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Montag, 24. August 2015

MONDAY TRAMPS / When Days Turned Hollow

Ach Gott München. Im Fußball groß (leider) und in Sachen Pop und Rock eher Diaspora. Eigentlich kommen interessante Bands aus Deutschland fast ausschließlich aus Berlin, aber diese neue Gitarrenband, die sich irgendwo zwischen Stones, Strokes und Kooks ansiedelt, könnte tatsächlich die bayrische Hauptstadt in ein neues Licht rücken.

Die MONDAY TRAMPS debütieren mit dem Longplayer "When Days Turned Hollow" auf erstaunlich hohem internationalen Niveau, und wenn ich es es nicht besser wüsste, hätte ich die Band irgendwo auf der britischen Insel, aber nie in Freising verortet.

Für die visuell orientierten Leser dieses Blogs sei auch noch erwähnt, dass Sänger Tom Appel, Gitarrist Tobias Riedl, Bassist Maxi Voormann und Schlagzeuger Max Blank auch so ausschauen, als wäre die Uhr stehen geblieben und BritPop noch immer in der Hochblütezeit. Mich persönlich stört das nicht, denn diese Zeit hat zu meiner musikalischen Sozialisation keinen unbeträchtlichen Beitrag geleistet und nichts ist im Moment schlimmer als die nächste Band, die deutsche Betroffenheits+ oder (B)anallyrik verbreitet und klingt wie alle deutschsprachigen Acts, die sich zur Zeit in den Charts tummeln.

Also ein Hoch auf die Nostalgie und eine Band, die Melodien feiert, Songwriting beherrscht, Harmoniegesänge zelebriert und nur in Sachen Dirtyness etwas nachlegen dürfte.

01. "Prelude My Baby": Kurzer sehnsuchtsvoller Song, der sich gemächlich von der akustischen Gitarrenballade à la Oasis zum psychedelischen Schwoffer à la Tame Impala entwickelt.



02. "Shoot The Moon": Ja, wegen der Stimme von Sänger Tom Appel könnte man auch Querverweise zu Björn Hans-Erik Dixgård von Mando Diao bilden, aber nach den letzten Veröffentlichungen der Schweden wäre das für die Monday Tramps ein unrühmlicher Vergleich ;-)

03. "Lullabies": Vom Ska und Off-Beat dominierter Song mit feiner Basslinie, der das Tanzbein zucken lässt und dem IndieRock-Tänzer ziemlich viel Saft aus dem Körper pressen wird.

04. "Kick Your Shoes Back": BritMunichPopBallade, die Mädchenherzen brechen wird und hartgesottene Jung nur hören, wenn sie ganz alleine im stillen Kämmerlein verweilen und sich heimlich der Romantik hingeben. Schon dick aufgetragen, aber die Jungs können Melodien.

05. "Dance With The Devil": Das Riff darf lange alleine hallen, ehe sich zum Gesang die ganze Band erhebt und den wunderschönen Popsong für immer in den Gehörgängen festklebt. Wahrscheinlich summen sogar Foxygen und Ezra Furman den Titel, denn die beiden wurden von den Münchnern zuletzt als Support unterstützt.



06. "Youngblood": Ach, die jungen Burschen machen einfach Spaß wie sie mit frischem Blut die alten Klischees aufpeppen, ohne in die Coverband-Falle zu tappen.

07. "This Town": Hier verlassen die Tramps die sonst beackerten Pfade und versuchen eher den amerikanischen Weg einzuschlagen. Deutlich belangloser als die anderen Songs, denn auf diesem Weg muss man die schlurfenden Sixties-Latschen dann schon deutlich schmutziger machen.



08. "Dont Let Me Know": Zurück in der Spur. Riff und raffinierte Gesangsmelodie inklusive feiner Tempowechsel könnten glatt aus der Feder von Ray Davies stammen. Irgendwie will ich bei fast jedem Song mitsingen, obwohl das nicht unbedingt meine Leidenschaft ist!

09. "Slightly Easier": Bei dieser Lagerfeuer-Ballade wird auch der letzte (weibliche)  Kooks-Fan das sinkende Schiff verlassen und das Poster von Luke Pritchard gegen das von Tom Appel austauschen. Lange nicht mehr so sanft gestrichenes Schlagzeug gehört :-)

10. "Hang On To Your Ego": Jetzt aber mal wieder die Jungs ins Boot, ääääh auf den richtigen Pfad holen. Appel kann auch Morrissey und Doherty! Und immer schön mit dem Kopf nicken!

