiegen sind. Satte 4 Euro kostet in diesem Jahr der Becher (0,4l)! Da muss man schon schlucken, wenn man in einer 10er Runde Bier holen geht.



Next Station "Baltic Festsaal". Die holländische Formation BLAUDZUN füllt die Bühne im deckenniedrigen Saal fast komplett aus, wenn ich mich noch recht entsinne, sind acht Musiker auf der Bühne - darunter als besonderer Augenschmaus eine feurige rothaarige Violinistin ;-). Bei einer Band mit drei Alben im Rücken kann man ja schon etwas erwarten, aber dass sich BLAUDZUN als so großartige Live-Band entpuppt, hätte zumindest ich nicht gedacht. Chapeau!

Die Band ist hervorragend eingespielt und die Spielfreude der Musiker springt schon nach den ersten Songs ins Publikum über. Virtuos präsentiert BLAUDZUN mit seiner wunderbar weinerlichen Stimme seine melancholische Schönheiten wie "Heavy Flowers" und "Elephants". Ganz besonders beeindruckt die Liveversion von "We Both Know", das wegen der wunderschönen Pfeifeinlage natürlich postwendend in meine Whistle-Playlist wandert.



Nach dem ersten Highlight des Freitags geht es schnell rüber ins Festzelt, wo bereits die SHOUT OUT LOUDS mit ihrem fröhlichem IndiePop à la "The-Cure-in-der-Love-Cats-Phase" gute Laune verbreiten. Irgendwie ärgert mich die Timetable-Gestaltung schon, obwohl ich natürlich verstehe, dass man vermeiden will, dass die einzelnen Location zu überlaufen sind, aber von den Schweden hätte ich schon gern mehr gesehen, aber es war einfach unmöglich, den nöllenden Holländer früher zu verlassen. Egal, auf jeden Fall bin ich noch rechtzeitig vor Ort, um einen meiner Lieblingssongs "Tonight I have to leave it" mitzubekommen.

Als die poppenden Schweden ihren Gig fertig gespielt haben, heißt es schnell wieder rüber in den Baltic-Room, wo die alten Helden THEY MIGHT BE GIANTS aufspielen. Natürlich freue ich mich am meisten auf den schon jetzt in meinen Jahres-Charts für 2013 ganz weit oben rangierenden Song "You're on Fire"! Großartiges Stück mit ebenfalls großartigem Video!



Aber leider macht mir auch hier der enggestrickte Timetable wieder einen Strich durch die Rechnung, denn J. Masics und seine Dinos sind natürlich absolutes Pflichtprogramm und der Akt, auf den ich mich bei diesem Weekender am meisten freue. Aber zumindest bekomme ich noch den Klassiker "Istanbul" mit und da THEY MIGHT BE GIANTS mich live nicht wirklich einfangen können, folge ich dem Ruf der Dinos.

Zu Beginn des Jahres, als ich noch nicht ahnte, dass die Dinos zum Weekender kommen, war ich mit einem Teil aus unserer jetzigen Truppe bei grausigem Schneetreiben nach Antwerpen gepilgert, um DINOSAUR JR zu huldigen. Der Sound dort war großartig, aber das Publikum in Belgien kam nicht wirklich aus den Puschen. Mal sehen, wie die Rocksaurier heute überzeugen können.

Leider entpuppen sich die Dinos als die größte Enttäuschung des ganzen Festivals. Der Sound ist unterirdisch, so dass man Masics Vocals in den vorderen Reihen so gut wie gar nicht hört. Weiter hinten im Zelt ist es etwas besser, aber selbst bei "Watch the Corners" und "Freak Scene" springt kein Funke über. Die Band spielt ohne große Leidenschaft und kommuniziert so gut wie kein Wort mit dem Publikum. Ich bin so enttäuscht und frustriert, dass ich mir einige Biere zu viel gönne, was für den weiteren Verlauf des Abends leider Konsequenzen haben wird.



Desillusioniert versuche ich im heiligen Rondell bei MATTHEW E. WHITE mein Glück zu finden. Der baumhohe bärtige Amerikaner, der so wunderbar Country und Soul miteinander verbindet, lindert meinen Schmerz schon alleine durch seine unglaublich sympathische Aura. Die scheint mir so groß und liebevoll, dass ich mich frage, wie dieser Berg von Mann überhaupt durch den Eingang des Rondells gekommen ist.

Im Gegensatz zu den Dinos ist hier jemand am musizieren, dem man anmerkt, dass er sein Publikum mitnehmen will und natürlich funktioniert das im Rondell auch perfekt. Mein treuer Konzertbegleiter C. wird dermaßen vom spirituellen WHITE-Virus befallen, dass er den folgenden Tag gefühlte 10.000 Mal "Big Love" anstimmt.

