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Freitag, 28. November 2014

NEW SONGS Vol. 74: JONAS ALASKA ... BRUCH ... MARMOZETS ... BEAR's DEN

JONAS ALASKA / If only as a Ghost ... BRUCH / My Name should be Trouble (LP) ... MARMOZETS / Why Do You Hate Me? ... BEAR's DEN / Above the Clouds of Pompeii

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JONAS ALASKA / If only as a Ghost


Passend zu den ersten Nachtfrösten etwas Wärmendes aus Skandinavien. In seiner Heimat Norwegen wurde der Singer/Songwriter JONAS ALASKA bereits 2011 als "Best New Act" ausgezeichnet. In den deutschsprachigen Ländern erscheint nun am 20.02.2015 auf popup-records eine Compilation seiner beiden in Norwegen veröffentlichten Alben "John Alaska" (2011) und "If only as a Ghost" als offizielles Debüt-Album.

An welchem großen amerikanischen Songwriter sich Jonas Alaska orientiert braucht man nicht wirklich in Worte zu fassen, zu augenscheinlich und vorallem hörbar sind die Parallelen. Wahrscheinlich bekommt Jonas deswegen öfters die "Alles-schon-gehört"-These um die Ohren gehauen, aber wenn man die Ressentiments über Bord wirft und dem Songwriter lauscht und zuhört wird man sich schnell eines besseren belehren lassen, denn sein melancholischer Americana/Folk-Pop ist von höchster Intensität.




Jonas Alaska - I Saw You Kid (Official Music Video) from Haaland, Eidsvåg & Strøm on Vimeo.

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BRUCH / My Name should be Trouble (LP)

Klingt wirklich wie Elvis in den fetten Jahren oder wie der Belgier Daan, kommt aber mal wieder aus der österreichischen Hauptstadt vom wunderbaren Indie-Label Totally Wired Records.

Hinter BRUCH steckt Phillip Hanich der auch als bildender Künstler eine ziemlich gute Figur abgibt. Live, so konnte ich herausfinden, wird er von vier weiteren Musikern unterstützt, ob man Bruch also als Band oder Soloprojekt einordnen darf, bleibt offen. Musikalisch ist das Album "My Name should be Trouble" ein spannender Ritt durch die Geschichte von Rockabilly, Country (im weitesten Sinne) und Post-Punk, der mal an Helden wie Suicide ("Attention Addicts", "Like I am, "Sugary"), Sister of Mercy ("The Devil on my Back"), Devo ("Chemicals")  oder an eingangs erwähnte Herren erinnert.

Gewünscht hätte ich mir noch mehr solche Nummern wie "Take me Home Vienna", meinem absoluten Favoriten, oder "Waking Paradox" und "Wrap me up", aber das ist wirklich jammern auf hohem Niveau und letztendlich Geschmackssache, weil gut sind alle 12 Songs! Meine Platte des Monats!



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MARMOZETS / Why Do You Hate Me?

Nach Norwegen und Österreich ein Doppel-Geschwister-Paar aus der Heimat des Pops. Die Band ist blutjung, kommt aus der Grafschaft Yorkshire und lebt insbesondere von der rotzigen voluminösen Krawallstimme von Sängerin Becca Macintyre, die Madame Courtney Love schon fast das Wasser reichen kann. Mit dem Debütalbum "The Weird and Wonderful Marmozets" gelang den Engländern in der Heimat der direkte Einstieg in die UK-Charts auf Rang 25.

Im gestriegelten offiziellen Clip wirken die MARMOZETS leider etwas aufgeblasen, aber beim diesjährigen Festival in Glastonbury gefällt mir das Ganze schon besser. Das Album wird zeigen ob die Band nachhaltig in Erinnerung bleibt. Believe the Hype?


Marmozets -- Why Do You Hate Me? - MyVideo
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BEAR's DEN / Above the Clouds of Pompeii

Zurück zum Folk, aber wir bleiben in England. Die Band mit dem seltsamen Namen BEAR's DEN stammt aus London, besteht seit 2012 und ist ein Trio bestehend aus Andrew Davie, Kev Jones und Joey Haynes. Alle drei verfügen über veritable Vollbärte wie es sich für echte Folker gehört und natürlich machen sie auch die dazu passende Musik, die man zwischen Mumford & Sons und The Lone Bellow ansiedeln kann.

Im meist ungemütlichen Februar 2015 kommt die Band für drei Konzerte nach Deutschland (Hamburg, Köln und München), wer also schon jetzt richtig buchen will, um über die kalte Jahreszeit zu kommen, der macht mit Bear's Den bestimmt keinen Fehler.


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Freitag, 21. November 2014

NEW SONGS Vol. 73: PARKAY QUARTS ... BANDOBRANSKI + NORDMARK ... HOMEBOY SANDMAN ... PRINS OBI

PARKAY QUARTS / What's your Rupture? ... BANDOBRANSKI + NORDMARK / My Head My Ruin ... HOMEBOY SANDMAN / Refugee ... PRINS OBI / Weekend Lovers

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PARKAY QUARTS / What's your Rupture?


Who the fuck are the PARKAY QUARTS? Keine Frage ist einfacher zu beantworten als diese. Man tausche ein paar Buchstaben, werfe diese in den Mixer und schon weiß man, wer hinter diesem seltsamen Bandnamen steht. Richtig, die hier schon des öfteren gefeierten Parquet Courts aus New York City.

Anfang des Jahres haben diese noch das sehr gelungene Album "Sunbathing Animal" herausgebracht und nicht mal 6 Monate später, also unter einem Pseudonym, das nächste Ding. Und warum unter anderem Namen? Gute Frage, nur weil nicht alle Bandmitglieder an Bord sind? Die Mucke ist zwar nicht ganz so punkig wie bisher, dafür gibt es mehr NoiseRock (z. B "The Map"), aber die coole leicht rotzige Stimme von Sänger Andrew Savage erkennt man sofort und den ein oder anderen Song ("Pretty Machines", "Slide Machine") hätte man definitiv auch problemlos auf ein reguläres Parquet Courts-Album packen können.

Ach freuen wir uns einfach über mehr neuen Stoff von den Jungs und die x-te Cover-Nummer von Nancy Sinatras "These Boots Are Made For Walkin'".