11. "When Days Turned Hollow": Es bewahrheit sich wieder einmal, dass das Beste zum Schluss kommt. Gänsehaut-Feeling und der endgültige Beweis, dass der Frontmann der Monday Tramps über einen wunderschönen Tenor verfügt. Und soooo traurige Gitarren. Snief - Novocain for the Soul!

Am 06. August startete die Tragikomödie „About A Girl“ u.a. mit Heike Makatsch in den deutschen Kinos und auf dem O.S.T. wird auch ein Song der Monday Tramps vertreten sein. Der Film erzählt die Geschichte der 15-jährigen Charleen, einem ziemlich sonderbaren Mädchen, das ein Praktikum beim Bestatter macht, Fotos verendeter Tiere sammelt und ausschließlich Musik bereits verstorbener Musiker hört.

Story und Titel des Films hören sich ziemlich gut an und es wird sich zeigen, wer als erster die Charts entert: Film oder Platte. Nach Begutachtung des Filmtrailers gönne ich es der Platte aber deutlich mehr!



Donnerstag, 20. August 2015

NEW SONGS Vol. 104: YAST... DESTROYER ... TIJUANA PANTHERS ... BOY

YAST - My Dreams did finally come true [LP] ... DESTROYER / Poison Season [LP] ... TIJUANA PANTHERS / Poster [LP] ... BOY / We were here [LP]
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YAST - My Dreams did finally come true [LP]


Es scheint so, als wären nicht nur die Träume von YAST wahr geworden, sondern auch meine Wünsche dass es einer Band endlich mal gelingen möge, das Rotzige und die Gitarren von Dinosaur Jr mit der atmosphärischen Dichte von Ulta Vivid Scene zu verbinden. Was für ein Wall of Sound! Es ist gelungen und ich bin schlicht hin und weg vom Zweitling der Schweden aus Sandviken, einer Kleinstadt mit etwas mehr als 20 000 Einwohnern.

Yast gelingt es mit "My dreams did finally come true" einen Raum voll aus sphärischen psychedelischen Gitarrenwänden zu erschaffen, in welchem man sich bereits nach dem ersten Song "When you're around" so pudelwohl fühlt, dass man für immer hier einziehen möchte. Ich denke, ich werde wohl die Fenster zumauern, damit mich niemand mehr herausholt. Und Tschüss - Forever euphoric!

Anspieltipps: "Friends", "Förstår","How Many", "Sandviken", "I can steal any Song want" und natürlich "When you're around".

Das großartige Album erscheint am 18. September!


YAST - When You´re Around (Official Video) from Adrian Recordings on Vimeo.
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DESTROYER / Poison Season [LP]

"Kaputt" war vorgestern (2011), jetzt ist "Poison Season". Das Jetzt ist anders. Besser? Deutlich mehr orchestrale Wirkung und deutlich mehr Jazz steckt im neuesten Werk von Singer und Songwriter Dan Bejah, der sich trotzdem oder eben deshalb weiterhin schwer in Schubladen stecken lässt.

Nimmt man zum Beispiel einen Song wie "Dream Lover", kann man durchaus anmerken, dass vielleicht weniger mehr gewesen wäre, aber dann wäre es halt kein echter DESTROYER-Song. Wenn sich seine Kompositionen an den Pop schmiegen, dann halt immer in geradezu ekstatischer Manier. Ebenfalls in manisch-depressiver Ekstase befinden sich auf "Poison Season" die Instrumente Saxophon, Trompete, Flöte und Geige, womit klar sein dürfte, welch ein Husarenritt dem Zuhörer abverlangt wird.

Schon "Kaputt" fand ich ein ziemlich tolles Ding als Untermalung, um Liebe zu machen, aber im Vergleich zeigt Bejah nun auf "Poison Season" den ganzen einzigartigen Kosmos des Kamasutras und "Kaputt" war doch nur netter Blümchensex. ABER: Achtung vor den Tempowechseln!