Ich bleibe nicht ganz bis zum Schluss, weil ich eigentlich den großartigen ProgRocker STEVEN WILSON auch noch sehen will, aber dann scheint mich der Sauerstoff-Flash beim Verlassen des Rondells zu erwischen, denn ich kann mich nur noch sehr fragmentarisch an die nächsten Minuten erinnern. War ich bei Wilson? Ich weiß es leider nicht, aber ich meine, ich hätte auf jeden Fall noch ein paar feine Takte der PAPER BEAT SCISSORS im Witthüs vernommen!?



Irgendwann und irgendwie lande ich dann wieder im Festzelt, wo gerade der Headliner des Freitags SUEDE, die Dandys des BritPops ihr Unwesen treiben. Frontmann Brett Anderson, mit schwarzem weit aufgeknöpftem Hemd, weiß, wie man die Massen packt. Die Show ist gut und Gott sei Dank haben SUEDE ja auch Songs aus glorreichen vergangenen Zeiten im Programm, denn die meisten Stücke vom neuen Album "Bloodsports", wichtige Ausnahme "Sometimes I feel I float away", konnten mich nicht überzeugen.

Fazit des Freitags: Das überraschende Highlight für mich war BLAUDZUN . Die größte Enttäuschung des Abends DINOSAUR JR. Obwohl das LineUp dieses Jahr durchaus mit bekannteren Namen aufwarten konnte, fehlten die Knistermomente, die es beim letztjährigen Weekender zu hauff gab.

Nach SUEDE ging es dann natürlich schnurstracks zur After-Show-Party ins Witthüs. Y. und Ö hatten die Tanzschuhe geschnürt und waren sehr gespannt, ob der DJ derselbe wie im letzten Jahr sein würde und falls nicht, ob der Neue es auch schaffen würde, dass man ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man die Tanzfläche verlässt. Im letzten Jahr hatten wir kaum die Türe zur Indie-Disco geöffnet, da waren wir auch schon auf der Tanzfläche, in diesem Jahr dauerte es doch ein paar Songs länger.

Nein, der DJ war nicht schlecht, es kamen schon einige Indie-Klassiker, aber es fehlte doch an neuen zündenden Songs, wie z. B. das bereits erwähnte "You're on Fire" und die etwas härtere Gangart (Queens of the Stone Age, Rage against the Machine, etc.) wurde im Vergleich zum letzten Jahr doch deutlich weniger gespielt. Und wirklich und wahrhaftig kein einziger Song aus der Feder von Jack White!

Größtes Manko der diesjährigen IndieDisco, die ja immer als "All Night Long" gepriesen wird, war aber dass bereits um 4:30 Uhr Schluss war. Hallo geht's noch! Skandal! Und für einen Wodka-Red Bull 7,50 Euro ... Huuuuu.

So kam es also, dass wir dieses Jahr deutlich früher in die Falle kamen und am nächsten Tag relativ ausgeruht den nächsten Festivaltag angehen konnten.

Randbemerkung: Letztes Jahr hatten einige Künstler (No, To Kill a King, etc.) bei der After-Show-Party vorbeigeschaut, dieses Jahr konnten wir nur MATTHEW E. WHITE sichten. Umso erfreulicher, da ausgerechnet mit ihm niemand gerechnet hätte.

DER SAMSTAG

Traditionell beginnt der Samstag mit einem ausgiebigen Frühstück im Appartment unserer Damen. Die Damen können sich auch durchaus schon wieder sehen lassen und sie sind sogar schon wieder so fit, dass sie B., der als Ersterwachter für den Frühstückseinkauf zuständig war, spüren lassen, dass ein Frühstück ohne Teewurst eigentlich gar nicht geht ;-). Ich persönlich hänge nicht wirklich an dieser streichfähigen hochfettigen Wurst, aber Brötchen wären schon toll gewesen. Aber leider ist der EDEKA vor Ort mal wieder völlig überrascht von der großen Anfrage, so dass B. nach langem Anstehen in der Schlange nur schlabbriges Toastbrot und kerniges Knäckebrot als Beute mitbrachte. Zum Glück haben unsere Damen aber die gegen einen Dickschädel bewährte Hühnersuppe eingepackt und ich muss gestehen, das Zeug hilft einem wirklich beim auf die Beine kommen.