Bester Song: "Content Nausea" - ein bisschen Sleaford Mods auf amerikanisch ;-)


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BANDOBRANSKI + NORDMARK / My Head My Ruin

Endlich mal wieder etwas Feines aus dem Elektroniklabor. Filmemacher Marko Bandobranski und der Musiker Per Nordmark stammen aus Stockholm und lassen auf dem Track "My Head My Ruin" die Vocals von Kicki Halmos einsingen, die zur Zeit mit Lykke Li auf Tour ist.

Der Song ist eine düstere melancholische Nummer, atmosphärisch durchaus mit Portishead vergleichbar, die mich sehr neugierig macht auf das Debüt-Album von BANDOBRANSKI/NORDMARK für das bisher noch kein Erscheinungstermin feststeht.


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HOMEBOY SANDMAN / Refugee

HipHop-Acts sind auf Rock-n-blog wirklich spärlich vertreten, was nicht darin liegt, dass ich mit dem Genre nichts anfangen kann, sondern dass es kaum noch interessante Veröffentlichungen gibt!

HOMEBOY SANDMAN ist interessant, nicht nur wegen der vorzüglichen Single "Refugee", sondern auch weil sich auf seinem fünften Album "Hallways" weitere exzellente Tracks befinden, die zeigen , wie man mit etwas in der Birne schneidende Lyrics rappen kann, ohne über die üblichen Klischees zu stolpern. Und das Beste, dem New Yorker ist es auch scheißegal ob er über Beats, Gitarren, Brass-Sounds oder sonst etwas rappt - HE GOT THE FLOW!


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PRINS OBI / Weekend Lovers

Ein singender Zahnarzt ist mit für das schlimmste musikalische Erbe der 90er verantwortlich, was kann also ein griechischer Apotheker erst für das aktuelle Jahrzehnt bedeuten? So, nachdem die schrecklichsten Befürchtungen geschürt sind darf ich versichern, bei George Dimakis, alias PRINS OBI, nicht verwandt oder verschwägert mit der bekannten Baumarktkette, sind derartige Befürchtungen völlig unbegründet!

Mit seiner Stammband Baby Guru hat er bereits drei Platten veröffentlicht und es auch schon in die Rock-n-Blog New Songs geschafft, als Solokünstler folgte vor knapp einem Jahr die EP "Love Songs for Instant Success" und nun folgt demnächst der erste Longplayer "Notions". Erste Hörprobe daraus ist "Weekend Lovers", eine klassische Singer/Songwriter Nummer, die sich mit spärlichen Moog-Synthesizerklängen aufbauscht und eine Melodieführung innehat, die an frühere (gute) Pink Floyd-Song erinnert.



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Montag, 17. November 2014

NEW SONGS Vol.72: MOTHER MOTHER ... NO JAWS ... DIE ANTWOORD ... HOOKSWORMS

MOTHER MOTHER / Monkey Tree ... NO JAWS / Honey Kid ... DIE ANTWOORD / Ugly Boy ... HOOKWORMS / On Leaving

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MOTHER MOTHER / Monkey Tree


Mit dem Album "Eureka" bin ich 2011 auf diese Kanadier, die melodiösen Power-Indie-Pop spielen, aufmerksam geworden. MOTHER MOTHER aus Vancouver besteht aus den Geschwistern Ryan (Gesang / Gitarre) und Molly Guldemond (Gesang / Synthesizer), Bassist Jeremie Page, Ali Siadat am Schlagzeug und Jasmin Parkin (Gesang / Keyboard). 2005 begann die Band als Folk-Trio zu musizieren, dann wuchs die Band und auch der Sound. Schnell teilte man sich die heimischen Bühnen mit Größen wie Pearl Jam, Weezer , Spoon oder The Decemberist. Nach "Eureka" prophezeite ich der Band, dass sie auch bald in Deutschland als Headliner und nicht nur als Support glänzen dürften, aber leider blieben die Kanadier im europäischen Markt weiterhin unentdeckt.

Das 2012er Album "The Sticks" ging sogar an mir vorbei, umso mehr aber die Freude als ich auf das neueste Album "Very Good Bad Thing" stieß. Das neue Werk kann zwar nicht an "Eureka" heranreichen, es lässt sich aber auch nicht wirklich vergleichen, denn Mother Mother sind deutlich ruhiger und poppiger geworden. Was die Band aber weiterhin ausmacht, sind die ausgefeilten Melodien und für unverändert angenehme Abwechslung sorgt, dass Ryan und Molly sowohl als Solisten als auch Duettpartner bestens funktionieren.

Anspieltipps: Für Prefab Sprout-Liebhaber: "Alone and Sublime", "Reaper Man" für heimliche Roxette-Verehrer, die sich dann nicht schämen müssen, "Get out the Way" für Muse-Fans und für alle, die gutgelaunten Pop lieben "Monkey Tree".


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NO JAWS / Honey Kid

Wir sind hier nicht in Seattle und diese Jungs sind auch nicht Sonic Youth, aber die Zwickauer NO JAWS haben bei den alten Indie-Helden verdammt gut zugehört. Knarzende Gitarrenverstärker, es schrammelt an allen Ecken und Enden, vernuschelter Gesang, kurzum beeindruckend geschliffener NoiseRock.

Neben meinem Favorit "Honey Kid" tummeln sich auf dem unter dem eigenem Label Modern Guilt Records / Broken Silence veröffentlichten Debütalbum "Young Blood" noch einige Stücke, die einem wunderbar die Ohren bluten lassen. Zum Beispiel "Real Oh One", "Cabin Fever" und "Phalanx"!

Gerne mehr Marcus, Sami und Martin und schaut doch mal in Köln vorbei!


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DIE ANTWOORD / Ugly Boy

Getreu dem Rock-n-Blog-Motto "We are ugly but we have the music" zeigen die Südafrikaner wieder einmal, wie man großartige Videos macht. Man beachte die im Clip auftauchenden prominenten Gäste und zolle Applaus für Ninja, der erneut selbst im Regiestuhl saß!

Über die Musik vom Rap-Rave-Duo Ninja und ¥o-Landi Vi$$er lässt es sich manchesmal geteilter Meinung sein, aber die visuelle Ästhetik der Clips ist so einzigartig, dass man alle ohne Ausnahme im Museum of Modern Art vorführen sollte. Deswegen hier neben dem Video "Ugly Boy" aus dem aktuellen Album "Donker Mag" ein paar weitere Meisterwerke.