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TIJUANA PANTHERS / Poster [LP]

Das vierte Album der kalifornischen Band TIJUANA PANTHERS erscheint am 28. August und ist vollbepackt mit gut gelauntem SurfPunk, der so klingt, als hätte man The Coral gezwungen, ein Album mit nur einer Gitarre und innerhalb von zwei Stunden aufzunehmen.



Wer also auf LoFi-Sounds und psychedelische mit Sixtieseinflüssen beladenen schwungvolle Nummern steht, wird bei Songs wie "Set Forth", "Front Window Down", "Right and Wrong" oder ganz besonders beim ziemlich spooky klingendem "I hate Saturday Nights" den Cowboyhut aus dem Schrank holen, das Surfbrett unter die Arme klemmen und in den Sonnenuntergang reiten.

Es kotzt mich gerade wieder an, dass die Videos "in Deutschland leider nicht verfügbar" sind- For f***'s sake!


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BOY / We were here [LP]

So nun erscheint sie heute also endlich die neue Platte von BOY alias Valeska Steiner und Sonja Glass. Vor kurzem habe ich ja bereits einige Andeutungen zum Album gemacht und nun wie versprochen Klartext. Also, was geht bei "We were here"?

Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, von wegen kein Hit wie "Little Numbers", denn je öfter mir - natürlich auch im Radio -  der Titelsong des Albums eingeflößt wird, desto mehr wird klar, dass ich mich da etwas weit aus dem Fenster gelehnt habe. Ich behaupte hier und heute, wäre dies ein Song von einem Debütalbum, würde er genauso durchstarten wie einst die kleinen Zahlen.



Auch die anderen Nummern des Albums zeigen ihr Hitpotential, wie es sich für gute Popmusik gehört, je öfter man sich ihnen hingibt. Vielleicht setzt man aber auch anfangs aufgrund der vorhergehenden Erfolge die Maßstäbe einfach zu hoch, so dass man gar nicht merkt, wie lustvoll "We were here" (das Album) ist, welche Funken es versprüht ("Hit my Heart") und wie perfekt der Pop (bestes Beispiel "Hotel) der beiden Damen eigentlich ist. Wahrscheinlich erhält er diese Leichtigkeit, weil er auch nicht ganz anderes sein will.



Es scheint so, als habe ich mich wegen des großen Erfolges im Mainstream etwas vor dem neuen BOY-Album gefürchtet, aber die beiden netten Damen haben mich trotzdem problemlos wieder eingefangen - bin ja auch zu alt und erfahren, um solche Spielereien mitzumachen. Fein, fein ;-)


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Freitag, 14. August 2015

LUNA SOL / Blood Moon

Fangen wir dieses Mal doch damit an, was diese Platte nicht ist. "Blood Moon" ist kein epochales Meisterwerk, dafür enthält sie viel zu viele Dinge, die man in der Rock-History schon unzählige Male gehört hat. In den Bestenlisten der hippen Musikmagazinen, die alles abfeiern, was neu klingt, bleibt LUNA SOL demnach dieses Jahr außen vor.

In diversen Fachmagazinen dagegen wird es dieses formidable Stoner-Brett, geschaffen von David Angstrom (früher Mitglied bei Hermano und Superfuzz) & Mannen, in einige Listen für 2015 schaffen.

Bisher verdiente sich Gitarrist Angstrom bei oben genannten Bands seine Sporen, aber 2012 hatte er die Faxen dicke und zog los, um endlich sein eigenes Ding zu machen. Er verließ die hügeligen Ebenen von Kentucky, machte sich auf in die Rocky Mountains von Colorado, warf alles unnötige (Metal, Alternativ Rock, Punk, etc.) über Bord, um ein 100%iges StonerRock-Album aus dem Fels zu meißeln. An seiner Seite fanden sich Shanda Kolberg (Guitar, Vocals), Shannon Fahnestock (Bass, Vocals) und Drummer Pat Gill und LUNA SOL war geboren.

Zusammen mit illustren Gästen aus der musikalischen Vergangenheit Armstoms eingespielt - John Garcia (Hermano, Kyuss) singt bei "December", Dizzy Reed von Guns n' Roses spielt auf "Your War" die Hammond-Orgel und Nick Oliveri (Queens of the Stone Age) spielt den Bass bei "Pretty Rotten" - legt das Quartett nun am 11. September das Debütalbum "Blood Moon" vor, in welches ich mich schon ausgiebig einhören durfte.