Nach dem Frühstück ist es 12:30, also leider schon zu spät, um beim Wolfsrudel vorbeizuschauen und auch die Verlosung für das Wohnzimmerkonzert mit den INTERGALACTIC LOVERS findet ohne uns statt. Da bleibt uns wohl wieder nichts anderes übrig, um etwas schwarzes Gold auf der Plattenbörse an Land zu ziehen.

Die Einkaufsmeile ist schon gut besucht, das Wetter bietet mit strahlendem Sonnenschein auch wahrlich genug Anlass, um frühzeitig die Federn zu verlassen und wie immer werden C. und ich auch sehr schnell fündig. C. ergattert eine feine Scheibe von Scott Matthew und ich kam nicht umhin, trotz des stolzen Preises von 25 Euro, mir die neue Mazzy Star einpacken zu lassen. Ach schön!

Als nächstes geht es zum Strand, wo einem die steife Brise immer schnell hilft, weiter aufzuklaren. Die Damen und B. beschließen bei diesem Wetter noch einen ausgiebigen Strandspaziergang zu machen, während es C. und mich in Richtung Hotel zieht, denn es ist ja Bundesliga!

Die Lounge des Hotels ist mittlerweile wirklich eine kleine Wohlfühloase, was man dem altbackenen Bau von außen natürlich in keinster Weise ansieht. Lediglich der Getränkeservice beim Fussballschauen ist zweitklassig, aber das passt ja, weil wir dazu das Spiel des FC sehen, der gegen die Übermannschaft aus Ingolstadt 0:1 verliert. Autsch, die Stimmungskurve von C. und J. hat sich deutlich nach unten bewegt. Mein Königsblaues Herz ist beruhigt, als wir zur Halbzeit die Fußball-Area verlassen, um endlich wieder der Musik zu fröhnen.0:2-Führung in Frankfurt beim Abstiegskandidaten, das sollte doch reichen - dachte ich.

Auf der Zeltbühne ist bereits der erste deutsche Act des diesjährigen Festivals am Start. GET WELL SOON ist das mittlerweile zur Band mutierte Musikprojekt des schwäbischen Sängers, Songschreibers und Multiinstrumentalisten Konstantin Gropper. Gropper liebt Pathos und schwelgerische Melodien. Auf dem letzten Album "The Scarlet Beast O'seven Heads" hat er es meiner Ansicht nach mit der Zuckerbäckerei etwas übertrieben, aber im Festzelt kommt der theatralische pompöse Sound sehr gut. Und wenn sich auf jedem Album so ein Stück wie "Roland, I feel you" fände, würde ich vielleicht noch zur Naschkatze mutieren.


GET WELL SOON - Roland I Feel You [Official Video] from btf on Vimeo.

Kurz vor Schluss machen wir aber die Biege, weil THE DODOS aus San Francisco als eine der lauteren Bands auf jeden Fall gesetzt sind. Das Duo beackert das Feld des IndieRock bereits seit 2005 und hat mittlerweile schon sechs Alben veröffentlicht, wobei in der Indie-Gemeinde vor allem das 2008 erschienene "Visiter" hohes Ansehen genießt. Die Band spielt live ziemlich ausgefuchst - das passt! Es wird gerockt und die in vielen Songs vorkommenden Breaks durch laute und leise Passagen garantieren die Aufmerksamkeit des Publikums. Nach geraumer Zeit fällt aber auf, dass sich viele Songs im Aufbau doch sehr schematisch ähneln und deshalb gibt es nur die Note gut statt sehr gut. Tipp: Live ruhig mal etwas riskieren - Stichwort Reignwolf.



Im Rondell erwartet uns JOSH RECORD. Schon als der Londoner in einer Art Schlafanzughose und mit schlufrig viel zu großem T-Shirt auf die Bühne tritt, hat er all meine Sympathien, weil absolut klar wird, dass hier gleich jemand spielt, der Musik machen möchte und auf Showeffekte und das dazugehörige Brimporium keinen Wert legt.

Beim Vorhören der Weekender-Acts war mir Josh nicht besonders aufgefallen, schöne Musik, aber etwas belanglos. Diesen Eindruck korrigiert Josh mit seinem Liveauftritt aber immens. Er spielt und singt mit einer Intensität, dass einem wohlige Schauer über den Rücken fahren und Songs wie "Bones" und der Mini-Hit "All for Love" eine ganz andere Gewichtung erhalten. Von Seichtigkeit und Belanglosigkeit keine Spur mehr! Ja, das ist wieder so ein Konzert im Rondell, welches sich für immer in mein kleines Hirn einbrennen wird. Vielen Dank JOSH und bleib bitte so wie du bist.