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HOOKWORMS / On Leaving

Der Bandname dieser neuen heißen Scheiße von der britischen Insel ist nicht schlecht gewählt. Hakenwürmer sind Tierchen, die sich in ihrer pathogenen Form beim Menschen im Darm und in der Lunge festsetzen. Festesetzen tun sich die HOOKWORMS aus Leeds auch, aber in den Ohren und zwar durch schleifenartige akkustische psychedelische Fuzz-Klänge.

Der Drone-Rock-Sound ist sehr nahe an dem, was Erik "Ripley" Jones unter dem Namen Wooden Shjips oder Moon Duo seit Jahren fabriziert, aber im Gegensatz zum Amerikaner zeigen die Briten wesentlich deutlicher Melodien, die würde man sie skelettieren wahrscheinlich sogar unter dem Label BritPop eingeordnet werden könnten.

Die Insel ist auf jeden Fall (wieder einmal) ganz aus dem Häuschen und feiert das zweite Album der Band als ekstaschisches Meisterwerk in der Tradition von Spiritualized. Von mir aus darf mitgefeiert werden! Zusatzpunkte gibt es für das sehr gute grafische Cover! Well done!


Hookworms - On Leaving (Official Audio) von domino
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Freitag, 14. November 2014

ARIEL PINK / Pom Pom

Schwierige Patienten erkennt man oft schon an den ersten Akkorden. ARIEL PINKs neues Album "Pom Pom" beginnt mit einem Song namens "Plastic Raincoats in the Pig Parade". Natürlich ist er wieder verpackt in der hohen Kunst des Low-Fi (das meine ich ernst) und neben allerlei Comicsounds verfügt er über eine veritable Kleinmädchenmelodie. So weit so gut.

Beim zweiten Song "White Freckles" assoziere ich russische Korsakentänze und bin ziemlich verstört, aber was soll man von "weißen Sommersprossen" auch sonst halten. Der nächste Song wartet mit einem bösartigen Beat auf und klingt wie die Vertonung eines Alptraumes, den man nie haben möchte, dazu eine Geisterorgel und Ariel auf den Spuren von Pink Floyd.

Nach drei Liedern ist klar, hier liegt ein schwerer Fall von Anti-Pop-Gebaren vor. Stellt sich nur die Frage, ist das Gebaren intuitiv, destruktiv oder latent agressiv? Kaum die Diagonse gestellt, verändert sich mit "Lipstick" die Verhaltensauffälligkeit des Patienten erneut. Klar erkennbare Popstrukturen, zwar billig produziert und verquert, aber in den Händen von Danger Mouse würde es wahrscheinlich ein TopTen-Hit für die Black Keys werden ;-). Ist etwa doch etwas Wahres daran, dass Ariel die ins Alter gekommene Popqueen Madonna mit Ideen befeuern soll? Liest du hier!

Bei "Not Enough Violence" liegt der Fall wieder klar auf der Hand. Patient Ariel hat die manische Phase hinter sich gebracht und fliegt nun über das Kuckucksnest direkt ins dunkle Loch der Depression. Klingt wie Sister of Mercy ohne Jim Steinmann im Tempel der Liebe oder New Model Army ohne Army.

So schnell wechselt sich der Zustand eines manisch-depressiven Patienten, gerade noch am Boden zerstört ist er bei "Put Your Number in My Phone" urplötzlich wieder gutgelaunt, verliebt und sammelt Telefonnummern für sein Handy. Wer verliebt ist, verbringt auch gerne mal eine ""One Summer Night"! Bei Herrn Ariel hört sich diese an, als würde eine Kassette mit A Flock of Seagulls-Songs, die zu lange in der Sonne gelegen hat auf einem Kinderkassettenrecorder, bei dem die Batterie kurz vor dem Tode steht, abgespielt. Verständlich?


Ariel Pink - Put Your Number In My Phone on MUZU.TV.

Nun geht es an den Strand. "Nude Beach A G-Go" klingt, als liege der Strand in einer Epoche, die bereits seit einigen Dekaden hinter uns liegt. Fifties, Sixties oder was auch immer. Danach wird gerockt! Die "Goth Bomb" schlägt mit schrillem Gitarrengewixe, direkt aus der Garage, auf die Zwölf. Ja, einfach und langweilig wird es mit Patient Ariel nie und es kommen noch 8 Songs!

Ganz sicher hat der Problempatient bei der Komposition des Liedes "Dinosaur Carebears"  im TV trashige Cartoons konsumiert und dabei rein pflanzliche marrokanische Produkte zu sich genommen. Liebe Kinder bitte nicht nachmachen! Welche Musikrichtung hatten wir noch nicht? Richtig, Reggae & Dub! Kann Herr Ariel natürlich auch, was er im selben Song ab 2:14 mit einem radikalen Bruch hin zum hyperrelaxtem SpaceDub beweist. Crazy little Thing called Ariel!

Hat man das Glück und das Doppelalbum als Vinylscheibe errungen, ist nun das Auflegen von Platte zwei gefragt und man hat etwas Zeit, um sich zu erholen ;-). Mit "Negativ Ed" geht es allerdings direkt wieder mit Vollgas in den kunterbunten schrillen überdrehten PsychedelicPunk-Bereich und die kurzfristige Atempause ist direkt wieder dahin. Aber vielleicht kann man sich ja bei sportlicher Betätigung wieder festigen? "Sexual Athletics" ist natürlich auch bekloppt, aber wer jetzt noch was anderes erwartet hat, ist selber schuld. Um dem Leser und momentanem Nichthörer ein virtuelles Bild im eigenen Kopf zu erzeugen, würde ich sagen, Ariel hat den perfekten Soundtrack für einen Porno aus den Siebzigern aufgenommen- also so mit unmengen Haaren am Körper und Blumen im Haar. Na, da gehen Ihre Kopfgedanken jetzt aber wirklich etwas weit!

Der Fernseher scheint auch beim nächsten Songwriting gelaufen zu sein, oder finde nur ich, dass "Jell-o" wie der Titeltrack zu einer albernen Sitcom sein könnte? Okay am Ende läuft der Song etwas aus dem Ruder, wahrscheinlich sollte die Medikation doch wieder etwas angepasst werden.