Der steinige Weg beginnt mit "Bridges". Die Drums scheppern, die Gitarren brummen tief, die Riffs und Hooks sitzen und immer wieder sorgen kleine Breaks oder Solis für Abwechslung. Die mehrstimmig vorgetragenen Vocals verspritzen fast so viel Gift und Galle wie bei Glenn Danzig - da wäre eigentlich auch mal wieder ein echtes Lebenszeichen fällig.

Bei der nächsten Nummer "Death Mountain" wird es düsterer, klar hier geht es auch nicht um die blauen Berge, diese Berge sind gefährliche Giganten! Greg Martin von den Kentucky Headhunters an der Slidegitarre!




Der dunkelste Monat des Jahres "December" muss als nächster Songtitel herhalten. Wer bei diesem Riff an Weihnachten denkt, der hat Matsch in der Birne. Ein eisiger Monat, bei dem John Garcia die ganze Gefährlichkeit, die er zur Verfügung hat, in seine Stimme legt und die Gitarren sämtliche Wälder der Rocky Mountains niedersägen. Darkness all around you!

Während bei den ersten drei Nummern der Groove und die Riffs dominieren, kommt bei "Leadville" der melodiöse Refrain - bei dem die weiblichen Vocals von Shanda Kolberg oder Shannon Fahnestock erstmals deutlich auffallen - ganz besonders zu tragen und in den leisen Passagen darf doch tatsächlich ein Banjo mitspielen!



"Pretty Rotten" ist ein Tribut an die Metal-Vergangenheit des Bandgründers. Hier wird schlicht und einfach gerockt bis die Hütte brennt und wieder fällt auf, wie gut sich die weiblichen Vocals im Zusammenspiel mit den männlichen Gesangsparts machen. Bei "Operator" wird die Brücke zur Ballade geschlagen, die Vocals sind weich und sehnsuchtsvoll, die Gitarren dürfen länger klingen und den Schmerz durch die Wüste tragen. Fettes schmutziges altbackenes wunderbares Gitarrensoli inklusive.



Luft holen für 15 Sekunden, dann nimmt "Standley Lake" Fahrt auf. Brillante Tempi-  und Stimmungswechsel. Könnte meine Lieblingsnummer auf dem Album werden, aber da lege ich mal nach 4x hören lieber mich noch nicht fest. Sehr bluesig startet "Your War", aber der Schein trügt, denn kaum fängt man an das Gitarrenbrett zu vermissen, bekommt man es auch schon wieder um die Ohren gehauen, so dass man die von Dizzy Reed gespielte Orgel meist nur als großes Ganzes wahrnimmt.

Der letzte Song auf "Blood Moon" ist "In The Shadows", ein minimalisitisches düsteres Duett zwischen männlicher und weiblicher Gesangsstimme (wer singt lässt sich leider dem Booklet nicht entnehmen), das sich zum Schluss zu einem Guns n' Roses-Queen-Hybrid aufplustert. Feines Finale! Feine Platte! Fein, fein!

Montag, 10. August 2015

NEW SONGS Vol. 103: NEW ORDER ... SLEAFORD MODS ... COCOROSIE ... PUBLIC IMAGE LTD

NEW ORDER / Restless ... SLEAFORD MODS / Key Markets [LP] ... COCOROSIE / Un Beso ... PUBLIC IMAGE LTD / What the world needs now ... [LP]

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NEW ORDER / Restless


Die Legende meldet sich zurück. Das letzte Album "Lost Sirens" liegt schon zwei Jahre zurück und im Rückblick war das aus Outtakes vom 2005er Album „Waiting For The Sirens Call“ bestehende Werk sicher nicht das beste Album der Band aus Manchester. Mit dem Longplayer Nummer Zehn "Music Complete" soll nach den überstandenen Bandauflösungserscheinungen im Jahr 2007 wieder an große Zeiten angeknüpft werden.

Die erste Singleauskopplung "Restless" klingt sehr vielversprechend, absolut catchy, typisch nach NEW ORDER, und nährt somit die Hoffnung, dass tatsächlich wieder ein Album die Güteklasse von "Get Ready" (2001) erreicht.