Zeit für eine Grillwurst. Aus dem Zelt tönt gerade "Geraldine", der einzige Song der schottischen Sozialdemokraten-Rocker von GLASVEGAS, dem ich etwas abgewinnen kann. Glücklicher Zufall nennt man das wohl.

Eigentlich wollte ich mir nun PHOSPHORESCENT anschauen, weil sich der Song "Ride on / Right on" sich zu einem meiner Favoriten entwickelt hat, aber noch unter dem Einfluss des hervorragenden Josh Record-Konzertes beschließe ich spontan erneut ins Rondell zu pilgern.

Im Nachhinein wundere ich mich darüber etwas, denn ich hatte die NIGHT BEDS in diesem Jahr bereits in Köln als Support für Stornoway gesehen und fand sie da zwar nicht schlecht, aber auch nicht wirklich überzeugend. Im Nachhinein betrachtet, war dieser Umschwung aber meine beste Entscheidung des Weekenders 2013.



Die NIGHT BEDS aus Nashville spielen Country-Folk-Pop-Rock, der hauptsächlich von der sanften und hohen Stimme von Winston Yellen, dem Frontmann der Band geprägt ist. Das klingt manchmal nach Band of Horses und manchmal eher in Richtung Chris Isaak. Wie schon beim Support von Stornoway fällt diese Hippeligkeit auf, die von Yellen ausgeht. Ständig zuckt sein Fuß im Takt, stellenweise ist das so laut, dass man es hört und irgendwie wirkt er wie ein Kind, das dringend Ritalin benötigt. In der ersten Hälfte des Konzerts sind wir zwar auch schon begeistert von den filigranen Songs ("22", "Borrowed Time", "Even if we try", und "Ramona" sind Kleinode die es zu entdecken gilt) und der glasklaren hochemotionalen Stimme Yellens, aber wir lästern auch über seine seltsame Art.



Dann etwa nach der Hälfte des Konzerts zieht einen Yellen immer mehr in seinen Bann und als er schließlich ins Publikum geht und ohne elektrische Verstärkung singt, erlebe ich den nächsten magischen Moment im Rondell. Frau H. ist sogar so ergriffen, dass sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten kann. Das kann man dann wohl als "Die wunderbare Wandlung des Mister Yellen" bezeichnen. Danke für die 100%ige Hingabe.

Nun zu THEES, der es mittlerweile soweit gebracht hat, dass er nicht mehr im Baltic-Saal, sondern auf der Zeltbühne spielen darf. Hemdsärmlig, wie der deutsche Bruce Springsteen, zeigt Herr Uhlmann im proppevollen Zelt bei seinem Heimspiel, wie man den Popstar geben kann, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Dieses Menscheln macht ihn auf der einen Seite so sympathisch, bringt aber immer die Befürchtung mit, dass es irgendwann zu viel des Guten wird und er sich in 10 Jahren auf Festivals mit den Toten Hosen oder gar Pur rumtreibt. Ich weiß ein schrecklicher Gedanke, aber das zweite Soloalbum unterstreicht diese These meiner Ansicht nach noch mehr.



Trotzdem ist das Konzert natürlich toll! Thees weiß eben wie es funktioniert, er agiert mit dem Publikum, erzählt kleine Anekdoten und mit Songs wie "&Jay-Z singt uns ein Lied" und "Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluß hinauf" hat er Songs im Programm, die man jetzt schon als Klassiker der deutschsprachigen Popmusik bezeichnen darf.

Also Herr Uhlmann bitte strafen Sie mich Lügner und legen Sie mit Album No.3 ein Werk vor, dass mir diese widerlichen Gedanken austreibt.

Als nächstes steht im Baltic-Festsaal THE TALLEST MAN ON EARTH auf dem Programm. Ich kenne und liebe einzelne Songs ("1904"), gestehe aber, dass ich mich bisher nie wirklich mit der Band beschäftigt habe. So bin ich also sehr erstaunt, dass THE TALLEST MAN ON EARTH gar keine Band ist, sondern ein Solokünstler aus Schweden (verdammt viele dieses Jahr), der gekonnt auf den Spuren des jungen Bob Dylan wandelt.



Der angeblich höchste Mann der Welt ist zwar nur 1,75 groß, aber wie er die Bühne füllt und mit welcher selbstbewussten Ausstrahlung er agiert, ist schon sehr beeindruckend - vor allem bei unseren Damen, die förmlich dahinschmelzen. Sehr gelungenes Konzert, dass mich dazu bringt, dass ich mir vornehme mich erneut in das Werk des Singer/Songwriters einzuhören und genauer auf die Texte zu hören.