Ariel Pink - Black Ballerina (Audio) on MUZU.TV.

Nun tanzt die schwarze Ballerina. Schwarz bezogen auf die inneren oder äußeren Werte? Vielleicht verrät es Ariel beim nächsten Besuch auf der Couch oder aber Sie fragen Ihren Arzt oder Apotheker oder jemanden, der besser versteht, was der schwierige Patient bei "Black Ballerina" eigentlich besingt. Auf jeden Fall spielt die Geschichte in einem Stripclub und ein Großvater und ein Enkel sind auch mit von der Partie. Musikalisch kann man den Song vielleicht als LoFi-SpaceFunk einordnen, sounds like a Maxi-Single von Funkadelic auf 33 Umdrehungen.

Wieder eine ganz neue Komponente hat der Song "Picture Me Gone", nur wie lässt sie sich beschreiben? Kann sich der geneigte Leser vorstellen, wie Bombast-LoFi klingen könnte? Oder kennt er die ganz alten mit analogen Sythesizern gebastelten Sachen von Human League? Falls nicht, mal reinhören in "Reproduction" von 1979. Alternativ gehen sicher auch einge Songs von Gary Numan, aber bei beiden genannten Beispielen gilt, dass Ariel natürlich die Synthis eben so blubbern lässt, als wäre es eine prähistorische Aufnahme.

Und wieder ganz anders klingt der Song, wenn Ariel das Stück mit einem Chor interpretiert:



"Exile On Frog Street". Was man bei dem Songtitel erwartet, bekommt man auch. Alles! Vom melodiösen IndiePop bis zum Froschgequake! Vom Schafsgeblöke bis zum Märchenerzähler! Von der Opernsängerin bis zum Monumental-Filmsoundtrack! Der Patient scheint vom Wahnsinn verschlungen - was das Songende dramatisch unterlegt!

Wer die vorhergehenden 16 Songs tapfer weggesteckt hat, bekommt zur Belohnung zum Schluss mit "Dayzed Inn Daydreams" eine hochmelodiöse wunderbare Popnummer mit FlowerPower-Appeal serviert. Man, da hat der Ariel aber wieder was abgeliefert, was so weit vom Mainstream entfernt liegt wie Britney Spears vom guten Geschmack. Danke lieber Problem-Patient.



Mittwoch, 12. November 2014

ROLLING STONE Weekender 2014 - a personal review


Er stand irgendwie unter keinem guten Stern, der Rolling Stone Weekender 2014. Es begann damit, dass die netten Herren von der GDL einen Bahnstreik von Donnerstag bis Montag ausriefen. Der längste Bahnstreik der Geschichte und dann ausgerechnet am Wochenende des Jahres. F***! Nach ca. 1000 Whatsapp Nachrichten in der RS-Weekendergruppe legte sich die anfängliche Aufregung als endlich feststand, dass zumindest unser Hauptzug von Köln nach Hamburg plangerecht fahren sollte.

Plan B also nur für die Weiterreise von Hamburg nach Oldenburg/Holsten zum Weißenhäuser Strand. Züge fuhren zwar spärlich, aber erst so spät, dass wir sicher einige Acts des Festivals verpassen würden bis wir vor Ort wären. Busse? Zu kompliziert. Taxi für 12 Personen? Besser Großraumtaxi und warum nicht einfach mal da fragen, wo wir eigentlich den Transfer vom Bahnhof Oldenburg zum Festivalgelände klar gemacht hatten. Die Dame in der Telefonzentrale erwies sich als ausgesprochen freundlich und sehr hilfsbereit, der Preis von HH bis zum Ort des Geschehens war auch vertretbar, also stand fest, Taxi Lens holt uns direkt am Hauptbahnhof ab.

Wie geplant so geschehen und daraus ergab sich, dass wir es erstmals schafften, noch vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel zu sein - was auch seine Nachteile mit sich brachte, denn die Schlange für den Check war verdammt lang. Aber als RS Weekender erprobte Reisegruppe teilten wir uns auf in Ansteher und Einkäufer und mit einem Kaltgetränk in der Schlange lässt es sich dann auch gut warten bis man an der Reihe ist.

Wie befürchtet hatte sich die Sparpolitik der letzten Jahre fortgesetzt. War der Begrüßungs-Bag vor einigen Jahren noch aus Jute und prall gefüllt mit Goodies, gab es dieses Jahr zum ersten Mal eine schäbige Plastiktüte. Inhalt: Das RS-Magazin mit einer Vinyl-Single von Oasis und jede Menge Werbung :-(.

Zweiter Minuspunkt, obwohl wir angegeben hatten, dass die Appartements unserer 12 köpfigen Gruppe nahe beinander liegen sollen, wurden wir in ganz unterschiedlichen und weit auseinanderliegen Blocks untergebracht. Das wird schwierig mit dem gemeinsamen traditionellen Hühnerbrühe-Frühstück. Die Damen der Truppe erwischte es dann bezüglich des Zimmers nicht ganz zu ihrer Zufriedenheit, wobei die Herren, im 40m²-Apartment direkt im Backstage-Bereich gelegen, das große Los zogen. Meerblick um die Ecke und jede Menge Artists auf den Fluren und beim Catering. Bingo ;-)

Aber was zählt, ist die Musik, also alle schnell husch husch ins Appartment, Deo aufgelegt, neues T-Shirt an und dann Treffpunkt pünktlich zum Konzertbeginn von ROO PANES um 17:45 im Rondell - Nein an TRIGGERFINGER war keiner aus unserer Truppe interessiert - sagte ich noch nicht, dass wir über einen ziemlich guten Musikgeschmack verfügen.

Als mein treuer Konzertbegleiter C. und ich als erste im Rondell eintreffen, ist der englische Singer/Songwriter Andrew "Roo" Panes bereits auf der Bühne. Dass es sich um einen Solokünstler handelt, hatten wir nicht unbedingt erwartet, denn sein erst im Herbst diesen Jahres veröffentlichtes Soloalbum "Little Giant" glänzt unter anderem auch mit Chorgesängen und wunderbaren Celloklängen.