'Restless' is the first single from New Order's upcoming album,
Music Complete out September 25th on Mute
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SLEAFORD MODS / Key Markets (LP)

Der Hals ist noch immer dick! Der nächste Schlag in die Fresse beginnt mit hooliganartigen Schlachtrufen beim Song "Live Tonight".

Die hochgeschätzten Wutbürger* SLEAFORD MODS nehmen erneut kein Blatt vor den Mund und prangern wie gehabt zu minimalistischen harten Beats - Respekt an Andrew Robert Lindsay Fearn - die Übel unser Zeit an: Wirtschaftspolitik, die den einfachen Bürger aus den Augen verliert oder die Orientierungslosigkeit des Einzelnen im Gewirr der 1 000 000 Möglichkeiten.

Wie wichtig diese Band z. Z. ist, zeigt, dass immer mehr Künstler (als Beispiel höre man sich Leftfields neues Album "Alternative Light Source" an oder ein paar Zeilen weiter die Rezension zum neuen PiL-Album) sich am Sound-Style der Sleaford Mods orientieren oder sie sogar ins Boot holen (Prodigy feat. Sleaford Mods). THIS F***ING-TIME IS SLEAFORD-TIME!

Anspieltipps sind Blödsinn - es zählt das Gesamtwerk! Freue mich riesig auf den Auftritt der beiden beim Rolling Stone Weekender und hoffe die Herren Williamson und Fearn bei der After-Show-Party in der Indie-Disco auf ein Bier einladen zu können. FUCK OFF!

*mit den meisten dieser Art möchte ich mich aber nicht solidarisieren.


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COCOROSIE / Un Beso

Die verstrahlten Schwestern Sierra und Bianca Casady lassen erste Töne vom voraussichtlich im Herbst erscheinenden sechsten Album "Heartache City" hören. Der in einer Live-Version auf Soundcloud veröffentlichte Track "Un Beso" wurde wieder mit der überbordenden Vertracktheit, die den Schwestern anheim liegt, ausgestattet. Alles was nicht schnell genug auf Bäume flüchten kann, dient als Musikinstrument oder wird aufgenommen und als Sample verarbeitet, um in den unvergleichlichen Electro-Folk-Nerd-Elfen-Pop von COCOROSIE integriert zu werden.

Auf "Un Beso" (dt. ein Kuss) hört man allerdings im Vergleich zu den letzten Alben wieder sehr klar eine Melodie, was Hoffnung macht, dass die Schwestern ihre Kreativität wieder besser im Zaum halten und ihre Musik so deutlich zugänglicher machen. Das ist nicht immer gut, im Falle von Cocorosie aber schon.




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PUBLIC IMAGE LTD / What the world needs now ... [LP]

Braucht die Welt wirklich ein neues Album von PUBLIC IMAGE LTD? Hat der alte zornige Sack John Lydon trotz spiesiger Augengläser noch Feuer unterm Hintern?

Die ersten Zweifel räumt der Albumopener "Double Trouble" spielend beiseite. Der Songanfang klingt verdammt nach Sleaford Mods, verlässt aber ziemlich schnell deren minimalistische Soundausrichtung, um die Schimpfwortkaskade von Lydon mit ordentlicher Gitarren-Wucht (Robert „Lu“ Edmonds) auszustatten. Auch Schlagzeuger Bruce Smith, der Anfang der 80er bei The Slits die Felle beackerte und bei PiL 2009 sein Comeback feierte, hat an dieser kraftvollen Nummer bestimmt seine helle Freude.

Leider bleiben nicht alle 11 neuen Songs des Albums auf diesem hohen Energielevel, aber Lydons einzigartiger Gesangsstil macht auch aus kompositorisch eher schwächeren Nummern (C'est la Vie") einen Hinhörer und "What the world needs now ..." ist wirklich verdammt abwechslungsreich.

Es gibt einen Song namens "Big Blue Sky", der Dub und Bombast-Rock à la Queen in sich vereint, was schier unmöglich scheint. Eine für PiL untypische Nummer ist "The One", weil man die Band wahrscheinlich noch nie so melodiös und gutgelaunt vernommen hat. Der absolut gegensätzliche Song ist "Corporate", bei dem maschinelle Hintergrundgeräusche und eine sägende Gitarre eine sehr düstere und gefährliche Atmosphäre schaffen. Auch eine Art Minimal-Electro-Nummer hat Lydon mit "Shoom" auf das zehnte Bandalbum gebracht und dieses Stück verrät zum Schluss des Albums auch, was nach Lydons Anischt die Welt jetzt braucht - und da schließt sich wieder der Kreis zu den Sleaford Mods :-). FUCK OFF!