Zurück im Zelt. Die hochdekorierten BritPop Legenden TRAVIS haben bereits alles im Griff. Sänger Fran Healy, natürlich mit dem typischen Hut auf dem Kopf, ist ähnlich wie Thees - man muss ihn einfach liebhaben. Die Songs vom neuen Album stehen natürlich im Schatten solcher Klassiker wie "Sing" und "Turn", was etwas schade ist, denn "Boxes" und "Moving" haben durchaus auch das Zeug dazu. Sehr reizend ist, wie Healy den größten Hit der Band ankündigt: "Beim nächsten Song haben wir manchmal das Gefühl als würden wir eine Coverversion spielen". Und natürlich ist "Why does it always rain on me?" auch das absolute Highlight dieses Konzertes. Der Refrain erklingt aus unzähligen bereits heißeren Stimmen und als Healey zum Hüpfen auffordert, bebt das ganze Zelt. Fein, fein, fein. Man kann ja auch kaum poetischer formulieren, dass man immer in der Scheiße landet.




Nun zu Frau SOPHIE HUNGER, die Schweizerin steht bei unsere Clique sehr hoch im Kurs und für nicht wenige ist ihr Auftritt der am sehnlichst erwartete. Kaum auf der Bühne macht sie aber schon Miese bei den Sympathiepunkten mit einem seltsamen Diss gegen den Baltic-Room. Hätte wohl lieber auf der Zeltbühne gespielt die Dame? Klar, der Festsaal mit seiner drückenden Decke ist nicht das, was man ein Juwel nennt, aber das tangiert doch nur am Rande, was zählt ist auf der Bühne.

SOPHIE, musikalisch über jede Kritik erhaben, wirkt als Person leider ziemlich arrogant auf mich. Das Konzert an sich ist perfekt, die Songs wunderbar ("Das Neue"!) und der Auftritt fehlerlos, aber leider auch klinisch und leblos. 2012 durfte ich in der Kölner Philharmonie Anja Plaschg, alias Soap & Skin live erleben und die Dame aus Österreich, die ja ähnliche Musik wie Sophie Hunger macht, schaffte es damals spielend nicht nur mein Hirn, sondern auch mein Herz zu fassen. Diese Erwartung konnte Sophie leider nicht erfüllen. Sehr schade auch, dass Sophie weder "LikeLikeLike", noch den "Walzer für Niemand" spielt :-(.



Da wir Frau Hunger bis zum letzten Ton unsere Aufmerksamkeit schenkten, ist der Haupt-Act des diesjährigen Weekender GLEN HANSARD bereits am Spielen. Im Zelt ist die Masse bereits völlig hingerissen vom irischen Barden, der seine Karriere mit einer Rolle in Alan Parkers Film "The Commitments" startete und durch den Film "Once" zu Weltruhm gelang. Hansard ist eins mit seiner Musik und seinen Mitmusikern, wie heißt es so schön: "Hier ist zusammengewachsen, was zusammen gehört". Ich hatte eigentlich erwartet, dass Hansard ein sehr emotionales balladenreiches Set spielen würde, aber er überrascht mich mit einem sehr souligen Auftritt, der mich in vielen Momenten wirklich an "The Commitments" erinnert. Was gibt es schöneres wie Erwartungen, die nicht erfüllt und trotzdem nicht enttäuscht werden! Danke Glen für einen bezaubernden Abend und weiterhin viel Glück und Erfolg auf deiner Reise durch tiefe Täler und sonnenbeschienene Gipfel.



Fazit des Samstags: Gleich mehrere Highlights (Josh Record, Night Beds, Glen Hansard) und kein wirklich schlechtes Konzert unterscheiden in diesem Jahr den Samstag deutlich vom Freitag. DAS IST WEEKENDER!

Natürlich ging es danach wieder in die IndieDisco, wo sich allerdings der Trend des Freitags fortsetzte. Der selbe DJ ist am Start und zu Beginn spielt er tatsächlich solch unerträglichen Mist wie Snap! / The Power. Irgendwann fängt er sich dann aber und wir tanzen natürlich bis zum Schluss, der leider wieder bereits um Punkt 4:30 ist. Für das nächste Jahr bitte unbedingt wieder längere Öffnungszeiten und einen DJ, der etwas mehr Eier in der Hose hat und auch mal weniger ausgelutschte Kamellen auflegt.

That's it. See you next year.
TschÖ



ROLLING STONE WEEKENDER | Aftermovie 2013 from FKP Scorpio on Vimeo.

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