Nur mit Gitarre und ohne Bandunterstützung, wie heute Abend präsentiert, verloren die Songs leider etwas von ihrer melancholischen Note. Trotzdem schaffte es ROO PANES mit seiner vulominösen klaren Stimme die Menge andächtig lauschen zu lassen und unsere Damen, die mittlerweile auch im Rondell eingetroffen waren, zeigten sich schwer beeindruckt vom singenden Engländer, der im Erscheinungsbild irgendwo zwischen Mats Hummels und David Beckham einzuordnen ist.



Als Anspieltipp für alle, die sich nach ansehen des Clips von "Know me well" in den smarten Briten verliebt haben, empfehle ich die großartige Nummer "Tiger Stripped Sky". Nach dem erwärmenden musikalischen Empfang benötigte der Magen etwas Warmes und so ging es mit einer Bratwurst in Runde 2, ebenfalls im Rondell.

Der in einer kleinen Stadt in Australien geborene Australier Oliver Hugh Perry, ala D. D. DUMBO, hat sich schon bei unserem traditionellen WarmUp (ja, wir bereiten uns gut auf den Weekender vor) in meine Gehörgänge gegraben. Der Song "Walrus" war bei mir der mit Abstand am häufigsten gehörte Song der Playlist und exakt mit diesem Song startete Dumbo seinen Auftritt.

Aber, leider bekam der Tontechniker im Rondell es nicht wirklich hin, den sehr rhythmischen experimentellen orientalisch angehauchten Pop sauber klingen zu lassen. Die live gesampelten Sounds - fantastisch, was Dumbo da mit Händen und Füßen zauberte - klangen dumpf, die Stimme von Oliver Hugh Perry war zu leise ausgesteuert und ein nerviges Grundrauschen störte das Klangerlebnis. Trotzdem bleibt Dumbo eine der interessantesten musikalischen Entdeckungen des Jahres, da sich seine Musik nur schwer in Schubladen stecken lässt und etwas Einzigartiges hat. Obwohl live, nicht nur mir auffiel, dass seine Stimme eigentlich sehr klingt wie die von Sting - nur nicht so voluminös.



Nächste Station die Zeltbühne, wo THE UNDERTONES bereits ihre Show abzogen. Aber schon nach wenigen Minuten war uns allen klar, dass PunkRock im fortgeschrittenen Alter nicht wirklich funktioniert. Böse Zungen sprachen von dick gewordenen Herren, die sich noch mal in die Jeansjacke zwängen, um sich die Taschen zu füllen. Überhaupt, was soll das? Einen Sänger mit einer so markanten Stimme wie Feargal Sharkey kann man nicht ersetzen. Nachfolgend die Beweisführung!





Nach dem sehr enttäuschenden, aber erwartbaren Auftritt, der Undertones hieß es, so schnell wie möglich die Distanz zum Baltic Festsaal zu überbrücken, wo ST. VINCENT, mutmaßlich mit Dumbo der innovativste Akt des diesjährigen Weekenders, auf uns wartete. Der Festsaal war sehr gut gefüllt, man konnte dieses Jahr sogar für einen Euro seine Jacke an der Garderobe abgeben, und meine Erwartungshaltung an Anne Erin "Annie" Clark, die ihre Karriere als Mitglied von The Polyphonic Spree begann und bereits mit musikalischen Größen wie Sufjan Stevens und David Byrne musizierte, war riesengroß.

Copyright by Michael Nowottny
Ich nehme es vorweg Annie hat all meine Erwartungen übertroffen! Nachdem sie das Set mit dem Hit "Digital Witness" eröffnet hatte und damit allen Ballast hinter sich lies, spielte sie mit ihrer Band grandios auf. Spätestens als die asiatische Mitmusikerin an den Keys die Gitarre umschnallte und zusammen mit Annie die Gitarren sprechen lies, war ich hin und weg von der exzellenten Performance der Amerikanerin. Und was hat die Frau für eine Bühnepräsenz, wenn sie breitbeinig mit umgehängter Gitarre und den zurückgegelten blonden Haaren dem Publikum alles gibt, was es verlangt. That's Future Rock 'n' Roll!

Bevor es zum nächsten Act geht, noch etwas Manöverkritik an der Location. Die zahlreichen Umbauarbeiten, die zur Zeit im Park durchgeführt werden, waren ziemlich ärgerlich. Keine Toiletten innerhalb des Baltic Festssaals, d. h. man musste sich ggf. wieder anstellen, wenn die Blase zu sehr drückte, keine wirkliche Tanzfläche in der Indie-Disco im Witthüs (dazu später mehr) und auch hier kein Örtchen der Erleichterung. Bin sehr gespannt, wie das 2015 aussieht!



Copyright by Michael Nowottny
Nach diesem hochenergetischen und euphorisierendem Set von St. Vincent fiel es mir verdammt schwer, Sam Beam, alias IRON & WINE, auf der großen Zeltbühne konzentrierte Aufmerksamkeit zu schenken. Leider war es im Zelt auch so laut, dass man ständig durch irgendwelche Störgeräusche abgelenkt wurde und die leisen Töne und wunderbaren Geschichten des Mannes aus South Carolina nicht ihre übliche magische Wirkung entfalten konnten. Vielleicht wäre es doch besser gewesen mit Band anzutreten, denn nur mit Gitarre und einer weiblichen Gastsängerin lässt sich das Zelt heute Abend leider nicht in einen magischen Ort verwandeln.

Erneuter Location-Wechsel. Auf zum ersten Konzert im Witthüs. Aber was ist bitte hier passiert? Die Indie-Disco ist so gut wie entkernt! Wo sind die gemütlichen Sitzgruppen? Die Tanzfläche jetzt zwar deutlich größer, aber als Unterlage dient der blanke Estrich, die Bühne ganz hinten in die Ecke gequetscht, so dass im nun sehr geräumigen, aber verwinkelten Witthüs dank der Stützsäulen höchstens 50 Prozent der Zuschauer Sicht auf die Bühne haben. Grrrrr!