Das Album erscheint am 4. September und im Oktober wird die Band dann nach 28 Jahren (zuletzt war die Band im Oktober 1987 in München zu sehen) zum ersten Mal wieder Konzerte in Deutschland spielen. Mannheim, Ludwigsburg, Berlin und Bochum dürfen sich freuen!


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Montag, 3. August 2015

NEW SONGS Vol. 102: BOY ... JAILL ... HERE WE GO MAGIC ... HOLLY HERNDORN

BOY / We were here ... JAILL / Getaway ... HERE WE GO MAGIC / Falling ... HOLLY HERNDORN / Platform [LP]

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BOY / We were here


Da sind die beiden bezaubernden German*-Girls wieder, die mit "Little Numbers" 2011 (Aktuelle Zählerstand auf YouTube bei 14 590 313) sogar Japan im Sturm eroberten. Fette vier Jahre hat es gedauert bis mit "We were here" am 21. August endlich der Nachfolger des unglaublich erfolgreichen Debütalbums "Mutual Friends" erscheint.

Ihre neue musikalische Heimat haben Valeska Steiner und Sonja Glass, alias BOY,  auf Herbert Grönemeyers Label Grönland gefunden, wo Labelchef Herbert die Damen wohl ohne Druck arbeiten lies, denn bei einem BigPlayer hätte man wohl keine vier Jahre am Zweitling basteln dürfen.

Aber ob mit oder ohne Druck, das zweite Album entscheidet, ob es weiter Konzerte in großen Hallen geben wird oder ob das Duo sich wieder in kleiner Konzertstätten zurechtfinden muss - was mir als Konzertfreund von kleine Locations sehr entgegenkommen würde, was aber nicht heißt, dass ich den beiden Damen nicht weiter Erfolg wünsche ;-).

Der erste Song, dem die wartende Fangemeinde nun lauschen darf, ist, der dem Album dem Namen gebende Song, "We were here", der stilistisch da anknüpft, wo Boy auch bisher beheimatet waren: Qualitativ hochwertiger Songwriter-Pop mit Gänseblümchen-Charme - das meine ich nicht disrespektierlich - der im Gegensatz zum Hit "Little Numbers" aber die melancholische Note in der Dosierung etwas nach oben setzt.

Als "Auserwählter" durfte ich schon das ganze Album hören, musste aber, auf einen Verschwiegenheitsbutton in der Promomail klicken. So viel sei aber schon vor dem 21.8. verraten:

- Was auf die erste Single zutrifft lässt sich auch auf das Album übertragen.

- Einen Mega-Hit kann ich nach dem zweiten Hören noch nicht ausmachen.

- Es gibt diverse Songs, die zeigen, dass die Touren durch Japan und die USA die Damen beeinflusst haben. Musikalisch und textlich.

Mehr dann ab dem 21ten August ...

* eigentlich handelt es sich um eine Deutsch-Schweizer-Freundschaft, denn Sängerin Valeska Steiner studierte zwar in Hamburg, ist aber gebürtige Schweizerin. Also sorry an die lieben Eidgenossen ;-)




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JAILL / Getaway

Seit 2002 gibt es die aus Milwaukee stammende IndieRock-Band JAILL bestehend aus Vincent Kircher, Austin Dutmer und Andrew Harris. Der IndieRock des Trios wildert vorwiegend in den Sixties, egal ob dabei Surf oder Psychedelic-Elemente herhalten müssen, aber ähnlich wie bei The Coral aus England ist des Pudels Kern die poppige Melodie.



Mit "Brain Cream" erschien nun das vierte Album des Dreiers und wie die erste Singleauskopplung "Getaway" beweist, kann man der Band durchaus Hitpotential attestieren, denn vom Songwriting scheinen die Herren sehr wohl etwas zu verstehen. Da bin ich übrigens bei weitem nicht der Erste, dem dies auffällt, alldieweil Smiths-Legende Johnny Marr  sich bereits seit geraumer Zeit als Fan outete - was wiederum nicht wundert, da diese Amerikaner very britisch klingen.

Anspieltipps auf "Brain Cream": "Just A Lovely Day", "Getaway", "Got an F", "Look at You" und "Chocolate Poison Time".


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HERE WE GO MAGIC / Falling

Der Titel täuscht, bei "Falling" geht es nicht um einen Absturz im negativen Sinne, sondern um den glückseligen Taumel, in den man verfallen kann, wenn man sich Hals über Kopf verliebt.

Die euphorische ProgPop-Hymne, die sich Luke Temple von  HERE WE GO MAGIC aus N. Y.  ausgedacht hat, passt sehr schön zur inhaltlichen Thematik und die anfangs zögerlichen und dann ausufernden Instrumental-Solis vermögen wirklich beim Hören etwas Schwindel zu erzeugen - some kind of Magic ;-)

Das neue Album "Be Small" erscheint am 15. Oktober.


Here We Go Magic - "Falling" (Official Video) von scdistribution
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HOLLY HERNDON / Platform [LP]

Bereits seit Mai auf dem Markt ist HOLLY HERNDONs Album "Platform". Weil ich die wirklich außergewöhnliche Electronic-Scheibe erst jetzt entdeckt habe und diese musikalische Sparte in diesem Jahr bisher etwas vernachlässigt war, komme ich nicht umhin, den dritten Longplayer der Dame nun vorzustellen.

Aufgewachsen ist Holly in Tennessee, verließ dann als Teenager die Staaten und lebte in Berlin, wo sie tief in die dortige Electro- und Technoszene eintauchte. Als sie in die Staaten zurückkehrt, beginnt sie in Oakland unter namhaften Dozenten (u. a. Fred Frith) Electronic Music zu studieren. Sie promoviert schließlich an der renommierten kalifornischen Elite-Universität Stanford und veröffentlicht auf eigene Faust 2011 das Album "Car". Als Medium wählte sie die Kassette, weil der Track explizit für das Hören in einem Auto konzipiert wurde. Das Album besteht aus einem Stück, welches 47:55 Minuten lang ist und für 99% der Bevölkerung dazu führen dürfte, dass die Autofahrt frühzeitig beendet wird.



2012 erscheint dann auf RVNG Intl. ihre wirkliche erste Platte "Movement", auf der sie die Phase der Destruktion und Experimentalmusik  bereits deutlich hinter sich gelassen hat. Sie experimentiert zunehmend mit der menschlichen Stimme und ummantelt ihre Soundcollagen mit technoiden Beats und Melodiesträngen, die aus der Popmusik entspringen.



Auf "Platform" gesellt sich zur computerverfremdeten Stimme nun ein wahnwitziger Geräuschekosmos, der den Weg in das Laptop von Holly Herndon fand, dort gefiltert, selektiert und präpariert wurde und nun in zehn neuen Trax eine völlig neue ungehörte Verwandlung erfuhr.

Manche Trax schmerzen, kaum einer ist das, was man normales Ohrenfutter nennt, und doch sind sie zugänglicher als noch auf "Movement" - vermeintlich, weil die Strukturen der Songs offener liegen.



Herndorn macht Musik für die Zukunft - die Zukunft zwischen Mensch und Maschine, die unfraglich weiter auf dem Vormarsch ist. So bezeichnet sie den Song "Home" als Trennungssong, allerdings nicht im Bezug auf die Trennung einer zwischenmenschlichen Beziehung, sondern bezogen auf das durch die NSA-Abhöraffäre gestörte Verhältnis zwischen ihr und ihrem Laptop. Ja crazy, aber sonst käme man ja auch nicht auf die Idee die Software eines Freundes für einen Song ("Chorus") zu benutzen, der Browserdaten im Netz aufzeichnet und in Audiosignale umwandelt.



Wer vorstoßen möchte in Klanggalaxien, die nie zuvor ein menschliches Ohr in dieser Form wahrgenommen hat, dem sei "Platform" also wärmstens empfohlen.

Weissagung des Ö: Wenn es in nächster Zeit einer Electronic-Sounds-Künstlerin gelingt, wie einst Laurie Anderson, die Charts zu stürmen, dann Holly Herndon.

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