Nichtsdestotrotz lieferte die an der Seite von Glen Hansard durch den Film "Once" bekanntgewordene Tschechin MARKÉTA IRGLOVÁ einen höchst intensiven Auftritt ab. Man sah ihr einfach an, wie sehr sie die Musik liebt und wie sehr sie es genoß, ihre Musik dem Publikum vorzustellen. Zwar hatte der Rolling Stone in seiner Review das zweite Album "Muna" regelrecht zerrissen und als "zu kitschig" etikettiert, aber ich gehe jede Wette, der Autor dieser Rezension hätte sich an diesem Abend für seine Zeilen in Grund und Boden geschämt. Mag sein, dass man beim Hören Zuhause für zarte Songs wie "The Leading Bird" in der richtigen Stimmung sein muss, live nimmt einen die Tschechin aber augenblicklich bei der Hand und man folgt ihr bereitwillig in ihre heile kitschige Welt des Wohlklangs.


Marketa Irglova - The Leading Bird on MUZU.TV.

Die Höhepunkte des eindringlichen Auftritts, den Markéta mit einem Bassisten (The Frames!) und zwei weiteren Damen, davon eine an einem orientalischen oder afrikanischen Schlaginstrument, absolvierte, waren das dramatische "Fortune Teller" und das Oscar-prämierte Once-Song "Falling Slowly". Ein Gänsehautmoment - auch wenn wieder einige Torfnasen nicht den Schnabel halten konnten.

Und wieder ein krasser Wechsel, denn auf der Zeltbühne trieben bereits SELIG ihr Unwesen. Es herrschte bierselige Laune und es waren sicher viele Menschen anwesend, um die alten Stücke der Band noch einmal zu hören, glaube ich zumindest, denn bei den neuen Stücken vom aktuellen Album "Magma" sollten sich Freunde deutschsprachiger Rockmusik eher mit Grauen abwenden. Ich kenne das Album nicht wirklich, aber nach dem dritten Song, der so klingt als wolle Selig demnächst hier beim Schlager-Festival auftreten, wurde es mir zu viel. Wirklich schade, denn Sänger Jan Plewka hat eigentlich alles was man braucht, um den Rockstar zu geben, aber der ganze Auftritt wirkte so, als könne er sich nicht entscheiden zwischen stinkendem Fisch (=Schlager) und saftigem Fleisch (=Rock). Ich gönnte mir noch ein Stück Fleisch am Bratwurststand und zog Richtung Witthüs, wo traditionsgemäß ab 00:30 die Indie-Disco ihre Pforten öffnet.

Als ich im Witthüs aufschlage, ist der altbekannte DJ Flippo gerade dabei, im improvisierten Raum den Sound in die richten Bahnen zu lenken. Nur eine fette Boxenwand strahlt vom DJ-Pult in Richtung Tanzfläche, da heißt es sicherlich, besser vorne bleiben, um nicht im Soundmatsch zu versinken. Nach und nach trödeln die meisten meiner Mitstreiter bei der After-Show-Party ein und zu alten Helden werden die Beine bewegt - obwohl diese durch den langen Konzertmarathon eigentlich schon nach Entlastung schreien. Das DJ-Set macht wie immer Spaß, obwohl der Meister an den Turntables mir an diesem Abend zu sehr an den alten Helden klebt. Nur weil hier ein, nennen wir es gereifteres Publikum ist, muss nicht alles aus der Mottenkiste stammen. Inspiration für den Weekender 2015 darf Flippo gerne mal in der legendären INDIE-DISCO-PLAYLIST suchen, wo sich neben Altbewährtem auch reichlich aktuelle Songs tummeln ;-). Aber am Ende waren wir doch wieder, bis die Lichter angingen vor Ort und als Rauswerfer war Peterlicht mit "Sonnendeck" für uns Kölner natürlich ein krönender Abschluss.

Tag zwei des Weekender beginnt traditionell mit einem gemeinsamen Frühstück mit Hühnerbrühe. Da die Damen dieses Mal mit ihrem Zimmer die A****-Karte gezogen hatten, wurde das Herren-Apartment im Backstage-Bereich zum Frühstücksort deklariert. Aber natürlich kann man da als Nichtbesitzer eines blauen Schlüssels nicht einfach hineinmarschieren, weswegen wir die mit Frühstücksutensilien beladenen leicht aufgebrachten Damen beim Security-Check durchwinken mussten :-).

Frisch gestärkt geht es anschließend zum obligatorischen Strandspaziergang. Das Wetter ist ausgezeichnet, aber der viele Sauerstoff und der Kater passen irgendwie nicht so gut zueinander, weswegen ich mit C. beschließe, erst einmal nach schwarzem Gold, sprich Vinyl, zu graben. Die Preise in der Plattenmeile sind fair und so wandern schnell einige Scheiben ins Gepäck, so dass wir es noch pünktlich zum Anpfiff für die Bundesliga zum Hotel schaffen.

Dort ist noch alles beim Alten. Der Service unglaublich langsam, die Kölner gewinnen und Schalke verliert - wie immer beim Weekender. Wir verlassen aber natürlich schon zur Halbzeit den Fußballbereich, um als erste Band des heutigen Tages die EAGULLS im Rondell zu erleben. Das Rondell ist zum Bersten voll und die Band aus Leeds bringen mich mit ihrem PostPunk à la The Cure schnell wieder auf Betriebstemperatur. Die Band rockt gut, der Sound passt, aber den Eagulls fehlt es definitiv an Songwritingqualitäten, denn lediglich die Nummer "Tough Luck" beweist so etwas wie Eigenständigkeit. Der Rest klingt, auch durch die Intonation des Sängers, so nach Robert Smith und Gefährten, dass sie C. sogar als Schüler-Coverband tituliert. Ähhhh, soweit würde ich dann doch nicht gehen.



Leider verlangen die geschwächten alten Körper nach fester Nahrung und da eine Bratwurst-Überdosierung droht, beschließen wir zum ersten Mal beim Weekender was richtiges Essen zu gehen. Die Wahl fällt auf das Dschungelrestaurant und dies war die absolut richtige Entscheidung. Die Burger mit scharfer Soße und Fritten sind exzellent. Die Bedienung freundlich, pfiffig und schnell und das Ambiente mit sich ständig bewegenden Tierfiguren ist mal was anderes.

Magen voll, weiter geht es. Kurzfristig haben Timber Timbre und Arc Iris Zeit und Location getauscht, weswegen wir uns als nächstes ins Witthüs begeben. Die Beleuchtung ist sehr spärlich, lediglich die Bühne ist in dezentes rotes Licht getaucht und am ganzen Festivalgelände sind Infozettel zu lesen auf denen steht, dass die Herren von TIMBER TIMBRE nur bei den ersten beiden Songs das Fotografieren erlauben.

Wir sind anscheinend beim dritten Song eingetroffen, denn mit stinkwütendem Gesicht und einem ausgetrecktem "Fucker" in Richtung eines Knipsers zeigt Sänger Taylor Kirk wie ernst es ihm mit diesem Anliegen ist. Keine Ahnung warum? Sooo scheiße sieht der ältere Herr mit spärlichem Haaransatz gar nicht aus. Ich entschließe mich aber doch die Kamera stecken zu lassen, als er nach dem nächsten Song schon wieder darauf hinweist, dass der nächste Knipser sein blaues Wunder erleben kann und er keinen Spaß macht!

Dieses hohe Aggressionpotential ist beim Weekender sehr ungewöhnlich, passt aber hervorragend zum diabolischen Blues- und FolkRock der Kanadier. Wir sind jedenfalls höchst angetan und ich versichere, dass das aktuelle Album "Hot Dreams" in meinen Alben des Jahres nach diesem exzellenten Auftritt einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht hat. Nicht nur wegen des Meisterstückes "Curtains?!"! Und es gibt noch vier Alben im Backkatalog zu entdecken!



Die Schlange vor dem Baltic Festsaal, wo bereits Gisbert zu Knyphausen spielt, ist mir zu lang und so entscheide ich mich mit einem weinenden Auge direkt weiter zum Zelt zu gehen, schließlich wartet dort mit den BLOOD RED SHOES ein echter Augen- und Ohrenschmaus der Güteklasse A. Ich bin schon zeitig vor Ort und muss es über mich ergehen lassen, mit Selig-Mucke beschallt zu werden. Als das Duo aus Brighton die Bühne betritt, sind auch schon einige Mitstreiter wieder eingetroffen, was gut ist, denn Laura-Mary Carter und Steven Ansell treten von Anfang an direkt auf das Gaspedal. Der vom Schlagzeug getriebene Rock lässt die Köpfe im Publikum bangen und man weiß gar nicht, wohin man schauen soll, so viel passiert da auf der Bühne, obwohl da doch nur zwei Menschen agieren.

Wirklich sehr beeindruckend, wie Steven Ansell seine Drums bearbeitet, dabei singt, den Entertainer gibt und sogar noch Luft findet, um auf Boxen zu klettern, um dem Publikum weiter einzuheizen. Und ihm gegenüber die vom Äußeren zerbrechlich wirkende Laura-Mary Carter, die im sehr femininen Outfit an der Gitarre rockt und den Headbanger gibt. Großartigster Moment "I wish I was someone better"! Klasse Show, fette Musik. Abgeliefert. Besten Dank!




Nach der geballten Ladung Rock zogen wir in Richtung Baltic Festsaal um Jeff TWEEDY & Sohn zu beehren. Der Frontmann von Wilco war ja bereits mit seiner Band schon einmal beim Weekender und es war damals ein phantastischer Auftritt der Band. Zusammen mit seinem Sohn wollte der Funke im Festsaal allerdings nicht wirklich überspringen. Ich kann wirklich nicht sagen, woran es lag, auf dem  Doppel-Album "Sukierae" befinden sich einige exquisite Songs, aber an diesem Abend kamen wir leider leider nicht zusammen. Also weiter ins Witthüs zu MISTER & MISSISSIPPI.

Wie ich mittlerweile weiß, stammt die Band um die - das waren wir uns alle einig - verdammt gutaussehende Sängerin Maxime Barlag aus den Niederlanden. Dort schafften es MISTER & MISSISSIPPI mit ihrem Debütalbum in den Alternative - u. iTunes-Charts auf die Spitzenposition. Im Vorfeld war mir die Band nicht wirklich ins Auge gefallen, aber der melancholische FolkPop entfaltete im Witthüs seine Wirkung, so dass der Auftritt der Niederländer zu einem Highlight des diesjährigen Weekenders wurde. Schönster Moment war ganz klar die Nummer "Northern Sky" und als die Band  zum Schluss ins Publikum ging um dort akustisch einen Song zu Gehör bringen . Endlich war es mucksmäuschenstill im Witthüs - ehe tosender Applaus einsetzte. Denke, man sieht sich am 19ten März 2015 im Club Bahnhof Ehrenfeld in Köln!



Dass es ganz sicher beim nächsten Act, THE FELICE BROTHERS nicht so ruhig und besinnlich zu gehen würde, war klar, aber dass die aus drei Brüdern und zwei Freunden bestehende Band aus New York mit ihrem schrägen CountryRock das Rondell abreisen wollten, war dann doch etwas unerwartet. Diese Jungs haben unglaublichen Spaß beim Musik machen und das sieht man Ihnen an! Der Mann an der Fidel zappelte wild durch das ganze Konzert, so dass man befürchten musste, er wäre auf Ritalin-Entzug, der Akkordeon-Spieler grinste stets überglücklich und der Bassist verschlang beim Spielen einen Zahnstocher während er einen Gesichtsausdruck zeigte als wäre er in gaaanz anderen Sphären.

Großartig, ich habe zwar kaum einen Song wiedererkannt - und ich besitze die letzten beiden Platten der Band - aber ich fühlte mich absolut perfekt unterhalten. Hätte wirklich nie vermutet, dass die Band live ganz anders klingt als auf Konserve, wo die Instrumentenvielfalt zugunsten der Arrangements deutlich weniger zu Tage tritt.

Finale! Finale! Aber leider nicht mit der gewohnten geballten Ladung, da eine Krankheit den Gitarristen THE EDITORS lahmgelegt hatte und wir bereits wussten, dass uns ein außergewöhnliches  Akustik-Set der Band aus Birmingham erwartete. Ich war sehr sehr gespannt, denn beim letzten erlebten Live-Auftritt im Kölner E-Werk war ich anschließend klitschnass, weil sich das Auditorium innerhalb kürzester Zeit in eine hüpfende Masse verwandelt hatte.

Die Bühne dekoriert mit gelben Rosen, saß Sänger Tom Smith auf einem Barhocker mit einer akkustischen Gitarre in der Hand begleitet von einem Bandmitglied am Flügel, einem an den Keys und einem am Schlagzeug. Es war schon sehr ungewohnt, statt des fetten Editor-Sounds dieses skeletiertte Set zu erleben. Aber für eine so kurzfristig arrangierte Geschichte machten Smith und seine Mannen die Sache erstaunlich gut, was nicht zuletzt daran lag, dass Smith über eine kraftvolle Stimme verfügt. Besonders umjubelt wurden natürlich trotzdem die altbewährten Nummern wie "Smokers Outside the Hospital" und bei der Zugabe "Papillon". Sehr unwahrscheinlich, dass man die beiden Hits in einem solchen Arrangement jemals wieder hören wird - also ein historischer Moment!



Und dann gab es auch eine Covernummer, die man von der Band sicher auch nicht erwartet hätte:



Bevor es zur After-Show-Party geht, mein persönliches Fazit des Weekenders 2014: Der Samstag war deutlich stärker als der Freitag, die ganz großen Überraschungen blieben dieses Mal aus und für das nächste Jahr darf natürlich wieder ein besserer Stern über dem Weekender stehen.

Meine Top5 in diesem Jahr: 1. ST. VINCENT 2. TIMBER TIMBRE 3. BLOOD RED SHOES 4. FELICE BROTHERS 5. MARKETA IRGLOVA + MISTER & MISSISSIPPI

Zum Schluss noch mal ordentlich Abtanzen im Witthüs, wo DJ Flippo dieses Mal etwas mehr aktuelle Songs in sein Set einbaute als am Vorabend. Kurz nach drei strichen wir, ausnahsmweise vor dem Einschalten des Lichtes, die Segel und verliesen das Witthüs. Das war wohl Schicksal, denn draußen stand MISSISSIPPI und so beschloss ich, das diesjährige Festival mit einem Schnappschuss mit der hübschen Holländerin - auf dem mir allerdings anzusehen ist, dass ich nicht mehr ganz taufrisch war - zu krönen. Was lacht eigentlich der jüngere Bruder von Ron Sexsmith im Hintergrund so komisch ;-).

Tschö und bis zum nächsten Mal und ich hoffe Thees Uhlmann geht es wieder besser "Nur der HSV!"

Ö


Die  BANDS im Schnelldurchlauf:

ROO PANES im Rondell
D. D. Dumbo im Rondell
THE UNDERTONES auf der Zeltbühne
ST. VINCENT im Baltic Festsaal
IRON & WINE (Solo) auf der Zeltbühne
MARKETA IRGLOVA im Witthüs
SELIG auf der Zeltbühne

EAGULLS im Rondell
TIMBER TIMBRE im Witthüs
BLOOD RED SHOES auf der Zeltbühne
JEFF TWEEDY im Baltic Festsaal
MISTER & MISSISSIPPI im Witthüs
FELICE BROTHERS im Rondell
EDITORS auf der Zeltbühne

Mittwoch, 5. November 2014

NEW SONGS Vol. 71: THE DEAD WEATHER ... 1000 GRAM ... BELLE AND SEBASTIAN ... THE ORCHIDS

THE DEAD WEATHER / Buzzkill(er) ... 1000 GRAM / Really Need Someone  ... BELLE AND SEBASTIAN / The Party Line ... THE ORCHIDS / Hey! Sometimes!

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THE DEAD WEATHER / Buzzkill(er)


Nicht so knackig und eindrucksvoll wie die letzte Veröffentlichung (Review), aber der Appetit auf ein neues Studioalbum wächst von Häppchen zu Häppchen.

Also sehr geehrte Frau Mosshart und hochverehrter Herr White, wie wäre es mit einem neuen DEAD WEATHER-Album noch vor Weihnachten? Kann ja gerne zeitgleich mit der Veröffentlichung der dritten versprochenen Single geschehen. Daaaanke :-).


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1000 GRAM / Really Need Someone

Heute als Empfehlung mal ein Augenschmaus für die Damen. Bauchtanz betreibende Männer sind ja eher die Ausnahme, aber die Band 1000 GRAM aus Schweden und Deutschland zeigt mit ihrem Clip zu "Really Need Someone", dass in diesem Tanzstil durchaus noch Potential im Verborgenen liegt.

Gutgelaunter IndiePop auf internationalem Niveau, dem im Vergleich zur hier vorgestellten Singleauskopplung auf dem in Kürze erscheinendem Album "Dance" im besten Falle noch ein paar Ecken und Kanten zugefügt werden.


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BELLE AND SEBASTIAN / The Party Line

Seit dem Meisterwerk "The Boy with the Arab Strap" ist die britische Band BELLE AND SEBASTIAN ja eigentlich unantastbar, aber die Disco-Nummer "The Party Line" ist dann doch ein bisschen viel für meine Ohren. Der Song groovt ganz nett, hat natürlich Ohrwurmcharakter, bleibt aber im Großen und Ganzen leider ein ziemlich belangloses Stückchen DancePop.

Hoffentlich geht die für Januar 2015 angekündigte Platte "Girls in Peacetime Want to Dance" nicht komplett in diese Richtung. Aber der ziemlich dämliche und an der Realität vielerorts vorbeigehende Titel lässt nichts Gutes erwarten. Und dass die Broken Bells fast genau vor einem Jahr, also im Januar 2014, ebenfalls ein Dance-Album ("After the Disco") herausbrachten macht die Sache auch nicht besser. I hope and pray!



Belle and Sebastian - The Party Line on MUZU.TV.
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THE ORCHIDS / Hey! Sometimes!

Eigentlich sind die Schotten von THE ORCHIDS in den News fehl am Platze. Erstens, weil die Band sich bereits 1986 in Glasgow gründete, zweitens weil die Band sich 1995 auflöste und in 2010 mit dem Album "The Lost Star" einen Comeback-Versuch wagte, der ziemlich wenig Beachtung fand und drittens, weil die Musik der Band eigentlich unglaublich altbacken und konform klingt.

Der Knackpunkt ist "eigentlich", denn von Songwriting versteht die Band eine ganze Menge! Der in dicke Wattepäuschchen voll Melancholie getränkte Pop auf dem neuen Album "Beatitude#9" ist hervorragend produziert und lässt im tristen Herbst ein wunderbares Sommerfeeling aufkommen.

Anspieltipps für Freunde von Bands wie Deacon Blue und Prefab Sprout: "Hey! Sometimes", "And when she smiled", "She's just a Girl"


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